Schriftstudien – Band 1: Der göttliche Plan der Zeitalter |
Studie 10
Geistige und menschliche Naturen verschieden und auseinander zu halten
Gewöhnlich vorkommende falsche Auffassungen. – Irdische oder menschliche und himmlische oder geistige Naturen. – Irdische und himmlische Herrlichkeit. – Was lehrt die Bibel über Geistwesen? – Sterblichkeit und Unsterblichkeit. – Können sterbliche Wesen ewiges Leben haben? – Gerechtigkeit bei der Verleihung von Gnaden. – Ein vermeintlicher Grundsatz untersucht. – Mannigfaltigkeit bei Vollkommenheit. – Gottes unbestreitbares Recht. – Was Gott für den Menschen bereitet hat: „Ein schönes Erbteil.” – Die Auswahl Leibes Christi. – Wie die Verwandlung ihrer Natur bewirkt wird.
Es wird von den meisten Christen zu erkennen verfehlt, dass in Gottes Plan der gesamten Menschheit eine Wiederherstellung zu ihrem „vorigen Zustand”, nämlich zu der in Eden verlorengegangenen Vollkommenheit, zugedacht ist, und dass die christliche „Kirche” dagegen, als Ausnahme von diesem allgemeinen Plan und als Zugabe dazu, eine Verwandlung der Natur, von der menschlichen zur geistigen, erfahren soll. Dies ist der Grund, warum die Christenheit allgemein annimmt, dass niemand gerettet werden wird, außer wer zur geistigen Natur gelangt. Die Schrift dagegen, obwohl sie von Verheißungen des Segens, Lebens und einer Wiederherstellung für alle Geschlechter der Erde redet, verheißt nur der Kirche, die während dieses Evangeliums-Zeitalters ausgewählt wird, diese Verwandlung zur geistigen Natur, und nicht eine einzige Schriftstelle kann gefunden werden, die solche Hoffnung irgend für andere unterstützt.
Wenn die gesamte Menschheit von all dem Verderben: Krankheit, Schmerz, Elend und Tod, das von der Sünde herkommt, gerettet und zu dem Zustand der vor dem Falle genossenen menschlichen Vollkommenheit wiederhergestellt ist, wird sie ebenso tatsächlich und vollständig von jenem Falle geheilt sein, wie dies bei denen der Fall ist, die unter der besonderen, während des Evangeliums-Zeitalters ergangenen, „himmlischen, hohen Berufung”, der „göttlichen Natur teilhaftig werden”.
Missverständnisse darüber, was einen vollkommenen Menschen ausmacht, falsche Begriffe über die Ausdrücke sterblich und unsterblich und verkehrte Vorstellungen über Gerechtigkeit haben gemeinsam zu besagtem Irrtum beigetragen, und viele sonst leicht verständliche Schriftstellen sind auf diese Weise verdunkelt worden. Eine ziemlich allgemeine, doch von keiner einzigen Schriftstelle gestützte Ansicht ist, dass es auf Erden nie einen vollkommenen Menschen gegeben habe, dass alles, was man vom Menschen auf Erden sieht, nur der teilweise entwickelte Mensch ist; und dass er, um vollkommen zu werden, geistig werden müsse. Diese Ansicht bringt die ganze Schrift in Verwirrung, statt ihre Harmonie und Schönheit klarzulegen, was geschehen würde, wenn man „das Wort der Wahrheit recht teilte”.
Die Schrift lehrt, dass es zwei, aber auch nur zwei vollkommene Menschen gegeben hat, Adam und Jesus. Adam war im Bilde Gottes erschaffen; ein Ebenbild in dem Sinne, dass er ähnliche Kräfte der Vernunft des Gedächtnisses, des Urteils und des Willens und die moralischen Eigenschaften der Gerechtigkeit, Liebe usw. besaß. „Von der Erde und irdisch” war er ein irdisches Ebenbild eines geistigen Wesens und besaß Eigenschaften derselben Art, jedoch weit verschieden an Grad, Umfang und Ausdehnung. In solchem Grad ist der Mensch ein Ebenbild eines geistigen Wesens und besaß Eigenschaften derselben Art, jedoch weit verschieden an Grad, Umfang und Ausdehnung. In solchem Grad ist der Mensch ein Ebenbild Gottes, dass Gott noch zu dem gefallenen Menschen sagen kann: „Kommt, lasst uns miteinander rechten.” (Jes. 1:18)
Wie Jehova der Herrscher des Weltalls ist, so wurde der Mensch zum Herrscher über alle irdischen Dinge gemacht: „Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen in unserem Bild, nach unserem Gleichnis, dass sie herrschen über die Fische des Meeres und über das Gevögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde, über alles Gewürm, das sich auf der Erde regt.” (1. Mose 1:26). Mose sagt uns (1. Mose 1:31), dass Gott den Menschen, den er gemacht hatte (nicht nur zu machen angefangen, sondern vollendet hatte), als „sehr gut” erkannte, das heißt, als vollkommen; denn nichts weniger als Vollkommenheit ist in Gottes Augen „sehr gut”.
Die Vollkommenheit, zu welcher der Mensch erschaffen war, wird in Psalm 8:4-8 zum Ausdruck gebracht:
„Was ist der Mensch, dass du sein gedenkst, |
Es ist von solchen, die die Bibel einer Anschauung der Evolutionstheorie anpassen möchten, die Vermutung aufgestellt worden, wie es auch die lutherische Übersetzung wiedergibt, dass die Aussage ein „wenig” in Hebr. 2:7 so verstanden werden könne, dass sie meine: eine kleine Weile niedriger, und nicht einen kleinen Grad niedriger als die Engel. Es ist aber für solche Auslegung kein Grund vorhanden. Es handelt sich nur um eine Anmerkung bei Psalm 8:5 in der Elberfelder Bibel, und ein genauer Vergleich des hebräischen und griechischen Textes kann keinen Zweifel betreffs des Sinnes übriglassen: Dem Grade nach ein wenig niedriger als Engel.
David weist in dem angeführten Psalm auf den Menschen in seinem ursprünglichen (adamitischen) Zustand hin und deutet prophetisch an, dass Gott seinen ursprünglichen Plan, den Menschen nach seinem eigenen Bild als König der Erde zu haben, nicht aufgegeben habe, sondern dass er seiner gedenken, ihn erlösen und wiederherstellen wird. Der Apostel (Hebr. 2:7) lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die gleiche Tatsache hin - dass Gottes ursprünglicher Vorsatz nicht aufgegeben sei; dass des Menschen, der ursprünglich groß und vollkommen, der König der Erde war, gedacht werden solle, dass Gott sich seiner annehmen und ihn wiederherstellen werde, und es fügt dann hinzu: Diese verheißene Wiederherstellung sehen wir noch nicht, aber was wir sehen, ist der erste Schritt, den Gott zu ihrer Erfüllung getan hat. Wir sehen Jesus mit dieser Ehre und Herrlichkeit einer vollkommenen Menschheit gekrönt, damit er als ein angemessenes Lösegeld, oder als Stellvertreter von Gottes Gnade den Tod schmeckte für jedermann und so den Weg zur Wiederherstellung des Menschen zu allem, das verloren war, eröffnete. Die genaue Wiedergabe des Grundtextes dieser Stelle in der Elberfelder Übersetzung lautet: „Denn ein wenig hast du ihn geringer gemacht als die Engel.”
Auch den Schluss sollte man nicht ziehen, dass dem Grade nach ein klein wenig niedriger etwas weniger vollkommen bedeutet. Ein Geschöpf kann vollkommen und doch auf geringerer Wesensstufe als ein anderes sein. So ist z. B. ein vollkommenes Pferd niedriger als ein vollkommener Mensch usw. Es gibt eben verschiedene Naturen, belebte und unbelebte. Um dies zu verdeutlichen, verweisen wir auf die folgende Tabelle:
Stufen von himmlischen oder geistigen Wesen | Stufen von irdischen oder tierischen Wesen | Stufen im Pflanzenreich | Stufen im Mineralreich |
Göttlich | Mensch | Bäume | Gold |
— | Tier | Sträucher | Silber |
— | Vögel | Gräser | Kupfer |
Engel | Fisch | Moos | Eisen |
Jedes der angeführten Minerale kann rein sein, doch steht das Gold am höchsten. Und wenn auch jede der Pflanzenarten bis zur Vollkommenheit gebracht wäre, so würden sie doch immer noch in Natur und Grad verschieden sein. Ebenso mit den Tieren; wenn jede Gattung vollkommen geworden wäre, würde doch noch Verschiedenheit sein; das Vervollkommnen einer Natur verändert dieselbe nicht. (Wir gebrauchen das Wort Natur oftmals in einem nicht eigentlichen oder angepassten Sinn, wie z.B. wenn wir sagen, dass ein Hund eine wilde oder ein Pferd eine sanfte oder eine bösartige Natur habe. Aber wenn es so gebraucht wird, dann dient es nur zur Bezeichnung der Anlage oder der Eigenart des Beschriebenen und bezieht sich nicht im eigentlichen Sinne auf die Natur.) So ist es auch mit den Graden unter den geistigen Wesen; obwohl vollkommen, stehen sie in der Natur oder der Art nach zueinander im Verhältnis von höher und niedriger. Die göttliche Natur ist die höchste und über alle anderen erhaben. Christus war bei seiner Auferstehung „so viel besser geworden” als vollkommene Engel, als die göttliche Natur über der Natur der Engel steht (Hebr. 1:3-5).
Wenn nun auch die in vorstehender Tabelle angeführten Klassen verschieden und auseinander zu halten sind, so ist doch zu beachten, dass folgender Vergleich zwischen ihnen angestellt werden kann: Der höchste Grad der Minerale ist geringer oder „ein wenig niedriger” als die niedrigste Form der Pflanzenwelt; denn Pflanzen haben Leben. So ist die höchste Form der Pflanzen „ein wenig niedriger” als die niedrigste Form des tierischen Lebens, weil tierisches Leben sogar in seiner niedrigsten Form Intelligenz genug hat, sich seines Daseins bewusst zu sein. Und so gleichfalls mit dem Menschen. Obgleich er das höchste der tierischen oder irdischen Wesen ist, so ist er doch „ein wenig niedriger als die Engel”, weil Engel geistige oder himmlische Wesen sind.
Ein wunderbarer Unterschied besteht zwischen dem von der Sünde heruntergekommenen Menschen, wie wir ihn jetzt kennen, und dem vollkommenen Menschen, den Gott in seinem Bild erschuf. Die Sünde hat nach und nach seine ganze Erscheinung, wie auch seinen Charakter verändert. Hunderte von Geschlechtern haben durch Unwissenheit, Zügellosigkeit und allgemeine Verderbnis die Menschheit so befleckt und entstellt, dass das Ebenbild Gottes bei der großen Mehrzahl fast ausgelöscht ist. Die moralischen und geistigen Eigenschaften sind am Wachstum verhindert, und die tierischen Triebe sind so übermäßig entwickelt, dass sie nicht mehr von den höheren im Gleichgewicht gehalten werden. Der Mensch hat seine körperlichen Kräfte in solchem Grade verloren, dass seine durchschnittliche Lebensdauer trotz aller Hilfe von Seiten der medizinischen Wissenschaft nur etwa dreißig Jahre zählt, während er zuerst, unter der nämlichen Strafe stehend, neunhundert und dreißig Jahre lebte. Aber dieser durch die Sünde befleckte und durch deren in ihm wirkende Strafe, den Tod, verderbte Mensch soll während der tausendjährigen Herrschaft Christi und durch sie zu seiner ursprünglichen Vollkommenheit des Geistes und Leibes und zu seiner ehemaligen Herrlichkeit, Ehre und Herrschaft wiederhergestellt werden. Das, was durch Christum wiederhergestellt werden soll, ist das, was durch Adams Übertretung verloren ging (Röm. 5:18, 19). Der Mensch hat kein himmlisches, sondern ein irdisches Paradies verloren. Unter der Todesstrafe verlor er kein geistiges, sondern ein menschliches Dasein; und alles, was verloren war, ist durch seinen Erlöser, der erklärte, dass er gekommen sei zu suchen und zu retten, was verloren war, zurückgekauft worden ( Luk. 19:10).
Hierzu kommt noch ein anderer Beweis dafür, dass ein vollkommener Mensch kein geistiges Wesen sein kann; es wird uns berichtet, dass unser Herr, ehe er seine Herrlichkeit verließ, um Mensch zu werden, „in göttlicher Gestalt”, in einer geistigen Gestalt, ein Geistwesen war, dass er aber, um für die Menschheit das Lösegeld werden zu können, die menschliche Natur des Sünders annehmen musste, dessen Stellvertreter er im Tode werden sollte. Daher war es notwendig, dass er seine Natur wechselte; und Paulus sagt uns, dass er nicht die Natur der Engel annahm, eine Stufe niedriger als seine eigene, sondern zwei Stufen herabkam und die Menschennatur annahm, ein Mensch wurde; er „ward Fleisch”. - Hebr. 2:16; Phil. 2:7, 8; Joh. 1:14
Beachte, dass dies nicht nur lehrt, dass die Engel-Natur nicht die einzige Ordnung unter den Geistwesen ist, sondern auch, dass sie eine niedrigere Natur ist, als die unseres Herrn, ehe er Mensch wurde. Und zu jener Zeit war er noch nicht so hoch, wie er jetzt ist; denn Gott hat ihn „erhöht”, „hoch erhoben” (Phil. 2:8, 9), weil er in freiwilligem Gehorsam des Menschen Lösegeld wurde; er ist jetzt von der höchsten Ordnung der Geistwesen; ein Teilhaber der göttlichen Natur, der Natur Jehovas.
Aber hiermit ist uns nicht nur bewiesen, dass die göttlichen, die engelischen und die menschlichen Naturen verschieden und auseinander zuhalten sind, sondern auch, dass ein vollkommener Mensch sein nicht bedeutet, ein Engel zu sein, so wenig wie ein vollkommener Engel sein voraussetzt, dass Engel Jehova gleich werden müssten; denn Jesus nahm nicht die Natur der Engel an, sondern eine davon verschiedene Natur, die Menschennatur; nicht die unvollkommene menschliche Natur, wie wir sie jetzt besitzen, sondern die vollkommene. Er wurde ein Mensch: nicht ein verderbtes und nahezu totes Wesen, wie es bei jedem Menschen jetzt der Fall ist, sondern ein Mensch in voller Kraft der Vollkommenheit.
Ferner, Jesus musste ein vollkommener Mensch gewesen sein, sonst hätte er kein vollkommenes Gesetz halten können, welches das volle Maß der Leistungsfähigkeit eines vollkommenen Menschen erfordert. Und er musste ein vollkommener Mensch gewesen sein, sonst hätte er kein Lösegeld (griechisch Antilytron, d.h. entsprechender Preis) (1. Tim. 2:6) für das verwirkte Leben des vollkommenen Menschen, Adam, geben können: „Wie durch einen Menschen der Tod kam, so auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten.” (1. Kor. 15:21) Wäre er im geringsten Grade unvollkommen gewesen, so hätte das den Beweis geliefert, dass er der Verurteilung unterworfen war, und dann hätte er kein annehmbares Opfer sein, noch Gottes vollkommenes Gesetz vollkommen halten können. Ein vollkommener Mensch war auf die Probe gestellt, hatte sie nicht bestanden und wurde verurteilt; und nur ein vollkommener Mensch konnte als der Erlöser den entsprechenden Kaufpreis zahlen.
Nun steht die Frage in anderer Form klar vor uns, nämlich: Wenn Jesus im Fleische ein vollkommener Mensch war, wie die Schrift es lehrt, beweist das nicht, dass ein vollkommener Mensch ein menschliches, fleischliches Wesen ist und nicht ein Engel, sondern ein wenig niedriger als die Engel? Die logische Schlussfolgerung ist unverkennbar; und außerdem haben wir die inspirierte Aussage des Psalmisten (Ps. 8:4-8) und die Bezugnahme des Apostel Paulus darauf in Hebr. 2:7-9.
Auch war Jesus nicht etwa eine Mischung der beiden Naturen, der menschlichen und der geistigen. Das Vermengen zweier Naturen bringt weder die eine noch die andere hervor, sondern ein unvollkommenes, bastardartiges Ding, welches der göttlichen Einrichtung zuwider ist. Als Jesus im Fleische war, war er ein vollkommenes, menschliches Wesen; vorher war er ein vollkommenes, geistiges Wesen; und seit seiner Auferstehung ist er ein vollkommenes, geistiges Wesen der höchsten oder göttlichen Ordnung. Nicht vor dem Zeitpunkt seiner Weihung, bis in den Tod, wie sie in seiner Taufe versinnbildet wurde, mit dem dreißigsten Jahre (das volle, gesetzliche Mannesalter und daher die rechte Zeit, sich selbst als Mensch darzubringen, zu weihen), empfing er das Pfand seines Erbteils der göttlichen Natur (Matth. 3:16-17). Die menschliche Natur musste dem Tod geweiht sein, ehe er auch nur das „Pfand” der göttlichen Natur erhalten konnte. Und nicht ehe er diese Weihung tatsächlich durchgeführt und die menschliche Natur tatsächlich in den Tod geopfert hatte, wurde unser Herr völlig der göttlichen Natur teilhaftig. Nachdem er Mensch geworden war, war er gehorsam bis zum Tode: Darum hat ihn auch Gott zur göttlichen Natur erhöht (Phil. 2:8, 9). Wenn diese Schriftstelle wahr ist, dann folgt, dass er nicht eher zur göttlichen Natur erhöht wurde, als bis die menschliche Natur tatsächlich geopfert, tot war.
Daraus sehen wir, dass keine Mischung der Naturen in Jesu vorhanden war, sondern dass er einen zweimaligen Wechsel der Natur erfuhr; erst von der geistigen zur menschlichen, dann von der menschlichen zur höchsten Stufe der geistigen, zur göttlichen Natur. Und in beiden Fällen war die eine für die andere aufgegeben worden.
An diesem erhabenen Beispiel vollkommener Menschennatur, welche vor der Welt tadellos dastand, bis sie um der Erlösung der Welt willen geopfert wurde, sehen wir die Vollkommenheit, von der unser Geschlecht in Adam fiel, und zu welcher es wiederhergestellt werden soll. Indem der Herr Jesus des Menschen Lösegeld wurde, gab er den Gleichwert dessen, was der Mensch verloren hatte; und die ganze Menschheit soll durch den Glauben an Christus und durch Gehorsam gegen die Bedingungen nicht eine geistige, sondern eine herrliche vollkommene menschliche Natur, d.h. das wiedererhalten, „was verloren war”.
Die vollkommenen Fähigkeiten und Kräfte eines vollkommenen menschlichen Wesens mögen unbegrenzt ausgeübt werden und auf immer neue und verschiedene Gegenstände des Interesses sich richten, und Wissen und Geschicklichkeit mögen unermesslich zunehmen; aber solch ein Wachstum des Wissens oder Vermögens wird nie einen Wechsel der Natur bewirken oder sie mehr als vollkommen machen. Es wird nur eine Erweiterung und Entwicklung der schon vollkommenen, menschlichen Kräfte sein. Zunahme von Wissen und Geschicklichkeit wird zweifellos in alle Ewigkeit des Menschen seliges Vorrecht sein; doch wird er stets Mensch bleiben und nur mehr und mehr den vollen Gebrauch der Kräfte lernen, welche die menschliche Natur schon in sich trägt. Über ihre weitgesteckten Grenzen kann er nicht fortzuschreiten hoffen, noch wird er es begehren. Sein Streben bleibt auf das Gebiet seiner Macht beschränkt.
Während Jesus, als Mensch, eine Darstellung der vollkommenen, menschlichen Natur war, zu welcher die Masse der Menschheit wiederhergestellt werden wird, so ist er jetzt, seit seiner Auferstehung, eine Darstellung der glorreichen, göttlichen Natur, welche die Überwinder in ihrer Auferstehung mit ihm teilen werden.
Weil das gegenwärtige Zeitalter hauptsächlich der Entwicklung dieser Klasse, die ihre Natur wechseln soll, gewidmet ist, und weil die apostolischen Briefe zur Unterweisung dieser „kleinen Herde” dienen, sollte nicht geschlossen werden, dass Gottes Plan mit der Vollendung dieser erwählten Schar am Ende sei. Auch sollten wir auf der anderen Seite nicht zu der entgegengesetzten Übertreibung kommen und annehmen, dass die besonderen Verheißungen der göttlichen Natur, der geistigen Leiber usw., die jener erwählten Schar gegeben werden, nach Gottes Absicht für die ganze Menschheit sein sollten. Für jene sind die „teuren und allergrößten Verheißungen” - über die anderen köstlichen Verheißungen hinaus, die die ganze Menschheit angehen - bestimmt. Um das Wort der Wahrheit recht zu teilen, sollten wir erkennen, dass die Schrift die Vollkommenheit der göttlichen Natur der „kleinen Herde” und diejenige der menschlichen Natur der wiederhergestellten Welt als zwei ganz verschiedene Dinge ansieht.
Lasst uns nun noch genauer nachforschen, was Geistwesen sind, was für Kräfte sie haben, und von welchen Gesetzen sie regiert werden. Viele scheinen in ihrem Unvermögen, die Natur eines Geistwesens zu begreifen, zu denken, dass es sich nur um Schatten handle; und gar viel Aberglauben herrscht in dieser Sache. Paulus aber macht nicht den Eindruck, als ob er solche Vorstellungen habe. Obwohl er zugibt, dass es einem menschlichen Wesen nicht möglich ist, die höhere geistige Natur zu begreifen (1. Kor. 2:14), so erklärt er doch deutlich, um fabelhafte oder abergläubische Vorstellungen zu verhüten, dass es einen geistigen Leib gibt, wie es einen natürlichen (menschlichen) Leib gibt, dass es einen himmlischen wie einen irdischen und eine Herrlichkeit des irdischen wie eine solche des himmlischen Leibes gibt. Die Herrlichkeit des irdischen war, wie wir gesehen haben, durch des ersten Adam Sünde verlorengegangen und soll während des tausendjährigen Reiches für das Menschengeschlecht durch den Herrn Jesus und seine Braut (den Christus, Haupt und Leib) wiederhergestellt werden. Die Herrlichkeit des himmlischen Leibes ist für jetzt noch unbekannt, außer insofern, als sie dem Auge des Glaubens durch den Geist mittels des Wortes geoffenbart ist. Zwischen der Herrlichkeit beider ist ein großer Unterschied (1. Kor. 15:38-49). Wir wissen in einem gewissen Grade, was der natürliche, irdische Leib ist, denn wir haben jetzt einen solchen, können uns aber nur annähernd von seiner Herrlichkeit im vollkommenen Zustand einen Begriff machen. Er besteht aus Fleisch, Blut und Knochen; denn „was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch”. Da sich aber diese beiden Leiber in ihrer Art unterscheiden, so wissen wir, dass der geistige Leib, was immer er auch sein mag, nicht aus Fleisch, Blut und Knochen zusammengesetzt ist; er ist himmlisch, geistig. - „Was vom Geist geboren ist, das ist Geist.” Was aber ein geistiger Leib ist, wissen wir nicht, denn „es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden; aber … wir werden ihm gleich sein” - unserem Herrn Jesus. - Joh. 3:6; 1. Joh. 3:2
Den Sohn Gottes ausgenommen, besitzen wir kein Zeugnis darüber, dass irgendein Wesen, sei es ein geistiges oder ein menschliches, von einer Natur zur anderen verwandelt worden ist; und jenes war ein Ausnahmefall für einen Ausnahmezweck. Als Gott Engel machte, hatte er zweifellos im Sinn, dass sie für immer Engel bleiben sollten, und so mit den Menschen; jedes Wesen soll auf seiner eigenen Stufe vollkommen sein. Die Schrift wenigstens gibt keine Andeutung von irgendeiner anderen Absicht. Wie in der empfindungslosen Schöpfung eine nahezu endlose und schöne Mannigfaltigkeit obwaltet, so ist auch in der lebendigen und vernünftigen Schöpfung eben solche Mannigfaltigkeit bei aller Vollkommenheit möglich. Jede Schöpfung ist in ihrem vollkommenen Zustande herrlich, aber wie Paulus sagt: „Eine andere Herrlichkeit haben die himmlischen und eine andere die irdischen.” Der Natur nach sind sie voneinander verschieden.
Eine Untersuchung der Tatsachen, die über unseren Herrn Jesus nach seiner Auferstehung und über Engel, die auch Geistwesen sind, berichtet werden, kann uns, wenn wir geistige Dinge geistig beurteilen (1. Kor. 2:13), dazu verhelfen, dass wir uns einen allgemeinen Begriff von Geistwesen zu machen vermögen.
1. Zunächst sehen wir, dass Engel unsichtbar gegenwärtig sein können und es häufig sind. „Der Engel des Herrn lagert sich um die her, welche ihn fürchten”; und „sind sie nicht alle dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, welche die Seligkeit ererben sollen?” (Psalm 34:7; Hebr. 1:4) Haben sie sichtbar oder unsichtbar gedient? Ohne Zweifel das letztere. Elisa war von einer Schar Assyurer umringt; sein Diener fürchtete sich; da betete Elisa zum Herrn, und die Augen des Knaben wurden geöffnet, und er sah die Berge um Elisa her voll feuriger Wagen und Reiter. Ferner, während der Engel dem Bileam unsichtbar war, wurden des Esels Augen geöffnet, dass er ihn sah.
2. Engel können als Menschen erscheinen und sind so erschienen: Der Herr und zwei Engel erschienen so dem Abraham, der ein Mahl für sie bereitete, von welchem sie aßen. Zuerst glaubte Abraham, es seien drei Männer, und erst als sie im Begriff waren, fortzugehen, merkte er, dass einer derselben der Herr sei, und die beiden anderen jene Engel, die dann nach Sodom gingen und Lot befreiten (1. Mose 18:1-2). Ein Engel erschien dem Gideon als Mensch und gab sich später zu erkennen. Und ein Engel erschien dem Vater und der Mutter des Simson; sie meinten, er sei ein Mann, bis er in der Flamme des Altars gen Himmel fuhr. Richt. 6:11-22; 13:20
3. Geistwesen sind in ihrem normalen Zustande herrlich und werden häufig als glänzend und prächtig beschrieben. Das Antlitz des Engels, der den Stein von des Grabes Tor wälzte, war „wie der Blitz.” Daniel sah einen Augenblick einen geistigen Leib, den er folgendermaßen beschreibt: „Sein Angesicht war wie das Aussehen des Blitzes und seine Augen wie Feuerfackeln und seine Arme und seine Füße wie der Anblick von leuchtendem Erz; und die Stimme seiner Worte war wie die Stimme einer Menge.” Vor ihm fiel Daniel wie tot nieder (Dan. 10:6, 9, 15, 17). Saulus von Tarsus hatte einen ähnlichen Blick von Christi herrlichem Leibe, heller leuchtend denn der Sonne Glanz am Mittag. Saul verlor sein Augenlicht und fiel zu Boden.
Wir haben soweit gefunden, dass geistige Leiber in Wirklichkeit herrlich sind; doch ohne das Auftun der menschlichen Augen, um sie sehen zu können oder ohne ihr Erscheinen im Fleische als Menschen sind sie für Menschen unsichtbar. Diese Auffassung wird noch weiter bestätigt, wenn wir die besonderen Einzelheiten dieser Offenbarmachungen untersuchen. Der Herr wurde von Saul allein gesehen; die mit ihm reisenden Männer hörten die Stimme, sahen aber niemand (Apg. 9:7). Die Männer, die bei Daniel waren, sahen das herrliche Wesen, das er beschreibt, nicht, aber ein großer Schrecken fiel über sie, so dass sie flohen und sich verbargen.” Ferner, dies herrliche Wesen erklärt: „Der Fürst des Königreichs Persien hat mir einundzwanzig Tage widerstanden.” (Dan. 10:7, 13). Fiel Daniel, der sehr Geliebte des Herrn, wie tot vor dem nieder, dem Persiens Fürst einundzwanzig Tage widerstand? Wie verhält es sich hiermit? Sicherlich erschien er dem Fürsten nicht in seiner Herrlichkeit. Nein; entweder war er bei ihm unsichtbar gegenwärtig, oder er erschien als ein Mensch.
Seit seiner Auferstehung ist unser Herr ein geistiges Wesen; folglich sollte er auch die gleiche Machtfülle besitzen, die wir von Engeln (geistigen Wesen) ausgeübt finden. Und dass dies so ist, werden wir eingehender in einem folgenden Kapitel sehen.
So finden wir also, dass die Schrift geistige und menschliche Naturen als getrennt und verschieden darstellt und keinen Anhaltspunkt dafür bietet, dass die eine in die andere übergehen oder zu ihr sich fortentwickeln werde, sondern nur, dass eine kleine Anzahl von der menschlichen zur göttlichen Natur, zu der Jesus, ihr Haupt schon erhöht worden ist, verwandelt werden wird. Und dieser außerordentliche und sonderliche Teil in Jehovas Plan ist für den außerordentlichen und besonderen Zweck angeordnet, diese Erwählten als Gottes Werkzeuge der Wiederherstellung aller Dinge zuzubereiten. Betrachten wir nun die Ausdrücke.
Sterblichkeit und Unsterblichkeit
Ihre wahre Bedeutung werden wir mit dem in genauer Übereinstimmung finden, was wir bei unserer Vergleichung von Aussprüchen der Bibel über menschliche und geistige Wesen und über irdische und himmlische Verheißungen gelernt haben. Man gibt diesen Worten gewöhnlich einen sehr undeutlichen Sinn; und falsche Ansichten über deren Bedeutung rufen irrige Anschauungen über das hervor, was mit ihnen in Verbindung steht. Dies ist sowohl im allgemeinen als auch beim Gebrauch der Schrift der Fall.
„Sterblichkeit” bezeichnet einen Zustand, da man dem Tod verfallen kann; nicht einen Todeszustand, sondern einen Zustand, bei dem der Tod möglich ist.
„Unsterblichkeit” bezeichnet einen Zustand, da man dem Tode nicht verfallen kann; nicht nur einen Zustand des Freiseins vom Tode, sondern einen Zustand, bei dem der Tod unmöglich ist.
Die gewöhnliche, aber irrige Meinung über Sterblichkeit ist die, dass sie ein Zustand sei, bei dem der Tod unvermeidlich ist, während die gewöhnliche Ansicht über die Bedeutung der Unsterblichkeit im ganzen richtiger ist.
Das Wort Unsterblichkeit bedeutet nicht sterblich; schon die Wortbildung zeigt dessen richtige Definition an. Wegen des Vorherrschens einer falschen Auffassung über das Wort sterblich kommt es, dass so viele verwirrt werden, wenn sie zu entscheiden versuchen, ob Adam vor dem Fall sterblich oder unsterblich war. Man schließt, wenn er unsterblich war, so würde Gott nicht gesagt haben: „Welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben”; denn für ein unsterbliches Wesen ist es unmöglich, zu sterben. Das ist ein logischer Schluss. Andererseits sagt man: Wenn er sterblich war, worin bestand dann die Drohung oder Strafe bei dem Ausspruch: „Du wirst sterbend sterben”, da er, wenn sterblich (nach ihrer irrigen Definition), ohnehin dem Tod nicht hätte entgegen können?
Die Schwierigkeit liegt, wie man bemerken wird, in der falschen Bedeutung, die dem Worte sterblich beigelegt wird. Wende die richtige Definition an, und alles ist klar. Adam war sterblich; das heißt, er war in einer Lage, da der Tod eine Möglichkeit war. Er hatte Leben in ganzem und vollem Maße, jedoch nicht innewohnendes Leben (Leben in sich selbst). Sein Leben wurde „von jedem Baum des Gartens” unterhalten, mit Ausnahme des einen verbotenen, und so lange er im Gehorsam und im Einklang mit seinem Schöpfer verharrte, war sein Leben gesichert. Die Mittel zur Erhaltung desselben würden ihm nicht entzogen worden sein. So sehen wir, Adam hatte Leben und konnte dem Tode ganz und gar ausweichen; dennoch war sein Zustand ein solcher, dass der Tod möglich war; er war sterblich.
Die Frage entsteht nun: Wenn Adam sterblich war und auf die Probe gestellt wurde, wurde er auf die Probe gestellt, um „Unsterblichkeit” zu erlangen? Die gewöhnliche Antwort wäre ja. Wir antworten nein. Seine Prüfung fand statt, um zu sehen, ob er der Fortdauer und der Segnungen des Lebens würdig oder unwürdig sei. Da nirgends verheißen war, dass er „unsterblich” werden sollte, wenn er gehorsam blieb, so sind wir genötigt, alle solche Spekulationen außer Frage zu lassen. Ihm war die Fortdauer der damals genossenen Segnungen verheißen, so lange er gehorsam blieb und der Verlust von allem, der Tod, angedroht, wenn er ungehorsam würde. Die falsche Ansicht über die Bedeutung des Wortes sterblich lässt die Leute im allgemeinen den Schluss ziehen, dass alle Wesen, die nicht sterben, unsterblich sind. Hierunter rechnet man unseren himmlischen Vater, unseren Herrn Jesus, die Engel und die ganze Menschheit. Das ist jedoch ein Irrtum; die große Zahl der vom Fall erlösten Menschheit, sowie auch die Engel im Himmel werden stets sterblich sein. Obgleich im Zustand der Vollkommenheit und des Glückes, werden sie doch immer die sterbliche Natur, die den Sold der Sünde (den Tod) erleiden könnte, wenn sie Sünde begehen würden, besitzen. Die Gewissheit ihres Fortlebens wird, wie es bei Adam war, durch den Gehorsam gegen den allweisen Gott bedingt sein. Seine Gerechtigkeit, Liebe, Weisheit und Macht, durch die er allen denen, die ihn lieben und ihm gehorchen, alle Dinge zum Besten dienen lässt, werden dann, durch sein Walten in Hinsicht auf die Sünde in der gegenwärtigen Zeit, offen vor aller Augen liegen.
Nirgends in der Schrift wird gelehrt, dass Engel unsterblich seien, noch auch, dass die wiederhergestellte Menschheit unsterblich sein werde. Im Gegenteil, Unsterblichkeit wird nur der göttlichen Natur zugeschrieben - ursprünglich Jehova, dann unserem Herrn Jesus in seinem gegenwärtigen hoch erhöhten Stand, und endlich durch Verheißung der Kirche, dem Leibe Christi, wenn er mit ihm verherrlicht sein wird. - 1. Tim. 6:16; Joh. 5:26; 2. Petr. 1:4; 1. Kor. 15:53, 54
In der Tatsache; dass Satan, der einst ein Mächtiger unter ihnen war, vernichtet werden soll haben wir nicht nur einen Beweis dafür, dass Unsterblichkeit allein der göttlichen Natur eigen ist, sondern auch dafür, dass Engel sterblich sind. Die Tatsache, dass der Satan vernichtet werden kann, beweist, dass Engel sterblich sind (Hebr. 2:14). (Diese Stelle wird in der Elberfelder Übersetzung im Einklang mit der englischen und anderen wie folgt wiedergegeben: „Auf dass er durch den Tod den zunichte mache, der die Macht des Todes hat, das ist der Teufel.”)
So sehen wir, dass, wenn einst die unverbesserlichen Sünder vernichtet sind, sowohl unsterbliche wie sterbliche Wesen für immer in Freude, Glück und Liebe leben werden; die Ersten, im Besitze einer Natur, die des Todes nicht fähig ist, innewohnendes Leben habend, Leben in sich selbst (Joh. 5:26); die Letzten, weil sie (obwohl sie eine für den Tod empfängliche Natur haben, doch wegen der Vollkommenheit ihres Wesens und der Erkenntnis des Bösen und der Sündigkeit der Sünde) keine Ursache des Todes geben. Da sie von Gottes Gesetz als erprobt erfunden wurden, werden ihnen die Elemente, die nötig sind, um sie in Vollkommenheit zu erhalten, ewig zuteil werden, und so werden sie niemals sterben.
Das rechte Verständnis der Bedeutung der Ausdrücke sterblich und unsterblich und ihres Gebrauches in der Schrift zerstört jegliche Grundlage der Lehre von der ewigen Qual. Diese gründet sich auf die schriftwidrige Anschauung, dass Gott den Menschen „unsterblich” erschuf, da dieser nicht aufhören kann, zu existieren, und dass Gott ihn nicht vernichten kann. Daher schließt man, dass die Unverbesserlichen irgendwo und irgendwie fortleben müssen und dass die Ewigkeit für sie, weil sie außer Harmonie mit Gott sind, in Qual sein müsse. Aber Gottes Wort versichert uns, dass er gegen solchen Fortbestand der Sünde und der Sünder Vorkehrungen getroffen hat, dass der Mensch sterblich ist und dass die volle Strafe böswilliger Sünde gegen volles Licht und Erkenntnis nicht ewiges Leben in Qual, sondern ein zweiter Tod sein wird. „Die Seele, welche sündigt, die soll sterben.”
„Wer bist du, der du das Wort nimmst wider Gott?” - Röm. 9:20
Manche hegen die irrige Meinung, dass Gerechtigkeit erfordere, dass Gott bei der Verleihung seiner Gnaden für seine Geschöpfe keinen Unterschied mache; dass, wenn er eins zu einer hohen Stellung erhebt, er gerechterweise dasselbe mit allen tun müsse, es sei denn erwiesen, dass etliche ihr Recht verwirkt haben. Dann sei es recht, ihnen eine niedrigere Stellung zu geben.
Wenn der erwähnte Grundsatz richtig wäre, so würde er beweisen, dass Gott kein Recht hatte, Jesus höher als die Engel zu erschaffen und ihn dann zur göttlichen Natur zu erhöhen, er habe denn die gleiche Absicht mit allen Engeln und allen Menschen. Und um den Grundsatz weiter anzuwenden, wenn einige Menschen bis zur Teilhaberschaft an der göttlichen Natur erhöht werden sollen, dann müssten schließlich alle Menschen zur gleichen Stellung erhoben werden. Und warum den Grundsatz nicht zum äußersten ausdehnen und dasselbe Gesetz des Fortschrittes auf die Tier- und Insekten-Schöpfung anwenden und sagen, dass, da sie alle Geschöpfe Gottes sind, auch endlich alle die höchste Stufe des Daseins, die göttliche Natur, erreichen müssten? Das ist ein offenkundiger Unsinn, aber eine ebenso vernünftige Schlussfolgerung wie irgendeine andere, die von diesem vermeintlichen Grundsatz ausgeht.
Niemand wird wohl diese irrige Annahme so weit ausdehnen wollen. Doch wenn es ein in einfacher Gerechtigkeit gegründeter Grundsatz wäre, wo könnte er stillstehen und noch richtig sein? Und wenn dies wirklich der Plan Gottes wäre, was würde aus der erfrischenden Mannigfaltigkeit in allen seinen Werken? Aber Gottes Plan ist das nicht. Die ganze Natur, die belebte wie unbelebte, stellt die Herrlichkeit und Vielseitigkeit der göttlichen Macht und Weisheit dar. Und wenn „die Himmel erzählen die Ehre Gottes und die Feste verkündigt seiner Hände Werk” in wunderbarer Verschiedenartigkeit und Pracht, wie vielmehr wird seine intelligente Schöpfung in ihrer Vielfältigkeit die erhabene Herrlichkeit seiner Macht dartun. Das schließen wir aus der ausdrücklichen Lehre des Wortes Gottes, aus der Vernunft und aus dem Vergleiche mit der Natur.
Es ist sehr wichtig, dass man eine richtige Ansicht über Gerechtigkeit hat. Eine Gnade oder Gunst sollte nie als ein mit Recht verdienter Lohn angesehen werden. Eine Handlung einfacher Gerechtigkeit gibt keinen Grund zu besonderer Dankbarkeit, noch ist sie ein Beweis von Liebe. Gott aber preist seinen Geschöpfen seine große Liebe in einer endlosen Reihe unverdienter Gnaden an, die wiederum ihre Liebe und ihren Dank hervorrufen sollten.
Gott hatte ein Recht, wenn er wollte, uns nur für eine kurze Zeit zu erschaffen, selbst wenn wir nie gesündigt hätten. So hat er etliche seiner niedrigeren Geschöpfe gemacht. Er hätte uns ohne die geringste Ungerechtigkeit seine Segnungen eine kurze Zeit genießen lassen und uns dann aus diesem Dasein wieder wegnehmen können. In der Tat, selbst solch ein kurzes Dasein wäre eine Gnade gewesen. Nur seine Gnade ist es, dass wir überhaupt sind, aber eine wie viel größere Gnade ist die Erlösung des einst durch die Sünde verwirkten Daseins. Und mehr noch, Gottes Gnade ist es, dass wir Menschen keine Tiere sind; es ist lauter Gnade, dass die Engel von Natur ein wenig höher als die Menschen sind; und es ist auch Gottes Gnade, dass der Herr Jesus und seine Braut Teilhaber der göttlichen Natur werden. Es gebührt daher allen intelligenten Geschöpfen, mit Dankbarkeit zu empfangen, was auch immer Gott verleihen mag. Jede andere Gesinnung verdient gerechterweise Verurteilung, und wenn man darin beharrt, wird das Ende Erniedrigung und Vernichtung sein. Ein Mensch hat kein Recht, ein Engel werden zu wollen, da er nie dazu aufgefordert worden ist: noch hat ein Engel ein Recht, nach der göttlichen Natur zu streben, da ihm diese nie angeboten worden ist.
Es waren die Begierde und der Hochmut Satans, die ihm Erniedrigung eintrugen und in seiner Vernichtung enden werden (Jes. 14:14). „Wer sich selbst erhöht, der soll erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt; der soll erhöht werden.” (Luk. 14:11), aber nicht notwendigerweise zur höchsten Stellung.
Teilweise durch falsche Ansicht über Gerechtigkeit und teilweise aus anderen Gründen hat die Lehre der Schrift von der Wahl oder Erwählung zu vielem Streit und zu vielen Missverständnissen Veranlassung gegeben. Dass die Schrift eine Erwählung lehrt, werden nur wenige leugnen, aber auf welches Prinzip dieses Wählen oder Auswählen sich gründet, ist ein Gegenstand beträchtlicher Meinungsverschiedenheit. Die einen behaupten, dass die Auswahl eine willkürliche, bedingungslose sei; die anderen, dass sie eine bedingte sei. Etwas Wahrheit ist, glauben wir, in beiden Ansichten enthalten. Eine Erwählung auf Seiten Gottes ist der Ausdruck seiner Wahl zu einem gewissen Zweck, Amt oder Stellung. Gott hat erwählt oder gewählt, dass einige seiner Geschöpfe Engel sein sollten, dass einige Tiere, Vögel, Insekten usw. sein sollten und dass einige seiner eigenen göttlichen Natur teilhaftig werden sollten. Und wenn Gott auch alle, die er zur göttlichen Natur zulässt, nach gewissen Regeln auserwählt, so kann doch nicht gesagt werden, dass diese mehr als andere eine solche Gnade verdient hätten; allein aus Gnaden hat jegliches Geschöpf sein Dasein, auf welcher Stufe es auch stehe.
„Also liegt es nun nicht an dem Wollenden, noch an dem Laufenden, sondern an dem begnadigenden Gott” - Gunst oder Gnade (Röm. 9:16). Gott berief die Gewählten nicht zur göttlichen Natur, weil sie etwa besser waren als andere, nein, denn er ging an den Engeln, die nicht gesündigt hatten, vorüber und berief etliche der erlösten Sünder zu göttlichen Ehren. Gott hat ein Recht, mit dem Seinen zu tun, was er will; und er will dieses Recht zur Hinausführung seiner Pläne gebrauchen. Da es nun ganz und gar in seiner Gnade steht, „wer bist du, der du das Wort nimmst wider Gott? Wird etwa das Geformte zu dem Former sagen: Warum hast du mich also gemacht? Oder hat der Töpfer nicht Macht über den Ton, aus derselben Masse ein Gefäß zur Ehre und ein anderes zur Unehre (oder weniger Ehre) zu machen?” (Röm. 9:20, 21). Alle sind durch die gleiche göttliche Macht erschaffen worden; einige, um eine höhere Natur und größere Ehre und einige, um eine etwas geringere Ehre zu haben.
„So spricht der Herr, der Heilige Israels und der es gebildet hat: Über das Zukünftige fraget mich; meine Kinder und das Werk meiner Hände lasset mir anbefohlen sein! Ich habe die Erde gemacht und den Menschen auf ihr geschaffen; meine Hände haben die Himmel ausgespannt, und all ihr Heer habe ich bestellt. Denn so spricht Jehova, der die Himmel geschaffen (er ist Gott), der die Erde gebildet und sie gemacht hat (er hat sie bereitet; nicht als eine Öde hat er sie geschaffen; um bewohnt zu werden, hat er sie gebildet): Ich bin Jehova, und sonst keiner!” (Jes. 45:11-12, 18). Niemand hat ein Recht, Gott zu befehlen. Wenn Jehova die Erde vollendet und nicht zur Öde hergestellt hat, sondern sie gebildet hat, um von wiederhergestellten, vollkommenen Menschen bewohnt zu werden, wer sind wir, dass wir mit Gott rechten wollen und sagen, er sei ungerecht, nicht auch die Natur aller zu verwandeln und nicht auch alle zu Teilhabern einer geistigen Natur, wie die der Engel oder wie seiner eigenen, der göttlichen Natur, zu machen? Wie viel geziemender ist es, bescheiden zum Worte Gottes zu kommen uni ihn über das Zukünftige zu fragen, als ihm vorschreiben zu wollen oder zu behaupten, er müsse unsere Ideen ausführen? Herr, bewahre deine Knechte vor der Sünde der Anmaßung; lass dieselbe nicht über uns herrschen. Kein Kind Gottes, glauben wir, wird wissentlich dem Herrn vorschreiben wollen; doch wie leicht und fast unbewusst fallen viele in diesen Irrtum.
Die Menschen sind durch die Schöpfung - das Werk seiner Hände - Gottes Kinder, und was Gott mit ihnen vor hat, ist deutlich in seinem Worte geoffenbart. Paulus sagt, dass der erste Mensch (der ein Beispiel von dem war, was das Geschlecht in seiner Vollkommenheit sein wird) „von der Erde, irdisch war; und seine Nachkommenschaft wird (mit Ausnahme der Kirche Christi) nach der Auferstehung gleichfalls irdisch, menschlich, der Erde angepasst sein (1. Kor. 15:38, 44). Der Vers 44 lautet richtig: „Wenn es einen natürlichen (seelischen) Leib gibt, so gibt es auch einen geistigen.” (Elberfelder Übersetzung). David erklärt, dass der Mensch ein wenig geringer als die Engel gemacht und mit Herrlichkeit, Ehre und Herrscherwürde gekrönt worden war (Psalm 8:4-8). Und Petrus, unser Herr und alle die heiligen Propheten der erklären, dass das menschliche Geschlecht zu jener glorreichen Vollkommenheit wiederhergestellt werden wird und die einst durch seinen Vertreter, Adam, verlorengegangene Herrschaft über die Erde wieder erhalten soll. - Apg. 3:19-21; Hes. 16:53, 55
Dazu hat Gott das menschliche Geschlecht erkoren und auserwählt. Und was für ein herrliches Erbteil! Schließe deine Augen einen Augenblick vor dem Elend und dem Weh, vor der Entartung und den Mühsalen, die jetzt um der Sünde willen herrschen und male vor dein Geistesauge die Herrlichkeit der vollkommenen Erde. Kein Flecken der Sünde stört die Eintracht und den Frieden eines vollkommenen Gemeinwesens; kein bitterer Gedanke, kein unfreundlicher Blick, kein hartes Wort; Liebe, aus jedem Herzen quellend, begegnet gleicher Erwiderung in jedem anderen Herzen; Wohlwollen kennzeichnet jede Tat. Da wird keine Krankheit mehr sein; kein Weh, kein Schmerz, noch irgendein Anzeichen von Verfall - nicht einmal die Befürchtung solcher Dinge. Denke an alle Bilder verhältnismäßiger Gesundheit und Schönheit der menschlichen Gestalt und Gesichtszüge, die du je gesehen hast und wisse, dass die vollkommene Menschheit von noch weit überragenderer Liebenswürdigkeit sein wird. Innere Reinheit und geistige und moralische Vollkommenheit werden jedes strahlende Antlitz kennzeichnen und verklären. So werden die Bewohner der Erde sein. Da werden den Weinenden und Trauernden alle Tränen abgetrocknet sein, wenn so das vollständige Werk der Auferstehung vor ihren Augen steht. - Offb. 21:4
Und das ist nur die Veränderung, die mit dem menschlichen Geschlecht vor sich geht. Wir bringen in Erinnerung, dass auch die Erde, die gebildet ist, um von solchen Wesen „bewohnt zu werden”, eine geeignete und passende Wohnstätte für den Menschen sein soll, wie es im Paradies in Eden dargestellt war. Das Paradies soll wiederhergestellt werden. Die Erde soll nicht mehr Dornen und Disteln hervorbringen und den Schweiß des Angesichts des Menschen fordern, um sein Brot zu geben, sondern „das Land soll (leicht und natürlich) sein Gewächs geben.” „Die Wüste und das dürre Land werden sich freuen, und die Steppe wird frohlocken und aufblühen wie eine Narzisse.” (Jes. 35:1) Die niedrigere, tierische Schöpfung wird ein vollkommener, williger und gehorsamer Diener sein; und die Natur wird mit ihrer erquickenden Mannigfaltigkeit dem Menschen von allen Seiten zurufen: siehe und erkenne die Herrlichkeit und Macht und Liebe Gottes! Ja, Herz und Sinn wird sich erfreuen „in dem Herrn”. Das ruhelose Verlangen nach etwas Neuem, das jetzt herrscht, ist kein natürlicher, sondern ein unnatürlicher Zustand, der unserer Unvollkommenheit und unserer gegenwärtigen ungünstigen Umgebung zuzuschreiben ist. Es ist nicht Gott ähnlich, ruhelos nach Neuem zu begehren. Für Gott sind die meisten Dinge alt; und am Alten und Vollkommenen hat er seine größte Freude. So wird es auch mit dem Menschen sein, wenn er zum Bilde Gottes wiederhergestellt ist. Die Herrlichkeit geistiger Wesen wird der vollkommene Mensch nicht vollständig erkennen und begreifen, weil er von verschiedener Natur ist, und wird sie deshalb nicht vorziehen, gerade wie Fische und Vögel, von denen jeder aus demselben Grunde sein eigenes Element und seine eigene Natur allein vorzieht und genießt. Der Mensch wird von der Herrlichkeit, die ihn auf der menschlichen Stufe umgibt, so eingenommen und entzückt sein, dass er eine andere Natur oder andere Lebensverhältnisse, als die, welche er besitzt, weder wünschen noch vorziehen wird. Ein Blick auf die gegenwärtige Erfahrung der Kirche wird das verdeutlichen. „Wie schwerlich”, mit welcher Schwierigkeit, werden diejenigen, die reich sind an Gütern dieser Welt, ins Reich Gottes (in die Kirche, die Herauswahl) kommen. Das wenige Gute, das wir jetzt hienieden besitzen, nimmt die menschliche Natur selbst unter der gegenwärtigen Herrschaft des Bösen und des Todes so ein, dass wir des besonderen Beistandes Gottes bedürfen, um unser Auge und Verlangen auf die geistigen Verheißungen gerichtet zu halten.
Dass in diesem, die gesamte Menschheit betreffenden Plan Gottes die christliche Kirche, die Herauswahl, der Leib Christi, eine Ausnahme bildet, geht aus der Aussage hervor, dass ihre Erwählung schon vor Grundlegung der Welt im göttlichen Plan beschlossen war (Eph. 1:4, 5), da Gott nicht nur den Fall des Menschengeschlechtes in Sünde vorhersah, sondern auch die Rechtfertigung, Heiligung und Verherrlichung dieser Schar zuvor festsetzte. Diese hat er während des Evangeliums-Zeitalters aus der Welt heraus berufen, dass sie sollten, gleich werden dem Ebenbild seines Sohnes”, „Teilhaber der göttlichen Natur” und Miterben Christi im tausendjährigen Reich zur Herstellung von Gerechtigkeit und Frieden auf der ganzen Erde. - Röm. 8:28-31; 2. Petr. 1:4; Offb. 20:6; 1. Kor. 6:2
Das beweist, dass die Erwählung oder Wahl der Kirche bei Gott eine zuvor beschlossene Sache war; aber merke wohl, es ist keine bedingungslose Auswahl der einzelnen Glieder der Kirche. Vor Grundlegung der Welt bestimmte Gott, dass sie innerhalb eines besonderen Zeitraumes, des Evangeliums-Zeitalters, und zu einem besonderen Zwecke ausgewählt werden sollte. Wenn wir auch nicht zweifeln können dass Gott die Handlungsweise jedes einzelnen Gliedes der Kirche vorhergesehen haben könnte und dass er genau vorher gewusst haben könnte, wer würdig sein würde, ein Glied dieser „kleinen Herde” zu sein, so ist das doch nicht die Art und Weise, wie Gottes Wort die Lehre von der Erwählung darstellt. Der Apostel wollte nicht den Gedanken einer Vorherbestimmung der Personen aussprechen, sondern den Umstand, dass in Gottes Vorsatz eine Klasse zuvor bestimmt war, jene ehrenvolle Stellung einzunehmen, und dass deren Auswahl unter schweren Prüfungen des Glaubens und Gehorsams und der Aufopferung irdischer Rechte usw., selbst bis zum Tode, stattfinden sollte. So, durch persönliche Prüfung und durch persönliches „Überwinden”, werden die einzelnen Glieder dieser zuvor bestimmten Klasse erwählt oder angenommen zu den für dieselbe von Gott zuvor bestimmten Gnadengütern und Segnungen.
Die Worte „herrlich gemacht” in Römer 8:30 kommen von dem griechischen doxazo und bezeichnen geehrt. Die Stellung, zu der die Kirche auserkoren ist, ist eine große Ehre. Kein Mensch könnte nur im entferntesten daran denken, nach solcher Ehre zu streben; selbst unser Herr Jesus wurde dazu aufgefordert, ehe er danach strebte, wie wir lesen: „Also hat auch Christus sich selbst nicht verherrlicht (doxazo: geehrt), ein Hohepriester zu werden, sondern der, welcher zu ihm gesagt hat: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.” Der himmlische Vater ehrte unseren Herrn Jesus also. Und so müssen auch alle, die Miterben mit Jesu sein und zu seinem auserwählten Leibe gehören sollen, gleicherweise durch Jehovas Gnade geehrt werden. Der Kirche wird, wie ihrem Haupte, ein Anfang dieser „Ehre” zuteil, wenn sie von Gott durch das Wort der Wahrheit zur göttlichen Natur „gezeugt” wird (Jak. 1:18), und sie wird voll und ganz in die Ehre eingeführt werden, wenn sie vom Geist im Bilde des verherrlichten Hauptes, geboren ist. Diejenigen, die Gott also ehren will, müssen vollkommen und rein sein. Da wir aber durch Erbsünde Sünder sind, so hat er uns zu dieser Ehre nicht nur berufen oder eingeladen, sondern auch durch den Tod seines Sohnes die Rechtfertigung von der Sünde vorgesehen, um uns zu ermöglichen, die Ehre, zu der er beruft, zu empfangen.
Gott lässt, um die kleine Herde auszuwählen, den Ruf sehr allgemein ergehen, „viele sind berufen”, nicht alle. Zuerst, während unseres Herrn Amtstätigkeit war der Ruf auf Israel nach dem Fleisch beschränkt; seitdem aber werden so viele, wie die Knechte Gottes finden, aufgefordert, nicht gezwungen (Luk. 14:23), zu diesem besonderen Festmahl der Gnade zu kommen. Allein selbst die, welche hören und kommen, sind nicht alle würdig. Ein Hochzeitskleid - Christi zugerechnete Gerechtigkeit - ist für jeden bereit, einige aber wollen dasselbe nicht tragen und müssen zurückgewiesen werden; und sogar von denen, die das Kleid der Gerechtigkeit anziehen und die Ehre, zur „neuen Natur” gezeugt zu werden, empfangen, verfehlen manche, durch Treue in ihrem Bund ihre Berufung und Erwählung festzumachen (2. Petr. 1:10). Von denen, welche würdig sind, mit dem Lamm in der Herrlichkeit zu erscheinen, heißt es: „Die mit ihm sind, sind Berufene und Auserwählte und Getreue.” - Offb. 14:1; 17:14
Der Ruf ist wahr. Der Beschluss Gottes, eine Kirche auszuwählen und zu erhöhen, ist unveränderlich; wer aber zu dieser erwählten Schar gehören soll, das ist an Bedingungen geknüpft. Alle, die diese zuvor bestimmten Ehren teilen wollen, müssen die Bedingungen des Rufes erfüllen. „Fürchten wir uns nun, dass nicht etwa, da eine Verheißung, in seine Ruhe einzugehen, hinterlassen ist, jemand von euch zurückgeblieben zu sein scheine.” (Hebr. 4:1) Während die große Gnade nicht von dem ist, der da will, auch nicht von dem, der da läuft, so ist sie doch für den, der will, und für den, der läuft, nachdem er berufen ist.
Nachdem wir so, wie wir hoffen, Gottes absolutes Recht und Vorsatz, mit dem Seinen zu tun, was er will, dargelegt haben, machen wir noch darauf aufmerksam, dass das Prinzip, welches alle Gnadenerweisungen Gottes kennzeichnet, das allgemeine Beste aller ist.
Da wir es also auf Grund der Heiligen Schrift für eine erwiesene Sache halten, dass die menschlichen und geistigen Naturen getrennt und verschieden sind - dass die Vermischung der zwei Naturen in keiner Weise in Gottes Absicht liegt, vielmehr eine Unvollkommenheit wäre, und dass der Wechsel von einer Natur zur anderen nicht die Regel, sondern nur eine bei der Entwicklung des Christus statt gefundene Ausnahme ist, so entsteht die tief interessante Frage: Wie wird der Wechsel zustande gebracht, unter welchen Bedingungen kann er erreicht werden, und auf welche Weise wird er bewerkstelligt?
Die Bedingungen, unter welchen die Kirche mit ihrem Herrn zur göttlichen Natur (2. Petr. 1:4) erhöht werden soll, sind genau dieselben, wie die Bedingungen, unter denen er sie empfing; nämlich durch Nachfolge in seinen Fußstapfen (1. Petr. 2:21), indem sie, wie er getan, sich selbst als lebendiges Opfer darbringt (Röm. 12:1), und dann dieses Gelöbnis der Selbstdarbringung getreulich ausführt, bis das Opfer mit dem Tode endigt. Dieser Wechsel von der menschlichen zur göttlichen Natur wird denen als Lohn zuteil, die innerhalb des Evangeliums-Zeitalters die menschliche Natur mit allen ihren gegenwärtigen und zukünftigen Interessen, Hoffnungen und Zielen selbst bis zum Tode opfern, wie unser Herr Jesus es tat. In der Auferstehung werden solche erwachen, nicht um mit der übrigen Menschheit die beglückende Wiederherstellung zur menschlichen Vollkommenheit und zu allen dieselbe begleitenden Segnungen zu erhalten, sondern um das unendlich größere Glück zu genießen, als Teilhaber mit dem Herrn an der göttlichen Natur sein Wesen, seine Herrlichkeit und seine Freude zu teilen (Röm. 8:17; 2. Tim. 2:12).
Der Anfang und die Entwicklung der neuen Natur ist dem Anfang und der Entwicklung des menschlichen Lebens ähnlich. Wie bei diesem eine Zeugung und dann eine Geburt stattfindet, so auch bei jener. Es heißt von den Heiligen: Sie sind von Gott durch das Wort der Wahrheit gezeugt (Jak. 1:18; 1. Petr. 1:3; 1. Joh. 5:18; 1. Kor. 4:15). Das bedeutet, sie empfangen den ersten Antrieb im göttlichen Leben von Gott durch sein Wort. Wenn sie durch den Glauben an das aus freier Gnade geschenkte Lösegeld gerecht geworden sind, dann vernehmen sie den Ruf: „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges (erlöstes, gerechtfertigtes und daher) Gott wohlgefälliges Schlachtopfer, welches euer vernünftiger Dienst ist.” (Röm. 12:1). Und wenn sie, diesem Ruf gehorchend, ihr gerechtfertigtes menschliches Leben zusammen mit demjenigen Jesu weihen, so wird es von Gott angenommen; und mit dieser Handlung beginnt das geistige Leben. Wer das an sich erfährt, der findet, dass er von dem Augenblick an denkt und handelt, wie der neue Geist oder erneuerte Sinn (Röm. 12:2) ihn treibt, selbst bis zur Kreuzigung von menschlichen Wünschen. Vom Augenblick der Weihung an betrachtet uns Gott als „Neue Schöpfungen”.
So schwindet in diesen noch im ungeborenen Zustande befindlichen „Neuen Schöpfungen” „das Alte” (menschliche Wünsche, Hoffnungen, Pläne usw.), und alles wird neu. Diese noch ungeborene „Neue Schöpfung” fährt nun in dem Maße fort zu wachsen und sich zu entwickeln, als die alte menschliche Natur mit ihren Hoffnungen, Bestrebungen, Wünschen usw. gekreuzigt wird. Diese beiden Vorgänge gehen von dem Zeitpunkte der Weihung an gleichzeitig nebeneinander her, bis der Tod der menschlichen und die Geburt der geistigen Natur erfolgt. Sowie der Geist Gottes fortfährt, durch sein Wort mehr und mehr seinen Plan zu entfalten, so belebt das selbst unsere sterblichen Leiber, d.h. macht sie lebendig, flößt ihnen neues Leben ein (Röm. 8:11), damit sie ihm dienstbar werden können. Zu seiner Zeit aber werden wir neue, geistige, himmlische Leiber erhalten, die in jeder Hinsicht der neuen göttlichen Gesinnung entsprechen.
Die Geburt der „Neuen Schöpfung” geschieht in der Auferstehung (Kol. 1:18), und die Auferstehung dieser Klasse wird die erste oder vorzügliche Auferstehung genannt (Offb. 20:6). Es sollte nicht aus dem Auge gelassen werden, dass wir erst von der Auferstehung an tatsächlich Geistwesen sein werden, wenn wir auch von der Zeit an, da wir den Geist der Kindschaft empfingen, als solche gerechnet wurden (Röm. 8:23-25; Eph. 1:13, 14; Röm. 6:10, 11). Wenn wir in Wirklichkeit Geistwesen geworden sind, wenn wir aus dem Geist geboren sind, dann sind wir nicht länger fleischliche Wesen; denn „was aus dem Geist geboren ist, ist Geist” (Joh. 3:6).
Dieser Geburt zur geistigen Natur bei der Auferstehung muss ein Gezeugt werden vom Geiste bei der Weihung vorangehen, wie auch der Geburt vom Fleische ein Gezeugt werden vom Fleische vorhergeht. Alle, die vom Fleische im Bilde des ersten Adam, des irdischen, geboren waren, waren zuvor vom Fleische gezeugt; und einige davon sind vom Geiste Gottes durch das Wort der Wahrheit wieder gezeugt; auf dass sie zur festgesetzten Zeit, bei der ersten Auferstehung, im Bilde „des Herrn vom Himmel” wiedergeboren werden mögen: „Wie wir das Bild dessen von Staub getragen haben, so werden wir (die Kirche, Herauswahl) auch das Bild des Himmlischen tragen” (1. Kor. 15:49) es sei denn, dass wir „abfallen”. - Hebr. 6:6
Wenn nun auch die Annahme des himmlischen Rufes und unsere im Gehorsam gegen denselben erfolgte Weihung an einem bestimmten Zeitpunkte zur Entscheidung kam, so ist doch das in Einklang bringen jedes Gedankens mit dem Geiste Gottes ein allmähliches Werk. Es ist ein allmähliches Himmelwärts richten dessen, was der Natur nach zur Erde neigt. Der Apostel nennt diesen Vorgang ein Werk der Erneuerung, wenn er sagt: „Seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt (zur himmlischen Natur) durch die Erneuerung (eures) Sinnes, dass ihr prüfen möget, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist.” (Röm. 12:2)
Der Apostel richtet diese Worte nicht an die ungläubige Welt, sondern an die, welche er als „Brüder anerkennt, wie der vorhergehende Vers anzeigt: „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer.”
Man nimmt gewöhnlich an, dass Paulus hier jene Umwandlung gemeint habe, die bei der Bekehrung oder der Abkehr von der Sünde, vom Unglauben und von der Opposition gegen Gott und der Hinkehr zu ihm stattfindet. Es ist wahr, dies ist ein großer Wechsel - eine Erneuerung, aber nicht die Erneuerung, von der Paulus hier redet. Das ist eine Erneuerung des Charakters. Paulus aber bezieht sich hier auf eine Erneuerung der Natur, die während des Evangeliums-Zeitalters unter gewissen Bedingungen den Gläubigen verheißen ist, und er ermahnte die Gläubigen, diese Bedingungen zu erfüllen. Hätte eine solche Erneuerung des Charakters nicht schon bei denen, die er anredete, stattgefunden, so hätte er sie nicht Brüder nennen können - Brüder sogar, die etwas Heiliges und Gott gefälliges als Opfer darbringen könnten; denn nur die, die durch den Glauben an das Lösegeld gerecht geworden sind, werden von Gott als lebendig, heilig und annehmbar betrachtet. Erneuerung der Natur wird denen zuteil, die während des Evangeliums-Zeitalters ihr gerechtfertigtes menschliches Leben als lebendiges Opfer darbringen, wie Jesus sein vollkommenes menschliches Leben zum Opfer brachte, indem sie alle Rechte und Ansprüche auf ein zukünftiges menschliches Dasein niederlegen, sowie auch gegenwärtige menschliche Befriedigung und Vorrechte unbeachtet lassen. Das erste, was dabei geopfert werden muss, ist der menschliche Wille; und von da an dürfen wir weder von unserem eigenen noch von irgendeinem anderen menschlichen Willen, sondern nur vom göttlichen Willen regiert werden. Der göttliche Wille wird unser Wille, und wir rechnen den menschlichen Willen nicht als den unseren, sondern als den Willen eines anderen, der ignoriert und geopfert werden wird. Wenn der göttliche Wille unser Wille geworden ist, so fangen wir an, vom göttlichen Standpunkt aus zu überlegen, zu urteilen und zu denken. Gottes Plan wird unser Plan, und Gottes Wege werden unsere Wege. Wer nicht in wahrem Glauben sich selbst zum Opfer dargebracht und folglich jene Umwandlung erfahren hat, der kann letztere auch nicht völlig verstehen. Früher konnten wir uns an irgend etwas, das nicht tatsächlich sündig war, erfreuen, denn die Erde mit allen ihren Gütern ist zur Freude des Menschen erschaffen worden, und die einzige Schwierigkeit dabei war nur, die sündigen Neigungen zu unterdrücken. Die Gottgeweihten, die Erneuerten aber haben noch außer der Bemühung, die Sünde zu bekämpfen, die Aufgabe, gegenwärtige Güter und Genüsse zu opfern und ihre ganze Kraft und Energie dem Dienste Gottes zu widmen. Durch solche Treue im Dienste und Opfer erfahren wir täglich, dass diese Welt nicht unser Ruheplatz ist, dass wir hier keine bleibende Stätte haben. Unsere Herzen und Hoffnungen werden aber vielmehr zu der „Ruhe, die vorhanden ist dem Volke Gottes”, hingezogen. Und diese gesegnete Hoffnung ist es, die zu neuem und fortgesetztem Opfer antreibt.
So, durch Weihung, wird der Sinn erneuert oder umgewandelt, und die Wünsche, Hoffnungen und Bestrebungen fangen an, nach den geistigen, unsichtbaren, verheißenen Dingen sich zu erheben, während die menschlichen Hoffnungen usw. sterben. Wer so umgewandelt oder im Vorgange der Veränderung ist, wird als „Neue Schöpfung” betrachtet, als von Gott gezeugt, und ist in dem Maße ein Teilhaber der göttlichen Natur. Beachte den Unterschied wohl, der zwischen diesen „neuen Schöpfungen” und den gläubigen „Brüdern”, die nur gerechtfertigt sind, besteht. Diese sind noch „von der Erde und irdisch” und, abgesehen von sündigen Lüsten, sind ihre Hoffnungen, ihre Bestrebungen und Ziele solcher Art, wie sie in der verheißenen Wiederherstellung aller Dinge voll und ganz werden gewährt werden. Jene dagegen sind „nicht von dieser Welt”, gleichwie Christus nicht von dieser Welt ist, und ihre Hoffnung beruht auf dem Unsichtbaren, dem „was droben ist, da Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes”. Die Aussicht irdischer Herrlichkeit, so bezaubernd für den natürlichen Menschen, hat für die zu dieser himmlischen Hoffnung Gezeugten, für die, welche die Herrlichkeit der himmlischen Verheißungen sehen und das ihnen im göttlichen Plan zugewiesene Erbteil würdigen, keinen Reiz mehr. Dieser neue göttliche Geist oder Sinn ist „das Pfand unseres Erbes” der vollständigen göttlichen Natur - Geist und Leib. Ein göttlicher Leib! möchte hier jemand erstaunt ausrufen. Aber wird nicht von Jesu gesagt, er sei „der Abglanz seiner (des Vaters) Herrlichkeit und der Abdruck (ausdrückliche Nachformung) seines Wesens” (Hebr. 1:3), und dass die Überwinder, ihm gleich sein werden, … ihn sehen, wie er ist”? (1. Joh. 3:2) „Wenn es einen natürlichen (menschliche) Leib gibt, so gibt es auch einen geistigen.” (1. Kor. 15:44) Wir könnten uns unseren göttlichen Vater ebenso wenig wie unseren Herrn Jesus nur als große Geister ohne Körper vorstellen. Ihre Leiber sind herrliche geistige Leiber; doch noch ist nicht erschienen, wie groß die Herrlichkeit ist, und dies soll auch nicht erscheinen, bis auch wir die göttliche Natur teilen werden.
Während diese Umformung der Gesinnung (des inwendigen Menschen) ein allmähliches Werk ist, wird dagegen die Verwandlung aus einem menschlichen in einen geistigen Leib keine allmähliche, sondern eine augenblickliche sein (1. Kor. 15:52). Jetzt haben wir, wie Paulus sagt, diesen Schatz (die göttliche Gesinnung) in irdenen Gefäßen, zu seiner Zeit, aber wird er in dem herrlichen, ihm entsprechenden Gefäß, dem geistigen Leibe, wohnhaft sein.
Wir haben gesehen, dass die menschliche Natur ein Abbild der geistigen ist (1. Mose 5:1). Zum Beispiel, wie Gott einen Willen hat, so haben ihn auch Menschen und Engel; wie Gott Vernunft und Gedächtnis hat, so sind seine intelligenten Geschöpfe - Engel und Menschen - ebenfalls damit ausgestattet. Der Charakter der geistigen Verrichtungen beider ist der gleiche. Von den gleichen Voraussetzungen ausgehend, und unter denselben Verhältnissen, vermögen diese verschiedenen Naturen zu den gleichen Schlüssen zu gelangen. Obwohl die geistigen Fähigkeiten der Naturen ähnlich sind, so wissen wir doch, dass die geistigen Naturen Kräfte besitzen, die der menschlichen weit überlegen sind und die nach unserer Meinung nicht von verschiedenen Fähig sondern, sondern von dem weiteren Wirkungskreis derselben Fähigkeiten und von der Verschiedenheit der Verhältnisse, unter denen sie wirken, herrühren. Die menschliche Natur, die ein vollständiges irdisches Abbild der geistigen Natur ist, besitzt auch die Fähigkeiten der letzteren, nur sind dieselben auf das irdische Gebiet beschränkt. Über das Irdische hinaus vermag die menschliche Natur nur soviel zu erkennen, als Gott für des Menschen Wohl und Freude zu offenbaren für gut achtet.
Die göttliche ist die höchste Ordnung der geistigen Natur; und wie unermesslich ist der Abstand zwischen Gott und seinen Geschöpfen! Nur einen Schimmer der Herrlichkeit der göttlichen Weisheit, Macht und Güte vermögen wir zu erfassen, gleich als ob er seine mächtigen Werke in einem Panorama an uns vorübergehen ließe. Aber die Herrlichkeit einer vollkommenen Menschennatur können wir annähernd ermessen und begreifen.
Diese Gedanken klar erfassend, ist es möglich, uns einen Begriff davon zu machen, wie die Umwandlung von der menschlichen zur geistigen Natur bewirkt wird, nämlich durch Übertragung derselben geistigen Kräfte auf die höheren Verhältnisse. Wenn wir mit dem himmlischen Leib bekleidet sind, dann besitzen wir auch die himmlischen Kräfte, die dem herrlichen Leib eigen sind, und haben den Gedankenkreis und die Machtausdehnung, die dazugehören.
Die Veränderung oder Umwandlung des Sinnes vom irdischen zum himmlischen, welche der Geweihte hier an sich erfährt, ist der Anfang jener Verwandlung der Natur. Es ist keine Verwandlung des Verstandes, noch irgendein Wunder in seiner veränderten Tätigkeit, sondern die Richtung des Geistes und der Wille sind es, die verändert werden. Unser Wille und unsere Gesinnung vertreten unsere Persönlichkeit; folglich werden wir als umgewandelt und als zur göttlichen, himmlischen Natur gehörig gerechnet, wenn unser Wille und unsere Gesinnung verändert sind. Wohl wahr, das ist nur ein sehr geringer Anfang; allein die Zeugung, wie es bezeichnet wird, ist stets nur ein kleiner Anfang; und doch ist es das Unterpfand oder die Zusicherung des vollendeten Werkes (Eph. 1:13, 14).
Man hat die Frage aufgeworfen: Wie werden uns selbst wiedererkennen können, wenn wir verwandelt sind? Wie sollen wir dann wissen, dass wir dieselben Wesen sind, die vormals lebten, litten und sich aufopferten, um Teilhaber dieser Herrlichkeit zu werden? Werden wir dieselben selbstbewussten Wesen sein? Ganz gewiss! Sind wir mit Christo gestorben, so werden wir ihm leben (Röm. 6:8). Veränderungen, die täglich mit unseren menschlichen Leibern vor sich gehen, bewirken nicht, dass wir das Vergangene vergessen oder unsere Identität verlieren.
(Unsere menschlichen Leiber verändern sich fortwährend. Die Wissenschaft erklärt, dass alle sieben Jahre ein vollständiger Wechsel der uns ausmachenden Bestandteile (Atome) stattfindet. Somit wird auch der verheißene Wechsel von menschlichen zu geistigen Leibern weder Gedächtnis noch Identität zerstören, sondern vielmehr deren Stärke und Wirkungskreis vergrößern. Derselbe göttliche Geist (Sinn), der jetzt unser Eigen ist, mit demselben Gedächtnis, denselben Urteilskräften usw. wird sein Vermögen dann zu unermesslichen Höhen und Tiefen erweitert finden, seinem neuen Leib angemessen. Unsere ganze Laufbahn, von der frühesten Kindheit an, wird unser Gedächtnis verfolgen können, und durch die so ermöglichte Vergleichung sind wir in den Stand gesetzt, den glorreichen Lohn unseres Opfers voll und ganz zu würdigen. Das wäre aber nicht möglich, wenn das Menschliche kein Ebenbild des Geistigen wäre.)
Diese Gedanken können uns auch zu einer Vorstellung darüber verhelfen, wie der Sohn Gottes (als er vom geistigen zum menschlichen Zustand, zur menschlichen Natur, verwandelt und irdischen Beschränkungen unterworfen wurde) Mensch werden konnte. Er blieb dasselbe Wesen, dieselbe Person, im ersten Zustand ein geistiges im zweiten ein menschliches Wesen. Weil die beiden Naturen getrennt und verschieden sind, und doch die eine ein Ebenbild der anderen ist, sie also dieselben geistigen Fähigkeiten (Gedächtnis usw.) gemein haben, darum konnte Jesus sich seiner früheren Herrlichkeit erinnern, die er hatte, ehe er Mensch geworden war, wie seine Worte beweisen: - „Und nun verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war” (Joh. 17:5) - mit der Herrlichkeit der geistigen Natur. Und dieses Gebet ist in der gegenwärtigen Erhöhung zur höchsten Form geistiger Wesen, zur göttlichen Natur, mehr wie erhört worden.
Wiederum auf des Apostels Paulus Worte Bezug nehmend, bemerken wir, dass er nicht sagt: Gestaltet euch selbst nicht gleich dieser Welt, sondern verändert euch selbst in das göttliche Ebenbild, sondern er sagt: „Seid nicht gleichförmig … sondern werdet verwandelt.” Das ist klar ausgedrückt, denn wir bilden uns weder selbst, noch können wir uns selbst verändern, umgestalten (Luther: verklären),. aber wir unterwerfen uns, dass wir entweder durch weltliche Einflüsse, durch den Geist der Welt um uns her, der Welt gleichgebildet werden, oder wir unterwerfen uns dem Willen Gottes, dem heiligen Willen oder Geist, dass wir durch die vermittelst seines Wortes ausgeübten himmlischen Einflüsse verändert werden. Du, der du Gott geweiht bist, welchen Einflüssen gibst du dich hin? Die umgestaltenden Einflüsse führen zu gegenwärtiger Aufopferung und zum Erdulden von Leiden; aber wie herrlich ist das Ende! Wenn du dich unter diesen umbildenden Einflüssen entwickelst, dann prüfst du täglich, welches da sei der gute, der wohlgefällige und der vollkommene Gotteswille.
Dass doch die, welche ihr alles auf den Opferaltar gelegt haben, beständig im Auge behalten möchten, dass von den in Gottes Wort enthaltenen irdischen und himmlischen Verheißungen nur die Letzteren uns gehören. Unser Schatz ist im Himmel, lasst auch unsere Herzen jederzeit da sein. Unsere Berufung ist nicht nur zur geistigen Natur, sondern zur höchsten Stufe derselben, der göttlichen Natur - „so viel besser … als die Engel” (2. Petr. 1:4; Hebr. 1:4). Dieser himmlische Ruf ist auf das Evangeliums-Zeitalter beschränkt; er war vordem nie ergangen, und mit dem Ende des Evangeliums-Zeitalters wird er aufhören. Ein irdischer Ruf, jedoch nur unvollkommen verstanden, erging vor dem himmlischen Ruf und wird wie uns bezeugt ist, nach dem Evangeliums-Zeitalter fortgehen. „Leben (für die als menschliche Wesen Wiederhergestellten) und Unsterblichkeit” (der Preis, das Kleinod, zu dem der Leib Christi berufen ist) sind beide während dieses Zeitalters an das Licht gebracht worden (2. Tim. 1:10). Beide Naturen, die menschliche wie die geistige, werden in ihrer Vollkommenheit herrlich und doch voneinander verschieden sein, dabei aber beide im Einklang mit dem Willen des Schöpfers. Keinen zu unterschätzenden Teil der Herrlichkeit des vollendeten Werkes Gottes wird einst die schöne Mannigfaltigkeit und doch wunderbare Einheit aller Dinge, der belebten und unbelebten, bilden - im Einklang untereinander und im Einklang mit Gott.