Gott bedient sich der Dinge, die sich in unseren Händen befinden

„Da sprach Jahwe zu Mose: Was ist das in deiner Hand?” (2. Mose 4:2)

Moses war von dem Herrn zu dem großen und ehrenden Werke der Befreiung seines Volkes aus der Knechtschaft Ägyptens berufen worden. Er war damals achtzig Jahre alt. Seine reichen Erfahrungen am ägyptischen Hofe hatten ihm einen Einblick in Regierungsangelegenheiten gegeben. Stephanus sagt uns (Apostelgeschichte 7:22): „Moses wurde unterwiesen in aller Weisheit der Ägypter; er war mächtig in seinen Worten und Werken.” Die Tradition sagt, daß er auch ein fähiger Heerführer der ägyptischen Armee gewesen sei. Dennoch entsagte er allen diesen irdischen Vorzügen, um das Los des verachteten Volkes Gottes zu teilen. „Durch Glauben weigerte sich Moses, als er groß geworden war, ein Sohn der Tochter Pharaos zu heißen, und wählte lieber, mit dem Volke Gottes Ungemach zu leiden, als die zeitliche Ergötzung der Sünde zu haben, indem er die Schmach des Christus für größeren Reichtum hielt als die Schätze Ägyptens; denn er schaute auf die Belohnung.” Das heißt er zog es vor, mit dem erwählten Volke Gottes, Israel, sowohl an der Drangsal, als auch an der Verheißung, die Gott seinen Vätern gegeben hatte, teilzunehmen. (Hebräer 11:24 - 26)

Wie angebracht war es doch, daß der Mann, den Gott zum Führer des Volkes Israel aus der Knechtschaft berief, ein solch gelehrter Mann war - ein Mann, der mit solch vortrefflichen Fähigkeiten ausgerüstet war, das Haupt eines Volkes unter den Umständen, die damals bestanden, zu sein! Wir bezweifeln nicht, daß er durch seine Wanderungen in der Wüste, während er als ein Hirte die Herde seines Schwiegervaters Jethro hütete, mit jedem Wege, jedem Hügel, jedem Gewässer völlig vertraut wurde. Dieser Umstand gereichte ihm dann, nachdem er nach des Herrn Weisung der Führer Israels geworden war und das Volk durch die Wüste nach Kanaan leitete, zum großen Vorteil.

Erfahrungslektionen in der Sanftmut

Während seines vierzigjährigen Aufenthalts in Midian hatte Moses noch eine andere wichtige Lektion gelernt, nämlich die Lektion der Sanftmut. Seine lange Vereinsamung hatte ihn zurückhaltend gemacht. Außerdem hatte er bald nach der Auflösung seiner Verbindung mit dem ägyptischen Königshause die Erfahrung machen müssen, daß man, als er versuchte, sein Volk zu befreien, seinen Dienst nicht begehrte. Man brachte ihm sogar Widerstand entgegen, als er inmitten seines Volkes einen Versuch dazu unternahm. Als der Herr ihn jetzt zur Hinausführung des großen Werkes aussenden wollte, zweifelte er daher an seiner Fähigkeit, das Volk Israel aus der Knechtschaft in das Land Kanaan zu führen. Er fürchtete sich und wollte sich zurückziehen.

Jahwe war Moses in dem brennenden Busch, der nicht verzehrt wurde, erschienen. Er hatte ihm Seinen Auftrag gegeben und ihm versichert, daß Er, Jahwe, gewißlich mit ihm sein werde. Moses hatte indes ein richtiges Urteil über die Größe des Unternehmens und über seine eigene Unzulänglichkeit. Er betonte, daß er unfähig sei, das Werk auszuführen, und daß nur jemand, der weit mächtiger sei als er, das Herz des Königs beeinflussen könne. Er wußte, daß es den Absichten und der Politik der Ägypter durchaus zuwiderlief, die Israeliten aus ihrem Dienst zu entlassen. Er sagte zu Jahwe: „Wer bin ich, daß ich zu dem Pharao gehen, und daß ich die Kinder Israel aus Ägypten herausführen sollte?” (2. Mose 3:11) Aber der Herr versicherte ihm, daß Er die Verantwortung und die Führung übernehmen wolle.

„Was ist das in deiner Hand?”

Moses wünschte sich jedoch noch eine Erweisung der Macht und der Zustimmung Gottes. Er sprach: „Sie werden mir nicht glauben und nicht auf meine Stimme hören; denn sie werden sagen: Jahwe ist dir nicht erschienen.” Dann sprach Jahwe zu ihm: „Was ist das in deiner Hand?” Moses antwortete: „Ein Stab.” Und Jahwe sprach zu ihm: „Wirf ihn auf die Erde!” Moses gehorchte dem Befehl, und der Stab wurde zur Schlange; und Moses floh vor ihr. Wenn Moses nicht bestimmt gewußt hätte, was er in seiner Hand gehabt hatte, so hätte er möglicherweise denken können, daß der Gegenstand eine Schlange gewesen sei. Aber er hatte hingeschaut und war ganz sicher, daß es ein Stab gewesen war, der jetzt zur Schlange wurde. Dann gebot ihm Gott, die Schlange beim Schwanze zu ergreifen. Moses tat dies, und die Schlange wurde wieder zum Stab in seiner Hand.

Die Lektion für uns

Hieraus ergibt sich für uns eine Lektion. Wenn der Herr uns einen Auftrag erteilt, sollten wir nicht die Empfindung haben, als könnten wir die Welt besiegen. Vielmehr sollten wir unsere eigene Nichtigkeit und unsere völlige Unzulänglichkeit fühlen. Wir sollten die Empfindung haben, daß wir ohne den Beistand Seiner Gnade überhaupt nichts vermögen. Wir sollten uns völlig darüber im klaren sein, daß Gott uns beauftragt hat, und daß unser Auftrag nicht auf einem törichten eigenen Gedanken beruht. Wir sollten völlig davon überzeugt sein, daß der Herr selbst die gesamte Vorkehrung getroffen hat. Und wir sollten völliges Vertrauen zu Ihm haben. Unsere Sprache des Herzens sollte gleich der Moses’ sein: „Ich vermag nichts zu tun.” Aber wenn wir dem Herrn zu dienen begehren, so sollten wir sehen, was wir in unserer Hand haben, sei es das eine oder das andere Talent. Gott ist so weise, daß er selbst unser unscheinbarstes Talent zu Seinem Preise gebrauchen kann. Wir mögen gerade das in unseren Händen haben, was Er zu gebrauchen wünscht - es mag uns nur noch nicht bewußt geworden sein. Wie schlicht auch unser Dasein sein mag, Gott ist fähig, uns zu gebrauchen und uns auch die erforderlichen Lektionen in Verbindung mit unseren Erfahrungen zu erteilen.

Es gibt eine weitere Lektion, die wir aus der Handlungsweise Gottes mit Moses lernen können. Die Dinge, die wir in unserer Hand haben - die Dinge, die uns am nächsten sind, könnten uns zum Schaden gereichen, wenn nicht die Macht Gottes fähig wäre, alles zu unserem Besten mitwirken zu lassen. Wenn wir den Geist der Dienstbereitschaft haben, so kann und wird der Herr gerade das benutzen, was wir in unseren Händen haben - nicht notwendigerweise Dinge, die uns fern liegen. Die göttliche Macht über das Böse kann denen, die ihn lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken lassen. Zunehmend lernen wir diese Lektionen. Wenn wir dienen wollen, sollten wir uns daher überlegen, was wir besitzen und welche Dinge wir gebrauchen können.

Wer im Geringsten treu ist, ist auch im Großen treu

Viele möchten dem Herrn mit tausend Zungen dienen. Wenn sie tausend Zungen hätten, so meinen sie, wüßten sie bestimmt, daß sie mit ihnen allen singen würden. Wie wissen wir, daß wir tausend Zungen benutzen würden, wenn wir die eine, die wir haben, nicht treu benutzen? Wer im Geringsten treu ist, wird auch in den größeren Dingen treu sein.

Es gibt viele, die zu Tausenden reden möchten. Wenn wir aber nicht zu Tausenden reden können, ist es um so notwendiger, zu Einzelnen zu reden. Einige sagen, wenn sie eine Million Euro hätten, würden sie alles dem Herrn geben. Aber es ist unwahrscheinlich, daß der Herr ihnen jemals die Gelegenheit geben wird, größere Summen für das Erntewerk zu geben, wenn sie nicht die Neigung zeigen, etwas von den kleinen Beträgen zu geben, die sich schon in ihrem Besitz befinden. „Denn wer da hat, dem wird (durch den Gebrauch seiner Talente) gegeben werden … wer aber nicht hat (durch Vernachlässigung seines Talentes), von dem wird selbst das, was er hat, genommen werden.

Die Lehre, die wir aus den Erfahrungen Moses’ ziehen sollten, scheint also die zu sein, daß wir uns der Dinge bedienen sollen, die wir in unserer Hand haben. Dieselbe Lektion wird uns auf eine andere Weise durch das Beispiel der armen Witwe gelehrt, die zu dem Propheten Elisa um Hilfe schrie. Sie war in Armut geraten. Ihre Gläubiger waren im Begriff zur Tilgung der Schulden ihre beiden Söhne zu nehmen. „Was hast du in deinem Hause?” fragte Elisa. Die Witwe antwortete: „Nichts, außer einem Krug mit Öl.” Dann gebot ihr der Prophet, leere Gefäße von ihren Nachbarn zu leihen - „nicht wenige” - um das Öl in die Gefäße zu gießen. Die Witwe gehorchte. Alle Gefäße wurden mit Öl gefüllt. Sie verkaufte das Öl und bezahlte mit dem Erlös ihre Schulden. So bediente sich der Herr der Dinge, die sie in ihren Händen hatte.

Das gleiche geschah durch das Wunder des Herrn bei der Speisung der fünftausend Menschen. Der Herr fragte seine Jünger: Was habt ihr bei euch? Er fragte nicht: Wie weit ist es bis zur Stadt? Auch befahl er den Aposteln nicht, Wagen zu beschaffen und in der Stadt Brot und Speise zu holen. Er sagte: Gebrauchet was ihr habt! Und er segnete die fünf Brote und die beiden kleinen Fische, so daß die Fünftausend reichlich gespeist wurden. Sie alle aßen, „so viel sie wollten”. An übriggebliebenen Brocken sammelten die Jünger zwölf Körbe voll. (Johannes 6:5 - 13) Auf diese Weise sollten wir alle unsere Talente und Gelegenheiten nutzen. Der Herr erwartet von uns, daß wir das gebrauchen, was wir haben. Dann wird daraus Segen für uns hervorgehen. Je treuer wir in der Wahrnehmung unserer Vorrechte sind, desto größer wird der Segen sein, den wir von Ihm empfangen.

Die Erfahrungen Moses waren vorbildlich

Wir glauben, daß in den Erfahrungen Moses’ und der Befreiung Israels außer den eben erwähnten Lektionen noch eine weitere Bedeutung liegt. Es wird uns darin etwas vorgestellt, das den Verhältnissen unserer Zeit entspricht. Moses handelte nach göttlicher Anweisung. Alles, was mit der Mission Moses zum Zwecke der Befreiung Israels in Verbindung stand, scheint ein Vorbild von der Befreiung des Volkes Gottes von der Macht des Bösen zu sein. Pharao war ein Bild Satans. Wir leben in der entsprechenden Zeit, in der Gott beabsichtigt, alle Menschen von der Macht Satans zu befreien. Jesus und die Herauswahl werden Jahwes Bevollmächtigte sein. Die Befreiung wird das Werk des Messias als der Vertreter Gottes sein.

Der Stab stellt Autorität dar. Dies wurde in dem Moment gezeigt, als Gott anordnete, daß Aaron Ihn als das Haupt des Stammes Levi darstellen sollte. Die Kinder Israel hatten gemurrt. Die Fürsten der zwölf Stämme wurden von Gott durch Moses beauftragt, ein jeder seinen Stab zu nehmen, seinen Namen darauf zu schreiben und ihn in die Stiftshütte zu senden. (4. Mose 17:1 - 9) Aarons Stab wurde mit den anderen hineingetragen, weil es der Stab vom Hause Levi war. Als die Kinder Israel die Stäbe am folgenden Morgen begutachteten, hatte der Stab Aarons gesproßt, Blüten hervorgebracht und Mandeln gereift.

Hier wird gezeigt, daß im allgemeinen ein Stab als eine Darstellung der Autorität gilt. So wie die Hand eine Darstellung von Macht ist, so ist der Stab eine Darstellung von Autorität. Daher scheint der Stab eine besondere Offenbarung von göttlicher Macht und Herrschergewalt zu sein. Wir können von der gegenbildlichen Erfüllung dieser Erfahrungen Moses’ nicht positiv genug reden. Es könnte uns aber der Gedanke in den Sinn kommen, daß die Macht Gottes auf die eine oder andere Weise als Böses scheinen könnte - denn die Schlange war böse. Das Böse hat anscheinend während der vergangenen sechstausend Jahre triumphiert. Als Moses und Aaron vor Pharao traten, und taten, wie Gott ihnen geboten hatte, wurde Aarons Stab wiederum zur Schlange. Darauf warfen die Zauberer ihre Stäbe hin, und auch sie wurden zu Schlangen. Aarons Stab verschlang jedoch alle Stäbe der Zauberer.

Das Wiederergreifen des Stabes der Macht

Es interessiert uns gerade jetzt sehr, zu wissen, was diese Dinge bedeuten, und auf welche Weise es Gott zulassen wird, daß die Welt unter der Macht Satans eine Stunde des Triumphes haben wird. Es wird eine Zeit großer Drangsal zugelassen werden, die Platz greifen wird, weil die göttliche Autorität und Herrschaft eine Zeitlang niedergeworfen sein wird.

Wir glauben, daß dieser Zustand jetzt da ist. Die Menschen verlieren ihr Vertrauen auf Gott; sie haben zur Zeit das Gefühl, als gebe es keinen Gott. Die Tendenz der „höheren Textkritik” und der Evolutionstheorie geht dahin, der Menschheit den Eindruck zu geben, daß es außer der Natur keinen Gott gebe. Da die Menschheit diese Idee von einem unbarmherzigen, harten, unversöhnlichen Naturgott in sich aufnimmt, ist es sehr wahrscheinlich, daß dadurch jeder Gedanke an einen lebendigen Gott, dessen Eigenschaften Gerechtigkeit und Liebe sind, ausgelöscht wird. Die Schrift sagt: „Es ist keine Furcht Jahwes vor ihren Augen.” Wir können daher eine Zeit großer Drangsal erwarten, in der die Macht Gottes den Anschein einer weiteren Offenbarung der Macht des Bösen haben wird. Das Wiederergreifen des Stabes der Macht kurz darauf wird jedoch die Wiederaufrichtung der göttlichen Autorität bedeuten.

WT vom Mai 1914



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung