Gottes Erwählen

Wir lesen zu Beginn unserer Betrachtung im 5. Buch Mose 7:7 - 8: „Nicht hat euch der Herr angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker - denn du bist das geringste unter allen Völkern - sondern weil Er euch geliebt hat und damit er Seinen Eid hielte, den Er euren Vätern geschworen hat”.

Der Herr erwählt für Seine Pläne und Ziele das Schlechte und Geringe. Der Erwählte ist beim Herrn nicht der qualitativ Bessere. Der Herr entscheidet sich nicht für die Top-Manager, wie die Welt es tut. Wer könnte uns dies zunächst besser vor Augen führen, als Israel und seine Geschichte. Es ist nicht deshalb das erwählte Volk, weil es besondere Vorzüge aufzuweisen hätte, sondern weil Gottes Liebe es so wollte.

Was die Eignung Israels anbelangt, ist Moses in seinem Urteil auch nicht gerade zimperlich. Er sagt dem Volk in aller Klarheit und Offenheit: „Du kommst nicht herein, ihr (der Heiden) Land einzunehmen, um deiner Gerechtigkeit und deines aufrichtigen Herzens willen, sondern der Herr, dein Gott, vertreibt diese (Ur)-Völker um ihres Treibens willen, damit Er das Wort halte, das er geschworen hat deinen Vätern Abraham, Isaak und Jakob. O wisse nun, daß der Herr, dein Gott, dir nicht um deiner Gerechtigkeit willen dies gute Land zum Besitz gibt, da du noch ein halsstarriges Volk bist”. - 5. Mose 9: 5 und 6

Sollte je bei jemandem von uns der menschlich naheliegende Gedanke aufkommen, Gottes Erwählen sei eine ungerechte Bevorzugung, so wird dies durch das Wort Gottes vollständig widerlegt. Es ist nicht der Mensch, der die Erwählung veranlaßt oder durch irgendwelche positiven Gründe auslöst, sondern der Herr allein ist und bleibt der Erwählende. Und Er bleibt in Seiner Überlegenheit unantastbar …

„ … denn wie der Himmel höher ist als die Erde, so sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken … ” läßt uns der Herr durch Jesaja 55:9 wissen.

Auch dürfen wir beim Erwählen Gottes nicht Sein Ziel und Seine Absicht dabei übersehen. Gewiß ist Sein Erwählen ein Herausrufen aus der Masse, ein Herauslösen und Absondern, ein Auftrag in einer Sonderstellung. Aber diese Sonderstellung bringt dem Erwählten Verantwortung. Weil der Herr immer das Kollektiv im Blickfeld hat, beauftragt Er Seine Erwählten zum Dienst. Diese Erwählung bedeutet, eine von Gott zugewiesene Aufgabe erfüllen zu müssen. Somit ist die Erwählung Würde und Bürde zugleich.

Abraham ist hierfür ein passendes Beispiel. Er wird von Gott aus einer heidnischen Umgebung herausgerufen, die in Mond- und Sonnenkult verstrickt war. Abraham gehorcht und wird von Gott gesegnet. 1. Mose 12:1 - 3 mag ein Grundmuster für Gottes Erwählung sein. Wir lesen: „Und der Herr sprach zum Abram: Gehe aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Haus in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen die dich segnen und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde”.

Was aussieht, als würde sich Gott auf einen einzelnen beschränken, bekommt sofort die Zielsetzung für das umfassende Ganze. Bei der Erwählung Israels ist dies nicht anders. Moses muß dem Volk im Auftrag des Herrn verkündigen: „Ihr habt gesehen, was ich mit den Ägyptern getan habe und wie ich euch getragen habe auf Adlerflügeln und euch zu mir gebracht. Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern, denn die ganze Erde ist mein und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein.” - 2. Mose 19:4 - 6

Hier wird deutlich, daß Israels Erwählung mit der Priesteraufgabe verknüpft ist. Dies bedeutet zweifellos Dienst für die anderen. Es fällt auch ein qualitativer Unterschied zur Erwählung Abrams auf: Während es dort immer wieder heißt „ich will”, wird hier das „wenn du” herausgehoben. Bei Abram steht das bedingungslose Handeln Gottes im Vordergrund, das göttliche „ich will”; bei Israel liegt die Betonung auf der Verpflichtung zum Gehorsam. In beiden Fällen handelt es sich jedoch um eine Erwählung zum Dienst.

Wer sich mit Israel beschäftigt, rückt irgendwie in die Nähe Gottes - bewußt oder unbewußt. Denn Gott steht Israel von allen Völkern der Erde weitaus am nächsten. Israel ist Gottes Volk. Er hat es sich aus allen Völkern der Erde erwählt. Die Bibel zeigt es an vielen Stellen, zum Beispiel in Amos 3:2. Ist Israel besser als alle anderen Völker? Hat es weniger gesündigt als sie? Hat es die Jahrtausende hindurch treu zu seinem Gott gestanden und Ihm in vorbildlicher Weise gedient? Durchaus nicht! Im Gegenteil: Schlimmer als die Nationen haben sie manchmal gesündigt in ihren Abfall- und Unglaubenszeiten, sagt die Schrift deutlich (Hesekiel 16:47 - 52).

Von vornherein sollte hier jedes Mißverständnis ausgeräumt werden. Auserwählt bedeutet nicht „besser als die anderen”, sondern es bedeutet: von Gott zu einer gewissen Aufgabe bestimmt. Wir wollen hier in der deutlichen Alltagssprache reden. „Tacheles” ist heute ein modernes Wort dafür: Sonne, Mond und Sterne, Himmel und Erde, alles gehört Gott. Sie sind Sein Eigentum. Er kann mit ihnen machen, was Er für gut hält. Die Sonne hat ihre Aufgabe, der Mond hat seine Aufgabe, die Sterne ebenso.

Eine ganz besondere Aufgabe jedoch scheint die Erde zu haben. Sie ist einmalig in ihrer Art, ein außergewöhnliches Gestirn. Sie ist die Trägerin der Fülle des Lebens! Die Erde ist von einmaliger Beschaffenheit, denn von den vielen Planeten, welche von der modernen Astronomie und Wissenschaft bislang entdeckt wurden, fand sich noch kein einziger, welcher ihr auch nur ähnlich wäre. Auf dieser Erde gab und gibt es viele Völker. Jedes Volk mag seine Aufgabe in der Weltgeschichte haben.

Ein Volk jedoch ist ein einmaliges Volk, ein herausragendes Volk, ein auserwähltes Volk - Israel. Es übertrifft alle Völker der Erde an Bedeutung (vergleiche Jesaja 19:24; Römer 15:10 und andere). Die Juden sind des Herrn Demonstrationsvolk. Er hat in und durch Israel stets Großes gewirkt. Deshalb ist Israels Geschichte so mannigfaltig und wechselvoll, weltbewegend und - geheimnisvoll! Deshalb geht die Vergangenheit, die Gegenwart und Zukunft Israels alle Völker - ja, jeden einzelnen Menschen an. Wie die Erde „auserwählt” ist unter den vielen Gestirnen, so ist Israel auserwählt unter den vielen Völkern.

Israel - Gottes Augapfel. Halten wir uns die Tiefe dieser bildlichen Ausdrucksweise vor Augen. Das Auge ist das empfindlichste Organ des menschlichen Körpers - und das behütetste. Nur ein Splitterchen braucht ins Auge zu geraten und gleich erhebt sich der Arm, um es wieder zu entfernen. Betrachten wir den Lauf der Weltgeschichte, wird uns klar und deutlich gezeigt, daß Israel Gottes Augapfel ist. Was ist aus den Städten und Völkern geworden, die nicht nach Israels Daseinszweck und Bestimmung fragten, sondern gegen dieses Volk blindwütig zu Felde zogen? Über Ninive kam ein Vernichtungsgericht. Babylon wurde zur ewigen Wüste. Ägypten sank zur Bedeutungslosigkeit herab und - ist es nicht erschütternd? - Hitler mußte selbst veranlassen, daß er in dem Feuer verbrennen mußte, welches er dem Volk Israel zugedacht hatte, indem er einen seiner hohen Offiziere damit beauftragte, seine Leiche zu verbrennen, wenn er seinen Selbstmord vollzogen hatte.

Das sind nur wenige Beispiele von vielen. Auch heute, in der Endzeit, hat dieses göttliche Schicksalsgesetz seine volle Gültigkeit. Oft sah es im Verlauf der Geschichte so aus, als sei das Ende Israels gekommen. Es wäre auch gekommen, wenn Israel nicht einen besonderen Hüter hätte (Psalm 121:4), der Israel wohl oft hat sinken, jedoch nie umkommen lassen.

Jesus, der Sohn Gottes und Heiland der ganzen Welt, wurde als Jude im jüdischen Land geboren. Er ist und bleibt der König der Juden - Matthäus 27:37. Treffend sagte einmal jemand: „Je weniger die Juden (jetzt noch) von Jesus wissen wollen, um so mehr will er von ihnen wissen”. Er wird Israel bekehren und das gottlose Wesen von ihnen abwenden, lesen wir in Römer 11:26. Er ist Israels Messias.

Wie bedeutsam ist doch das Kapitel 11 des Römerbriefes. In ihm zeigt Paulus - ganz in Übereinstimmung mit dem Zeugnis aller alttestamentlichen Propheten - daß Gott Sein Volk Israel nicht verworfen hat, sondern es nach schweren Läuterungsgerichten seiner ewigen, überragenden Bestimmung als Priestervolk für die Welt (2. Mose 19:6) zuführen wird. Wir alle kennen doch die bekannte, treffende und von tiefer Bibelkenntnis zeugende Antwort, die Friedrich der Große bekam, als er aus seinem Zweifel heraus den Grafen C. F. Reventlow fragte: „Kann er mir einen einzigen, unwiderlegbaren Gottesbeweis nennen?” Das ist eine typische Frage aus der Zeit der Aufklärung, der sich Friedrich der Große verpflichtet sah. Auch hatte er sich vom Spötter Voltaire beeinflussen lassen. Er bekam spontan die Antwort: „Jawohl Majestät, die Juden”.

Mit der Judenfrage wird die Gottesfrage beantwortet. Gott hat sich mit diesem Volk eingelassen und sich an es gebunden und ebenso Israel an Ihn. Darum ist die Geschichte Israels auch ein Stück Gottesgeschichte. Gott als der ewig Seiende plant langfristig und für die Ewigkeit. Er hat in der Bibel, in Seinem Wort, Seinen Plan dargelegt. Es liegt an uns, daß wir diesen erforschen und kennenlernen.

Dieser Gedanke entstand aufgrund der Erwählungsmethode Gottes. Weil Er einzelne immer für das Ganze erwählt, erkennen wir Ihn darin als einen zielgerichteten Planer für die Ewigkeit. Ist die treffende Erkenntnis eines Paulus, daß Gott das Geringe erwählt, nicht höchst staunenswert? Aus dem Alten Testament hat er diese Art des Erwählens Gottes herausgelesen und erkannt. Er schreibt an seine Lieben in Korinth, die wohl mit hochfliegenden Gedanken zu kämpfen hatten: „Seht doch, liebe Brüder, auf eure Berufung. Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene, sind berufen, sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; und das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das was nichts ist, damit Er zunichtemache, was etwas ist, damit sich kein Mensch vor Gott rühme”. - 1. Korinther 1:26 - 29

Es gibt keinen Zweifel, daß Paulus diese Erkenntnis aus der Geschichte Israels gewonnen hat. Gott erwählt:

Betrachten wir erneut Abrahams Geschichte. Das lange Warten auf den verheißenen Sohn führte bei ihm zu einer Kurzschlußhandlung, die damals keineswegs moralisch verwerflich war. Er zeugte mit der Magd seiner Frau den Sohn Ismael. Abraham griff also zur Selbsthilfe - vielleicht in der Meinung, Gott nachhelfen zu müssen. Nun war Ismael für Abraham der Erstgeborene. Doch was sagt der Herr: „Nur was von Isaak stammt, soll dein Geschlecht genannt werden”. - Römer 9:7

Der Jüngere ist von Gott als Verheißungsträger ausersehen - 1. Mose 17:18. Später befielt der Herr eine deutliche Trennungslinie. Abraham muß den Sohn der Magd fortschicken. Gott gibt ihm durch Sarah die eindeutige Weisung: „Treibe diese Magd aus mit ihrem Sohn, denn der Sohn dieser Magd soll nicht erben mit meinem Sohn Isaak!” Jemand mag dieses Vorgehen des Herrn als ungerecht empfinden. Abraham selbst „mißfiel dieses Wort sehr um seines Sohnes willen”. - 1. Mose 21:10 und 11

Der Herr bleibt aber bei Seiner Methode: Der Jüngere vor dem Älteren. Es geht Ihm gewiß auch darum, jede Art von menschlicher Nachhilfe zur Verwirklichung Seiner Pläne auszuschalten. Wie weitreichend diese damalige göttliche Anordnung ist, können wir an dem noch immer währenden Bruderstreit ablesen: Die Söhne Ismaels, die Muslime, und die Söhne Isaaks, die Juden, stehen sich bis heute ohne Einvernehmen gegenüber.

Der Ursprung des ganzen Nahost-Konfliktes liegt in dieser Geschichte. Aber die Aussöhnung wird kommen und liegt heute näher denn je.

Ein weiteres Beispiel sind Jakob und Esau. Paulus greift es in Römer 9:11 - 13 auf, um damit das souveräne Erwählen des Herrn hervorzuheben: „Ehe die Kinder geboren waren und weder Gutes noch Böses getan hatten, da wurde, damit der Ratschluß Gottes bestehen bliebe und Seine freie Wahl - nicht aus Verdienst der Werke, sondern durch Gnade des Berufenen - , zu ihr gesagt: der Ältere soll dienstbar werden dem Jüngeren, wie geschrieben steht: Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehaßt”.

Hier befinden sich gleich zwei Aussagen, gegen die vielleicht jemand aufbegehren möchte. Es könnte für den einen oder anderen befremdend wirken, daß der Herr Esau angeblich gehaßt hat. Ist das überhaupt möglich? Beim Erforschen dieses Wortes erfahren wir, daß Hassen niemals in unserem gefühlsbetonten Sinne zu verstehen ist, sondern es ein Zurücksetzen auf den zweiten Platz bedeutet. In demselben Sinn verstehen wir auch das Wort Jesu: „Wenn jemand zu mir kommt und haßt nicht seinen Vater, Mutter … der kann nicht mein Jünger sein”. - Lukas 14:16

Auch bei diesem „Hassen” geht es um nichts anderes als um das Zurücksetzen auf den zweiten Platz. Es ist niemals das Gegenteil von „Lieben”. So hat Gott Esau auf den zweiten Platz gesetzt, hinter Jakob, obwohl Esau der ältere war.

Das andere, das man als fragwürdig empfinden könnte, betrifft die Erwählung im Mutterleib. Vor der Geburt der Betroffenen hat der Herr bereits Seine Entscheidung getroffen. Ist dies nicht eine Festlegung, gegen die sich der Mensch überhaupt nicht wehren kann, möchte jemand fragen? Muß die Folge davon nicht ein blanker Fatalismus sein?

Derartige Gedankengänge dürfen wir ablehnen. Hier wird wieder das überlegene und freie Handeln Gottes deutlich, der ohne jede menschliche Einflußnahme plant und erwählt. Kein Mensch wird vom Herrn zur Marionette herabgesetzt. Vielmehr ist der freie Wille jedes einzelnen Menschen von größter Wichtigkeit. Gott tastet diesen freien Willen nicht an. Er erwählt den Einen und setzt den Anderen auf den zweiten Platz, ohne daß hier auch nur die geringste Ungerechtigkeit mit im Spiel wäre. Esau ist als Nichterwählter deshalb kein Verworfener.

Wir fahren mit weiteren Beispielen fort. Nicht Aaron, der ältere, sondern Moses wird zum Werkzeug Gottes berufen, das geknechtete Gottesvolk aus Ägypten herauszuführen. Als später der Wunsch nach einem König an den damals amtierenden Propheten Samuel herangetragen wurde, wird zunächst Saul, der „eines Hauptes länger als alles Volk war”, (1. Samuel 9:2) von Gott dazu bestimmt, weil Saul zunächst die richtige Herzenshaltung hatte, indem er sich selbst richtigerweise als klein in seinen eigenen Augen sah.

Dann jedoch, in seiner Königswürde, stieg ihm die Macht zu Kopf. Die Folge war der Ungehorsam, so daß ihn der Herr wieder verwarf und er durch schmählichen Selbstmord sein vorzeitiges Ende fand. - 1. Samuel 15:23 Es ist wie eine verschlüsselte Botschaft des Herrn an Sein Volk: Ihr werdet mit euren Königen kein Glück haben. Schon der erste König war prompt ein Reinfall.

Das Wort Gottes betreibt keine menschliche Heldenverehrung und auch keine Menschenverwerfung. Es ist das Buch von der unbegreiflichen Barmherzigkeit Gottes. Aus diesem Grund erwählt Gott den zweiten König und bestimmt ihn mit seinem Haus zum Verheißungsträger.

Aus dem Hause Davids wird Davids Sohn kommen, der auf ewig der König Israels sein wird. - 2. Samuel 7:12 und 13

Was lassen die zwei Worte „auf ewig” erkennen? Sie zeigen, daß es sich hier eindeutig um einen Hinweis auf den handelt, welcher der wahre König Israels und der Welt sein wird, Jesus Christus, den Messias.

Die spannende Begebenheit über Davids Erwählung ist in 1. Samuel 16:1 - 13 dargelegt.

„Da sagte der HERR zu Samuel: »Wie lange willst du noch um Saul trauern, da ich ihn doch für unwürdig erachtet habe, noch länger König über Israel zu sein? Fülle dein Horn mit Öl und mache dich auf den Weg: ich will dich nach Bethlehem zu Isai senden; denn unter seinen Söhnen habe ich mir einen König ersehen.« Samuel antwortete: »Wie kann ich hingehen? Wenn Saul davon hört, bringt er mich um!« Da antwortete der HERR: »Nimm eine junge Kuh mit dir und sage: ›Ich bin hergekommen, um dem HERRN ein Opfer zu bringen‹. Wenn du dann Isai zum Opfermahl eingeladen hast, werde ich selbst dir kundtun, was du zu tun hast; denn du sollst mir den salben, den ich dir bezeichnen werde.« Samuel tat hierauf, was der HERR ihm geboten hatte, und begab sich nach Bethlehem. Da gingen ihm die Ältesten des Ortes ängstlich entgegen und fragten ihn: »Bedeutet dein Kommen etwas Gutes?« Er antwortete: »Ja, Gutes! Ich bin gekommen, um dem HERRN ein Opfer zu bringen; heiligt euch also und kommt mit mir zum Opfermahl.« Hierauf ließ er auch Isai und seine Söhne sich heiligen und lud sie zum Opfermahl ein. Als sie sich nun einfanden und er Eliab sah, dachte er: »Sicherlich (steht hier) vor dem HERRN der, den er zu seinem Gesalbten machen will.« Aber der HERR sagte zu Samuel: »Sieh nicht auf seine äußere Gestalt und seinen hohen Wuchs! Denn diesen habe ich nicht erkoren. Gott sieht ja nicht das an, worauf Menschen sehen; denn die Menschen sehen nach den Augen (oder: in die Augen = auf das Äußere), der HERR aber sieht nach dem Herzen (oder: ins Herz).« Da rief Isai den Abinadab und ließ ihn vor Samuel treten (oder: vorübergehen); doch der erklärte: »Auch diesen hat der HERR nicht erwählt.« Da ließ Isai den Samma vortreten, aber Samuel erklärte: »Auch diesen hat der HERR nicht erwählt.« So führte Isai dem Samuel sieben seiner Söhne vor, aber Samuel erklärte dem Isai: »Von diesen hat der HERR keinen erwählt.« Hierauf fragte Samuel den Isai: »Sind das die jungen Leute alle?« Jener erwiderte: »Es ist noch der jüngste übrig; der hütet eben das Kleinvieh.« Da sagte Samuel zu Isai: »Sende hin und laß ihn holen; denn wir werden uns nicht eher (zum Mahl) setzen, als bis er hergekommen ist.« Da sandte er hin und ließ ihn holen. (David) war aber bräunlich, hatte schöne Augen und eine kräftige Gestalt. Da sagte der HERR: »Auf! Salbe ihn, denn dieser ist es!« Da nahm Samuel das Ölhorn und salbte ihn inmitten seiner Brüder; da kam der Geist des HERRN über David von diesem Tage an und (blieb) auch späterhin (auf ihm). Samuel aber machte sich auf und kehrte nach Rama zurück.

Man kann es geradezu als dramatisch empfinden, wie der Vater Isai alle seine Söhne Samuel vorstellt, angefangen vom Erstgeborenen, bis zum vorletzten Sohn - es sind sieben - und keiner findet die Bestätigung Gottes. Samuel selbst scheint nun verwirrt zu sein. Sollte er sich getäuscht haben? Er fragt Isai: „Sind das die Knaben alle?” Da findet sich noch der Jüngste, der gar nicht zu Hause ist, weil er die Schafe hüten muß. Schnell läßt man ihn holen. Und prompt wird David, der Jüngste und Kleinste, vom Herrn erwählt und durch Samuel zum König gesalbt.

Und David blieb, trotz seiner Sünden, die er später beging, ein Mann nach dem Herzen Gottes. Welch eine schöne Auszeichnung! (1. Samuel 13:14) Auch hier dürfen wir nicht das Vollkommenheitsideal erwarten. Gott macht Seine Geschichte mit fehlerhaften Menschen.

Der Herr erwählt aber nicht nur Menschen. Es sind auch Orte, welche Er an Sein Heilsgeschehen bindet. Wie ist das zu verstehen? Es ist nicht die große Stadt Jerusalem, die von Gott zum Geburtsort Seines Sohnes ausersehen ist, sondern das kleine, unscheinbare Bethlehem. Der Prophet Micha durfte in seiner Vorausschau bereits niederschreiben:

„Und du, Bethlehem - Ephrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist”. - Micha 5:1

Auch nicht das damalige, gewaltige romanische Imperium mit seiner Hauptstadt Rom ist von Gott dazu erwählt worden, sondern, der doch recht abseits liegende Winkel des ehemaligen Landes Kanaan. Zudem ist dies das Land auf unserer Erdkugel, das den tiefsten Punkt auf der Erde aufweist. Das Tote Meer liegt 400 Meter unter dem Meeresspiegel.

Die Geburt Jesu geschah völlig abseits vom großen Weltgeschehen. Den Sohn Gottes empfingen keine Böllerschüsse des Jubels, wie dies im allgemeinen bei Königskindern der Fall ist. Später erfolgte der Umzug nach Nazareth. Es war damals geradezu sprichwörtlich, daß aus Nazareth nichts Gutes kommen kann. - Johannes 1:46 Ausgerechnet dieser so verrufene Ort wird von Gott dazu ausersehen, die Heimat Jesu zu werden, wo er ungestört seine Kindheit verbringen und aufwachsen konnte.

Es ist hochinteressant, diese Spur in der Bibel zu verfolgen. Ist dies die Antwort Gottes auf alles Große in unserer Welt? Wir denken, ja. Der Herr kommt liebevoll zum Kleinen und Geringen. Es muß sich deshalb niemand seiner Armut und Dürftigkeit schämen. Wir dürfen und sollen mit unseren Scherben, mit unserem zerbrochenen Leben, mit all unseren Unvollkommenheiten und Gefallenheiten zu Ihm kommen. Er fordert uns sogar dazu auf, wenn Er durch den Apostel sagen läßt: „So tretet nun freimütig hinzu, vor den heiligen Gnadenthron”.

Er fängt mit den Seinen ganz unten an. Jesus hat die geistlich Armen (Matthäus 5:3) und sogar die materiell Armen (Lukas 6:20) selig gepriesen. Das sind nicht die Vollmundigen, die Selbstsicheren, die Alleskönner und Macher. Das sind solche, die ehrlich genug sind, ihre Armseligkeit und Sündhaftigkeit zu erkennen und auch zuzugeben.

Das ist die Botschaft, die wir aus dem Erwählen des Herrn für uns herauslesen können: Weil Er das Kleine erwählt, macht Er das Große zunichte. Er will, daß wir uns trauen, freimütig zu Ihm zu kommen. Der Herr sucht weder unsere Größe noch unsere Vollkommenheit. All diese Dinge müssen wir bestrebt sein abzulegen. Er will nicht unser zurechtfrisiertes Sonntagsgesicht. Nein, Er will und nimmt uns so auf, wie wir sind - mit all unserem Nichtssein.

Ist die Art, wie der Herr erwählt, nicht ein Evangelium ohnegleichen? Es ist die frohmachende Botschaft, daß der Herr auf die tiefste Stufe herabsteigt, um den Ärmsten und Elendsten zu beschenken, wenn sich dieser in die richtige Herzensstellung begibt. Der Herr will alle Menschen retten und mit Seinem Heilsangebot erreichen, wenn sie eines Tages „… das Wasser des Leben umsonst angeboten bekommen … ”.

Aber Er fängt zunächst ganz unten an. Und es ist eine eigenartige Tatsache, daß es nicht viele Weise, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene, wie (schon erwähnt) Paulus es beschreibt in 1. Korinther 1:26 und 27, die dieses Evangelium begreifen. Steht ihnen etwa ihre eigene Größe im Wege?

Es sind also eher die Schwächeren, das heißt solche, welche sich ihrer Schwachheit bewußt sind, die vom Evangelium ergriffen werden, weil dieselben eher ein Bedürfnis nach Hilfe empfinden. Der sinnesändernde Einfluß des Heiligen Geistes ist aber ein so mächtiger, daß die, welche ihn empfangen, gerade in ihrer Schwachheit stark gemacht werden können. Diese Schwachen vor der Welt werden auf solche Weise „stark in Gott”, durch den Geist - die Kraft Gottes.

Sie vermögen Festungen der Sünde und des Irrtums zu bezwingen und werden fähig gemacht als tüchtige Kriegsleute des Herrn einen guten Kampf siegreich zu bestehen - möglicherweise zur großen Überraschung solcher, die ihnen von Natur weit überlegen sind. - 1. Korinther 1:27, 2. Korinther 10:4, 2. Timotheus 2:3 und 4

Schon zu Beginn unseres Zeitalters (nach Christus) war dies der Fall, als die Schwachen das Evangelium freudig aufnahmen und demselben bis zu ihrem Ende, trotz all den schwersten Leiden und Prüfungen, die sie als Märtyrer standhaft erduldeten, treu blieben, und vor denen die Stärksten und Größten dieser Zeit verzagten. In unserer Zeit haben sich die Verhältnisse hinsichtlich Verfolgung wesentlich verändert. Deswegen gilt es aber nicht weniger „teilzunehmen an den Trübsalen als gute Kriegsleute” und das Leben für die Brüder niederzulegen.

In diesem Sinne machen die Schwachen, die Unedlen und Verachteten, die sich der Herr erwählt hat, auch heute noch die Weisheit der Welt zunichte. Der Grund für ihre Erwählung durch den Herrn liegt darin, gibt der Apostel sinngemäß wieder, daß Gott nicht wolle, daß irgendein Mensch sich rühme, er habe die ihm verheißenen Segnungen irgendwie verdient. Das ganze Verfahren soll dazu dienen, Engel und Menschen erkennen zu lassen, wie machtvoll der Herr ist, der niedrige, verachtete Charaktere in edle und reine zu verwandeln vermag.

Er wirkt nicht mit Gewalt, sondern durch die reinigende Wirkung der Wahrheit, indem Er in den Berufenen durch die Verheißungen und vor sie gesetzten Hoffnungen beides wirkt, sowohl das Wollen, als auch das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen. Diese Vorkehrung Gottes wird nicht allein zu Seiner Ehre dienen. Auch jene, die Er segnen will, wird dies demütig machen und damit zu ihrem ewigen Besten dienen.

Wiederholt hebt das Neue Testament hervor, daß dieser Erwählungsruf, diese große Errettung, nicht von Menschen ist, noch durch menschliches Können bewirkt wird, sondern eine Gnadengabe Gottes ist. Auch ist es nicht schwer zu verstehen, warum dieser Ruf verhältnismäßig wenig Anziehungskraft für die Hochstehenden und Mächtigen hat, und mehr für die Ungebildeten und Geringen.

Hochmut war und ist immer eine wirksame Kraft der gefallenen Natur, mit welcher immer gerechnet werden muß. Des Herrn Maßstab ist Vollkommenheit. Etwas anderes kann es bei Ihm nicht geben. Was dem Maßstab der Vollkommenheit nicht entspricht, ist verurteilt, und jeder Verurteilte ist auf den Erlöser angewiesen. Eine solche Bedingung scheint natürlich für die Großen und Edlen dieser Welt nicht gerade erstrebenswert.

Die Kleinen und Schwachen empfinden eher, daß sie eines Erretters bedürfen, denn ihre Unvollkommenheiten sind ihnen viel bewußter. Obwohl wir eine solche nicht suchen, setzt der Herr eine Belohnung für Demut aus, die von denen erwartet wird, die eingeladen werden, Mitglieder der Neuen Schöpfung zu werden. Petrus sagt in 1. Petrus 5:6: „So demütiget euch nun unter die mächtige Hand Gottes, auf daß Er euch erhöhe zur rechten Zeit”. Er weist auf das Vorbild hin, Jesus Christus, der sich selbst erniedrigte, verachtet wurde, eine geringere Natur annahm und den Tod, den schmachvollen Kreuzestod, erlitt, und der wegen dieser Demut und dieses Gehorsams hoch erhöht wurde.

„Denn Gott widersteht dem Hochmütigen, dem Demütigen gibt Er Gnade”. - 1. Petrus 5:5 Ihr seht eure Berufung, Brüder, daß nicht viele Große und Weise und Gelehrte berufen sind, sondern meist solche, die in den Augen der Welt arm, aber an Glauben reich sind. Wie auf die Demut, so setzt der Herr auch auf den Glauben eine Belohnung aus. Für Seine Neue Schöpfung erwählt Er solche, die Ihm völlig zu vertrauen gelernt haben, sich an Seiner Gnade genügen lassen und in der Kraft, die Er verleiht, die Vorbedingung zu ihrer Erhöhung erfüllen - das heißt, den Sieg, zu dem Er sie beruft, davontragen.

Möge der Herr auch uns erwählen.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung