„Dies ist das Blut des Bundes …”

Matthäus 26:28, Markus 14:24

Immer wieder bestehen gewisse Unklarheiten - bleiben Fragen offen bei jenen Worten, die unser Herr bei der Einsetzung des Gedächtnisses an sein Loskaufopfer sprach. Und ohne den Zusammenhang der drei großen Bündnisse zu kennen, könnten sie tatsächlich leicht mißverstanden werden.

Die Worte unseres Herrn: „Dieses ist das Blut des Bundes, welches für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden”, sind gerade im Hinblick auf das Erforschen des Neuen Bundes ganz besonders zu beachten. Wir zitieren den gleichen Text, wie er bei Lukas zu lesen ist: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blute, der für euch vergossen wird”. - Lukas 22:20

Wer nicht deutlich erkennt, daß im gegenwärtigen Zeitalter zuerst der geistige Same Abrahams, der „Leib Christi”, als Neue Schöpfung Gottes aus der Menschheit herausgerufen und gebildet wird, kann nicht verstehen, was der „Kelch” und was das „Blut” des Herrn versinnbildlichen.

Nachdem unser Herr bei jenem letzten Mahle von der Frucht des Weinstocks getrunken hatte, reichte er den Kelch seinen Jüngern und sprach: „Dies ist mein Blut, das des (Neuen) Bundes, das für viele (das heißt für euch) vergossen wird zur Vergebung der Sünden; trinket alle daraus!” Diese Worte sind - für sich gelesen - etwas verwirrend, doch Matthäus und Markus lassen deutlich erkennen, daß alle Jünger Jesu (die späteren Apostel), die mit ihm beim Mahle saßen, aus diesem Kelch tranken.

Trinket alle daraus! Der Herr trank nicht nur selbst zuerst aus jenem symbolischen Kelch, ehe er ihn an seine Jünger weiterreichte; er trank auch den wahrhaftigen Kelch zuerst, bevor er - seit Pfingsten - alle seine Fußstapfen-Nachfolger an dem wahrhaftigen Kelch teilhaben ließ. Es ist der Kelch der Leiden Christi: der Schmach, der Trübsal, der Verhöhnung, der Selbstverleugnung zugunsten anderer, von dem alle „Glieder” seines „Leibes” trinken müssen, auf daß sie mit ihrem „Haupt” eins werden in allem.

Warum - wenn Jesus Christus für alle den Tod schmeckte (Hebräer 2:9), wenn er sein Leben als Lösegeld für alle gab (1. Timotheus 2:6) - ist dieses Blut des Kelches nur für „viele”, oder (wie es bei Lukas heißt) für „euch” vergossen worden? Paulus erklärt in seinen Briefen, daß nur der Glaubende einen Gewinn von Jesu Opfer haben kann, weil er das bezahlte Lösegeld durch Glauben im Glauben annimmt. Er weiß, daß er freigekauft ist vom Verdammungsurteil; er weiß, daß Christi Gerechtigkeit seine eigene Ungerechtigkeit bedeckt, und er weiß, daß er nun kein Feind Gottes mehr ist durch die ererbte Sünde. Er weiß aber auch (und das mit überströmender Dankbarkeit), daß er nun mit Gott versöhnt, als Sohn des Himmlischen Vaters in die göttliche Familie aufgenommen wird, wenn er zu einem Glied am Leibe Christi heranwächst und als solches vollendet wird.

Wie aber kann er ein Glied des Leibes Christi werden? Indem er auf alle irdischen Lebensrechte verzichtet, die ihm aufgrund göttlichen Rechtes zustehen. Jeder Gerechte, jeder Mensch ohne Fehl und Tadel hat von Gott ein Recht auf Leben. Dafür ist er ja erschaffen worden. Und nun hat Christi Blut seine Sünde bedeckt, und Gottes Angesicht sieht den Glaubenden als vollkommen gemacht durch das Opfer Seines geliebten Sohnes.

Dem Gläubigen, der jetzt auf die ihm zustehenden irdischen Lebensrechte verzichtet - wie auch Jesus dies tat - schenkt Gott die „überschwengliche” Gnade unter der Obhut und Führung Seines Heiligen Geistes, zu einem Teil des geistigen Samens Abrahams zu werden.

Während dieses Heranwachsens muß der Glaubende von dem Kelch des Herrn trinken, damit dieses „Blut” gleichsam durch ihn hindurchfließe. Blut ist der Lebenssaft des menschlichen Körpers; Jesu Blut des Kelches ist der geistige Lebenssaft des geistigen Leibes Christi. Der Herr hat von dem Inhalt seines Leidenskelches übrig gelassen für seinen „Leib”. So ist auch das Wort des Apostels zu verstehen, als er sagte: „Jetzt freue ich mich in den Leiden für euch und ergänze in meinem Fleische, was noch rückständig ist von den Drangsalen des Christus für seinen Leib, das ist die Versammlung (Herauswahl)”. - Kolosser 1:24

Jetzt ist deutlich zu erkennen, was die „Gemeinschaft des Blutes” bedeutet, von der in 1. Korinther 10:16 die Rede ist: „Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus?” Jesus sprach: „Trinket alle daraus!” - „Denn ein Leib sind wir, die Vielen …”. Darum sagte Jesus: „… das für euch vergossen wird”.

Auf diese Weise fließt das lebengebende Blut Jesu Christi zuerst durch seinen ganzen „Leib” hindurch, bis es - Leben spendend - auf die Menschheit wirken kann: Zuerst für Israel, danach für alle übrigen Menschen.

Warum aber nennt Jesus den Kelch „Blut des Neuen Bundes”, oder: „dies ist der Neue Bund in meinem Blute”?

Jesu Opfer hat den Neuen Bund versiegelt, garantiert; es hat den Neuen Bund als festbeschlossenes Vorhaben Gottes ermöglicht. Zunächst war die Errettung der Welt durch unseren Herrn erwirkt worden - und nur durch ihn allein! Auf dieser Tatsache konnte seither das Endziel (die Wiederherstellung der Menschheit zum Leben unter dem Neuen Bund) aufgebaut werden: Zuerst das Werkzeug zur Wiederherstellung, der Mittler. Von diesem wiederum zuerst das Haupt; danach der Leib (wie bei einer natürlichen Geburt). Die Glieder des Leibes werden zu Dienern des Neuen Bundes erzogen bzw. herangebildet. (2. Korinther 3:6) Ein Diener „dient” einer Sache; er reicht etwas dar; er ist nicht in jedem Falle der Empfangende. Im Sinne des Neuen Bundes ist es die vom Tode freigekaufte Menschheit, die Leben empfängt. Sie erhält diesen Segen von dem verheißenen Samen, Christus - Haupt und Leib, durch den Neuen Bund.

Wenn Jesus sagt: „Dieses ist das Blut des Neuen Bundes, das für euch vergossen wird”, so kann dies niemals heißen, daß Jesus den Neuen Bund mit seinem Opfer bereits aufgerichtet und für die Kirche eingesetzt hat. Der Neue Bund gehört Israel - und niemand anderem. Die Menschheit kann sich diesem Neuen Bund anschließen, und mit Israel zu einem Israel, Gottes Volk, verschmelzen. Nie hat die Kirche unter einem anderen Bund gestanden, als unter dem Abrahamischen Verheißungs- und Gnadenbund.

Um es nochmals zusammenzufassen: Das Blut Christi, das dem Gläubigen dieses Zeitalters in dem Kelch dargereicht wird (im kommenden Zeitalter wird es keinen Kelch der Leiden Christi mehr geben), garantiert die Ermöglichung des Neuen Bundes. Dieses Blut mußte zuerst „für euch”, die „Kirche”, die „Braut”, den „Leib” in Anwendung gebracht werden, damit sie aus Glauben an das Blut gerechtfertigt werden konnte, um den schmalen Weg der künftigen Miterben und Mitarbeiter Christi überhaupt betreten zu können.

Der Ausdruck „Blut des Neuen Bundes” ist folglich nur auf die Kirche Christi anwendbar - er darf nicht mit dem Blut Christi verwechselt werden, das als „Lösegeld für alle” Menschen vergossen wurde. Wohl ist es dasselbe Blut, dasselbe Opfer, doch seine lebenspendende Kraft wirkt sich auf verschiedenen Ebenen aus.

So war denn das, was unser Herr in Verbindung mit dem verheißenen Neuen Bund auf sich nahm, sozusagen eine Bürgschaft für die Gewißheit der späteren Erfüllung.

„Denn wo ein Testament *) ist, da muß notwendig der Tod dessen eintreten, der das Testament gemacht hat. Denn ein Testament ist gültig, wenn der Tod eingetreten ist, weil es niemals Kraft hat, solange der lebt, der das Testament gemacht hat”, erklärt der Schreiber des Hebräerbriefes. (Hebräer 9:16 und 17) Das ist auch der Grund dafür, daß der Neue Bund, der zu Jeremias Zeit verheißen und durch den Tod unseres Herrn garantiert wurde, noch nicht in Kraft ist. Die verheißenen Merkmale des lebengebenden Segens für Israel (und die Welt) sind noch nicht in Erscheinung getreten, weil der Tod des Testators noch nicht vollendet ist. Denn der Testator, durch den Israel den großen Segen erhalten wird, ist - auch in diesem Falle - nicht unser Herr Jesus allein, sondern der (ganze) Christus, Haupt und Leib.

*) Für „Testament” und „Bund” wird im Griechischen dasselbe Wort gebraucht.

Wie wunderbar stimmen damit die Worte des Apostels überein, wenn er in Römer 11:30 und 31 sagt: „Denn gleichwie ihr (die Gläubigen des Evangeliumszeitalters) einst Gott nicht geglaubt habt, jetzt aber unter die Begnadigung gekommen seid durch den Unglauben dieser (der Juden), also haben auch jetzt diese an eure Begnadigung nicht geglaubt, auf daß auch sie (einst) unter die Begnadigung kommen”.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung