Was Christus unser Fürsprecher uns zurechnet

Wir alle betrachten unseren Herrn als unseren großen Fürsprecher, durch den wir gerechtfertigt sind. Wenn aber die Frage gestellt wird, wodurch genau uns Jesus beim Vater annehmbar macht, dann hören wir die unterschiedlichsten Aussagen. Einige vertreten die Auffassung, daß er uns seine Lebensrechte zurechnet. Andere sagen, daß er uns seine Gerechtigkeit zurechnet. Und schließlich meinen andere, daß er uns das Verdienst seines Opfers zurechnet. Versuchen wir, uns diese Frage einmal genau vor Augen zu führen. Was ist es, das uns zugerechnet wird?

Wir stellen voran, daß uns Christus keine himmlische Natur, kein göttliches Leben und kein Recht auf göttliches Leben zurechnet. Keines dieser Dinge wird zugerechnet. Sie alle werden uns durch den Vater zuteil. Zu diesen Dingen sind wir vom Heiligen Geist gezeugt worden. Nur weil wir Neue Schöpfungen geworden sind, haben wir ein Anrecht auf diese Dinge. Unser Herr Jesus hingegen macht uns als unser großer Fürsprecher zu angenehmen Opfern. Denn nur dann, wenn wir annehmbare Opfer geworden sind, können wir unsere Leiber darreichen. Wenn dies geschehen ist, nimmt sie der Vater an. „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer, welches euer vernünftiger Dienst ist”. (Römer 12:1)

Unser Herr Jesus war der Erste, der diesem Ruf folgte. Er war „heilig, unschuldig, unbefleckt, von Sündern abgesondert“. Es war verdienstvoll, das Leben niederzulegen, welches zu behalten er ein Recht hatte. Wir jedoch, die wir in seinen Fußstapfen nachfolgen wollen, um an der gleichen Berufung, mit Gott in ein Bundesverhältnis über Opfer zu treten, Anteil zu nehmen, sind unvollkommen. Wir haben daher kein solches Recht zum Leben. Und weil wir kein Recht zu einem irdischen Leben besitzen, können wir unser irdisches Leben auch nicht Gott als Opfer darreichen. Wenn wir unseren Zustand erkennen, sehen wir auch, daß wir einzig durch die Gnade Gottes zu Christo gezogen werden. Es wird uns deutlich, daß er Verdienst besitzt und bereit ist, uns von diesem Verdienst zuzurechnen, damit unser Opfer annehmbar wird.

Gott beabsichtigt nicht, unser Opfer beiseite zu setzen und als nichtig zu betrachten. Wir können Gottes Absichten vielmehr so umschreiben: „Du besitzt etwas, aber es ist unvollkommen. Wenn nun Jesus als dein Fürsprecher für dich eintritt, so verfügt er über die Fähigkeit, dein Opfer annehmbar zu machen - weil er die Macht hat, von seinem Verdienst deinem Opfer das Mangelnde zuzurechnen. Wenn deine Gesinnung vollkommen ist und du den vollkommenen Willen besitzt, dann ist dies ein guter Anfang - und bezüglich des Opfers ist es in meinen Augen das Wichtigste. Die ganze Schwierigkeit besteht jedoch in der Tatsache, daß du von deinen ersten Eltern die Unvollkommenheit ererbt hast. Christus wird etwas für dich tun, das mir dein Opfer annehmbar machen wird”.

Was aber wird er für uns tun? Was wird er uns geben? Gäbe er seine Gerechtigkeit fort, würde er aufhören, gerecht zu sein. Er behält seine Gerechtigkeit. Was wird er uns nun geben? Wir antworten, daß er, was die Gerechtigkeit betrifft, bereits etwas gegeben hat. Vor 2.000 Jahren ist er erschienen, um die Forderungen der Gerechtigkeit gegen unser Geschlecht zu erfüllen. Die Forderung der Gerechtigkeit war „ein Leben für ein Leben” - ein Kaufpreis. Er legte sein Leben als entsprechenden Kaufpreis nieder. Er hat jedoch das Verdienst jenes Lebens nicht der Welt zugute kommen lassen. Er verfügt noch darüber. Als er in den Himmel auffuhr, hat er jenes Verdienst nicht auf die Weise für die Kirche verwendet, daß er es von sich gegeben hat. Vielmehr rechnete er all denen, die zum Vater kommen wollten, ein genügendes Maß des Verdienstes seines Opfers zu, um sie vollkommen zu machen.

Wie konnte er dies tun? Er besaß ein ausreichendes Maß an Verdienst, um es, wenn er gewollt hätte, zur Sühnung (Tilgung) der Sünden der ganzen Welt zu verwenden. Dies tat er jedoch nicht. Er hat das Verdienst jener Gerechtigkeit und alle Rechte, die dazu gehören, denen, die während dieses Zeitalters in seinen Fußstapfen folgen möchten, nur geliehen. In dieser Stellung wird er durch die Verwendung eines ausreichenden Maßes von Verdienst ihr Fürsprecher, um all ihre Mängel zu bedecken. Dadurch wird jedes einzelne dieser unvollkommenen Opfer für den Vater annehmbar gemacht. So wird ein jeder einzelne der Kirche befähigt, mit ihm zu leiden - an seinem Kelch teilzunehmen und in seinen Tod getauft zu werden. Wenn der Vater sie mit dem Heiligen Geist zeugt, bedürfen sie des großen Fürsprechers, der ihnen als ihr Fürsprecher zur Seite steht - und er steht zu jeder Zeit der Not bereit. Wie der Apostel sagt: „Und ob jemand sündigt, wir haben einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christum, den Gerechten”. (1. Johannes 2:1)

Die Gerechtigkeit unseres Herrn als ein Mensch und das Recht zu menschlichem Leben in den Händen der Gerechtigkeit

Was gab er nun? Als er sich selbst opferte, war er ein gerechter Mensch. So gab er diese Gerechtigkeit, und infolgedessen jenes Recht auf menschliches Leben, welches er besaß, als er sich weihte und es niederlegte. Dieses Leben befindet sich in den Händen der Gerechtigkeit. Hierin sind Lebensrechte für die ganze Welt eingeschlossen, und die Grundlage bildete sein eigenes Recht als Mensch. Aber er gibt diese Dinge nicht von sich, um sie uns zu geben, sondern rechnet uns nur deren Vorteile zu.

Wir möchten dies durch ein Beispiel verdeutlichen: Stellen wir uns vor, wir hätten 1.000 Euro auf der Bank. Stellen wir uns vor, wir beauftragen den Bankangestellten: „Ich möchte diese Summe als Deckung für Wechsel verwenden, die ich ausstellen und in Umlauf bringen möchte”. Dann stellen wir Dir - lieber Leser - einen Wechsel aus, den Du bei Bedarf verwenden kannst. Hierbei sind unsere 1.000 Euro bei der Bank nur eine Sicherheit - eine Garantie, daß, wenn Du ihn verwenden mußt, er gedeckt ist. Wir rechnen das Verdienst oder den Wert dieser 1.000 Euro auf den Wechsel, den wir für Dich ausgestellt haben, an.

Auf eine vergleichbare Weise rechnet uns Christus sein Verdienst zu. Unser großer Himmlischer Vater nimmt dies zur Kenntnis und handelt entsprechend. Er nimmt das Opfer an, der Betreffende wird vom Heiligen Geist gezeugt und wird, was sein Fleisch betrifft, als tot gerechnet. Dies bedeutet, daß das Verdienst Jesu einer solchen Person fortwährend und so lange zugute kommt, bis sie entweder aus dem Geiste geboren oder in den Zweiten Tod gegangen ist.

Und so muß jeder sterben - auf die eine oder andere Weise - damit jegliches Verdienst, das für ihn verwendet wurde, wieder frei wird, um auf andere Weise für die Welt verwendet zu werden. Dann wird es der Welt unter den Bedingungen des Neuen Bundes jene Rechte geben, welche Jesus auf Golgatha geopfert hat.

Wir selbst besitzen kein ausreichendes Verdienst, das vom Vater als Opfer angenommen werden könnte. Wir möchten dies verdeutlichen: Wer in einem Punkte der Übertretung des Gesetzes schuldig ist, ist ganz oder zu 100 Prozent schuldig. Wer also in 99 Punkten gehorsam ist, verfehlt genauso, ein annehmbares Opfer darzubringen, wie der, der nur zu 50 Prozent gehorsam ist.

Genau in dieser Lage befindet sich das Menschengeschlecht. Die Gerechtigkeit kann nicht weniger als ein vollkommenes Opfer annehmen. Keiner erreicht jetzt das Ziel der Vollkommenheit. Jeder kann nur einen Teil davon erreichen - einer vielleicht 25 Prozent, ein anderer 75 Prozent. Was muß geschehen, um uns dennoch annehmbar zu machen? Wer auf seinem Weg nur 25 Prozent der Vollkommenheit erreicht hat, bedarf weiterer 75 Prozent zur Erreichung des Zieles. Derjenige aber, der 75 Prozent an Vollkommenheit erreicht hat, bedarf den Fürsprecher und die Zurechnung des Verdienstes Christi genau so wie derjenige, der nur 25 Prozent erreicht - nur eben in einem geringeren Maße. Der Herr hat die volle Summe in die Hände des Vaters gelegt und für alle diejenigen zugänglich gemacht, die ihren Mangel erkennen. Es ist für den einen, der 25 Prozent des vollkommenen Charakters besitzt, ebenso frei, wie für den anderen mit 75 Prozent.

Das Opfer der Kirche wird nicht dargebracht, um die Welt zu befreien, sondern um sich selbst in einen Opferzustand zu versetzen. In Gottes Vorkehrung ist unser Opfer für die Welt nicht notwendig. Das Opfer Christi ist alles, was zur Befriedigung der Gerechtigkeit für die Sünden der Welt notwendig ist.

Diese ganze Vorkehrung ist nur für uns allein, damit wir dadurch Gelegenheit haben, zur „hohen Berufung” zu gelangen. Wir selbst sind nichts - alles liegt in den Händen des Vaters. Wir tragen nichts dazu bei. Unser Opfer geschieht, damit wir mit dem Herrn leiden und dadurch mit ihm herrschen. (Philipper 1:29)

Es stellt sich die Frage, ob die Kirche in irgend einer Weise, sei es einzeln oder zusammen, das Himmlische Erbteil erkauft.

Wie die geistige Natur erlangt wird

Die Ehre, Herrlichkeit und Unsterblichkeit, die der Herr für die Kirche vorgesehen hat, werden ihr nicht umsonst gegeben. Jesus hat für die Kirche niemals die Göttliche Natur oder irgend etwas Geistiges erkauft. Was er erkaufte, waren die menschlichen Rechte und die menschliche Natur. Diese erhalten wir frei durch die Zurechnung seines Verdienstes. Wir dürfen sie verwenden und das kaufen, womit wir die geistige Natur erlangen können. Dies ist die „hohe Berufung” des Vaters. Er läd uns ein, den Tausch vorzunehmen und unser Alles hinzugeben.

Bei unserem Herrn sieht dies etwas anders aus. Er empfing die geistige Natur zur Belohnung. Außerdem hatte er ein gewisses Verdienst zu seiner Verfügung, das er anderen schenken konnte. Wir weihen uns und sind dem Vater durch die Zurechnung des Verdienstes Christi angenehm. Es deckt unsere Unvollkommenheiten zu, damit wir mit unserem Herrn in seinem großen Werk der Aufrichtung der Menschheit und auch in Herrlichkeit seines Königreiches als Glieder seines Leibes, Glieder des königliches Priestertums, einen Anteil haben können.

Wir haben zuvor über 25, 50 und 75 Prozent des vollkommenen Charakters geschrieben. Damit möchten wir nicht zum Ausdruck bringen, daß Prinzipien oder gute Charaktereigenschaften geopfert werden sollten. Wir möchten die Verwendung des Begriffes „Charakter“ im Sinne des Vorhandenseins richtiger Charaktereigenschaften eines aufrichtigen menschlichen Charakters verstanden wissen. Wenn wir uns mit dem Gedanken beschäftigen, daß wir 75 Prozent der guten Charaktereigenschaften besitzen und 25 fehlerhafte (und für die gesamte Menschheit gilt eine solche, persönlich unterschiedliche Aufteilung), dann werden wir unsere Hilflosigkeit und Bedürftigkeit erkennen. Der Herr rechnet nun das Notwendige hinzu, wodurch unser Mangel ausgeglichen wird. Dadurch wird alles, was wir haben, vollkommenes menschliches Wesen darstellen - nicht mehr und nicht weniger. Gerade war es noch ein unvollkommenes menschliches Wesen - aber die Zurechnung des Verdienstes Christi machte daraus eine vollkommene Person, Mann oder Frau. Die göttlichen Bedingungen, durch die ewiges Leben erlangt werden können, sind das Halten des Gesetzes. Das bedeutet, daß, wer das Gesetz vollkommen halten würde, ewiges Leben hätte beanspruchen können. - „Der Mensch, der diese Dinge tut, wird dadurch leben”. (Römer 10:5) Gott hatte dieses Gesetz der jüdischen Nation gegeben, deren vorbildliche Opfer die wahren Sündopfer vorschatten.

Aufgrund der Erbsünde gab es nur eine Gelegenheit, sich als Glied jenes Geschlechtes zum Opfer darzureichen. Keiner war völlig gesunken - alle besaßen einige guten Charaktereigenschaften und waren im Besitz von zumindest kleinen Anteilen von Verdienst, wenn auch nicht im ausreichenden Maß, um unter dem Gesetz das Leben zu beanspruchen. Denen, die bereit waren und aufrichtige Herzen hatten, rechnete Christus etwas von seinem Verdienst zu. Der ausdrückliche Zweck bestand darin, Opfer sein zu können. Gott hat mit solchen, deren Herzen sich gegen Ihn auflehnen, jetzt kein besonderes Vorhaben. Christus ist nicht für sie erschienen und hat auch nicht beabsichtigt, dies zu tun. Er wollte nur für solche der Fürsprecher sein, die sich bereits mit dem Ziel, mit Gott in Harmonie zu sein, von der Sünde abgewandt haben. Nur für einen Menschen, dessen Wille völlig Gott ergeben ist, kommt die „hohe Berufung” in Betracht.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung