„Ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen”. - Matthäus 5:17

Durch das Studium der Heiligen Schrift dürfen wir mit Gott in Verbindung treten. Das ist eine geistige Gabe, ein Geschenk. Der demütige Erforscher des Wortes Gottes empfängt Trost, Friede und Verständnis. Die Erfahrungen und Prüfungen des Lebens lenken seine Aufmerksamkeit, seine Wünsche, seine Sehnsüchte zu den himmlischen Dingen hin.

Mit Gott in Verbindung zu sein - von diesem Wunsch war auch unser Meister schon von früher Kindheit an beseelt. Das tiefe Begehren seines Herzens drängte nach Liebe und Verbundenheit mit dem Himmlischen Vater, und dieses Verlangen mag sich nach seiner Taufe noch vertieft haben.

In Markus 1:12 lesen wir: „Und alsbald treibt der Geist ihn hinaus in die Wüste”. Vierzig Tage verbrachte Jesus in völliger Einsamkeit. Wir verstehen aus den Worten des Markus-Evangeliums, daß diese vierzig Tage der Abgeschiedenheit dem Herrn eine noch intensivere geistige Zwiesprache mit Gott ermöglichten. Es ist anzunehmen, daß in jenen Tagen dem zur göttlichen Natur Gezeugten die vollkommene Erkenntnis der Prophetie in bezug auf seine Mission und seinen Dienst geoffenbart worden ist.

Der Zahl 40 begegnen wir oftmals in der Heiligen Schrift. Sie scheint eine gewisse Zeit der Prüfungen und Entscheidungen zu repräsentieren. Auch für unseren Herrn waren sie gewiß ein Zeitabschnitt tief innerlicher Erprobung im Hinblick auf seine Aufgabe. Die Enthüllung von Gottes Vorsatz schloß, was das Leben Jesu auf Erden betraf, tiefe persönliche Erkenntnis des Weges der Selbstverleugnung ein, den er aus freiem Willen betreten hatte, und der im Tode enden mußte.

Wie würde Jesus auf diese Erkenntnis reagieren? Würde seine große Freude, Gott zu dienen, sich verringern? Würde der auch in ihm wohnende menschliche Lebenswille und der Wunsch nach irdischen Vorrechten sich gegen den Weg des Leidens entscheiden? Sein Entschluß offenbart sich in der klaren Antwort auf die listige Lockung des Versuchers: „Es steht geschrieben: Nicht vom Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Worte, das durch den Mund Gottes ausgeht”. - Matthäus 4:4 Und wiederum: „Geh hinweg, Satan! Denn es steht geschrieben: Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen”. - Matthäus 4:10 Das hieß nichts anderes, als: er, Jesus, würde nach den göttlichen Richtlinien leben, er würde dem Herrn gehorchen, er würde Gott allein dienen und ihn anbeten. (siehe Matthäus 4:1 - 11)

Jesus, der große Erfüller und Vollender von Gottes wunderbarem Vorsatz, begann sein Werk, für dessen Hinausführung er in die Welt gekommen war. „Siehe, ich komme, in der Rolle des Buches steht von mir geschrieben, um deinen Willen, o Gott, zu tun”. - Hebräer 10:7, Psalm 40:7 und 8 David schrieb diese Worte in prophetischer Vorschau nieder: Worte tief innerster Herzensgedanken unseres Herrn!

In den Evangelien ist klar zum Ausdruck gebracht, daß Jesus, obwohl er „Zeichen” tat (Johannes 2:23), sein Amt nicht eher antrat, bis Johannes der Täufer in den Kerker geworfen worden war. - Matthäus 4:12 - 17, Markus 1:14, Lukas 3:20 und 4:21 Jesus hatte Gottes Willen verstanden, der nicht wollte, daß Sein Sohn schon mit seiner Mission begann, während Johannes der Täufer den speziell für Israel verordneten göttlichen Auftrag noch nicht beendet hatte.

Das Werk Johannes des Täufers war der Aufruf zur Buße, zur Hinwendung zu Gott. Jesu Werk indessen war etwas ganz Neues. Seine Predigt betraf das Königreich der Himmel. „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe gekommen. Tut Buße, und glaubet an die frohe Botschaft!” - Markus 1:15 Glaube und Hingabe an Gott waren sowohl bei Johannes als auch bei Jesus von gleicher Tiefe und Ausschließlichkeit. Es hätte geschehen können, daß darum die israelischen Menschen jener Zeit die Meinung gewinnen konnten, beider Werk sei ein und dasselbe. Die Verschiedenheit der Botschaft Jesu von der des Johannes wäre niemals so klar hervorgetreten, hätte der Herr zugleich mit dem Täufer sein Werk ausgeübt. „Als er aber gehört hatte, daß Johannes überliefert worden war … begann Jesus zu predigen und zu sagen: Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen”. - Matthäus 4:12 und 17

Die Bergpredigt

Er ging in die Synagogen und predigte das Evangelium vom Königreich, und er heilte Kranke und Besessene an allen Orten. Das Gerücht ging vor ihm aus, und das Volk strömte herzu, um ihn zu hören. „Als er aber die Volksmenge sah, stieg er auf den Berg; und als er sich gesetzt hatte, traten seine Jünger zu ihm. Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach: …” - Matthäus 5:1 und 2

Wir wissen, daß die folgenden Worte des Rates und der Unterweisung die Bergpredigt genannt werden. Sie sind die Aufzeichnung der ersten öffentlichen Rede des Meisters. Obwohl eine große Volksmenge versammelt war, die ihm aufmerksam zuhörte, waren diese Ermahnungen und sehr ernsthaften Belehrungen dennoch in der Hauptsache nur für das Verständnis derer bestimmt, die für die Botschaft Jesu so aufgeschlossen waren, daß sie ihm nachfolgten, wohin immer er ging. Es waren Israeliten, die ihr Gesetz als Last empfanden - die sich dessen bewußt waren, daß ihre Unvollkommenheit nicht ausreichte, dieses Gesetz zu halten. Sie waren es, die nach einem Erretter und Erlöser Ausschau hielten, und für ihre Herzen waren die Worte Jesu Labsal und Trost. Die Selbstgerechtigkeit der Schriftgelehrten und Pharisäer indessen stand in krassem Gegensatz zu diesen Grundsätzen der Demut und der Nächstenliebe.

Die Bergpredigt enthält auch ein Gott wohlgefälliges Gebet für die Menschen, welchen es ein Herzensbedürfnis ist, Kinder des Himmlischen Vaters zu werden (siehe Johannes 1:12 und 13); und sie enthält ernsthafte Warnungen vor Heuchelei und falschen Propheten. Alles in allem ist diese herrliche Rede des Meisters eine hervorragende, eine erschütternde, eine nie dagewesene Einladung zu dem Weg, der zum Reiche Gottes, dem „Königreich der Himmel” führt. - Matthäus 5:6 und 7

Der persönliche Ruf

Diese Einladung beginnt mit dem Ausruf: „Glückselig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Reich der Himmel”. Wer sind diese Armen im Geiste? Gewiß keine Zurückgebliebenen, keine geistig Minderen. Arm im Geiste sein bedeutet vielleicht „ungelehrt”, in jedem Falle aber liegt diese „Armut” im Mangel an Hochmut, Selbstsicherheit und Eigensucht. „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade”. - Jakobus 4:6 Dies ist der Boden, auf dem Gott den geistigen Samen entwickeln kann. Nur eine solche Herzensstellung vermag den ganz persönlichen Ruf Gottes aufzunehmen. „Glückselig die Armen im Geiste!” Dieser Aus- und Aufruf gilt für uns heute genau so, wie er jenen ersten Gläubigen galt.

Aber nicht alle von Israel, welche diese Botschaft damals hörten, fühlten sich von ihr angesprochen. Die Zwischenwand, die sie von der Lehre Jesu trennte, war ihre Auserwählung als Volk - 5. Mose 7:6, Jesaja 14:1, Psalm 135:4 Sie waren das Haus der Diener Gottes, und Mose war ihr Führer und Lehrer. - 3. Mose 25:55 Gottes Verheißungen gehörten ihnen als einzigem unter allen Völkern der Erde. - Amos 3:2 Waren nicht sie der Same Abrahams? War nicht Mose vom Berg herabgekommen mit der göttlichen Botschaft: „Ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation sein.”? - 2. Mose 19:3 - 7

Indessen - Jesus wußte um die geistige Sicht dieser Aussagen, und gerade er war es ja, der kam, um sie zu erfüllen. Der verheißene Same Abrahams, das priesterliche Königtum, die Auserwählung … alles das war nicht das Israel unter dem Gesetz. Diese Verheißungen waren geistiger Art. Eine Erwählung des innerlichen, des Gott zugewandten Menschen und nicht eines Volkes von irdisch-materieller Denkart - eines Volkes der Äußerlichkeit und der Tradition.

Mit dem Auftreten Jesu von Nazareth inmitten der Nation Israel begann auch die Periode seiner, Israels, geistiger Erntezeit. „Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn …” - Galater 4:4 Ja, in Gottes Ratschluß war die bestimmte Zeit gekommen: eine Zeit der Entscheidung, eine Zeit der Ernte und des Gerichts für Israel und die Eröffnung des Zeitalters der Gnade für alle Nationen der Erde. Eine große, eine großartige Zeit der Wende! Und Jesus Christus war und ist Herr der Ernte. - Matthäus 9:38; Lukas 10:2

Es war nur ein „Überrest”, eine verhältnismäßig kleine Gruppe, die Jesus annahm - israelische Menschen, die „vom Glauben Abrahams” waren. - Römer 4:16 Und wie war der Glaube Abrahams? Bedingungslos! Abraham vertraute Gott so tief, daß er ihm sein Liebstes zu opfern bereit war. Es waren also nur wenige aus Israel, die von der Lehre Jesu innerlich ergriffen wurden und ihm nachfolgten. Die Mehrheit des Volkes war gleichgültig oder lehnte ihn ab. Die stolzen und hochmütigen Führer, die Gesetzesgelehrten, wurden zu Verfolgern derer, die „gut” und „gerecht” waren, „kostbar” und „auserwählt” in den Augen Gottes.

Johannes taufte als Wegbereiter, als Zubereiter der Herzen. Jesus Christus aber kam zu Israel und in die Welt, um eine Entscheidung herbeizuführen. Eine Entscheidung über Leben und Tod. Diese Entscheidung ist noch immer im Gange. Sie wird ihren ersten Abschluß finden, wenn die geistige Stufe des „Samens Abrahams”, die wahre Kirche Christi, vollendet ist. Und sie wird ihren endgültigen Abschluß finden am Ende der Wiederherstellung des Menschengeschlechts auf irdischer Stufe, „wenn er, Christus, das Reich dem Gott und Vater übergibt”. - 1. Korinther 15:24

„Wähnet nicht, daß ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen”. - Matthäus 5:17 Diese Worte Jesu waren an jene Israeliten gerichtet, von denen er wußte, daß sie gegen ihn murrten, an jene, die sich als „Jünger Mose” betrachteten. - Johannes 9 :28 Sie hatten sich „auf Moses Stuhl gesetzt” (Matthäus 23:2), das heißt, sie dienten wohl dem Buchstaben des Gesetzes; der geistige Wert dieser Buchstaben aber war ihnen verschlossen. Jesus nun versuchte, ihnen zu erklären, wie der tote Buchstabe des Gesetzes vom Sinai durch ihn zum Leben erweckt werden sollte. Ich bin nicht gekommen, alles, was euch gelehrt ist, ungültig zu machen, will er sagen. Im Gegenteil: ich bin gekommen, alles das, was hinter dem Buchstaben steht - das, was mein Himmlischer Vater euch in menschlichen Worten und Vorschriften von seinen Gedanken anzeigen wollte - zu erfüllen, Realität werden zu lassen. Dazu bin ich gekommen. Genau so ist es mit den Propheten. Ich sage euch nicht etwas Neues, etwas, das eure Propheten Lügen straft. Ich selbst bin es, von dem eure Propheten reden. Ich bin gekommen, das auszuführen, was eure Propheten euch als den Willen Gottes verkündet haben.

Was nun den persönlichen Ruf, die individuelle Herauswahl aus der Masse des Volkes betrifft, so will Jesus dahingehend verstanden werden, daß diese keineswegs im Gegensatz zu den Lehren des Gesetzes noch zu den Worten der Propheten stehen. Nein, er, Jesus, war gekommen, das Gesetz zu erfüllen. Sein ganz persönlicher Dienst für Gott - ein Weg des Sich-Opferns - war ein Teil der Erfüllung des Gesetzes. Dieses Opferwerk würde anderen nach ihm ermöglichen, den geistigen Sinn des Gesetzes, die Forderung der göttlichen Gerechtigkeit, zu erfüllen. Gleichzeitig würde sein Opfer Bürge sein für die Erfüllung aller Verheißungen Gottes, die je durch den Mund der Propheten ausgegangen sind.

Das Gesetz als Prophetie

Das an den Buchstaben gebundene Denken der Pharisäer und Schriftgelehrten erfaßte nicht den Geist Gottes, der aus Jesus sprach. Sie sagten: Moses lehrt, daß der große Segen auf die kommt, welche Gott durch das Gesetz dienen, indem sie jeden Buchstaben und jedes Detail genau beobachten. Aber dieser (Jesus) lehrt, daß die Trauernden, die Sanftmütigen, die nach Gerechtigkeit dürsten, die Dankbaren, die Reinen im Herzen, die Friedfertigen, die Armen im Geiste und die Verfolgten das Salz der Erde seien und Erben von Gottes höchsten Segnungen.

Wie konnte Jesus solchen Menschen seine hohe Sendung begreiflich machen?

„Das Gesetz und die Propheten waren bis auf Johannes, von da an wird das Evangelium des Reiches Gottes verkündigt”, erklärt der Herr an anderer Stelle. - Lukas 16:16 Dies sollte nicht bedeuten, daß jegliche Prophetie nach dem Tode Johannes’ des Täufers ein Ende habe. Waren nicht vielmehr Jesus selbst, dann die Apostel Petrus, Paulus, Johannes vom Geiste Gottes inspirierte Propheten zukünftiger Ereignisse?

Die oben angeführten Worte des Herrn weisen auf die prophetische Vorherschau des verheißenen Messias hin, die ein wesentlicher, ein ganz besonders hervorragender Teil der göttlichen Botschaft speziell für Israel war. Mit den Worten: „Moses … er hat von mir geschrieben …”, weist Jesus die Juden an, die Verkündigung des Mose, auf den sie sich so fest stützten, besser zu beachten: „Da ist einer, der euch verklagt, Moses, auf den ihr eure Hoffnung gesetzt habt. Denn wenn ihr Moses glaubtet, so würdet ihr mir glauben, denn er hat von mir geschrieben”. - Johannes 5:45 und 46, 5. Mose 18:15

Es steht auch geschrieben, daß Jesus sein Leben „ausgeschüttet hat in den Tod”. - Jesaja 53:12 Und zur bestimmten Zeit wurde der „Hohepriester unseres Bekenntnisses” auferweckt und wenig später in die Himmel „hoch erhöht”. (siehe 4. Mose 21:7 - 9, Johannes 12:32 - 34, Johannes 3:14 und 15 Durch sein Opfer am Kreuz hatte er sich vom Vater die ganze Menschheit „erkauft”. Der erste Schritt zur Erlösung von Sünde und Tod war getan. Diese Errettung aber begann zuerst bei jenen Menschen sich zu verwirklichen, die, von dem bedingungslosen Glauben eines Abraham erfüllt, ihr Leben dem Herrn geweiht haben. Für sie zuerst verwendete sich der auferstandene Herr nach seiner Himmelfahrt bei seinem Vater.

Diese gewiß überragenden, außergewöhnlichen und erschütternden Ereignisse erfüllten dennoch nicht alle die Vorbilder, welche im Gesetz vom Sinai gegeben sind. Das Kommen Jesu in diese Welt war erst der Anfang der Erfüllung. Sein Opferweg, sein Opfertod, seine Auferstehung und Erhöhung zur göttlichen Natur waren weitere Stationen, aber noch nicht die Vollendung. Wir glauben, diesen Gedanken aus den Worten des Herrn herauslesen zu dürfen, wenn er sagte: „Ich bin … gekommen …, zu erfüllen”. Das griechische Wort für „erfüllen” heißt plêroö und drückt ein völliges Ausfüllen, ein bis zum Rande Anfüllen aus. Darüber hinaus bedeutet es auch: ein Amt ausführen, eine Periode oder eine Aufgabe beendigen. Paulus gebraucht dasselbe Wort in Epheser 4:10, wo er auf die verantwortungsvolle Aufgabe des Herrn hinweist. Er schreibt dort: „Er, der herabgestiegen ist, ist derselbe, der auch hinaufgestiegen ist über alle Himmel, auf daß er alles erfüllte (vervollständigte)”.

Das „Hinaufsteigen” Jesu war notwendig für die Erfüllung eines entscheidenden Teiles seiner Mission, vorgeschattet in dem Zeremonialgesetz (4. Mose 16) durch den jungen Farren des Sündopfers. Das Blut des Stieres wurde durch den Hohenpriester in das Allerheiligste (die Gegenwart Gottes) gebracht und dort auf den Gnadenstuhl gesprengt. Die Erfüllung dieses Vorbildes war der Opfertod Jesu Christi und seine Auferweckung. Unser Herr fuhr auf gen Himmel, um dort „in der Gegenwart Gottes für uns zu erscheinen”. - Hebräer 9:24

Diese wichtigen Ereignisse öffneten die Tür für die Entwicklung eines anderen hervorragenden Vorbildes: „Und Aaron soll den Bock herzubringen, auf welchen das Los für Jahwe gefallen ist, und ihn opfern als Sündopfer”. - 4. Mose 16:9 Dieser „Bock für Jahwe” wurde also ebenfalls als „Sündopfer” dargebracht. Er stellt die aus der Menschheit herausgerufenen und -gewählten Glieder des „Leibes Christi” dar, deren Mit-Opfern (nicht aber Mit-Erlösen!) an Pfingsten begann und heute, am Ende dieses Zeitalters, vor dem Abschluß steht.

Gleichwie die Erfüllung dieser einzigartigen Grundzüge des Gesetzes nur durch den Einen, Jesus Christus, kommen konnte, so wird es auch mit allen übrigen Vorbildern geschehen, deren Verwirklichung noch aussteht. Denn Jesus kam in die Welt, um Gottes Gesetz zu erfüllen.

Gesetz und Messias

Das mosaische Gesetz besteht aus dem Sittengesetz zur bürgerlichen Ordnung und dem Zeremonialgesetz, den gottesdienstlichen Vorschriften. Kernstück des sittlichen Rechts-Codex sind die zehn Gebote. Sie sind in ihrer kurzen Prägnanz eine einzigartige Kundgebung göttlichen Rechts, göttlicher Grundsätze und göttlicher Ethik für das Volk Israel.

Und nun lesen wir in Johannes 1:45, wie Philippus dem Nathanael zuruft: „Wir haben den gefunden, von welchem Moses in dem Gesetz geschrieben (hat) und die Propheten … .” Mehr als tausend Jahre nach jener gewaltigen Gottes-Offenbarung am Sinai erscheint jener „große Prophet”, der Messias, um dessen Persönlichkeit Israels Hoffnungen rankten seit ihrem Bestand als auserwähltes Volk des allmächtigen Gottes, Schöpfers Himmels und der Erde. Nicht länger brauchten Propheten auf sein Kommen hinzuweisen, und auch das Werk Johannes’ des Täufers war abgeschlossen. Jener hatte das Volk auf seinen Messias vorbereitet, und dann, als ihm Jesus begegnete, gesagt: „ Dieser ist es…!” „Auf daß er Israel offenbar werden möchte”. - Johannes 1:30 und 31

„Denn alle Propheten und das Gesetz haben geweissagt bis auf Johannes”, spricht Jesus in Matthäus 11:13. Wie ist das zu verstehen? Das Gesetz Moses’ enthält, wie schon erwähnt, nicht allein ein belehrendes Sittengesetz als die vollkommenste Grundlage für ein rechtlich-friedliches Zusammenleben der Menschen, sondern auch die vorbildlichen, gottesdienstlichen Anordnungen, die ein Vorschatten der „besseren Opfer” des Evangeliumszeitalters sind. In Jesus war der gekommen, welcher sich bereitet hatte, das in Wirklichkeit zu erfüllen, was durch so lange Jahrhunderte hindurch als Symbol, als Hoffnung und als Erziehungsmittel auf den tatsächlichen Erfüller hin einem ganzen Volk auferlegt war.

Mit den erwähnten Worten wollte Jesus nicht sagen: jetzt, wo der Dienst Johannes’ des Täufers zu Ende ist, sind auch alle die vorbildlichen und prophetischen Grundzüge des Gesetzes erfüllt. Nein, das wollte er nicht sagen. Aber er wollte eine klare Linie gezogen wissen zwischen dem Zeitalter, das im Begriff war, zu Ende zu gehen, und dem Zeitalter, welches mit seiner - des Messias - Gegenwart heraufzusteigen begann. Was Jesus mit jenen Worten aussagte, war: in diesen euren Tagen hat sich die Zeit erfüllt, da euer verheißener Messias, euer Erretter und Erlöser, gekommen ist. Er ist Wirklichkeit geworden. „Und von Moses und von allen Propheten anfangend, erklärte er ihnen in allen Schriften das, was ihn betraf”. - Lukas 24:27

Ein alles überragendes Vorbild

Im Anfang unserer Betrachtung wiesen wir schon einmal auf Hebräer 10:7 hin. Und nun, in Vers 9, in dem Jesus unterstreicht, daß er gekommen sei, um sein persönliches Opfer dem Willen des Himmlischen Vaters zu unterstellen, fährt der Apostel fort: „Er nimmt das Erste weg, auf daß er das Zweite aufrichte”.

Jesus am Jordan war das Gegenbild des Stieres am Versöhnungstag. Die Opferung des Stieres (3. Mose 16) stellt die Vollendung seines, des Herrn, Opferbundes dar. Jesu Weihung war noch nicht die ganze Erfüllung des Vorbildes, aber sie war der Anfang. Sie war der Beginn der Aufrichtung dessen, was Paulus als „das Zweite” bezeichnet.

Alle folgenden Ereignisse im Dienste Jesu waren leuchtende Beispiele seiner menschlichen Vollkommenheit. Sein Weg war der Weg des Aufopferns seines irdischen Lebens, das so tadellos, so ohne jeden Fehl war, daß Gott dieses Opfer als vollkommenen Gegenwert für das verwirkte Leben Adams annehmen konnte: „Leben um Leben”, wie in 2. Mose 21:23 geschrieben steht.

Jesus begann den Beweis hierfür zu liefern, als er sich selbst am Jordan der Gerechtigkeit Gottes darbot. Dort begann auch die Erfüllung einer Verheißung, die Gott - Jahrhunderte zuvor - im Vorauswissen des Geschehens durch den Mund des Propheten Jesaja hatte niederlegen lassen: „Jahwe gefiel es um seiner Gerechtigkeit willen, das Gesetz groß und herrlich zu machen”. - Jesaja 42:21

Jesus - in seinem absoluten Gehorsam dem sittlichen Gesetz gegenüber - strahlte in seiner reinen, vollkommenen Persönlichkeit auch die Vollkommenheit des göttlichen Gesetzes wieder. Durch das Halten des Gesetzes zeigte er, daß nicht das Gesetz fehlerhaft war, sondern der gefallene Mensch. Der Anteil an dem Erbe Adams beeinträchtigt die moralisch-sittlichen Fähigkeiten des Menschen in der Weise, daß er einfach nicht fähig ist zu tun, was der gerechte Grundsatz Gottes verlangen muß. Auch die geistig-ethischen Veranlagungen sind von der Sünde angeschlagen. Der Geist des Gesetzes, so, wie Jesus ihn auslebte, erfordert eine rückhaltlose Liebe zu Gott und Liebe zum Nächsten. Gott über alles lieben und den Nächsten wie sich selbst …; aber Jesus liebte die Menschen mehr als sich selbst. Er litt und er starb für sie, auf daß sie Leben haben möchten. Jesus war auch Darsteller und Diener von Gottes Gerechtigkeit. Sein Leben - in völligem Gehorsam und Einvernehmen mit Gottes Willen - rechtfertigte die Tatsache, daß der Allmächtige dem unvollkommenen Israel ein vollkommenes Gesetz gab. „Ich habe meine Gerechtigkeit nahe gebracht, sie ist nicht fern, und meine Rettung zögert nicht; und ich gebe in Zion Heil, und Israel meine Herrlichkeit”, läßt Gott durch Jesaja ausrufen. - Jesaja 46:13 „Fürwahr, nahe ist sein Heil denen, die ihn fürchten, damit die Herrlichkeit wohne in unserem Lande … Die Gerechtigkeit wird vor ihm einhergehen und ihre Tritte zu seinem Wege machen”. - Psalm 85:9 und 13; beachte auch Römer 4:25

Vielleicht war es das Zeugnis des Propheten Jesaja (Kapitel 42:21), das Paulus zu zwei ähnlichen Feststellungen veranlaßte. In Römer 3:31 schreibt er: „Heben wir denn das Gesetz auf durch den Glauben? Das sei ferne! Sondern wir bestätigen das Gesetz”. Und in Kapitel 7:12 sagt er abschließend: „So ist also das Gesetz heilig und das Gebot heilig und gerecht und gut”.

Wie wir erkannt haben, weisen die gottesdienstlichen Grundzüge des Gesetzes hin auf die über mehr als tausend Jahre später beginnenden „besseren” Opfer des Zeitalters der frohen Botschaft und der lebendigen Hoffnung auf die endliche Errettung durch Jesus Christus, den Sohn des lebendigen Gottes. In diesem Sinne schattet das Zeremonialgesetz den Christus „Haupt und Leib” vor. Als Jesus so ausdrücklich hervorhob: „Ich komme … zu erfüllen”, bezeugte er, daß er gekommen war, um durch das Opfer seines Lebens die Grundlage für die Sühnung aller zu ermöglichen, wovon das Gesetz Vorbild war. - 3. Mose 16

Jota und Tüttel

Jegliche Segnung der Zukunft, auch die Berufung der Herauswahl und deren annehmbares Opfer, waren und sind abhängig von der Erfüllung jeder Einzelheit des Gesetzes durch unseren Herrn. Jesus ist der Mittelpunkt aller Voraussagen, aller Vorbilder und aller Symbole. Er ist der Erfüller alles dessen, was ihm von seinem Himmlischen Vater aufgetragen wurde. In Matthäus 5:18 betont er dies auch ganz nachdrücklich, wenn er sagt: „Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist”.

Jota ist der kleinste Buchstabe der hebräischen Schrift, und Tüttel war ein Strichlein, dessen Bedeutung man heute nicht mehr kennt. Daß Jesus auf diese kleinsten und möglicherweise unbedeutenden Schriftzeichen aufmerksam macht, zeigt, daß auch nicht die unscheinbarste Satzung, nicht die unwichtig scheinende kleinste Aussage des Gesetzes von Gott aus bedeutungslos ist. Auch die kleinste Kleinigkeit des Gesetzes wird erfüllt sein, bis der „Himmel” und die „Erde” vergangen sind.

Kann der Himmel Gottes vergehen? Wird unser Erdball sich auflösen? Die Heilige Schrift sagt: nein! Es gibt aber in der symbolischen Sprache der Bibel „Himmel”, die nicht die Himmel Gottes sind. Gott „wohnt” im Himmel; der Himmel ist Sein „Thron”, Sein Sitz, von dem aus Er das Weltall regiert. Diese Ausdrücke sind der menschlichen Vorstellung angepaßt. Gott ist Geist! Dort, wo Er „wohnt”, ist Seine Geisteswelt, halten Seine Gedanken, Sein Wille das All in Ordnung. Diese Himmel sind im großen und ganzen nicht die Himmel der Menschen. Die Menschen haben sich ihre eigenen Götter gebildet und - sofern sie an den einen Gott zu glauben scheinen, haben sie aus dem Einen dennoch wiederum viele Gottheiten gemacht. Für jeden Menschen hat Gott ein anderes „Gesicht”, eine andere Bedeutung. In den menschlichen „Himmeln” regiert Gott nicht. Hier geschieht der Eigenwille, und oberster Regent ist „der Fürst dieser Welt”. Und diese Himmel werden vergehen, wie in Hebräer 12:26 und Haggai 2:6 geschrieben steht.

Denn „der Himmel wird seine Ungerechtigkeit enthüllen und die Erde wird sich wider ihn erheben”. - Hiob 20:27 Die „Erde” bedeutet nicht die materielle Schöpfung, sondern die sogenannte Ordnung bzw. die politischen und sozialen Einrichtungen, welche die Menschen auf ihr errichtet haben. So sind „Himmel” und „Erde” in dem Ausspruch des Herrn Symbole für die geistlich-soziale Struktur der unvollkommenen Menschenwelt.

Auch in den aus dem Tode Auferweckten wird dieses alte Gedankengut wieder lebendig werden und erst nach und nach sich „verwandeln” lassen in die Geisteshaltung der Gerechtigkeit, der Liebe, der Barmherzigkeit und Güte Christi. Dann erst, „wenn er hinweggetan haben wird alle (widergöttliche) Herrschaft und alle Gewalt und Macht”, wenn er, der Christus, „alle Feinde unter seine Füße gelegt hat”, wird auch jedes Jota und jedes Tüttel von dem Vorbildlichen des Gesetzes erfüllt sein. - 1. Korinther 15:24 und 25

Viele wichtige Einzelheiten im Gesetz und in den Propheten wiesen Jesus den Weg seines Wirkens. Die Berichte der Evangelien zeigen uns, mit welcher Sorgfalt der Herr alles beachtete, was über ihn geweissagt war, „auf daß erfüllt würde” ein jedes Gotteswort, das durch den Mund der Propheten ausgegangen ist. Aus den vielen Schriftzeugnissen wählen wir einige heraus, wie: Matthäus 4:14, 8:17, 12:17, Matthäus 13:35, 21:4 und 5, 26:56, Johannes 13:18, 15:22 - 25, 18:9, 19:24, Lukas 24:44

Göttliche Überwaltung umgab seine Herkunft. Dreizehn Schriftstellen allein im Matthäus-Evangelium machen darauf aufmerksam, mit welcher Genauigkeit Jesus die Prophezeiungen beobachtete und erfüllte und sich auf diese Weise als der Messias offenbarte. Selbst noch am äußersten Ende seines Opferweges hören wir aus seinem Munde die erschütternden Worte: „Mich dürstet!” „Auf daß die Schrift erfüllt würde”, die da spricht: „Und sie gaben mir als Speise Galle, und in meinem Durst tränkten sie mich mit Essig”. - Johannes 19:28 - 30, Psalm 62:21 Welch ein Erretter!

Der Apostel Paulus faßt den Sinn des Leidensweges Jesu in bezug auf Israel in der Erklärung zusammen: „Christus hat uns losgekauft von dem Fluche des Gesetzes, indem er ein Fluch für uns geworden ist”. - Galater 3:15, 5. Mose 21:23 Mit diesen Worten beweist Paulus unmißverständlich, daß Jesus in seinem Opfertod nicht allein Schuld und Sünde Adams und aller seiner Erben auf sich genommen hat, sondern durch das Erleiden des Todes am Kreuz zugleich auch die Juden vom Fluch des Gesetzes befreite. Denn jeder Israelit war sowohl Nachkomme Adams, als auch den Bedingungen des Gesetzes unterworfen. Da keiner, auch nicht einer, das Gesetz zu halten vermochte, standen sie unter einem doppelten Todesurteil. Jesus Christus hat in der Tat aller Strafe auf sich geladen, „sowohl des Juden als auch des Griechen”.

Jeder, der dies erkennt und in sein Herz einläßt, jeder, der den Glauben an das Lösegeld-Opfer Jesu Christi in sich trägt, wird auch begreifen können, daß Jesus wirklich die Forderungen des Gesetzes Gottes erfüllte. Für jeden Juden aber, der sich noch als unter Gesetz stehend zählt, würde diese Erkenntnis und dieser Glaube Freiheit vom Fluche des Gesetzes bedeuten - von einem Gesetz, das keinem Unvollkommenen Leben bringen konnte. Für alle jene, die - das Gesetz hinter sich lassend - Zuflucht zu dem Herrn genommen haben, schrieb Paulus: „Denn Christus ist des Gesetzes Ende, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit”. - Römer 10:4

Indem der Herr die Bedingung des Gesetzes erfüllte und „Leben um Leben” gab (siehe 2. Mose 21:23), hat er ein für allemal der Forderung der göttlichen Gerechtigkeit (niedergelegt in dem Gesetz) Genüge getan. Und wenn auch das Gesetz nur den Juden gegeben war, so gilt doch die Forderung der Gerechtigkeit Gottes, wie sie in dem Gesetz dargestellt ist, für alle Menschen. Der Glaube an das erlösende Blut Christi machte von da an die Gnade Gottes wirksam - in jedem, der ganz bewußt das Opfer des Herrn für sich in Anspruch nimmt. Sein Blut bedeutet Bedeckung der Sünde, Zudecken der ererbten Ungerechtigkeit. Der Glaube aber erwirkt Rechtfertigung vor Gott, womit das Recht oder die Forderung der Gerechtigkeit des Gesetzes in jedem Glaubenden erfüllt ist.

So ist nun die adamitische Sünde vor den Augen Gottes verborgen durch das freiwillig geopferte Leben Seines geliebten Sohnes, das durch seine tadellose Gerechtigkeit die Ungerechtigkeit zunächst nur des Glaubenden bedeckt. Nur durch die glaubensvolle Annahme des Opfers Jesu Christi kann ein Mensch Gnade finden vor Gott, auch wenn er im Leibe noch unvollkommen und voller Fehler und Schwachheiten ist. (siehe Römer 8:1 und 4) Wer allerdings diese Erkenntnis nicht hat, kann auch an dem Segen des auch für ihn niedergelegten Lösegeldes noch keinen Anteil haben. Aber wir wissen, daß die Zeit kommt - und mit Sicherheit kommt - (weil alles sich erfüllt, was geschrieben steht), daß jedes Knie sich beugen wird im Namen dessen, der Gottes Willen in allem tat, und dadurch Leben erwirkt für die ganze von ihm erkaufte Menschheit. - Philipper 2:10

Das neue Jerusalem

„Ihr seid das Licht der Welt; eine Stadt, die oben auf einem Berge liegt, kann nicht verborgen sein”, lehrt Jesus seine Jünger in der Bergpredigt. - Matthäus 5:14 Ein seltsames, ein rätselhaftes Wort, das die Jünger zur damaligen Zeit sicherlich nicht verstanden. Wir aber haben heute das ganze Zeugnis Jesu und der Apostel zur Hand. Wir dürfen dem tiefen Sinn dieser Worte nachgehen, und da ist einer, der uns die „Speise zur rechten Zeit” vermittelte: der kluge und treue Knecht, dessen Wegweiser durch den ganzen geoffenbarten Plan Gottes wir getrost folgen dürfen.

Daß die Stadt Jerusalem 800 Meter hoch auf dem Gebirge erbaut ist, ist allgemein bekannt. Welch ein herrliches Bild zeichnet der Psalmist von Jerusalem, „die du aufgebaut bist als eine fest in sich geschlossene Stadt”! - Psalm 122 Aber - ist dies ein Lobgesang auf die jetzige Hauptstadt Israels? Wohl kaum. In Offenbarung 21:2 finden wir eine Schriftstelle, die uns hilft, das Geheimnis der Stadt auf dem Berge zu lüften. Dort heißt es: „Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, … bereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut”. Wir wissen, wer die „Braut Christi” ist, und hier - in diesem Bilde - wird sie gleichgestellt mit der „heiligen Stadt”, mit dem „neuen Jerusalem”.

Alle Nachfolger des Herrn sind „Licht-Träger”. Sie tragen das wahre, das unverfälschte Licht des Evangeliums Jesu Christi in die Welt zu einem Zeugnis und zum Trost derjenigen, deren Herzen Gott suchen. „Also lasset euer Licht leuchten vor den Menschen”, lehrt Jesus, „damit sie eure rechtschaffenen Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen”. - Matthäus 5:16 Nehmen wir noch das Zeugnis des Apostels Paulus hinzu, so wird der Sinn all dieser Worte immer heller und verständlicher. In Galater 4:25 und 26 schreibt er: „Denn Hagar … entspricht dem jetzigen Jerusalem, denn sie ist mit ihren Kindern in Knechtschaft; aber das Jerusalem droben ist frei, welches unsere Mutter ist”.

Paulus erklärt hier die Vorbilder des großen abrahamischen Bundes und zeigt, wie „Hagar”, das Israel (oder Jerusalem) unter dem Gesetz, noch geknechtet ist von der Sünde und dem Unvermögen, das Gesetz zu halten. Das „Jerusalem droben” ist ein Bild der wunderbaren Verheißung: „In dir und deinem Samen sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde”. Der verheißene „Same” aber, erklärt Paulus in Galater 3:16, ist der Christus. Jesus Christus ist das „Haupt”, und die aus der Welt herausgerufenen und herausgewählten Treuen bis zum Tode sind seine „Glieder”. Dieser ganze „Leib” wird in der Schrift sowohl „Braut” Christi als auch das „neue Jerusalem” genannt. Sie alle zusammen werden der „Same” Abrahams sein, durch den die ganze Menschheit gesegnet werden soll.

Der Prophet Jesaja drückt diese unbeschreiblich herrliche Zukunft so aus: „Denn siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde, und der früheren wird man nicht mehr gedenken, und sie werden nicht mehr in den Sinn kommen”. - Jesaja 65:17 Lesen wir noch einige Verse weiter, springt uns die unausdenkbare Freude entgegen, die durch diesen „neuen Himmel” auf der Erde hervorgerufen wird. „Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen”, schreibt der Seher von Patmos im Anschluß an das Bild von dem neuen Jerusalem. „Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen wohnen, ihr Gott”. - Offenbarung 21:3 - 5

Der „neue Himmel”, das Gedankengut Gottes, dringt endlich in die bis dahin verstockten und verschlossenen Herzen der Menschen ein. Satan, der Verführer der Nationen, ist gebunden und hat keine Macht mehr über sie. - Offenbarung 20:3 Die Braut Christi, der himmlische Same Abrahams, das neue Jerusalem, läßt seinen Segen verströmen - zuerst über das alte Jerusalem, das Volk Israel - danach aber über die ganze Erde mit ihren Übriggebliebenen und ihren Auferweckten aus dem Tode. Durch den heilenden und befreienden Einfluß des „neuen Himmels” wird auch die arme, alte, böse und arge Welt von Grund auf erneuert werden. Man wird nach und nach nicht mehr der alten Erde gedenken, das heißt die Macht des Bösen wird aus den Gedanken und dem Sinnen der Menschen entschwinden, bis Gott wahrhaft in ihren Herzen „wohnt”: ihr Gott.

Daß diese Lehren Jesu Christi für viele der Juden so befremdend waren, daß sie wähnten, der Herr sei gekommen, das Gesetz und die Propheten aufzulösen, ist nicht verwunderlich. Bis zu jener Zeit war Israel zwar ein Licht in der Welt, aber es war ein trübes Licht. Obwohl nur ihnen als einzigem unter allen Völkern der Erde die Bündnisse, das Gesetz und die Hoffnung auf die Erfüllung ihrer Verheißungen gegeben waren, hatten doch nur wenige unter ihnen den geistigen Gehalt dieser köstlichen Gaben Gottes erahnt.

Die ganze Fülle des Reichtums Gottes

Der große Erfüller und Vollender des göttlichen Erlösungsplanes, Jesus Christus, ist gesetzt als „Haupt über alles in der Versammlung …, welche sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt”. - Epheser 1:22 und 23 Er erbte diese hohe Stellung und deren Verantwortung nach seiner Auferstehung. Ihm wurde „alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden”. - Matthäus 28:18

Im ersten Kapitel des Epheserbriefes erklärt Paulus, wie der „Leib” Christi die Fülle göttlichen Charakters in sich entwickeln wird durch Jesus Christus, ihren Herrn und ihr Haupt. Sein Leib wird „die Fülle dessen” darstellen, „der alles in allem erfüllte”. Das bedeutet: Vollkommenheit des Charakters Gottes. Die Grundpfeiler zu diesem unfaßlich herrlichen Werk wurden zu Pfingsten vor über zweitausend Jahren gelegt. Seit dieser Zeit „baut” Gott durch Seinen hocherhöhten Sohn Seine Kirche, Seinen Tempel, Sein Haus mit all denen, die den Ruf: „Folget mir nach!”, hören und ihm in Treue bis zum Tode Folge leisten.

In die letzte uns geoffenbarte Phase dieses „alles erfüllenden” Werkes läßt Paulus einen Blick offen. Wenn alles Böse überwunden und aus dem Wege geräumt ist, wenn der Widersacher Gottes und alle, die mit ihm eines Geistes waren, ausgetilgt sind, dann wird auch „der Sohn selbst (der ja immer betonte: „mein Vater ist größer als ich”) dem unterworfen sein, der ihm alles unterworfen hat, auf daß Gott alles in allem sei!” - Johannes 14:28, 1. Korinther 15:28

Welch einen wunderbaren Ausgang wird das Werk unseres großen Erretters haben! „Ich schwöre bei mir selbst!” - 1. Mose 22:16 Mit diesem Schwur tritt der Allmächtige in Seiner ganzen Macht und Weisheit, Liebe und Gerechtigkeit für die Erfüllung Seines heiligen, uns geoffenbarten Willens ein. Wer oder was könnte diesen jemals vereiteln?



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung