Die Gnade der Vergebung

Der 51. Psalm beginnt mit dem flehendlichen Ruf zu Gott: „Sei mir gnädig, o Gott, nach deiner Gnade; tilge meine Vergehen nach der Größe deiner Barmherzigkeit.“

Die Psalmworte kommen aus einem Herzen, das in höchster Bedrängnis ist, das die Größe der Barmherzigkeit Gottes kennt und um Vergebung fleht. Es ist David, der sich vor Gott demütigt, nachdem Natan ihn des Ehebruchs mit Bathseba angeklagt hat.

Gott hat den Propheten Nathan zu David gesandt, um dem König das durch ihn geschehene Unrecht vor Augen zu führen. Nathan bedient sich dabei eines Gleichnisses, ohne daß er die beteiligten Personen namentlich benennt. Es scheint darum zu gehen, daß David begreift, das Gott das Unrecht ohne Ansehen der Person ahndet, und daß der König keine Sonderrechte hat. Weil Herz und Sinn des Königs nach Gerechtigkeit trachten, verurteilt David das, was der „Reiche” getan hat, als er das einzige „Schaf” des „Armen” für sich nahm, ohne zu wissen, daß er sich damit selbst das Urteil spricht.

Bathseba, die Frau des Uriah, war dieses „Schaf” das er, der reiche Mann, entgegen dem Gesetz Gottes genommen hatte, und er hatte dabei auch nicht vor vorsätzlichem Mord zurückgeschreckt. - 2. Samuel 12:9 Der König ist empört über das mitleidlose und ungerechte Verhalten des reichen Mannes: „So wahr der HERR lebt, der Mann der das getan hat, ist ein Sohn des Todes!” - 2. Samuel 12:5 Seine Reaktion zeigt uns, daß David von Herzen Gerechtigkeit liebte und ungerechte und böse Handlungen verabscheute.

Als Nathan, der im Auftrag Gottes spricht, ihm offenbart: „Du bist der Mann”, beginnt David zu begreifen, was er getan hat, und welche Folgen dies haben wird. Nach dem Gesetz Mose ist er „ein Mann des Todes”, denn das Gesetz sieht für Ehebruch und Mord die Todesstrafe vor. - 3. Mose 20:10 und 4. Mose 35:16

David ist tief betroffen, als er seine Sünden erkennt. Er ist oft in seinem Leben in Todesgefahr gewesen, wenn er im Kampf stand. Saul und andere mächtige Feinde trachteten nach seinem Leben. Aber in allen Gefahren vertraute er auf den Herrn, zu dem er Zuflucht nehmen konnte, und der ihn aus allen Gefahren errettete. Nun war der Friede mit Gott gestört, es war etwas zwischen ihn und Gott getreten, eine Sünde, ein Unrecht, das nach dem Gesetz mit dem Tode zu bestrafen war.

Aber David kennt Gottes große Gnade und Barmherzigkeit und die Bereitschaft Sünden zu vergeben, wenn diese aus Schwachheit zustande kommen und nicht aus Mutwillen. Und er weiß auch, daß der barmherzige Gott einen reuigen Sünder nicht abweisen wird, wie er selbst sagt: „ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.” - Psalm 51:19

Schuld und Vergebung unter dem Gesetz

David tut in dieser für ihn schlimmen Situation den einzig richtigen Schritt, indem er seine Verfehlungen offen bekennt, und vor Gott bezeugt: „Gegen dich, gegen dich allein habe ich gesündigt und getan, was böse ist in deinen Augen … .” - Psalm 51:6

Wir könnten hier fragen: Hatte der König wirklich nur allein gegen Gott gesündigt? Hatte er nicht auch gegen Uriah gesündigt? Sicherlich hatte er auch gegen Uriah gesündigt, doch der war tot, und David konnte ihn nicht mehr um Vergebung bitten und auch sein Unrecht an ihm nicht wiedergutmachen. Alles was er tun konnte, war auf Gottes Gnade und Barmherzigkeit zu vertrauen. Und der Fall ist von besonderer Tragik, weil David, der keine Barmherzigkeit gegenüber Uriah gezeigt hatte, nun selbst Gottes Barmherzigkeit erflehen muß.

Gottes Gnade und Barmherzigkeit gegenüber Sündern zeigte sich in dieser Zeit ganz allgemein in den Vorrichtungen der Stiftshütte, die eine vorbildliche Vergebung der Sünden vorsahen. David spricht unter diesen Vorraussetzungen, wenn er in Vers 9 dieses Psalms sagt: „Entsündige mich mit Ysop, und ich werde rein sein; wasche mich und ich werde weißer sein als Schnee.” Der Ysop wurde als Sprengwedel benutzt, wenn es um eine symbolische Reinigung ging, wie zum Beispiel bei dem Vorbild der „roten Kuh”, und bei dem Gesetz der Reinigung vom Aussatz. Und der Ysop spielte eine Rolle bei der Errettung der Erstgeburt in Ägypten, als die Israeliten aufgefordert wurden die Pfosten und Oberschwellen ihrer Häuser mit einem in das Blut des Passahlamm getauchten Ysop zu bestreichen. Im Hebräerbrief benutzt Paulus die erwähnten Symbole der vorbildlichen Reinigung, um uns zu zeigen, daß ohne das auf Golgatha vergossene Blut unseres Herrn Sünden nicht wirklich abgewaschen werden konnten. - Hebräer 9

Was David betrifft, so war die Sünde geschehen und nicht mehr rückgängig zu machen, aber er vertraute darauf, daß sie abgewaschen werden konnte. Im vierten Vers dieses Psalms ruft er aus: „Wasche mich völlig von meiner Schuld, und reinige mich von meiner Sünde! Denn ich erkenne meine Vergehen, und meine Sünde ist stets vor mir.” In einem gewissen Sinn mag David hier prophetisch gesprochen haben, wenn er das Verlangen äußert völlig von seiner Schuld gewaschen zu werden, denn alle die unter dem Gesetz lebten und sündigten, wurden vorbildlich und für eine Zeit lang gereinigt und ihre Schuld zugedeckt.

2. Samuel, Kapitel 12, Verse 13 und 14, sprechen von Davids Sündenbekenntnis und der von Gott erlangten Vergebung in knappen Worten: „Da sagte David zu Nathan: Ich habe gegen den HERRN gesündigt. Und Nathan sagte zu David: „So hat auch der HERR deine Sünde hinweggetan, du wirst nicht sterben.”

Sünde zieht Strafe nach sich

Sein Todesurteil wird aufgehoben, aber seine Sünde nicht ignoriert. Das Leid, das er ohne Mitleid seinem Nächsten, dem Uriah, zugefügt hat, kommt nun auf seinen Kopf zurück: Das Schwert soll auf ewig nicht von seinem Hause weichen - seine Frauen sollen anderen gegeben werden - und auch der Sohn, den er mit Bathseba gezeugt hat, muß sterben.” - 2. Samuel 12:10 - 14 Die Gerechtigkeit muß befriedigt werden, das Unrecht gesühnt werden. David nimmt in Demut und ohne Klage diese Strafe an und schafft damit die Voraussetzung, daß ihm vergeben werden kann.

In einem Loblied, im Psalm 32, preist er den Segen der Vergebung, die er erlangte: „Glückselig der, dem Übertretung vergeben, dem Sünde zugedeckt ist! Glückselig der Mensch, dem der HERR die Schuld nicht zurechnet.” David spricht hier vom Standpunkt des Gesetzes unter dem er lebte. Seine Glückseligkeit besteht darin, daß seine Sünde zugedeckt ist und ihm die Schuld nicht zugerechnet wird, was vorbildlich durch das vergossene Blut von Stieren und Böcken am Versöhnungstag geschah, die an die Stelle des Sünders traten.

Tatsächlich wurde David nicht die volle Schuld zugerechnet, denn sonst hätte er sterben müssen. Menschlich gesehen könnten wir sagen, er wurde von Gott, als dem obersten Richter, zu einer lebenslänglichen Strafe begnadigt. Sein Todesurteil kam nicht zur Ausführung. Stattdessen sollte ihn das Schwert verfolgen und seine Frauen anderen gegeben werden. David ging durch eine Reihe von Trübsalen, die ihm auf Grund seiner Sünde mit Bathseba zugemessen wurden.

Das Wegnehmen der Sünden der Welt

Als David sündigte, war unser Heiland noch nicht gekommen, den Johannes am Jordan mit den Worten ankündigen sollte: „Siehe, das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt.” - Johannes 1:29 Erst unser Herr konnte als das gegenbildliche Lamm, das für unsere Sünden geschlachtet wurde, einfürallemal die Sünde tilgen oder wegnehmen.

Die Stiere und Böcke, die am Versöhnungstag zur Vergebung der Sünden geschlachtet und geopfert wurden, konnten die Sünden des Volkes nicht wirklich wegnehmen oder für immer beseitigen. Denn wenn dies der Fall gewesen wäre, hätten diese Opfer nicht alljährlich wiederholt werden müssen. - Hebräer 10:2 - 4 Die Sünde wurde für eine bestimmte Zeit zugedeckt, so lange bis der Herr Jesus als das Lamm Gottes kommen sollte, das die Sünden ans Kreuz schlug. Paulus schreibt im Brief an die Kolosser: „Er hat den Schuldschein gegen uns gelöscht, (den) in Satzungen (bestehenden), der gegen uns war und ihn auch aus (unserer Mitte) fortgeschafft, indem er ihn ans Kreuz nagelte.” - Kolosser 2:14

Der „Schuldschein” mit seinen Satzungen „du sollst” und „du sollst nicht” war während des ganzen Gesetzeszeitalters bestehen geblieben, auch wenn die Sünden vorbildlich bedeckt wurden. Keiner der unter dem Gesetz stehenden Israeliten war in der Lage den gerechten Forderungen des Gesetzes nachzukommen, dem sie mit den Worten zugestimmt hatten: „Alles was der HERR gesagt hat, wollen wir tun!” Und so blieb der „Schuldschein” bestehen, bis der Herr Jesus ihn einlöste oder löschte. Durch seinen Tod am Kreuz, durch sein vergossenes kostbares Blut, ermöglicht Christus die Versöhnung mit dem Himmlischen Vater und die Vergebung der Sünden aller Menschen, sowohl der Juden als auch der Nationen, wie auch Paulus in Epheser 2:15 und 16 sagt: „Er hat das Gesetz der Gebote in Satzungen beseitigt, um die zwei - Frieden stiftend - in sich selbst zu einem neuen Menschen zu schaffen und die beiden in einem Leib mit Gott zu versöhnen durch das Kreuz, durch das er die Feindschaft getötet hat.”

David suchte Gottes Vergebung mit den Worten: „Sei mir gnädig!” Das griechische Wort das hier gebraucht wird, um den Begriff „gnädig sein” auszudrücken, bedeutet so viel wie: reinigen, zudecken. Mit anderen Worten gesagt, betete David darum, daß er gereinigt werde, daß seine Schuld zugedeckt werde.

Der Sühneort, an dem der Hohepriester nach dem Gesetz Sühne erwirkte, ist der „Gnadenstuhl”, in griechischer Sprache „hilasterion”, mit der Bedeutung das, was sühnt, oder die Gabe, die Sühne schafft. Die Bezeichnung „Gnadenstuhl” oder „Versöhnungsdeckel” deutet schon an, welchem Zweck der Deckel der Bundeslade vorbildlich diente. Für alle die unter Gesetz standen, und zu ihnen zählte auch David, erwirkte der Hohepriester am vorbildlichen Versöhnungstag die Versöhnung mit Gott, indem er den Gnadenstuhl, mit dem sühnenden Blut besprengte.

Vorbildlich wurde das gerechte Todesurteil, das das Gesetz verlangte, vollstreckt, indem stellvertretend für den Sünder das Blut von Tieren vergossen wurde. Aber erst nachdem das Blut auf den Deckel der Bundeslade, den „Versöhnungsdeckel” gesprengt worden, und die Gerechtigkeit zufriedengestellt worden war, konnte aus dem „Gerichtsstuhl” ein „Gnadenstuhl” werden.

Das Vorbild schattete vor, was das Blut Christi dauerhaft bewirken sollte, die Reinwaschung des Sünders und letztlich die Vergebung seiner Sünden. Er ist für uns, die Herauswahl, schon jetzt zum gegenbildlichen Gnadenstuhl geworden, indem wir in ihm und durch sein vergossenes Blut mit dem Himmlischen Vater versöhnt sind.

Unter Gottes Gnade dürfen wir niemals eine Aussetzung oder einen Verzicht auf gerechte Bestrafung verstehen, sondern Gnade, oder unverdiente Güte, wird uns darin zuteil, daß nach Gottes Willen ein anderer für uns eintritt und die Strafe auf sich nimmt, Christus, unser Erretter, der an Adams Stelle trat. Er hat unseren Platz als Sünder eingenommen und unsere Strafe auf sich genommen und mit seinem kostbaren Blut bezahlt.

Wenn Gottes gerechte Gesetze übertreten werden, so zieht dies eine Bestrafung nach sich. Als Adam sündigte war seine Strafe der Tod, die Abschneidung vom Leben, „sterbend wirst du sterben.” David trug vorbildlich die Strafe, die der HERR ihm für seine Sünden auferlegte und zahlte damit den Preis für seine Sünde als Voraussetzung für eine Versöhnung mit Gott. Tatsächlich ist es jedoch unser Herr, der die Strafe für die Sünden aller Menschen, und zu ihnen zählt auch die Sünde Davids, auf sich nahm und beseitigte, wie dies auch Jesaja mit Bezug auf sein Volk Israel prophezeite. - Jesaja 53:6 und 11

„Doch er war durchbohrt um unserer Vergehen willen, zerschlagen um unserer Sünden willen. Die Strafe lag auf ihm zu unserem Frieden, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden.” - Jesaja 53:6 Und in Vers 11 heißt es: „Durch seine Erkenntnis wird der Gerechte, mein Knecht, den Vielen zur Gerechtigkeit verhelfen, und ihre Sünden wird er sich selbst aufladen.”

Paulus schreibt in Römer 3:25 von Jesus Christus: „Ihn hat Gott hingestellt als einen Sühneort (hilasterion) durch den Glauben an sein Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, in der jetzigen Zeit, daß er gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesus ist.” Was Paulus uns hier sagen will ist, daß Jesus für uns zum gegenbildlichen Sühneort geworden ist, und das sein vergossenes Blut Gottes Gerechtigkeit befriedigt und uns mit Gott versöhnt.

Für uns, die wir im Evangelium-Zeitalter leben, ist es der Glaube an das gerechtmachende und versöhnende Blut Jesu, was uns in Gottes Augen gerecht erscheinen läßt, obgleich wir dem Fleische nach täglich zukurz kommen.

Die überströmende Gnade in der Vergebung

Wenn wir den Römerbrief oder Hebräer betrachten, so können wir feststellen, daß Paulus die Gnade der Rechtfertigung und Vergebung, die in Jesus Christus ist, in einer besonderen Gabe der Erkenntnis darlegt. Ein Blick in die Konkordanz zeigt uns, daß kein anderer Apostel so oft das Wort Gnade benutzt. Der Wunsch um Gnade und Frieden für die Brüder fehlt in keiner Anrede seiner Briefe.

Wir fühlen, daß Paulus aus großer Dankbarkeit für die an ihm erwiesene Gnade Gottes und unseres Herrn spricht. Als Saulus von Tarsus war ausgerechnet er, der seinem Gott dienen wollte, ein bitterer Verfolger Christi geworden, indem er die Nachfolger Jesu bis in den Tod verfolgte. Er willigte in die Steinigung des Stephanus ein. - Apostelgeschichte 8:19

Stephanus dagegen betete: „Herr, rechne ihnen (und dazu gehörte auch Saulus) diese Sünde nicht an.” Wir wissen, daß dieses Gebet erhört wurde, denn der Herr erschien Saulus auf dem Weg nach Damaskus und leitete damit die Wende im Leben des Saulus ein. Es mag sein, daß die von Stephanus gezeigte höchte Form der Liebe, die Feindesliebe, die für die Vergebung seiner Schuld vor dem Herrn eintrat, Paulus sein ganzes Leben bewegte und als nachahmenswertes Beispiel stets vor Augen war.

Über Paulus prophezeite der Herr: „Dieser ist mir ein auserwähltes Werkzeug, meinen Namen zu tragen sowohl vor Nationen als Könige und Söhne Israels. Denn ich werde ihm zeigen, wie vieles er für meinen Namen leiden muß.” - Apostelgeschichte 9:15 und 16

In 1. Korinther 15:9 und 10 bekennt Paulus: „Denn ich bin der geringste der Apostel, der ich nicht würdig bin, ein Apostel genannt zu werden, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin; und seine Gnade mir gegenüber ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern die Gnade Gottes, (die) mit mir (ist).” Paulus preist die Gnade Gottes, die ihm wie auch uns durch das Opfer Jesu Christi zuteil wird. Seinem geliebten Mitbruder Timotheus gibt er ein Zeugnis über persönliche Erfahrungen mit der Barmherzigkeit Gottes. Wir lesen in 1. Timotheus 1:12 - 14: „(Und) ich danke Christo Jesu, unserem Herrn, der mir Kraft verliehen, daß er mich treu erachtet hat, indem er den in den Dienst stellte, der zuvor ein Lästerer und Verfolger und Gewalttäter war; aber mir ist Barmherzigkeit zuteil geworden, weil ich es unwissend im Unglauben tat. Über die Maßen aber ist die Gnade unseres Herrn überströmend geworden mit Glauben und Liebe, die in Christo Jesu sind.”

Für Paulus ist die Gnade „überströmend”, aber ist sie es nicht auch für uns? Viele von uns, die jetzt geweiht sind und in Gottes Wegen gehen, mögen gleich Saulus einst ungesetzlich und unbarmherzig gehandelt haben, aus welchen Beweggründen auch immer. Aber wir sind abgewaschen, uns ist Barmherzigkeit wiederfahren. Unsere Sünden sind nicht nur bedeckt, nein sie sind abgewaschen. Die Gnade Gottes und unseres Herrn ist auch für uns überströmend geworden.

Wir bezeichnen Gnade allgemein als „unverdiente Gunst oder Güte” mit der Betonung auf dem Wort „unverdient”. Ja, es ist uns alles durch Gottes Liebe und Güte gegeben worden. Es ist Gnade, daß wir das Leben haben. Es war Gnade, daß wir die Wahrheit erkennen durften, daß wir auf dem „Schmalen Weg” gehen dürfen, ja, daß wir heute hier sein dürfen. Alles wurde uns geschenkt und der Herr hat dafür bezahlt. Er bezahlte mit einem hohen Preis, mit seinem kostbaren Blut.

Das kostbare Geschenk

Petrus schreibt in seinem zweiten Brief: „Gnade und Friede werde euch (immer) reichlicher zuteil in der Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn! Da seine göttliche Kraft uns alles zum Leben und zur Gottseligkeit geschenkt hat, damit ihr durch sie Teilhaber der göttlichen Natur werdet, die ihr dem Verderben, das durch die Begierde in der Welt ist, entflohen seid.” - 2. Petrus 1:2 - 4

Petrus stellt auf seine Weise fest, daß uns alles „zum Leben und zur Gottseligkeit geschenkt wurde”. Wir haben keine Vorleistung dazu erbracht, daß Gott uns alles zum Leben und zur Gottseligkeit hätte geben müssen. Es ist ein Geschenk, es ist eine Gnade. Aber wir hätten auf dem Weg des Lebens nicht gehen können, wenn wir nicht zuvor durch Glauben gerechtfertigt worden wären. Wir hätten nicht gerecht gesprochen werden können, wenn nicht der Herr unsere Schuld auf sich genommen und für uns der Gerechtigkeit bezahlt hätte. So erkennen wir, daß Gottes große Gnade und Barmherzigkeit gegenüber dem in Adam verlorenen Menschengeschlecht in dem Opfer Seines geliebten Sohnes seinen höchsten Ausdruck findet.

Die Gnade fließt über in der Vergebung unserer Schuld durch den Opfertod unseres Herrn, denn niemand vom ganzen Menschengeschlecht hätte sein Leben als einen entsprechenden Preis zur Begleichung der adamischen Schuld geben können.

Umsonst gerechtfertigt

Paulus stellt im Römerbrief - Römer 3:23 und 24 - fest: „Denn alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Jesus Christus ist.” Als Neue Schöpfungen tragen wir das Kleid der Gerechtigkeit Christi, das uns vor dem Himmlischen Vater annehmbar macht. Es ist unsere heilige Aufgabe dieses Kleid rein und fleckenlos zu erhalten, so wie wir es bekommen haben.

Es ist aber auch offenbar, daß wir, auch wenn wir mit allem Fleiß in den Fußstapfen Jesu zu gehen versuchen, doch täglich in vielem zukurzkommen und Dinge tun, die wir nicht tun sollten. Selbst der Apostel Paulus stellt fest: „Das Böse, das ich nicht will, dieses tue ich … .” - Römer 7:19 Und auch Jakobus sagt: „Denn wir alle straucheln oft.” - Jakobus 3:2

Eine der Ursachen für unser Zukurzkommen oder Straucheln erkennt der Apostel in dem oft unbarmherzigen Gebrauch der Zunge, in schlechtem Reden und Verleumdung. Schlechtes Reden über den Nächsten, Eifersüchteleien, Ausstreuen von Gerüchten, Verdächtigungen und Verleumdungen und unbarmherziges Richten, sind oftmals die Flecken, die unser Kleid der Gerechigkeit besudeln. Was einmal ausgesprochen ist, kann man nicht ungeschehen machen, aber es spricht gegen uns und ist Gott offenbar. Was können wir tun, denn wir alle kommen oft zukurz?

Laßt uns daran denken, daß wir einen Fürsprecher beim Vater haben, wenn wir unsere Fehler bereuen, die wir unwillentlich und aus ererbter menschlicher Schwäche gemacht haben, wie auch Johannes sagt: „Wir haben einen Beistand bei dem Vater: Jesus Christus, den Gerechten. Und er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt.” - 1. Johannes 2:1 und 2

Es es ist und bleibt die Grundvoraussetzung zur Vergebung unserer Sünden, daß wir diese offen vor unserem Vater bekennen und bereuen, bevor wir vor den Thron der Gnade kommen und um Vergebung unserer Schuld bitten. Johannes hebt dies mit den Worten hervor: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, daß er unsere Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit.” - 1. Johannes 1:9

Wenn der Apostel Johannes sinngemäß sagt, daß wir von jeder Sünde oder Ungerechtigkeit gereinigt werden, wenn wir diese bekennen, so dürfen wir diese Feststellung nicht im absoluten Sinn verstehen, denn, wie uns unser Herr belehrt, gibt es auch eine Sünde, die für immer bestehen bleibt und nicht vergeben werden kann. Wir lesen in Markus 3:28 und 29: „Alle Sünden werden den Söhnen der Menschen vergeben werden und die Lästerungen, mit denen sie auch lästern mögen; wer aber gegen den heiligen Geist lästern wird, hat keine Vergebung in Ewigkeit, sondern ist ewiger Sünde schuldig.”

Für jede unabsichtliche Sünde, die aus menschlicher Schwachheit geschieht, können wir vor dem Gnadenthron Vergebung finden, wenn wir unsere Fehler bereuen. Wenn wir jedoch mit Willen und in voller Absicht sündigen, „nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben”, bleibt „kein Schlachtopfer für Sünden mehr übrig sondern ein furchtbares Erwarten des Gerichts … .” - Hebräer 10:26 und 27

Verborgene Sünden

Nicht immer sind wir uns unserer Fehler und unseres Zukurzkommen gegenüber unserem Nächsten oder gegenüber den gerechten Forderungen der Gerechtigkeit bewußt. Oft sündigen wir, ohne es wahrzunehmen. Darum sollten wir auch diese Möglichkeit des Zukurzkommens miteinbeziehen, wie David uns im 19. Psalm zeigt, wenn er sagt: „Verirrungen, wer merkt sie? Von den verborgenen (Sünden) reinige mich!” - Psalm 19:13

Oftmals sehen wir die Fehler der anderen ohne unsere eigenen Fehler zu bemerken. Aber was wir selbst nicht bemerken, der Herr bemerkt es, und wir alle kommen täglich auf diese oder jene Weise zukurz. Es sind Flecken auf unserem reinen Kleid, die so schnell wie möglich, beseitigt werden sollen. Darum sollte kein Tag vergehen an dessem Ende wir nicht vor dem Gnadenthron erschienen sind und demütig um die Vergebung unserer Sünden gefleht haben.

Wie wir unsern Schuldnern vergeben haben

Es war für die Pharisäer und Schriftgelehrten und Ältesten des Volkes stets ein Stein des Anstoßes, daß unser Herr keinen Unterschied zwischen den Pharisäern und Zöllnern machte, die von jenen als Sünder bezeichnet wurden. Sie konnten nicht verstehen, daß vor der Gerechtigkeit Gottes alle zukurz kamen und der Vergebung der Sünden bedurften, ob sie nun viel oder wenig gesündigt hatten.

Der Gedanke, daß wir als unvollkommene Menschen auch untereinander Unrecht tun, daß der Vergebung bedarf, sollte uns dann beschäftigen, wenn wir unsererseits vor den Gnadenthron treten und um die Vergebung unserer Sünden bitten. Unser Herr bringt unsere Bitten um Vergebung unserer Schuld in einen direkten Zusammenhang mit der Bereitschaft unsererseits, die Schuld der anderen zu vergeben, die an uns gesündigt haben. Denn als Kinder eines Vaters sind wir alle Schuldner gegenüber der göttlichen Gerechtigkeit.

In seinem Mustergebet lehrte unser Herr die Jünger zu beten: „Und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir unseren Schuldnern vergeben haben.” - Matthäus 6:12 Der genaue Wortlaut sagt uns, daß wir, bevor wir um die Vergebung unserer Schuld bitten, wir unseren Schuldnern bereits vergeben haben sollen, und nicht, daß wir versprechen ihnen zukünftig zu vergeben.

In einer ähnlichen Weise stellt unser Herr das Prinzip in Matthäus 5:23 und 24 dar, wo er sagt: „Wenn du nun deine Gabe darbringst zu dem Altar und dich dort erinnerst, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort vor dem Altar und geh vorher hin, versöhne dich mit deinem Bruder; und dann komm und bring deine Gabe dar.” Auch wenn unser Herr hier nicht wörtlich von jemand spricht, der den Himmlischen Vater im Gebet um die Vergebung seiner Sünden bittet, so ist doch das Prinzip seiner Lehre zu erkennen. Die Lehre ist, daß wir nicht mit bitterem Herzen gegen unseren Nächsten zum Thron der Gnade kommen dürfen, um um die Vergebung unserer Sünden zu bitten.

Wir können keine Vergebung unserer Schuld von Gott erbitten, wenn wir nicht das getan haben, was in unserer Möglichkeit stand, um zuvor mit unserem Nächsten ins Reine zu kommen, was in der Praxis nicht immer leicht fallen und nicht immer zu erreichen sein mag. Aber es muß unser ernstes Bemühen sein, soviel an uns liegt, mit unserem Nächsten Frieden zu schaffen und zur Vergebung bereit sein, was auch immer zwischen uns stehen mag.

„Wenn dein Bruder sündigt, so weise ihn zurecht, und wenn er es bereut, so vergib ihm! Und wenn er siebenmal am Tag an dir sündigt und siebenmal zu dir umkehrt und spricht: Ich bereue es, so sollst du ihm vergeben.” - Lukas 17:3 und 4 Die Voraussetzung für eine wirkliche Vergebung ist jedoch, daß derjenige, der um Vergebung bittet, dies von Herzen tut und wirklich bereut. Es genügt nicht nur die Worte auszusprechen: „Ich bereue es!” und danach weiter zu sündigen.

Laßt uns noch einmal betonen: Wir haben einen barmherzigen Himmlischen Vater der reich an Gnade und Vergebung ist. Und wir haben einen barmherzigen Hohenpriester, der Mitleid mit unseren Schwachheiten hat.So laßt uns allezeit „mit Freimütigkeit hinzutreten zum Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zur rechtzeitigen Hilfe.” - Hebräer 4:15 und 16



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung