Auf sich selbst zu vertrauen, ist Schwachheit

„Daher, wer zu stehen meint, sehe zu, daß er nicht falle.” - 1. Korinther 10:12

Petrus hat sich als einer der hilfreichsten der zwölf Apostel erwiesen, und das Geheimnis seiner Hilfe liegt in der Offenbarung der Schrift über seine menschliche Natur - ihre Stärken und ihre Schwächen. Er war der erste der zwölf Apostel, der den Meister als den Messias bekannte, den Gesandten Gottes. Er war der erste der zwölf, der ihn verleugnete. Er war der einzige von den zwölf, der sein Schwert zog, um den Meister zu verteidigen. Und er war der einzige, der später beschwor, daß er ihn niemals gekannt habe. Auf göttliche Anweisung wurden ihm die Schlüssel gegeben, die Tür zur hohen Berufung, zum Königreich, zu öffnen. Zu Pfingsten benutzte er einen der Schlüssel der Macht, und er verkündete den Juden auf mutige Art und Weise die Öffnung des Weges zur Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit. Ein wenig später, als die Zeit dafür gekommen war, öffnete er die Tür zu dem gleichen hohen Ruf für die Gläubigen aus den Nationen, als durch seine Predigt Kornelius, der erste aus den Nationen, der Gott annehmbar war, vom Heiligen Geist erreicht und gezeugt wurde. Dies war der Beweis dafür, daß die Mauer, die zuvor Juden und Nationen voneinander trennte, niedergerissen war. Und obwohl dieser große Mann, Petrus, über diese Erkenntnis verfügte und solch besonders günstige Gelegenheiten erhielt, äußerte er sich später so, als ob in der Gleichheit vor dem Herrn zwischen Juden und Nationen ein Unterschied bestehen würde. So verleugnete er gewissermaßen, daß die Gnade Gottes auch für die Nationen galt und heuchelte so vor den Juden.

Aber bei all diesen Erfahrungen unterstrich Petrus immer wieder, daß sein Herz im Innersten treu gegenüber Gott, der Wahrheit und der Gerechtigkeit war, und daß die Schwachheiten, Fehler, die Mängel seines Charakters aus seinem Fleische entstanden waren und nicht aus seinen wirklichen Herzensempfindungen. Über seine Verleugnung des Meisters weinte er bitterlich. Und für seinen Fehler, die Nationen nicht anzuerkennen, machte er höchst demütig eine volle Wiedergutmachung. Dieselbe Darstellung der menschlichen Natur, die uns bei Petrus anzieht, zieht uns auch bei David, dem Propheten und König Israels, an. Er war nicht so heilig, daß er nicht einen Fehler machen konnte. Er stand nicht soweit über den übrigen der Menschheit, daß sie in ihm nicht einen Mitmenschen erkennen konnten. Doch bei allem war er nicht so erniedrigt, um abstoßend zu wirken. Seine Schwächen wurden durch den reichlichen Beweis seiner Herzens-Redlichkeit gegenüber Gott und der Gerechtigkeit völlig ausgeglichen. Seine besonderen Erfahrungen im Stolpern und bei der Wiederherstellung haben sich in seinen Psalmen so widergespiegelt, daß sie nahezu in jedem Herzen eine entsprechende Seite anrühren, das Gott gegenüber treu ist, und das irgendeinen Grad von Erfahrung mit der Sünde und Schwachheit gemacht hat - seiner eigenen und der von anderen.

Wie andere Bibelkundige Petrus gesehen haben

Petrus ist noch heute der faszinierendste aus der Schar von Menschen, die unseren Herrn in den Tagen seiner irdischen Pilgerschaft umgaben. Der britische Bibelgelehrte G. C. Morgan sagte über Petrus: „Jetzt bin ich überzeugt, daß wir in Petrus die größte Menschlichkeit im Neuen Testament offenbart finden. Ich sage nicht, von seinen Taten oder von seinen besonderen Wesensmerkmalen her der größte Mann, sondern in der wundervollsten Offenbarung der menschlichen Natur. Dieser Mensch von Intelligenz machte fortwährend Fehler. Dieser Mensch voller Gefühle machte sich solcher Regungen schuldig, daß er dort Schaden anrichtete, wo er aus edlem Grund zu helfen wünschte.”

Der Bibelkundige A. J. Southouse sagt von Petrus: „Petrus war ein Durchschnittsmensch, und aus diesem Grund kommt er uns näher als einige seiner Gefährten. Aber Durchschnittsmenschen haben ihre glänzenden Augenblicke, solche wie Petrus, als er auf dem Wasser zu wandeln versuchte. Denn bei dieser Handlung versuchte er eine Sache zu tun, für die er keine Fähigkeiten zu haben schien. Er ging los, etwas zu tun, was er nie zuvor getan hatte. Ein schneller, flüchtiger Blick auf die Männer und Frauen die wir kennen, wird genügen, um festzustellen, daß wir niemals vorhersagen können, wozu sie fähig sind. Außergewöhnliche Dinge werden durch Menschen in der Welt getan, von denen wir es zu allerletzt erwarten.” Dr. David sagte über Petrus: „Petrus war verständig. Er stellte Jesus mehr Fragen als irgendein anderer Apostel. Die Eigenschaft Fragen zu stellen, steht in einem Verhältnis zum Verständnis. Es kann auch ein Anzeichen für mangelndes Verständnis sein, aber der Mensch, der nie eine Frage stellt, zeigt sicherlich immer einen Mangel in seinem Verständnis. Petrus war ein Mann des Herzens, weinend und ungestüm. Seine Tugenden und seine Fehler hatten ihre gemeinsame Wurzel in seiner begeisterungsfähigen Sinnesart. Es ist zu seinem Lob zu sagen, daß durch diese begeisterungsfähige Sinnesart in dem schwachen, vorschnellen Menschen die schöne Pflanze der brennenden Liebe und Aufnahmebereitschaft zur Annahme der Wahrheit in seinem Leben kräftiger gedieh.”

Gebt acht auf euch selbst

Eine der großen Lektionen, die der Meister seine Nachfolger lehrte, und die alle in der Schule Christi lernen müssen, ist die, daß wir trotz brennender Liebe und Eifer für Gott und für Gerechtigkeit auch Mäßigung besitzen sollten - indem wir den Geist eines gesunden Sinnes ausüben. Christi Nachfolger werden ermahnt, „klug wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben zu sein”. Ihre Weisheit besteht darin, nicht auf selbstsüchtige Weise zu handeln, sondern auf großzügige Weise - eine Weise, die die Interessen für alle berücksichtigt, und besonders die Interessen, die die Angelegenheiten des Herrn betreffen. Und das Trachten soll auf jede Anteilnahme an den uns anvertrauten Dingen gerichtet sein.

In Erwartung der Trübsalsstunde, in der er verraten werden sollte, hatte Jesus im Lauf seiner Anweisungen zu seinen Jüngern gesagt: „Ihr werdet euch alle in dieser Nacht an mir ärgern; denn es steht geschrieben: ’Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe der Herde werden zerstreut werden.’ Nachdem ich aber auferweckt sein werde, werde ich vor euch hingehen nach Galilea.” - Matthäus 26:31 und 32

Daraufhin sagte der schnell erregbare Petrus: „Wenn sich alle an dir ärgern werden, ich werde mich niemals ärgern.” - Vers 33 Wie wenig verstand doch dieser mutige Mann die Natur der Trübsale und Schwierigkeiten, die unmittelbar vor ihm lagen, wie wenig erkannte er die Schwachpunkte seiner eigenen leidenschaftlichen Natur. Auch wenn wir die Verleugnung des Meisters als schmerzlich empfinden, so müssen wir uns darüber freuen seinen Glauben, seine Liebe und seinen Eifer zu bemerken, die sich in seiner Bestätigung Jesu als Messias wie auch seiner späteren Aussage, daß nichts jemals seine Treue zum Herrn erschüttern sollte, zeigten.

Es geschieht jedoch auf besonders zuverlässige und eifrige Weise, daß der Widersacher ständig damit beschäftigt ist, Fallen zu stellen. So erklärte Jesus dem Petrus aus Anlaß einer besonderen Gelegenheit: „Simon, Simon! Siehe der Satan hat euer begehrt, euch zu sichten wie den Weizen“ - Lukas 22:31 Der Satan versucht, uns von der Hingabe zu Christus zu trennen, und uns von der Jüngerschaft zu entmutigen, und uns mit Furcht und unseren eigenen Schwächen zu überwältigen. Der Meister fügte hinzu: „Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht aufhöre.” Wir können gut verstehen, daß der gleiche, liebende Meister allen seinen treuen, warmherzigen Nachfolgern beisteht, worin auch immer ihre Schwachheiten der Vererbung bestehen mögen. Wir können auch gut verstehen, daß er dazu in der Lage ist, all diejenigen in starke Charaktere zu entwickeln, die in seiner Liebe bleiben und ihren Eifer fortsetzen. Er ist dazu imstande, alle Dinge dazu zu bewegen, zu ihrem Guten zusammenzuwirken - sogar die ererbten Schwachheiten können für die Treuen „ein über die Maßen und ewiges Gewicht an Herrlichkeit” bewirken, wie der Herr verheißen hat.

Bevor der Hahn kräht

Der Herr sah die Gefahr für seinen liebenden aber ungestümen Nachfolger, und sprach ein Wort der Warnung aus, daß er vor dem ersten Hahnenschrei seinen Meister verleugnen würde. Wie unrealistisch dies dem Petrus erschien! Er hatte mutig erklärt: „Selbst wenn ich mit dir sterben müßte, werde ich dich nicht verleugnen.” Und ebenso sprachen auch alle elf Jünger. Ihre Herzen waren gut. Und der Herr schaut auf das Herz. Unsere Betrachtung kommt nun zu Vers 69. Der Meister war gefangen genommen worden. Die zerstreuten Jünger waren geflohen. Johannes war auf Grund einer Bekanntschaft mit der Familie des Hohenpriesters weiter in den Palast hineingegangen, als Petrus, der im Hof stand. Eine Dienerin des Palastes erkannte Petrus als einen der Jünger Jesu und sagte dies öffentlich. Von Furcht erfüllt, daß er das gleiche Schicksal wie Jesus erleiden könnte, verleugnete Petrus dessen Identität, indem er erklärte, nichts über die Angelegenheit zu wissen.

Ein wenig später bestätigte ein anderer die Aussage. Petrus bekräftigte seine Verleugnung mit Nachdruck durch einen Eid. Er behauptete Jesus nicht zu kennen. Später verbreitete sich dieses Wort im ganzen Hof des Palastes, und viele griffen es auf. Sie sagten, daß sie glaubten, was die Dienerin sagte, und daß Petrus ohnehin einen Dialekt von Galiläa spreche. Um seine Verleugnung zu bekräftigen, begann Petrus sich zu verfluchen und zu beschwören, den Menschen nicht zu kennen. Gleich danach begann der Hahn zu krähen. Petrus erinnerte sich der Worte seines Meisters: „Bevor der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.”

Petrus war sich seiner eigenen Standhaftigkeit zu sicher, zu zufrieden mit seiner Hingabe. Er war durch seine Prahlerei in die Falle des Widersachers getappt. Ein anderer Bericht sagt, daß Jesus sich umwandte und Petrus anblickte. Dieser Blick war bedeutsam. Er sprach Bände über das treue Herz des Petrus. Wir können sicher sein, daß es nicht ein Blick der Geringschätzung noch des Ärgers war. Es war ein Blick liebenden Mitgefühls, der das Herz des Petrus zum Überfließen brachte. Er ging hinaus und weinte bitterlich. Die Nachfolger des Meisters von heute, die von Schwachheiten und Fehltritten und Versuchungen des Widersachers befallen sind, haben die Lektion der Erfahrung des Petrus als eine Warnung vor Augen, zufrieden in dem Herrn zu sein, und vielmehr zu ihm um Hilfe aufzublicken, als auf sich selbst zu vertrauen. Und diejenigen, die heute Fehler machen, besitzen die Erfahrung des Petrus als eine Lektion über des Herrn Mitgefühl und Mitleid. Auch sie sollten wegen ihrer Übertretungen bitterlich weinen und bereuen, um aus ihren Erfahrungen Nutzen ziehen.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung