Gottes Erwählung im Alten und im Neuen Testament

Unser Gott ist unsichtbar. Er begibt sich nie in den Bereich des Sichtbaren oder der direkten Wahrnehmbarkeit. Wenn Er sich den Menschen offenbart, bedient Er sich vermittelnder Wesen oder Personen: der Engel oder auserwählter Menschen, die ein Ohr für die Stimme Gottes empfangen haben. Denn nicht nach dem Willen des Menschen läßt Gott sich erkennen. Alles Nahen Gottes ist Gnade!

Das ist bei den heidnischen Pseudo-Göttern - den Götzen - anders. Zeus, Jupiter, Hermes und verschiedene orientalische Gottheiten erscheinen vereinzelt in Menschengestalt auf der Erde und tragen auch recht menschliche Charakterzüge.

Wir erinnern daran, daß Paulus und Barnabas, als sie in Lystra in Lykaonien einen Menschen heilten, der von Geburt an gelähmt war, vom Volk für Götter in Menschengestalt gehalten wurden: Barnabas für Zeus, Paulus für Hermes (den griechischen Wortführer und Götterboten). - Apostelgeschichte 14:11 - 15 Auch Wotan, der Oberste der germanischen Götter, pflegte als Wanderer bei den Menschen einzukehren.

Jahwe, der lebendige und wahrhaftige Gott aber, verläßt niemals Seine erhabene Unsichtbarkeit. Er ist der Richter, vor dessen Angesicht Sünder niemals direkt erscheinen dürfen. Allein der Hohepriester (als Vorbild dessen, der in Ewigkeit Hohepriester bleibt, siehe Hebräer 7:24), darf einmal im Jahr in das „Allerheiligste” eintreten, das die Gegenwart Gottes symbolisiert, „nicht (aber) ohne Blut”, das - wiederum symbolhaft - seine angeborene Ungerechtigkeit bedeckt.

Zu Mose, der den Wunsch äußerte, Gott von Angesicht zu sehen, spricht Jahwe: „Du vermagst nicht, mein Angesicht zu sehen; denn nicht kann ein Mensch mich sehen und leben”. Aber wem Gott gnädig ist, dem kann ausnahmsweise ein Anblick Gottes „von hinten” gewährt werden, wie er dann doch dem Mose gewährt wurde. Mit der Umschreibung „von hinten” soll wahrscheinlich ausgedrückt werden: aus der Erinnerung; durch nachträgliches Erkennen eines Erlebnisses, das im Augenblick des Geschehens nicht in das Bewußtsein als von Gott kommend eingedrungen ist. So wird ein Mose Gott geschaut haben, oder auch ein Elia, der nur in einem „leisen Säuseln” die Gegenwart Gottes erleben durfte. - 2. Mose 33:16 - 23, 1. Könige 19:11

Zwischen Gott und den Menschen stehen im Alten Testament die Engel als Übermittler göttlicher Offenbarungen und Botschaften. Es sind allerdings nur wenige Erwählte, die Jahwe in alten Zeiten zu besonderem Dienst beruft. Da ist ein Abraham, ein Jakob, ein Joseph; da sind Mose, Josua, Gideon, David, Salomo und die ganze Reihe der Propheten - alles ausgezeichnete und würdige Menschen und hervorragende Charaktere.

Seitdem Gott in Jesus Christus eine vollgültige Darstellung gefunden hat, und seit der Geist Gottes zu Pfingsten über die Gläubigen ausgegossen worden ist, hat Gottes Verfahrensweise der Erwählung einen anderen Verlauf genommen.

„Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen”, darf Jesus sagen. - Johannes 14:9 und 10 Doch nicht ohne den Heiligen Geist vermag der Mensch durch Glauben in Jesu Christo den Vater zu „sehen”. Und wenn auch noch immer Engel ausgesandt werden „als dienstbare Geister um derer willen, die die Seligkeit ererben sollen” - Mittel zur Offenbarung des lebendigen Gottes sind nicht mehr die himmlischen Boten, sondern es ist allein der Sohn des Allmächtigen, in dem alle Wahrheit und der ganze Erlösungsratschluß Gottes offenbar geworden ist. Von nun an besteht ein bedeutender Unterschied zwischen Gottes Auserwählung im Alten Testament und der Herauswahl, der „ecclesia”, im Neuen Testament.

Bezog sich Gottes Erwählung im Alten Testament auf herausragende Persönlichkeiten, so ergeht der Ruf des Evangeliums vornehmlich an „die Armen im Geiste”, an die „Kleinen”, die Unbeachteten. „Denn sehet eure Berufung, Brüder”, schreibt Paulus, „daß es nicht viele Weise nach dem Fleische, nicht viele Mächtige, nicht viele Edle sind; sondern das Törichte der Welt hat Gott auserwählt, auf daß er die Weisen zuschanden mache; und das Schwache der Welt hat Gott auserwählt, auf daß er das Starke zuschanden mache; und das Unedle der Welt und das Verachtete hat Gott auserwählt, das was nichts ist, auf daß er das, was ist, zunichte mache, damit sich vor Gott kein Fleisch rühme”. - 1. Korinther 1:26 - 28

Es soll sichtbar werden, daß das höchste, das lebenrettende Wissen nicht von Menschen ausgeht, sondern eine freie Gabe Gottes ist, eine Gnadengabe in Christo Jesu. - Römer 6:23 Was für eine Auszeichnung ist die Auserwählung geworden! Welch eine Gnade, zu den Törichten, den Schwachen, den Unedlen zu gehören!

Einst wurde das Tüchtige erwählt, um Gott einen Namen zu machen, jetzt aber das Untüchtige, um die Weisheit Gottes ans Tageslicht zu bringen. Denn diese „Untüchtigen” verwandeln nun die Welt. Doch werden durch sie alle - die Tüchtigen des Alten Testaments und die Untüchtigen des Neuen Testamentes - etwas von dem Wesen des unsichtbaren Gottes dem Bewußtsein der Menschen näher gebracht: die Tatsache einer unsichtbaren Welt-Leitung, einer höheren Gerechtigkeit, die durch alle menschliche Willkür hindurchschimmert - als lichter Hintergrund einer endlichen Erlösung der Welt.

Viel deutlicher noch als im Leben eines einzelnen Menschen wird das Heilsgeschehen dadurch, wenn Gott sogar ein ganzes Volk auserwählt, wie das Volk Israel. Diesem kleinen Volk, das den Nabel der Welt bewohnt, ist die köstliche Verheißung gegeben, ein Prophet für alle Völker ringsum, ein Verkünder des wahren Gottes für die ganze Welt zu werden. Um es fähig zu machen, diese Aufgabe zu erfüllen, muß Gott dieses Volk zuerst in Freiheit setzen - es aus der ägyptischen Knechtschaft lösen. Aber auch geistig muß das Prophetenvolk über den Stand der anderen Völker erhoben werden, indem Gott ihm erleuchtete Führer und Mahner schenkt.

Abraham, der Stammvater, ist der Träger der Erlösungs- und Lebenshoffnung, nicht allein für seine eigene Nachkommenschaft, sondern für „alle Geschlechter der Erde”. Mose ist das Werkzeug zur Befreiung Israels und der Übermittler des göttlichen Willens für seine glaubensmäßige und staatliche Verfassung. Schon ihm wird nach unglaublich mühevollen und enttäuschenden Erfahrungen mit dem „auserwählten Volk” bewußt, daß es in der Zwangsjacke des Gesetzes nicht zu bleiben und zu bestehen vermag. Unter der Eingebung des Geistes Gottes sieht Mose den Ausführer des göttlichen Erlösungsgedankens von ferne und darf sein Volk mit der Versicherung trösten: „Einen Propheten aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern, gleich mir, wird Jahwe, dein Gott, dir erwecken: auf ihn höret!” - 5. Mose 18:15 Und es ist dieser „Prophet”, dem es gelingen wird, Israel zur vollen Erkenntnis seines großen Gottes zu bringen, so daß sich es aus freiem Willen unter das gute Gesetz des Ewigen beugt und auf diese Weise zum eigentlichen Prophetenvolk für alle übrigen Völker werden kann.

Alle weiteren Auserwählten Gottes sind entweder solche, die Mose als politisch-religiöse Führer des Volkes folgen, wie Josua, Samuel, David und Salomo, oder priesterliche Mahner und Wegweiser, wie die lange Reihe der eigentlichen Propheten von Jesaja bis zu Johannes, dem Täufer.

Wieder andere Auserwählte Jahwes sind weniger Verkünder prophetischer Wahrheit, als vielmehr Träger eines außergewöhnlichen Schicksals, das in gleicher Weise Offenbarungscharakter hat. Zu ihnen gehört Joseph, der von seinen Brüdern Gehaßte, aber um seiner Standhaftigkeit willen von Gott Erhöhte und zum Erretter seiner Familie Berufene.

Ein Auserwählter ist auch Hiob, ausgezeichnet durch sein erschreckend schweres Schicksal, dem auch sein gottgläubiges Denken nicht mehr gewachsen ist, so daß der Fromme an der Gerechtigkeit und Weisheit Gottes verzweifelt. In dem dramatischen Geschehen um Hiob wird zunächst die Verkehrtheit menschlichen Fragens Gott gegenüber herausgestellt. Doch steht Hiob trotz allem als ein wunderbarer Zeuge menschlicher Gottestreue bis zum Schluß allen Angriffen Satans entgegen, wie geschrieben steht: „Bei diesem allem sündigte Hiob nicht und schrieb Gott nichts Ungereimtes zu." - Hiob 1:22

Ein Schicksalsträger ist auch der edle David, der gerade wegen seiner Auserwählung durch die harte Schule ungerechter Verfolgung gehen muß, ehe er zum Geliebtesten der Führer Israels erhöht werden kann. Sind auch Gottes Erwählte durch hohe Geistesgaben ausgezeichnet, so wachsen sie doch nicht über die Grenzen des gefallenen Menschen hinaus. Sie besitzen den Geist nicht ohne Maß und können sich nicht eines allzeit unfehlbaren Gottesgehorsams rühmen.

In Jesus Christus erst erscheint der Mensch, der die Herrlichkeit Gottes in vollem Umfang zur Darstellung bringt. Alle bis dahin Auserwählten und Gesandten Gottes dürfen Wichtiges über Gott und Seinen Plan mit den Menschen aussagen. In Jesus Christus aber kommt diese Aussage zum erschöpfenden Abschluß: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen”. - Johannes 14:9

Von nun an handelt es sich darum, die Offenbarung Gottes in Christo zu sehen und zu begreifen. Das kann nicht nur durch Nachdenken über Jesus geschehen. In dieser Zeit - in diesem Zeitalter der Evangeliums-Verkündigung - kann eine Erkenntnis Christi und damit eine Erkenntnis Gottes und Seines Willens und Handelns mit den Menschen nur durch die Nachfolge Jesu erlangt werden. Zu dieser Nachfolge fordert der Herr auf.

Die Frage, die sich stellt, ist folgende: Wie soll und darf man sich diese Nachfolge vorstellen? Eine nur äußerliche Nachahmung des Lebens Christi dazu ist nicht vorstellbar und führt, wo sie versucht worden ist, zu Zerrbildern. Es kann sich daher nur um eine Nachfolge gemäß den Weisungen des Heiligen Geistes handeln. Um diese Nachfolge zu ermöglichen, ist zu Pfingsten der Heilige Geist - ein weiterer Zeuge Gottes - ausgegossen worden über die zur Nachfolge Christi Eingeladenen, die Berufenen. Im Gehorsam gegenüber dem Geist und dem durch ihn gegebenen Verständnis des Wortes Gottes vermögen nun die Berufenen den Weg der Fußstapfen Jesu zu verfolgen. Sie werden damit zu einer Fortsetzung des Zeugnisses Jesu Christi in der Welt.

Es gibt also nach Jesus keinen weiteren Propheten Gottes mehr auf dieser Erde als die „ecclesia”, die herausgerufene Gemeinde, die wahre Kirche Christi. Diese hat nichts Neues zu sagen, sondern einzig das vorhandene Wort Gottes in Christo nach den Weisungen des Geistes unter allen Verhältnissen des Lebens zu vertreten und darzustellen. Das heißt nicht, daß für die ecclesia nur die Schriften des Neuen Testaments Weg-leitend sein sollen. Da Jesus in keinem Gegensatz zu den Lehrern Israels stand, so haben auch die alttestamentlichen Offenbarungen Gottes unverminderte Bedeutung behalten. Doch beschränken sich die Weissagungen der Propheten auf die Geschicke der Erde und ihrer Menschen, während Jesus als etwas völlig Neues einen Weg des Menschen zu himmlischer Herrlichkeit weist und eröffnet.

Der Herr bringt eine doppelte Verheißung. Er verkündet das Reich Gottes für diese Erde, wie es in seinem Mustergebet ausgedrückt ist: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe auf Erden, gleichwie er im Himmel geschieht!” Aber an seine Nachfolger ergeht die Einladung zur späteren Vereinigung mit ihm im Himmel. Für sie betet Jesus zum Vater: „Vater, ich will, daß die, welche du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin”. - Johannes 17:24 Ganz ausdrücklich wird ihre Bestimmung von derjenigen der vormaligen Gesandten und Auserwählten Gottes unterschieden.

Ganz deutlich ist diese Welten- und Berufungswende in den Worten zu erkennen, die der Herr selbst über Johannes, den Täufer, den Letzten des alten Prophetenzeitalters, aussprach: „Wahrlich, ich sage euch, unter den von Weibern Geborenen ist kein Größerer aufgestanden als Johannes, der Täufer; der Kleinste aber im Reiche der Himmel ist größer als er”. - Matthäus 11:51

Mit diesen „Kleinsten” meint Jesus all die meist unbedeutenden Menschen, die ihm nachfolgen und sich freudig zu ihm bekennen, und die um dieses Bekenntnisses willen den Spott und den Haß dieser Welt auf sich nehmen - einer Welt, die den Herrn immer wieder ans Kreuz schlägt. Keines von ihnen reicht an die Bedeutung des Täufers heran, aber diesen „Kleinen” erschließt sich nun eine Möglichkeit, die es vor Johannes noch gar nicht gegeben hat.

In Jesus war ihnen der Schlüssel zu einem Verständnis Gottes in die Hand gegeben worden, wie es zuvor keinem Gottesmann zuteil geworden war. Jesus eröffnet die Möglichkeit, in die ganze Wahrheit über das Vorhaben Gottes vorzudringen und zu der Erkenntnis zu kommen, daß in ihm, in Jesus Christus, sogar dem Geringsten unter den Menschen ein Weg aufgetan ist - nicht allein zur Wiederherstellung auf menschlich-irdischer Ebene zu gelangen, sondern ein weit herrlicheres Ziel zu erreichen: die Miterbschaft geistiger Natur mit ihm, dem Geliebten und Erlöser.

Das Alte Testament hat eine wunderbare Größe, aber im Vergleich mit dem Neuen ist es eben doch nur wie der Mond, der von der Sonne sein Licht erhält. Dem Nachfolger Christi eröffnen sich Tiefen und Weiten, die der alttestamentlichen Welt verschlossen geblieben sind. Eine „Miterbschaft mit Christo” gab es nicht, bevor der Herr selbst die Erbschaft erlangt hatte.

Selbst der Geringste der Gläubigen ist zu diesem „Wettlauf” eingeladen. - Hebräer 12:1 Bedingung ist eine konsequente Nachfolge Jesu nach den einem jeden gegebenen Möglichkeiten. „Konsequent” heißt hier aber nicht „rücksichtslos”. Ganz im Gegenteil. Unter Berücksichtigung aller Forderungen der Liebe, der Nüchternheit und der Weisheit heißt dies: standhaft bleiben. „Denn wir sind Genossen des Christus geworden, wenn wir anders den Anfang der Zuversicht bis zum Ende standhaft festhalten”. - Hebräer 3:14

„Laßt uns das Bekenntnis der Hoffnung unbeweglich festhalten, (denn treu ist der, der die Verheißung gegeben hat); und laßt uns auf einander acht haben zur Anreizung, zur Liebe und zu guten Werken … ” - Hebräer 10:23 und 24

Nach der Begabung des Gläubigen richten sich die an ihn gestellten Erwartungen. „Jedem einzelnen aber von uns ist die Gnade gegeben worden nach dem Maße der Gabe des Christus”, heißt es in Epheser 4:7. Paulus warnt uns vor Überschätzung der Glaubensfähigkeit: „Ich sage durch die Gnade, die mir gegeben worden ist, jedem, der unter euch ist, nicht höher von sich zu denken, als sich zu denken gebührt, sondern so zu denken, daß er besonnen sei, wie Gott einem jeden das Maß des Glaubens zugeteilt hat”. - Römer 12:3

Das Maß des Glaubens bestimmt die Leistungsfähigkeit des Christen. Bestimmt wird dieses Maß durch die Aufnahmefähigkeit des Gläubigen. Jedes Maß ist steigerungsfähig. Wenn der Gläubige Wertschätzung für die Steigerung seiner Fähigkeiten besitzt, die mit der Gabe des Glaubens verbunden ist, dann wird er dadurch fähig, ein größeres Maß an Glaubenskraft aufzunehmen. Auch durch stärkende Glaubenserfahrungen wird der Glaube kühner und kraftvoller.

Jesus beabsichtigt offenbar eine Erziehung seiner Jünger zu größerem Glauben, wenn er bei ausgebrochenem Sturm ruhig im Schiffe schläft. Er tadelt die Jünger, als sie ihn wecken: „Ihr Kleingläubigen!” - Matthäus 8:23 - 26 Er wirft ihnen keinen Unglauben vor, sondern einen kleinen, nicht ausreichend belastbaren Glauben. Und als die Jünger den Tobsüchtigen nicht zu heilen vermögen, erklärt Jesus ihnen frei heraus: „Wegen eures Unglaubens vermochtet ihr es nicht”, und fügt die Belehrung hinzu: „Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so werdet ihr zu diesem Berge sagen: Werde versetzt von hier dorthin! Und er wird versetzt werden; und nichts wird euch unmöglich sein”. - Matthäus 17:14 - 21

Jesus zeigt den Jüngern hier die absolute Notwendigkeit des Glaubens. Glaube ist nichts anderes als Gottvertrauen. Gottes Macht aber ist unbegrenzt; nichts setzt Seinem Willen Schranken, außer Sein eigener Wille. Wessen Glaube von dem Eindruck gelähmt ist, daß ein Werk Gott zu schwer sei oder vielleicht nicht von Ihm gewollt, der ist ungläubig.

Glaubenshindernisse liegen also in der Beschränktheit unseres Verständnisses von Gott, wie wir es von einer ungläubigen Welt zu übernehmen gewohnt sind. Wir denken nicht Gottes Gedanken, sondern überlieferte. Solche Glaubenshindernisse haften den Jüngern noch lange an. Nicht Gott beschränkt uns das Maß des Glaubens, sondern wir selbst beschränken es. Der Auferstandene weist die Jünger auf ihrem Gang nach Emmaus wegen ihrer Glaubensträgheit zurecht: „O ihr Unverständigen und trägen Herzens, zu glauben an alles, was die Propheten geredet haben!” Lukas 24:25

Auch mit der Liebe verhält es sich wie mit dem Glauben. Sie muß wachsen, sie muß sich entfalten, sie muß über das Menschliche hinaustreiben, bis sie dem göttlichen Prinzip der Selbstlosigkeit gleichgestaltet wird - das heißt in erster Linie „Liebe für andere”. Denn sie ist ja „die Summe des Gesetzes”, diese Liebe Gottes, die alles übersteigt. - siehe Epheser 3:19 Es gibt kein höheres Ziel, als einmal von dieser Liebe erfüllt zu werden.

Wie es einen Kleinglauben gibt, so müssen wir bedenken, daß es auch einen „Großglauben” gibt, der nichts mit dem demutsvollen, starken und tiefen Gottvertrauen zu tun hat, das der Herr bei uns sucht. In ihm sind mehr Übermut und Überheblichkeit, die gar manchen zu Werken der Verwegenheit und des Irrsinns geführt haben. Diese Möglichkeiten liegen nun einmal im Menschen verborgen. Es ist gut, daß Gott auserwählt, „denn er kennt die Geheimnisse des Herzens”. - Jesaja 44:21 Er erwählt, und Er bereitet zum Empfang des Evangeliums und Seiner Berufung zu; Er führt in die Schule der Demut, wie in Psalm 119:65 - 67, 71 und 72 geschrieben steht: „Du hast Gutes getan an deinem Knechte, Jahwe, nach deinem Worte. Gute Einsicht und Erkenntnis lehre mich! Denn ich habe deinen Geboten geglaubt. Bevor ich gedemütigt ward, irrte ich; jetzt aber bewahre ich dein Wort. - Es ist gut für mich, daß ich gedemütigt ward, damit ich deine Satzungen lernte. Besser ist mir das Gesetz deines Mundes, als Tausende von Gold und Silber”.

Die Berufung erfordert anscheinend nicht mehr als ein durchschnittliches Maß menschlicher Fähigkeit. „Nicht viele Weise nach dem Fleische, nicht viele Mächtige, nicht viele Edle, … sondern das Schwache, das Törichte, das Unedle, das, was nicht(s) ist … hat Gott auserwählt”. Das soll aber auch wieder nicht so verstanden werden, als ob für Gottes Berufung niemand töricht und schwach und niedrig genug sein könnte. „Nicht viele Weise, Mächtige, Edle” betont nur, daß diese bei Gott keinen solchen Vorzug haben, wie sie ihn sonst in dieser Welt genießen, und - daß es eben nicht viele sind. Verschlossen ist ihnen der Weg nicht.

Die Auswahl-Prinzipien Gottes sind jedenfalls von den Wahlgepflogenheiten der Menschen sehr verschieden. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit” war der flammende Wahlspruch der französischen Revolution. Ist er zur Ausführung gekommen? Bis zum heutigen Tag hat sich keine noch so idealistische Zielsetzung in dieser Welt verwirklichen lassen. Gottes Liebe und Gottes Gerechtigkeit werden die Welt von Grund auf verändern.

Die Auserwählten sind die Gläubigen. Wird dieser Gedanke nicht zu Aufgeblasenheit und Hochmut führen können? Undenkbar. Vor wem sollte der Gottgläubige sich aufblasen? Vor den Menschen etwa? Weiß er doch, daß er gerade von ihnen nicht ernst genommen wird. Oder - vor Gott? Wie sollte er vor dem sich aufblähen, der ihn begnadigt hat? So unaussprechlich hoch und herrlich die Verheißungen für die Berufenen sind … nein; Hochmut der Begnadigten, das wäre ein äußerer und innerer Widerspruch.

„Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade; … demütiget euch vor dem Herrn, und er wird euch erhöhen”. - Jakobus 4:6 und 10

„Vertraue auf Jahwe mit deinem ganzen Herzen, und stütze dich nicht auf deinen Verstand. Erkenne ihn auf allen deinen Wegen, und er wird gerade machen deine Pfade. Sei nicht weise in deinen Augen”. - Sprüche 3:5 - 7

„Ziehet nun an, als Auserwählte Gottes, als Heilige und Geliebte: herzliches Erbarmen, Güte, Niedriggesinntheit, Milde, Langmut, einander ertragend und euch gegenseitig vergebend, wenn einer Klage hat wider den anderen; wie auch der Christus euch vergeben hat, also auch ihr. Zu diesem allem aber ziehet die Liebe an, welche das Band der Vollkommen heit ist. Und der Friede des Christus regiere in euren Herzen, zu welchem ihr auch berufen seid in einem Leibe; und seid dankbar. Laßt das Wort des Christus reichlich in euch wohnen, in aller Weisheit euch gegenseitig lehrend und ermahnend, mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern, Gott singend in euren Herzen im Geiste der Gnade. Und alles, was immer ihr tut, im Wort oder im Werk, alles tut im Namen des Herrn Jesus, danksagend Gott, dem Vater, durch ihn”. - Kolosser 3:12 - 17



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung