Der Gerichtstag Christi

Der Begriff des Menschen von Recht und Unrecht gerät zunehmend in Verwirrung; der Rechtsbegriff wird heute geschändet und mißbraucht. Gewalttaten und Unrecht türmen sich weltweit bis zum Himmel auf. Das Rechtsempfinden von Christen wird fortwährend beleidigt, und es werden ständig neue, mit christlichen Maßstäben unvereinbare Rechtsansprüche in der Welt erhoben. Es ist den Menschen unmöglich, dieses Gewirr von Rechtsirrungen befriedigend zu lösen. Doch könnte uns nichts deutlicher vor Augen führen, wohin es schließlich führt, wenn der gefallene Mensch den Boden der göttlichen Rechtsordnung verläßt, als unsere aus den Fugen geratene Zeit und Welt. Man kann die Rechtsverwirrung am besten mit einer durcheinander geratenen Garnrolle vergleichen, die zu einem unlösbar verwickelten Knäuel geworden ist. Jede neu hinzukommende Sünde hat eine weitere Verwicklung zur Folge. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß jede Sünde irgendwie und irgendwann schadet, denn Gottes heilbringende Ordnung kann nicht ungestraft verletzt werden. Wenn uns dies nicht immer so zu sein scheint, dann nur deswegen, weil wir selbst schon zu sehr von den Rechtsverwirrungen dieser Welt beeinflußt worden sind.

Wie ist es nur zu diesem Zustand gekommen?

Unser Vater Adam sündigte wissentlich, und seine Sünde ging als Erbanlage auf alle seine Nachkommen über. Damit ging auch das göttliche Urteil des Todes auf diese Nachkommen über: „Der Tod ist zu allen Menschen hindurchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben”. - Römer 5:12 Erst durch Christus ist die Erlösung hiervon gekommen. Er nahm alle unsere Sünden auf sich und starb als Gerechter für die Ungerechten. Wir möchten das Ausmaß seines erlösenden Opfers in seiner gesamten Tragweite für Christus beschreiben und erläutern: Dem Grunde nach wäre es ein Lebensrecht des Menschen Jesus Christus gewesen, sich zu verheiraten und Nachkommen zu zeugen, die dann grundsätzlich rein und sündlos gewesen wären. Er jedoch verzichtete in seiner Vollkommenheit und dem Wissen um seine Bestimmung darauf, und er opferte mit seinem Kreuzestod auch eine ganze sündlose Nachkommenschaft. Dies entsprang seinem Wissen um seine ihm von Gott übertragene Aufgabe. Wir können etwas Vergleichbares daran erkennen, wenn geschrieben steht, daß auch Levi, der noch in Abrahams Lenden war, als dieser Melchisedek den Zehnten entrichtete, ihm damit auch den Zehnten entrichtet hat. - Hebräer 7:5 und 9 Jesus verzichtete auf ein natürliches, ihm zustehendes Recht, eine Nachkommenschaft zu begründen und nahm stattdessen das Menschengeschlecht als seine Nachkommenschaft an. So wurde er zum zweiten Adam für uns. - 1. Korinther 15:45

Ähnliches hatte auch Moses einst getan. Jahwe hatte erklärt, daß Er das abtrünnige Volk Israel vernichten wolle; dafür wolle Er den Moses zu einer großen Nation machen. Moses beschwor jedoch seinen Gott, davon abzusehen. Er nahm damit auf ähnliche Weise dieses halsstarrige und undankbare Volk an Stelle eines selbstgezeugten Volkes als das seine an. - 2. Mose 32:10

Die Annahme der Menschheit im allgemeinen durch Jesus Christus geschieht jedoch nicht ohne Unterschiede zu machen und nicht bedingungslos. Vielmehr wird im kommenden Zeitalter ein Gerichtsverfahren damit verbunden sein.

Das Wort Gottes ist voller Verheißungen, Prophezeiungen und Hinweise auf diesen großen und herrlichen Gerichtstag. Schon Daniel durfte mit dem Blick des Propheten in die wechselhaften Ereignisse der großen Weltpolitik, ihrer Verwicklungen und Auflösung bis in die Tage Christi sehen: Tage, in denen Throne aufgestellt werden und unser Herr Jesus Herrschaft und Königtum empfangen wird - Tage, in denen ihm Tausend mal Tausend dienen und Zehntausend mal Zehntausend vor ihm stehen werden, um nach dem gerichtet zu werden, was in den großen Schuldbüchern des Himmels eingetragen sein wird - Daniel 7:9 - 11 und 13 - 15 Auf besondere Weise schildert Johannes in der Offenbarung dieses Gericht am Auferstehungstag im Königreich Christi mit den Worten: „Und ich sah einen großen weißen Thron, und den der darauf saß, vor dessen Angesichte (einst) die (alte) Welt entfloh und der Himmel … Und ich sah die Toten, die Großen und die Kleinen, vor dem Throne stehen, und Bücher wurden aufgetan, und ein anderes Buch wurde aufgetan, welches das Buch des Lebens ist. Und die Toten wurden gerichtet nach dem, was in den Büchern geschrieben war, nach ihren Werken”. - Offenbarung 20:11 - 15 Hier wird, um unser Bild vom Beginn fortzuführen, aus dem Knäuel menschlicher Irrungen Faden um Faden gelöst. Jede Sünde muß von Herzen bereut und jeder Schaden irgendwie wieder gut gemacht werden; jeder Mensch muß sich nach der göttlichen Gerechtigkeit ausrichten. Dazu werden die Menschen mit Sicherheit alle Fähigkeiten empfangen, die sie erbitten. Und die Gnade Christi Jesu reicht genau so weit wie die Reue und Bußfertigkeit des Sünders - eine unbegründete und unbedingte Gnade jedoch würde gegen die Gerechtigkeit Gottes und des Herrn stehen. Wir sind uns dessen sicher, daß das Innerste des Herzens der Menschen über all ihre Erwartungen hinaus von den wunderbaren, barmherzigen und weisen Richtersprüchen befriedigt sein werden, die von dem herrlichen Weltenrichter gefällt werden. Sagt doch der Herr: „Glückselig, die da hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, denn sie sollen gesättigt werden”. - Matthäus 5:6 Wir dürfen sicher sein, daß auch die Völker und Weltregierungen unserer Tage ihre Ankläger finden werden, wenn sie sich nicht zu Gott bekehren, und daß so auch die großen Sünden gesühnt werden. Über das „Wie” sagt uns Gottes Wort nichts; aber wir können erahnen, daß es auf eine weitaus bessere Art geschehen wird, als wir es uns heute vorstellen können. Es wird überaus herrlich, lehrreich und erhebend sein, Urteile von göttlicher Größe und Herrlichkeit miterleben zu dürfen! Aber es sollen nicht nur Sünder bestraft werden, sondern es sollen auch die Gerechten ihren Lohn empfangen und jede gute Tat wird belohnt werden. Der Herr sagt, daß jene, welche einem seiner Kleinen einen Becher kalten Wassers reichten, ihren Lohn nicht verlieren würden (Matthäus 10:42), und daß wer Krüppeln und Lahmen ein Gastmahl bereite, seinen Lohn empfangen wird in der Auferstehung der Gerechten. - Lukas 14:14 Dagegen würden die, welche ihre Frömmigkeit zur Schau trügen, um geehrt zu sein, ihren Lohn dahin haben. - Matthäus 6:5

Die Sünden dieses Zeitalters werden nicht von diesem Gericht bestraft, denn „der Lohn der Sünde ist der Tod” - Römer 6:23 So betete beispielsweise Stephanus in seiner Sterbensstunde für seine Feinde: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu!” - Apostelgeschichte 7:60 Was auch immer diese Mörder am Tage des Gerichts zu verantworten haben, so ist doch nach unserem Verständnis der Heiligen Schrift das Verbrechen gegen Stephanus gesühnt. Auch solche Sünden, welche die Menschen dann im Gebet vor dem Herrn bekennen und von Herzen bereuen werden, werden nicht ins Gericht kommen.

Und alle jene, welche durch ihre Weihung in Christo Jesu Vergebung ihrer Sünden erlangt haben, werden dem Gericht des Tausendjahrtages nicht mehr unterworfen werden. So lesen wir die Worte des Herrn: „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist vom Tod ins Leben hinüber gegangen”. - Johannes 5:24 Die Jünger und Nachfolger des Herrn, die erkauft sind von der Erde, werden dann beim Herrn sein und mit ihm gemeinsam als Richter walten. Es werden in diesem Gericht keine weltfremden Himmelsrichter auftreten, die nicht das nötige Verständnis für die menschlichen Schwachheiten aufbringen können. Sondern es werden Menschen sein, die wie ihr Herr durch Leiden den Gehorsam erlernt haben, und wie er das Verständnis und Mitleid aufbringen werden für menschliche Schwächen - ein barmherziges Priestertum, eine heilige Nation. - 1. Korinther 6:2 und Hebräer 4:15 und 5:2

Als der Herr während seiner ersten Gegenwart auf Erden wandelte, lehrte er, besonders in der Bergpredigt, die Gerechtigkeit des Reiches Gottes, den Grundsatz der Feindesliebe und der Überwindung des Bösen durch Güte. Seine Worte und sein Handeln waren eine Vorausschau auf die Ordnung des Reiches Gottes. Dieses Licht wurde den Menschen vorweg zum Gericht: Die Wahrhaftigen nämlich wurden davon angezogen, die Heuchler aber und alle die, welche in ihren Herzen das Böse liebten, wurden von ihm abgestoßen. So sagt Jesus Christus denn auch: „Zum Gericht bin ich in die Welt gekommen” und: „Dies aber ist das Gericht, daß das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht; denn ihre Werke waren böse”. - Johannes 3:19 Die Welt wußte nicht, daß sie gerichtet wird; aber schon damals erkannte der Herr in seiner Vollkommenheit, mit wem er es zu tun hatte und er erkannte auch die hintersten Winkel der Herzen. Darum spricht er warnend zu seinen Verächtern, den Schriftgelehrten und Pharisäern: „Otternbrut, wie solltet ihr dem Gerichte der Gehenna entfliehen?” - Matthäus 23:33 Dem Sinn nach meinte unser Herr damit: Euer Benehmen ist gefährlich, ihr beschreitet einen Weg, der schwerlich wieder zurück, zur Buße, führt. Ich wüßte nicht, wie ihr im Zustand und Licht der Erkenntnis und der für euch daraus erwachsenen Verantwortlichkeit dem Verderben entrinnen könntet.

Unser Herr Jesus Christus wird in seinem Reich nur solche annehmen, die sich unter ihn demütigen werden. Er sagt aber voraus, daß da eine „Bockklasse” sein wird, die sich ihm nicht in Aufrichtigkeit unterwerfen wird, und die daher am Ende des Tausendjahrtages nochmals aufbegehren wird - als Gog und Magog (Offenbarung 20:8) - und versuchen, selbst die Herrschaft über die wiederhergestellte Erde an sich zu reißen. Bei diesem Anlaß wird es dann erst zur letzten Scheidung zwischen den „Böcken” und den „Schafen” kommen und Gottes Urteil über die Frevler wird vollzogen werden.

Mit diesem Gleichnis zeigt uns Jesus, daß sein vollkommenes Sehen die Verhärtung in den Herzen bereits in den ersten Anfängen erkannt hat. Vor der Menschheit jedoch wird dies erst am Ende seines großen Gerichtstages offenbar werden.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung