Glückselig die Verfolgten

Jeremia 37
„Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und jedes böse Wort lügnerisch wider euch reden werden um meinetwillen.” - Matthäus 5:11

Verfolgung bedeutet, daß die Person oder Sache, die verfolgt wird, einige Eigenschaften oder Kräfte besitzt, die gefürchtet werden. Wenn die Verfolgung um der Religion willen geschieht, so beweist das, daß der Verfolger seine eigene Schwäche fühlt, den Argumenten auf eine vernünftigere Weise zu begegnen. Es beweist entweder, daß die Verfolger schwach sind, oder daß die Argumente des Verfolgten stark sind.

Vom Anfang der Menschheitsgeschichte an hat es Verfolgungen gegeben. Kain verfolgte seinen Bruder Abel bis in den Tod, weil der letztere gerecht und sein Verfolger ungerecht war. Man kann sagen, daß die Verfolger immer ungerecht sind, auch wenn man nicht sagen kann, daß die Verfolgten immer gerecht sind. Das Prinzip der Verfolgung ist ein ungerechtes. Wer also einen anderen verfolgen will, entweder mit körperlicher Qual oder mit Verleumdungen und Beleidigungen, sollte unverzüglich den Zustand seines eigenen Herzens untersuchen, denn da ist sicherlich etwas verkehrt. Wer immer eine Verfolgung sieht, entweder eine körperliche oder eine verleumderische, sollte sich sofort entscheiden, daß der Verfolger im Irrtum ist und dem Verfolgten seine Anteilnahme zukommen lassen, auch wenn er vielleicht sonst nicht mehr tun kann. Er wird dadurch in seinem eigenen Geist das Prinzip der Gerechtigkeit pflegen, das der Entwicklung seines eigenen Charakters dienen wird.

Der gläubige Jeremia wird verfolgt

Unsere Betrachtung lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Verfolgungen, die einer der treuen Propheten des Herrn zu erdulden hatte. Er war im höchsten Sinne des Wortes ein Patriot, nämlich darin, daß er für das höchste Wohl seines Volkes nach Gottes Weisheit ausblickte. Sein Prinzip war „Gott zuerst!” und er wußte, daß nur auf diesem Wege Gottes Segen über sein Volk kommen konnte. Selbstverständlich wurde er vom König und seinen Ratsleuten mißverstanden. Sie konnten ihn nicht leiden, weil er die Wahrheit sagte, und das furchtlos - sie zogen die Propheten vor, die ihnen etwas von ihrer eigenen Weisheit, Größe und dem Erfolg ihrer Politik vorredeten.

Zur Zeit dieser Betrachtung war Zedekia auf dem Throne. Er war ein Vasall Nebukadnezars, des Königs von Babylon, dessen Reich im Norden lag. Auf die Hilfe Ägyptens im Süden hoffend, revoltierte Juda, entgegen der Warnung des Herrn durch Jeremia. Die Chaldäer belagerten sie, und das ägyptische Heer zog zur Befreiung heran.

Die Belagerung Jerusalems wurde zeitweilig aufgehoben, und die Hoffnungen Judas stiegen. Dennoch fuhr Jeremia fort, zu verkündigen, daß das Ende des Königreichs nahe war, und daß es in Babylon aufgehen würde.

Eigenwillig, wie der König und seine Fürsten waren, betrachteten sie Jeremia als einen Volksverräter und als ihren Widersacher. Sie hätten erkennen sollen, daß das Volk Gott gehörte, und daß allein Jeremia treu zu dem großen König stand.

Als das Heer der Chaldäer von der Belagerung abgezogen war, beschloß Jeremia, mit einigen vom Volke außerhalb der Stadtmauern zu leben, in dem Erbteil des Stammes Benjamin. Als er diesen Plan ausführen wollte, wurde er gefangen genommen und der Treulosigkeit angeklagt. Man beschuldigte ihn, mit den Chaldäern gemeinsame Sache machen zu wollen gegen die Interessen seines eigenen Landes. Obwohl er die Beschuldigung widerlegte, wurde er ins Gefängnis geworfen.

Jerusalem hatte viele unterirdische Zisternen und Gewölbe, und diese wurden „Zellen” genannt. Sie waren dafür bestimmt, in Zeiten der Dürre oder in einer Zeit der Belagerung Wasserbehälter zu sein. Der Boden dieser „Zellen” oder Zisternen war nach der Entfernung des Wassers oft tief mit Schlamm bedeckt. Das nächste Kapitel berichtet uns von dem schrecklichen Zustand des Kerkers, in den Jeremia geworfen wurde. Wir lesen: „Sie ließen Jeremia mit Stricken hinab; und in der Grube war kein Wasser, sondern Schlamm, und Jeremia sank in den Schlamm.” Als sie ihn endlich herauszogen, lesen wir, daß sie „zerrissene Lappen und abgetragene Lumpen nahmen und sie an Stricken zu Jeremia in die Grube hinabließen”, der sie unter seine Arme legte und hinaufgezogen wurde. In diesem Kerker blieb der Prophet „viele Tage”.

Furcht vor Leiden hinderte den Propheten nicht

Nicht aus Anteilnahme, nicht aus Gerechtigkeit, sondern mit dem Wunsch, den Propheten um die Zukunft zu befragen, hatte ihn der König aus dem Kerker holen lassen. Wie sehr der König Jeremia auch verachtete und sich weigerte, seine Worte anzuerkennen, so erkannte er doch in seinem Herzen, daß er ein Knecht Jahwes war, und er fürchtete, daß seine Botschaft wahr sein könnte.

Der Mut des Propheten, mit dem er auf des Königs Frage antwortete, verdient alles Lob. Er änderte kein Wort von dem, was er vorher gesagt hatte. In freundlicher Weise versuchte er den König dazu zu drängen, nicht auf andere Weissagungen zu hören, und versicherte ihm, daß seine eigenen unheilvollen Aussprüche wahr seien, weil sie das Wort des Herrn seien.

Auf seine Bitte wurde er nicht wieder in den Schlamm der Zisterne geworfen, sondern durfte als Gefangener im Gefängsnishofe bleiben, und erhielt täglich einen Laib Brot zur Nahrung.

Wenn wir an die Gefängnisse der damaligen Zeit und ihre körperlichen und geistigen Folterungen denken, so ist es gut, nicht zu vergessen, daß der geistige Zustand des Verfolgten viel mit dem Maß des Leidens zu tun hat. So hatte zum Beispiel Jeremia in seinem Kerker trotz der unglücklichen Umgebung Frieden mit Gott, während der König selbst, der ihn ins Gefängnis werfen ließ, kurze Zeit darauf von den Chaldäern gefangen genommen, seines Augenlichts beraubt und in den Kerker geworfen wurde. Armer Mann! Enttäuscht in jeder Hinsicht, ohne jede menschliche Anteilnahme und ohne Gemeinschaft mit dem Allmächtigen, muß sein Kerker eine schreckliche Erfahrung für ihn gewesen sein.

Die Gnade Gottes gibt Kraft

Wir denken an andere, die um der Gerechtigkeit willen ins Gefängnis geworfen wurden - Petrus und Johannes, Paulus und Silas. Die Welt kann niemals die Kraft verstehen, welche diese Männer, in denen sie wirkte, befähigte, sich in Verfolgungen zu freuen. Ihr Rücken blutend von Peitschenhieben, und ihre Füße im Stock befestigt, höchst unbequem, waren sie dennoch dazu fähig, Gott zu preisen für das Vorrecht, daß sie mit Christo leiden durften - leiden um der Gerechtigkeit willen, und so einen Teil der Leiden Christi ergänzend. Solche Charaktere sollen wir nachahmen. Wir wissen, daß solche Freude und solcher Friede mitten im Schmerz und Verfolgung nur vom Herrn kommen kann.

Des Meisters Worte in unserem Leittext galten gestern und sie gelten heute und werden auch morgen noch gelten, so lange die Herrschaft des Bösen zugelassen wird. „Glückselig seid ihr, wenn Menschen euch schmähen und verfolgen und jedes böse Wort lügnerisch wider euch reden werden um meinetwillen.” Aber um diesen Segen wert zu sein und ihn zu erhalten, muß ein Charakter entwickelt werden und vorhanden sein, den die Feinde der Gerechtigkeit der Verfolgung wert halten. Die Heilige Schrift sagt, daß Verfolgung während dieses ganzen Zeitalters das Teil des gläubigen Volkes sein wird - bis zur Aufrichtung des Königreiches des Messias. Unter der neuen Regierung wird es unmöglich sein, um der Gerechtigkeit willen zu leiden. Beachten wir die Worte des Apostels: „Alle, welche gottselig leben wollen, in dem jetzigen Zeitlauf, werden verfolgt werden.” Gottselig leben heißt, nicht nur offenbare Sünden und Laster meiden, sondern ein Held im Streite sein, ein Verteidiger des Rechts, und ein Gegner des Unrechts - ein Diener der Gerechtigkeit, ein Streiter des Kreuzes.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung