Der Geist der Erkenntnis

In Sprüche 1:7 legt der weise Salomo die Grundlage oder den Ausgangspunkt aller Erkenntnis fest, wenn er feststellt: „Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Erkenntnis. Weisheit und Zucht verachten (nur) die Narren.”

Dies ist die erste grundlegende Erfahrung, die wir auf dem Weg zur wahren Erkenntnis unseres großen Gottes machen, daß wir erkennen, wie allmächtig, groß und erhaben unser Himmlischer Vater ist, und wie anbetungswürdig und Ehrfurcht gebietend Sein heiliger Name ist.

In Sprüche 15:33 geht Salomo einen Schritt weiter, wenn es sagt: „Die Furcht Jahwes ist Unterweisung zur Weisheit, und der Ehre geht Demut voraus.”

Sich vor dem Schöpfer Himmels und der Erden ehrfürchtig zu erniedrigen und in Anbetung auf die Knie zu gehen ist Unterweisung zur Weisheit, denn der Ehre der Erhöhung, die unser Himmlischer Vater für Seine wahren Anbeter vorgesehen hat, geht Demut, das heißt, unsere zeitliche Erniedrigung voraus.

Daß die Furcht Jahwes nicht nur der Erkenntnis Anfang sondern auch der Weisheit Anfang ist, stellt der König David in den Psalmen fest: „Die Furcht des HERRN ist der Weisheit Anfang: eine gute Einsicht für alle, die sie ausüben.” - Psalm 111:10

In ähnlicher Weise lesen wir in Hiob 28:28: „Siehe, die Furcht des HERRN, sie ist Weisheit, und vom Bösen weichen (das) ist Einsicht.”

Wenn wir, die diese Weisheit suchen, über Erkenntnis und den Geist der Erkenntnis nachsinnen, so mag uns das vorbildliche Volk Gottes dabei in den Sinn kommen. Als von Gott auserwähltes Volk waren die Israeliten in besonderer Weise bevorrechtigt, denn ihnen wurde der heilige Name Gottes zuerst offenbart. Durch die Gesetzgebung am Berg Sinai waren sie in eine Bündnisbeziehung zu ihrem Gott getreten. Sie kannten ihren Gott als den Gott, der Sein Volk aus Ägypten, dem Haus der Knechtschaft, herausgeführt hatte zur Ehre Seines heiligen Namens. Sie hatten die Erfahrungen mit Seiner Allmacht und Weisheit gemacht und Seine Wunder geschaut, und dennoch nicht die wahre Erkenntnis über ihren Gott erlangt, so daß der Ewige ihnen durch den Propheten Jesaja sagen muß: „Ein Ochse kennt seinen Besitzer und ein Esel die Krippe seines Herrn, Israel hat keine Erkenntnis, mein Volk hat kein Verständnis.” - Jesaja 5:13

Der Mangel an geistigem Verständnis führte schließlich zu ihrer zeitlichen Verwerfung, wie uns der Prophet Hosea zu verstehen gibt, wenn er im Auftrag Gottes spricht: „Mein Volk wird vertilgt aus Mangel an Erkenntnis. Weil du mich verworfen hast, so verwerfe auch ich dich, daß du mir nicht mehr Priesterdienst ausübst … .” - Hosea 4:6

Paulus bescheinigte dem Volk Israel, daß sie zwar „Eifer für Gott haben, aber nicht nach Erkenntnis.” - Römer 10:2 Wir fragen uns, wie war dies möglich, daß ein so überaus begünstigtes Volk zu dem die Propheten mit Botschaften Gottes geschickt wurden, zu denen Engel sprachen und die so viele Wunder Gottes schauten, keine wahre Erkenntnis über ihren Gott und Seinen Messias erlangten?

Eine Antwort auf diese Frage gibt uns der Prophet Jesaja, der durch Gottes Geist spricht in Jesaja 29:13: „Weil dieses Volk mit seinem Mund sich naht und mit seinen Lippen mich ehrt, aber sein Herz fern von mir hält und ihre Furcht vor mir (nur) angelerntes Menschengebot ist … wird die Weisheit seiner Weisen verlorengehen … .”

Und auf die Worte Jesajas Bezug nehmend, sagt unser Herr: „Und es wird an ihnen die Weissagung Jesajas erfüllt, welche sagt: Mit Gehör werdet ihr hören und doch nicht verstehen, und sehend werdet ihr sehen und doch nicht wahrnehmen; denn das Herz dieses Volkes ist dick geworden, und mit den Ohren haben sie schwer gehört, und ihre Augen haben sie geschlossen, damit sie nicht etwa mit der Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren und ich sie heile.”

Neige dein Herz zum Verständnis

Wir mögen in allgemeinen den Geist der Erkenntnis Gottes in einer verstandesmäßigen Aufnahme von Erkenntnissen sehen, die wir durch das Studium der Heiligen Schrift erlangen oder durch das gesprochene Wort in Versammlungen und Zusammenkünften mit den Glaubensgeschwistern.

Aber wie wir aus den Worten Jesajas entnehmen können, der durch den Geist Gottes sprach, ist dies nicht alles. Eine verstandesmäßige Erkenntnis ist gut, aber sie bewirkt nichts, und nützt nichts, wenn sie nicht gleichzeitig mit den Herzensempfindungen verbunden ist. Erst wenn der Geist der Erkenntnis Gottes unsere Herzen bewegt und uns zu größerer tätiger Liebe für Ihn, die Wahrheit, die Brüder und Schwestern und alle Menschen anregt, ist dies der Geist der Erkenntnis, den Gott bei uns sucht.

Weil die Erlangung von Erkenntnis den ungefestigten Menschen leicht zu Stolz und Hochmut veranlassen kann, so warnt uns die Schrift dabei auf die Demut des Herzens zu achten. Dies betrifft besonders diejenigen, die als Nachfolger Christi zu Gott in einem Sohnschaftsverhältnis stehen. An solche richten sich die Worte von Sprüche 2:1 - 5: „Mein Sohn, wenn du meine Reden annimmst und meine Gebote bei dir verwahrst, so daß du dein Ohr auf Weisheit merken läßt, dein Herz neigst zum Verständnis; ja, wenn du den Verstand rufst, deine Stimme hebst zum Verständnis, wenn du ihn suchst wie Silber, wie nach verborgenen Schätzen ihm nachspürst; dann wirst du die Furcht Jahwes verstehen und die Erkenntnis Gottes finden.”

„Wenn du dein Herz neigst zum Verständnis … .” Aus diesen weisen Worten Salomos, die er durch den Geist Gottes geleitet ausspricht, scheint eines deutlich hervorzugehen, daß eine Beugung oder Erniedrigung des Herzens zur Erlangung des Geistes der Erkenntnis unumgänglich notwendig ist. „Gott widersteht den Hochmütigen den Demütigen aber gibt er Gnade.” - Jakobus 4:6

Wir können aber auch noch eine weitere Erkenntnis aus diesen Worten entnehmen, nämlich die, daß die Erkenntnis Gottes nicht wie ein Füllhorn über uns ausgegossen wird, sondern daß wir ihr nachspüren müssen „wie nach Silber, wie nach verborgenen Schätzen”. Schätze liegen nicht an der Oberfläche. Jeder Schatzsucher muß viel Zeit und Mühe aufwenden, wenn er nach verborgenen Schätzen sucht und gräbt. Und nicht anders verhält es sich mit den geistigen Schätzen. Oft ist es so, daß wir erst nach langem, eifrigen und manchmal vergeblichem Suchen in den Schriften einen weiteren kostbaren Stein der Wahrheit entdecken, etwas, was wir bis dahin noch nicht so deutlich erkannt hatten und uns mit einem Gefühl großer Freude und Dankbarkeit erfüllt.

Es genügt nicht, daß wir die Bibel von vorn bis hinten wie ein normales Buch durchlesen, um auf diese Weise Erkenntnis zu erlangen. Wir könnten dies viele Male hintereinander tun und würden dabei doch keine wahre Erkenntnis finden. Erst wenn wir der Erkenntnis und Weisheit des Wortes Gottes nachspüren „wie nach verborgenen Schätzen” mit allem Fleiß und vollem Einsatz und dies mit demutsvollen und aufnahmebereiten Herzen tun, indem wir gebetsvoll darüber nachsinnen, so wird uns der Geist der Erkenntnis gegeben werden, der uns in die Tiefen der Wahrheit führt.

Salomo sagt in Sprüche 18:5: „Das Herz des Verständigen erwirbt Erkenntnis und das Ohr des Weisen sucht Erkenntnis.”

Dieses Suchen nach geistiger Erkenntnis oder das Erwerben von Erkenntnis wird sich, wenn wir uns geweiht und unser Alles dem Herrn übergeben haben und nach Seinem Willen leben wollen, nicht nur auf die Zeit unseres Studiums beschränken, sondern alle Bereiche unseres Lebens miteinschließen. Wir können uns ja nicht nur beim Studium der Heiligen Schrift oder in der Versammlung als Verständige erweisen, die nach Erkenntnis suchen, und in der übrigen Zeit in der wir unseren täglichen Beschäftigungen und Pflichten nachkommen, als solche erweisen, die gedankenlos und desinteressiert sind, die Wege des Herrn und Sein Handeln in ihrem Leben zu erkennen.

Erkenne Ihn auf allen deinen Wegen

Salomo macht in den Sprüchen diesen Gedanken ganz deutlich, wenn er in Sprüche 3:5 - 7 feststellt: „Vertraue auf Jahwe mit deinem ganzen Herzen und stütze dich nicht auf deinen Verstand. … Erkenne ihn auf allen deinen Wegen, und er wird gerade machen deine Wege.”

Gott und unseren Herrn Jesus auf allen unseren Wegen zu erkennen, setzt ein tiefes Nachsinnen und eine bestimmte Beobachtungsgabe voraus, die der Herr mit den Worten kennzeichnete: „Glückselig aber eure Augen, daß sie sehen, und eure Ohren, daß sie hören.” - Matthäus 13:16 Jesus hatte die Augen und Ohren seiner Jünger zu einem geistigen Verständnis geöffnet, und sie durch seinen Wandel und sein Wort den liebevollen Charakter des Himmlischen Vaters erkennen lassen. Gott zu erkennen und unseren Herrn Jesus als unseren Erretter zu erkennen beinhaltet ewiges Leben. Diese Feststellung hat unser Herr gemacht, und sie wird uns durch seinen Jünger den Apostel Johannes mit den Worten überliefert: „Dies aber ist das ewige Leben, daß sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen.” - Johannes 17:3

Was bedeutet es für uns „Gott zu erkennen” und auf welche Weise können wir diese Erkenntnis erlangen? Dazu wollen wir ein paar Auszüge aus den Kommentaren Bruder Russells zitieren, die er uns zu Johannes 17:3 hinterlassen hat: „Das Wort ’erkennen’ gibt den Gedanken von Wertschätzung und Verständnis wieder. Gott zu erkennen bedeutet vertraute Bekanntschaft mit Ihm zu haben, Ihm im Charakter ähnlich zu sein, fähig zu sein, Dinge so zu sehen wie Er sie sieht.”

„Es bedeutet mehr als nur etwas über Seinen Plan und Seinen Charakter zu erkennen. Es bedeutet persönliche Bekanntschaft und kluge Wertschätzung Seines Charakters. Dies erfordert Teilnahme an Seinem Geist der Heiligkeit und Liebe.”

„Die Furcht oder Ehrfurcht Gottes ist unsere erste Erkenntnis. Wenn sie richtig ausgeübt wird, wird sich der Herr mehr und mehr offenbaren. Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit aber nicht das Ende derselben.”

„Solche Erkenntnis ist nicht augenblicklich zu erlangen, sondern ist das Ergebnis des Wachstums in Gnade. Wir nehmen zu an Gnade, wie wir zunehmen an Erkenntnis, und wir nehmen zu an Erkenntnis, wenn wir zunehmen an Gnade, denn beide halten Schritt miteinander während unseres Laufes.”

„Um Gott zu erkennen, müssen wir Seinen Sohn erkennen. Er ist das Wort, das Mundstück oder die Aussage des Vaters. Und wie Christus den Vater offenbart, so offenbart das geschriebene Wort Ihn. Selbst im Fleisch war er „Gott offenbart im Fleisch“. - 1. Timotheus 3:16 Von seinem Charakter in seiner Vollkommenheit erhielten wir unsere früheste und wahrhaftigste Vorstellung von Gott.”

Auch diese Worte mögen uns zeigen, daß „der Geist der Erkenntnis Gottes” viel umfangreicher ist als nur ein verstandesmäßiges Erfassen der Aussagen der Schrift. Wir verstehen es vielmehr so, daß der „Geist der Erkenntnis Gottes” den ganzen Menschen in seinem Denken, Fühlen, und Wandeln auf dem Weg der Nachfolge berührt.

Wir sollten uns hier auch die Frage stellen: Erkennst du den weisen, den barmherzigen, den langmütigen Gott auf „allen deinen Wegen” in deinem täglichen Leben, sowohl in den Segnungen als auch in den Prüfungen? Suchst du Ihn zu erkennen? Suchst du zu erkennen, was der Herr täglich von dir fordert, was Er mit Recht von dir fordert, da du gelobt hast immer und überall Seinen Willen zu tun? Bist du zufrieden und dankbar für das, was der Himmlische Vater jeden Tag für dich bereithält?

Zusammenfassend können wir feststellen, das der Geist der Erkenntnis Gottes eine geistige Kraft ist, die den Geweihten von Gott gegeben wird. Während der ersten Gegenwart Jesu war er der Vermittler des Geistes der Erkenntnis Gottes für die Jünger. Zu Pfingsten kam der Heilige Geist über die Nachfolger des Evangelium-Zeitalters um sie in die ganze Wahrheit der Erkenntnis Gottes zu führen. Diese geistige Kraft, die von Gott ausgeht, belehrt, kräftigt und zieht Seine geistigen Söhne näher zu Ihm.

Der Geist der Erkenntnis ist ein offenbarender Geist. Gott offenbart Seine Geheimnisse denen, die mit dem Herzen und mit dem Verstand auf allen ihren Wegen nach Ihm suchen. Er läßt diejenigen, die eifrig und demütig in Seinem Wort nach Ihm forschen tiefe Erkenntnisse sammeln über Seinen erhabenen, liebevollen Charakter und Seinen gerechten und liebevollen Plan mit den Menschen.

Wir wollen diese Betrachtung über den „Geist der Erkenntnis” mit den Worten des Apostel Petrus in 2. Petrus 1:2 beenden: „Gnade und Friede sei euch vermehrt in der Erkenntnis Gottes”.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung