Ein Dorn für das Fleisch

„Und auf daß ich mich nicht durch die Überschwenglichkeit der Offenbarung überhebe, wurde mir ein Dorn für das Fleisch gegeben, ein Bote Satans, auf daß er mich mit Fäusten schlage, auf daß ich mich nicht überhebe. Für dieses flehte ich dreimal zum Herrn, auf daß er von mir abstehen möge. Und er hat zu mir gesagt: Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht. Daher will ich am allerliebsten mich vielmehr meiner Schwachheiten rühmen, auf daß die Kraft des Christus über mir wohne.” - 2. Korinther 12:7 - 10

Dies ist die Sprache eines überwindenden Heiligen, der sich demütig unter den Willen Gottes beugt. Edel und ergeben, wahrhaft und stark im Charakter wie der Apostel Paulus war, empfand er doch, daß er ein Glied des gefallenen Menschengeschlechts war und an ihren Schwachheiten teilnahm. Gott hatte ihn zu einem sehr wichtigen und herrlichen Werk berufen - das Evangelium zu den Nationen zu tragen. Zum Besten der ganzen Kirche wurden ihm besondere und wunderbare Offenbarungen zuteil, mehr als den anderen geehrten und geliebten Aposteln.

In einer geistigen Vision (einem geistigen Verständnis) wurde er bis in den dritten Himmel versetzt - ins neue Zeitalter, die 1000-jährige Herrschaft Christi - wo er Dinge sah (den Plan und die Absicht Gottes, wie sie uns nunmehr geoffenbart worden sind, zum großen Teil durch seine Briefe, im Lichte dieser Erntezeit), die damals nicht mitgeteilt werden durften, weil sie für die Kirche noch nicht an der Zeit waren. - 2. Korinther 12:4 Auf ihm ruhte die Sorge all der Kirchen unter den Nationen, und die Pflichten seines Amtes waren sehr groß. Auch wenn seine Stellung mühevoll und aufreibend war und große Standhaftigkeit erforderte, Eifer, Energie und Selbstverleugnung, so war sie doch auch mit großer Ehre verbunden.

Ein Bote Satans, mich mit Fäusten zu schlagen

Paulus wußte die Ehre, die in solche einer intimen Gemeinschaft des Dienstes mit dem Herrn lag, sehr zu schätzen und brachte diese Wertschätzung durch unermüdlichen Eifer und Begeisterung zum Ausdruck. Aber auch hierin erkannte der Herr eine persönliche Gefahr für Seinen geliebten und treuen Apostel - eine Gefahr des Hochmutes und der Selbsterhöhung, die, wenn sie sich entwickeln würde, ihn alsbald für den weiteren Dienst unfähig machen und ihm den zukünftigen Lohn rauben würde. So kam denn der Dorn für das Fleisch. Er kam nicht aus der Hand des Herrn, aber doch mit Seiner Zulassung. Er war aber, wie der Apostel sagt, „ein Bote Satans, ihn mit Fäusten zu schlagen.”

Ein Dorn im Fleisch ist immer eine schmerzhafte Sache, und was es immer gewesen sein mag, es war für den Apostel eine schwere Prüfung. Zuerst dachte er nur an die Schmerzen und die Störung, und wie er dadurch im Werke des Herrn gehindert wurde. Es war ein Bote Satans, den er gern los geworden wäre. Dreimal bat er den Herrn um dessen Entfernung. Aber nein, der Dorn war gekommen, um zu bleiben, und der Herr ließ ihn in Gnaden erkennen, daß, obwohl er für das Fleisch sehr unliebsam war, er für ihn in geistiger Weise doch nützlich sein konnte - andernfalls könnte er sich zu sehr erheben.

Meine Gnade genügt dir - meine Kraft wird in Schwachheit vollkommen gemacht

Diesen Hinweis auf bei ihm vorhandene Schwachheit nahm der Apostel demütig an. Er wies ihn nicht zurück und fing nicht an, sich seiner Kraft zu rühmen und den Herrn zu tadeln, weil Er Seine Macht nicht zur Entfernung des Dornes gebraucht habe. Im Gegenteil, mit gutem Willen und mit Freuden nahm er das Urteil des Herrn über sein Herz und die Einschätzung seiner Kraft an, und so wußte er die Liebe wertzuschätzen, die ihm persönlich entgegengebracht wurde, während sie durch ihn der ganzen Kirche diente.

Ja, dem Herrn sei Lob und Preis! Er erwählt sich Seine eigenen Werkzeuge und wetzt und schleift und poliert sie für noch erfolgreicheren Dienst und gebraucht sie mit um so größerer Kraft und Gewalt in dem Dienste für Sein Volk. Aber in all dem schmerzhaften und anstrengenden Dienst sorgt Er doch auch besonders für das willige und treue Instrument. Er wird nicht zulassen, daß es über Vermögen versucht wird. Auch wird Er nicht zulassen, daß es ohne einen entsprechenden Dorn im Fleisch erhöht wird, damit das Gleichgewicht hergestellt bleibt.

Die Antwort auf das Gebet des Apostels, obwohl nicht seinem Wunsch entsprechend, war doch ein segensreicher Trost - „Meine Gnade (mein Wohlwollen) genügt dir; denn meine Kraft wird in (deiner) Schwachheit vollkommen gemacht (offenbart).”

Gern will ich mich meiner Schwachheiten rühmen

Dies ist auch der segensreiche Trost für jedes wahrhaft dem Herrn ergebene Herz. Wie viele vom Volke des Herrn werden in diesen stürmischen Tagen sehr geprüft. Und ohne Zweifel haben schon viele den Herrn ernstlich gebeten, diese oder jene Prüfung oder Leiden zu entfernen. Aber der schmerzhafte Dorn ist zu ihrer Erziehung und Vollendung geblieben! Mögen alle solche wie der Apostel auf die Stimme des Meisters hören - „Meine Gnade genügt dir.” Was schadet es, wenn dich andere Freunde verlassen, Heerscharen von Feinden dich niederdrücken wollen - genügt es dir nicht, wenn du im Besitze Meiner Gnade und Liebe bist? Und wenn manchmal das Fleisch auch zu schwach ist, das Herz zaghaft - Meine Kraft wird dir ersetzen was dir fehlt. Während du Meine Wege gehst, wird deine Schwachheit nur um so mehr die Kraft Gottes offenbaren, die in dir und durch dich wirksam ist.

Welches aufrichtige Kind Gottes hat nicht in Zeiten der größten Not und Schwachheit an sich die Kraft Gottes erfahren, die diese Schwachheit mit Kraft von oben ersetzte? Und wenn die Aufgabe erfüllt war, an die es der Herr gestellt hatte, und für welche es sich so unvermögend fühlte, hat es nicht am Ende die wunderwirkende Kraft Gottes gesehen?

Angesichts solch gnädiger Vorsehung, seine Schwachheit mit göttlicher Kraft zu ersetzen, antwortet der treue Apostel in Demut: „So will ich am allerliebsten mich vielmehr meiner Schwachheiten rühmen, auf daß die Kraft Christi über mir wohne.” Da er all seine Kraft in den Dienst gestellt und seine ganze Fähigkeit bis zum Äußersten als ein weiser Haushalter treu eingesetzt hatte, gereichte es ihm zur Freude, die Hand des Herrn wahrzunehmen, die mit ihm war, Wunder wirkend mit Zeichen und Beweisen des Geistes und der Kraft. - Hebräer 2:4, Apostelgeschichte 19:11, 1. Korinther 2:4 Diese Kundgebungen göttlicher Macht, die den treuen Gebrauch der natürlichen Fähigkeiten des Apostels Paulus ersetzten, sind ein Beweis dafür, daß des Herrn Wohlgefallen auf allem ruhte, was er tat - eine Offenbarung des göttlichen Wohlgefallens sowohl für ihn, als für andere und somit eine Ursache für große Freude.

In Drangsalen kann sich nur der freuen, der mit Gott in voller Harmonie steht

Wie bei dem Apostel, so ist es das Vorrecht aller Kinder Gottes, ihre Schwachheiten durch göttliche Gnade ersetzt zu erhalten, während sie ihre Talente demütig und treu in seinem Dienst einsetzen. Und so können sich alle Treuen in Drangsalen und Schwachheiten freuen, während Gott die ersteren überwaltet und die letzteren zu Seiner Verherrlichung ergänzt.

Es ist aber nur für diejenigen möglich, sich in Drangsalen zu freuen, demütig und geduldig einen schmerzhaften Dorn im Fleische zu ertragen, und sich sogar solcher persönlichen Schwachheiten zu rühmen, die die Kraft Christi um so mehr offenbaren - nur für diejenigen, deren Herzen in vollster Harmonie sind mit den liebreichen Absichten unseres Gottes. Wird das Herz von Hochmut oder Ehrgeiz oder Liebe für Ruhm oder Reichtum oder von irgend einem weltlichen Bestreben beeinflußt, so ist eine Freude in Trübsalen unmöglich. Wenn aber der alte Ehrgeiz und die Bestrebungen des Fleisches im Zaum gehalten werden, und der Glaube, die Liebe, Hoffnung und Eifer alle lebendig und tätig sind, dann werden wir das Bewußtsein der Gunst Gottes besitzen, und dann können wir uns auch in jeder Erfahrung freuen.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung