Die Wahrheit wird euch frei machen

„Jesus sprach nun zu den Juden, welche ihm geglaubt hatten: Wenn ihr in meinem Worte bleibet, so seid ihr wahrhaft meine Jünger; und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. Sie antworteten ihm: Wir sind Abrahams Same und sind nie jemandes Knechte gewesen; wie sagst du: Ihr sollt frei werden? Jesus antwortete ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Jeder, der die Sünde tut, ist der Sünde Knecht. Der Knecht aber bleibt nicht für immer in dem Hause; der Sohn bleibt für immer, wenn nun der Sohn euch frei machen wird, so werdet ihr wirklich frei sein.” (Johannes 8:31 - 35)

„Jesus sprach nun zu den Juden, welche ihm geglaubt hatten: Wenn ihr in meinem Worte bleibet, so seid ihr wahrhaft meine Jünger; und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. Sie antworteten ihm: Wir sind Abrahams Same und sind nie jemandes Knechte gewesen; wie sagst du: Ihr sollt frei werden? Jesus antwortete ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Jeder, der die Sünde tut, ist der Sünde Knecht. Der Knecht aber bleibt nicht für immer in dem Hause; der Sohn bleibt für immer, wenn nun der Sohn euch frei machen wird, so werdet ihr wirklich frei sein.” - Johannes 8:31 - 35

In diesem Ausspruch Jesu werden uns vier wichtige Umschreibungen nahe gebracht: Zunächst das Wort selbst. Dann ist die Rede davon, daß es gilt, „in diesem Worte zu bleiben”. Das führt drittens zur Erkenntnis der Wahrheit. Diese Erkenntnis schließlich macht uns frei. Eines der Ziele der Entwicklung der Neuen Schöpfung ist also auch die Freiheit.

Bevor wir den Ausspruch Jesu verstehen können, müssen wir uns darüber klar werden, was diese vier Umschreibungen zum Inhalt haben.

Jesus redet von „meinem Worte”, dem Worte Jesu - nicht von der Bibel insgesamt und noch weniger von dem, was damals die „Bibel” oder die „Schrift” hieß, vom Alten Testament.

Betrachten wir das Alte Testament ohne das Wort Jesu, dann gibt es uns eine nur eingeschränkte Kenntnis Gottes. Johannes 1:17 sagt: „Denn das Gesetz wurde durch Moses gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesum Christum geworden”. Zusammen mit dem Worte Jesu (Neuen Testament) ist die Bibel ein Ganzes, ohne das Wort Jesu eine halbe Wahrheit, unzureichend für die Erkenntnis Gottes und Seines Planes - lediglich eine Vorbereitung.

Wie wäre es aber, wenn wir nur das Wort Jesu hätten - nur die neutestamentliche Offenbarung? Grundsätzlich würde sie genügen, um selig (errettet) zu werden. Wir benötigten dazu das Alte Testament nicht. Die neue Gottesoffenbarung beruht auf der alten und ist aus ihr hervorgegangen.

Als ein Bild dafür, daß die Offenbarung etwas mit Naturnotwendigkeit Gewachsenes und Entwickeltes ist - eine Schöpfung Gottes - laßt uns ein Beispiel aus der Natur anführen:

Der Apfel wächst am Apfelbaum. Der Apfelbaum war erforderlich, um ihn zu erzeugen; wenn man aber einen Apfel haben möchte, muß man nicht jedesmal auch einen Baum nehmen.

Das Neue Testament wäre nun möglicherweise ausreichend, um den Wahrheitshunger zu stillen. Ja, es ist im Grunde nicht einmal nötig, alle Teile des Neuen Testamentes zu kennen. Es genügt unter Umständen jenes einzige Bibelwort aus Johannes 3:16: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe”. Wir können daraus entnehmen: Vor Gott sind wir alle Sünder; wir würden verloren gehen, wenn Gott nicht das unbeschreibliche Opfer Seines eingeborenen Sohnes gebracht hätte, durch das wir errettet werden und das ewige Leben gewinnen können.

Wenn wir dieses Wort nicht nur lesen oder hören, sondern mit dem Herzen verstehen, dann ist es genug und dies ist ausreichend, damit wir errettet werden. Durch diesen Glauben werden wir in die heilsame Gemeinschaft mit Gott gebracht; der abgerissene Faden ist wieder angeknüpft, oder anders: Wir kommen in einen Kontakt mit Gott ähnlich dem des elektrischen Stromes, „die Leitung von Ihm zu uns wird geschlossen”.

Es kommt vor, daß ein Mensch auf das Evangelium so sehr innerlich vorbereitet ist, daß das Hören eines solchen, einzigen Bibelwortes genügt, um diesen Kontakt mit Gott herzustellen. Beim Schluß eines Kontaktes entsteht gewöhnlich ein Funken. Das ist die Freude, die entsteht, wenn die Wahrheit von der Gnade Gottes im Herzen aufleuchtet.

In Romanen ist oft die Rede von „Liebe auf den ersten Blick”. Sie entsteht dann, wenn zwei Menschen das Gefühl haben, daß sie für einander geschaffen sind und ohne einander nicht glücklich werden - den Sinn ihres Lebens alleine nicht ganz erfüllen können. Im allgemeinen aber bedarf es ja einer genaueren Kenntnis des Menschen, mit dem man sich verbinden will. So ist es auch mit der Wahrheit. Bei den meisten dauert es erhebliche Zeit, bis ihnen die Wahrheit einleuchtet - bis sie verstehen, daß sie von Geburt an Sünder sind und, daß Gott sie in Adam zum Tode verurteilt (verdammt) hat und daß es zu ihrer Erlösung des Opfers Jesu bedarf. Ohne diesen Glauben sind sie (einstweilen) „verloren”.

Wir, die wir vom „Lösegeld für alle” wissen, verstehen damit, daß Errettung später auch für jene beschlossen ist; aber sie, die jetzt nicht glauben, wissen es nicht und befinden sich in einer Art „Verlorenheit“. Für sie bedeutet Leben: Ein paar Jahre in Leid und Freud, oder mehr das Erste, dann Tod; für sie bedeutet das auch: Für alle Ewigkeit haben sie keinen Anteil mehr an ihren Lieben, an Familie, Volk und Menschheit. Keine Liebe mehr! Gleichgültig, ob sie einen guten oder einen schlechten Namen hinterlassen, alles kommt ohne Sinn und Zweck in den großen Abfallkübel der Vergessenheit, und aller Kampf ist ein unnützer Leerlauf gewesen. Das heißt: Verloren sein!

An Jesus glauben heißt: Mit einem Schlag wieder in einem sinnvollen Dasein stehen und die Aussicht auf ein ewiges, sinnvolles und bedeutendes Leben, in eine unvergängliche Geisteswelt und die Schöpfung Gottes gewinnen.

Wir haben gesagt, daß das Wort, der Funke des Gotteswortes, in vorbereiteten Seelen, auf einen Schlag diesen Kontakt zustande bringen kann. Aber die „Liebe auf den ersten Blick” genügt nicht: Gewöhnlich werden solchen Liebenden dann ungeheure Hindernisse in den Weg gerollt, an denen die Liebe ermüdet und erkalten und aufhören kann. „Wenn es solche Mühe kostet, dann lasse ich es lieber bleiben.”

Wir verstehen nun, warum Jesus sagt: „Wenn ihr in meinem Worte bleibet, dann seid ihr meine Jünger”. Die Liebe muß bleiben, sich bewähren. Der erste gewaltige Eindruck der Wahrheit darf nicht abgeschwächt und ausgelöscht werden; er muß seine Eindringlichkeit behalten. Aber die Gefahr der Abstumpfung, der Verwischung und Zerfaserung auch der Wahrheit ist groß.

Unsere Hoffnung liegt in der Ferne. Die Farben verblassen, denn der Weg ans Ziel ist weit. Außerdem spiegelt uns das Leben allerhand Begehrenswertes vor, das zwar nicht mit ewigem Leben vergleichbar ist, aber dafür sofort greifbar, in unserer Nähe. Wir können es gleich heute haben und den Hunger damit stillen. Die alte Geschichte vom Linsengericht: Der Augenblick und seine Bedürfnisse gewinnen Macht über uns. Der zündende Funke von Gott her, der einmal in unsere Seele gefallen ist und Licht und Hoffnung entzündet hat, erlischt. Es kommt nichts zur Entwicklung; es wird kein „Kind”, keine Neue Schöpfung geboren. In alttestamentlicher Zeit brachte Unfruchtbarkeit Verachtung auf eine Frau. Darin liegt ein Bild des in gewissen Seelen unfruchtbar bleibenden Gotteswortes.

Das geistzeugende Wort stammt von Gott. Gott hat dieses Wort geredet. Wenn wir es hören und ins Herz aufnehmen, dann haben wir den Kontakt mit Gott hergestellt. Wäre es anständig, nachdem Gott uns dies ermöglicht hat, den Kontakt jetzt wieder zu unterbrechen? Es wäre sicherlich äußerst ehrfurchtslos. Dieser Kontakt muß jetzt bestehen bleiben. Daher: „Wenn ihr in meinem Worte bleibt, dann seid ihr meine Jünger”.

Aus diesem Grund ist das Wort vielfältig im Neuen und Alten Testament zu uns geredet, damit wir in der reichlichen Betrachtung des Wortes bleiben können. Wir brauchen zur Vertiefung und Ausgestaltung unserer Gotteserkenntnis die ganze Bibel - das Alte und das Neue Testament. Auf die Dauer würde ein „Kurzevangelium” eintönig werden und seine Eindruckskraft einbüßen. „Glaubensbekenntnisse” der Namenkirchen sind trockene Früchte.

Das Bleiben im Wort Gottes enthält einen weiteren Gedanken: Das Wort Gottes ist nicht nur die Aneinanderreihung von Lauten oder einzelnen Wörtern zu einem Satz - also nichts Sprachliches allein - das Wort Gottes ist Geist, eine Kraft. Es ist der Eindruck, der in unserem Herzen und Geist hervorgebracht worden ist durch das geschriebene oder gesprochene Wort. Dieser Eindruck ist wie ein in unsere Seele gelegtes Samenkorn. Ein Samenkorn muß nicht Samenkorn im feuchten Erdboden bleiben. Es soll keimen, wachsen, Blätter, Blüten und Früchte hervorbringen. Darum sind wir erst wahrhafte Jünger Jesu, wenn wir nun das empfangene Wort in unserem Geist entwickeln, so daß es uns zunehmend mehr zu sagen hat. Wir sollen selbständig denkende Christen werden, nicht lediglich auf das angewiesen, was wir hören oder lesen, was Brüder uns sagen und Lehrer und Pfarrer. Das Wort soll den Kontakt mit Gott herstellen, der fortfahren möchte mit uns zu reden, nachdem die Verbindung hergestellt ist.

Die wahrhaften Jünger entfalten die Wahrheit zu ihrem ganzen vollen Umfang. Das heißt: Wenn ihr im Worte bleibet, dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen, d. h. zu Christen, die einen eigenen Zugang zu der Fülle der Wahrheit gewinnen. Man kann statt „erkennen” auch übersetzen: „die Wahrheit verstehen”. Solche, die in die Zusammenhänge der göttlichen Gedanken Einblick gewinnen, so wie ein Techniker die Funktionen einer Maschine begreift und weiß, was in der Maschine vor sich geht, wenn man diesen oder jenen Hebel zieht und auf diesen oder auf jenen Knopf drückt.

Jesu möchte seine Jünger zu Verstehenden und Wissenden machen und sie in die Geheimnisse des göttlichen Denkens und Planens einweihen. Das Wort Gottes ist etwas Wachsendes. Es ist kein Fertiges und Abgeschlossenes, das man ein für allemal - wie eine Satzung - lernen kann. Man kann die Handhabung einer Maschine kennen, die Maschine jedoch nicht verstehen. Aber man kann Maschinen, z. B. ein Auto, auch kennen und verstehen. Dann hat man nichts mehr zu lernen. Die Wahrheit Gottes aber ist mehr als eine Maschine. Sie ist etwas Lebendiges und ihr Verständnis ist unerschöpflich. Darum müssen wir uns immer um dieses Verständnis bemühen, immer in der Wahrheit leben. Sie muß sich immer weiter entfalten. Aus diesem Grunde können wir nicht einfach stehen bleiben.

Doch wollen wir damit nicht sagen, daß die Wahrheit morgen etwas anderes sein wird, als sie es heute ist. Was Wahrheit war, bleibt Wahrheit, auch wenn weitere Offenbarung dazu kommt und unser Verständnis für einzelne Teile der Wahrheit reicher wird. Die Wahrheit gehört nicht uns oder einer Sekte, sie gehört Gott. Und Gott gibt weitere Antwort auf unsere Fragen, denn Gott will, daß wir zur Erkenntnis der ganzen Wahrheit kommen. Doch erst wenn wir in der Herrlichkeit bei Gott sein werden, werden wir keine Fragen mehr haben. Wer jetzt schon alles zu verstehen meint und keine Fragen mehr hat, der überschätzt seine Wahrheitskenntnis und befindet sich nicht in der lebendigen wachsenden Wahrheit.

Einige Menschen haben den Lichtschein der Sonne schon in diesem Zeitalter erblickt, aber damit sind sie nicht die Sonne oder die Besitzer der Wahrheit geworden. Weil einige Sterne Licht von der Sonne bekommen haben und es ausstrahlen, sind sie doch nicht zur Sonne selbst geworden. Einige tausend Sterne machen die Nacht noch nicht zum Tage für diese Erde, obwohl sie Sonnenlicht empfangen haben. Aber diese „Sterne” sind Zeugen des Lichtes, der ewigen Lichtquelle. Die Kirche Christi ist Zeuge, daß es eine Sonne gibt, und daß diese Sonne eines Tages hervortreten und der Tag für alle anbrechen wird.

Aber wenn die Kirche Christi im Verlauf der Weltgeschichte meinte, sie sei die Sonne und das Reich sei, z. B. mit der Katholischen Kirche, bereits in die Welt gekommen und wir sollten dies für das Reich Christi halten, dann haben sich diese „Sterne” eine ganz falsche Bedeutung angemaßt und Finsternis verbreitet. Jeder Zeuge, der sich zur Sonne erheben will, ist ein Irrstern ein Meteor, welcher Scheinlicht erzeugt, jedoch schnell wieder verschwindet. Das Licht wird solche Behauptungen richten.

„Die Wahrheit wird euch frei machen.” „Wenn aber der Sohn euch frei machen wird, dann werdet ihr wirklich frei sein.” Wenn eure Freiheit und Offenheit für Licht nicht zunimmt, habt ihr nicht die Wahrheit.

Menschen aus freien Ländern sind da versucht, dem Herrn zu antworten: „Was brauchen wir Freiheit? Wir sind immer frei gewesen. Nie waren wir Knechte von Despoten und Königen.” - Genau so antworten es unserem Herrn die Juden. Sie antworteten: „Wir sind Abrahams Kinder (Nachkommen) und sind niemals jemandes Knechte gewesen. Wie sagst du: Ihr sollt frei werden?”

Diese Antwort der Juden spricht allerdings von einer geistigen Freiheit und nicht von einer politischen. In Wahrheit befanden sich die Juden zu verschiedenen Zeiten unter politischer Knechtschaft. So waren sie zuerst in Babylon, dann unter persischer, dann griechischer, dann syrischer Abhängigkeit (Antiochus Epiphanes) und schließlich unter römischer Herrschaft. Die Juden, die zu Jesus reden, meinen also, daß sie in bezug auf ihren Glauben sich nie von jemand hätten Vorschriften machen lassen. Das dürfen sie vielleicht sagen. Es wird auch von Jesus nicht bestritten. Auch Jesus denkt nur an geistige, nicht an politische oder wirtschaftliche Freiheit, wenn er in Johannes 8:34 - 36 sagt, die Wahrheit werde die Jünger frei machen.

Was ist nun geistige Freiheit? Oder fragen wir besser: Wer ist wirklich frei? Ein Sprichwort sagt: „Frei ist, wer sterben kann”, dies will sagen, daß derjenige ein freier Mensch ist, der dann, wenn er seine Freiheit nicht mehr zu schützen vermag, bereit ist, lieber den Tod zu erleiden als Sklave zu sein.

Was uns unfrei macht, das ist letzten Endes nur die Furcht vor dem Tode. Wer aber weiß, daß er lebt, ewig lebt in Gott, fürchtet den Tod nicht. Und wenn wir den Tod nicht fürchten, dann kann uns niemand unter ein Sklavenjoch beugen. Daß die Todesfurcht es ist, die uns versklavt, bezeugt uns auch die Bibel: „Daß Christus den zunichte machte, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel, und alle die befreite, welche durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren.” - Hebräer 2:14 - 15

Welche Tyrannenmacht kann den unter ein Joch beugen, der bereit ist, eher den Tod zu erleiden, als ein Sklave zu werden?

Außerdem hat Christus durch die Verheißung der Auferstehung und des ewigen Lebens dem Tode den Stachel genommen. Kein Christ muß fürchten, daß seine Rechtssache nicht in Gottes Händen gut aufgehoben sei und er für alle Ewigkeit unter einem Urteil des Unrechtes verbleiben muß. „Gott will Recht”, und Er schafft Recht. Keine Tyrannenmacht vermag ewige Tatsachen zu schaffen. Darum sollte niemand mehr Kraft haben, um des Rechts und der Freiheit und des Glaubens willen sein Leben hinzugeben, als der Nachfolger Christi. Wir haben uns durch Nachfolge und Taufe doch in seinen Tod getauft. Wir können somit sicher sein, daß wenn die Treue zum Herrn unser Lebensopfer forderte, Gott selbst es ist, der es fordert. Ein Christ, der nicht sterben kann, es um keinen Preis will und immer noch in panischer Todesangst lebt, ist im Widerspruch mit seinem Glauben und Weihegelübde. Allerdings müssen wir eingestehen, daß solcher Widerspruch möglich ist, weil der alte Adam sich eben noch immer erlaubt mitzureden. Er bringt uns jedoch tiefen inneren Unfrieden. Doch ist die Türe zum Frieden Christi, zu „meinem Frieden”, immer weit offen, und der Sohn wird uns wirklich zur Wahrheit und Tapferkeit frei machen, wenn wir uns ihm öffnen, denn „das ist der Sieg, der die Welt überwunden hat, unser Glaube”. - 1. Johannes 5:4

Jesus spricht aber nicht nur von äußeren Tyrannenmächten in unserem Leittext; er spricht von einem inneren Feind, der nicht weniger gefährlich ist. „Wer die Sünde tut, der ist der Sünde Knecht”. - Johannes 8:34 Sünder handeln immer gegen ihr wahres Lebensinteresse. Wie könnten sie das tun, wenn sie nicht unter einer Verführungsmacht stünden, die sie zur Sünde drängt? Sie sind Knechte, handeln nicht frei nach Vernunft, sondern unfrei, zu ihrem Schaden, in dem Maße, indem sie der Sünde, der Lieblosigkeit und dem Eigenwillen unterliegen.

Ein Gefühl dieser Sklaverei und des Schadens, den die Sünde bringt, indem sie uns von Gott trennt, empfinden viele. Einige beruhigen ihr böses Gewissen durch „gute Werke”, besonders solche, die andere Menschen sehen können. Dann werden die Menschen sie frei sprechen von ihren Sünden. Wenn nur die Menschen sie frei sprechen, so sprechen sie sich auch selbst frei. Aber können gute Werke unsere bösen Werke ungeschehen machen? Und können sie das vor Gott? Vor Ihm eben nicht.

Sünden vergeben kann nur Gott in Jesu Christo - durch Seine Kirche sogar, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Aber niemand kann sich selbst frei sprechen, weder vor einem irdischen noch vor einem himmlischen Gerichtshof. Das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner zeigt uns das sehr eindrucksvoll: „Jesus sprach aber auch zu etlichen, die auf sich selbst vertrauten, daß sie gerecht seien, und die übrigen für nichts achteten, dieses Gleichnis: Zwei Menschen gingen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer und der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand und betete bei sich selbst also: O Gott, ich danke dir, daß ich nicht bin wie die übrigen der Menschen, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche, ich verzehnte alles, was ich erwerbe. Und der Zöllner, von ferne stehend, wollte sogar die Augen nicht aufheben gen Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: O Gott, sei mir, dem Sünder, gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus vor jenem; denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; wer aber sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.” - Lukas 18:9 - 14

Wie rechtfertigt sich der Pharisäer? Durch den Vergleich mit den schlechtesten Menschen. Aber ein solcher Vergleich hat vor Gott keinen Bestand. Weder mit Selbstzufriedenheit, noch mit frommen Bräuchen läßt Er sich zufriedenstellen. Er gibt dem Pharisäer keinen Frieden, keine Rechtfertigung, weil dieser zufrieden mit sich selbst ist - zufrieden und satt. Wie bald aber wird er sich ärgern müssen über die anderen, welche gar nicht wissen und sehen, was für ein prächtiger Mensch da vor ihnen steht.

Der Zöllner kann sich nicht selbst rechtfertigen. Er gehört zu der geschmähtesten Menschenklasse. Er appelliert an die Gnade Gottes. Darum möchte er wenigstens sein Verhältnis zu Gott in Ordnung bringen. Und er empfängt die Gewißheit der Vergebung. Gott ehrt die, welche Ihn ehren und einen hohen Begriff von Ihm haben. Diesen allererhabensten Begriff von Gott vermittelt uns der Sohn des Menschen - und damit macht er uns wirklich frei.

Unfreiheit ist die tiefste Erniedrigung und Kränkung des Menschen, und es ist begreiflich, daß alle nach Freiheit streben. Wir können das nur loben. Dabei können wir unmöglich übersehen, daß diese Freiheitskämpfer im besten Falle die eine oder andere Freiheitsbeschränkung beseitigen können, aber niemals die Unfreiheit an sich, weil sie der letzten Ursache der Unfreiheit, der Sünde und dem Tode, nichts entgegenzusetzen haben. Meistens erkennen sie diese Ursache nicht einmal und halten eine verhältnismäßige Freiheit bereits für das Ziel. Diese Grundtatsachen unseres Lebens erklärt die Wahrheit, die der Menschensohn offenbart, aber in vollem Maße: Er hat den Tod überwunden und die Sünde beseitigt.

Wer in diesem Glauben steht, überwindet die Welt; denn „dies ist der Sieg, der die Welt überwindet, unser Glaube.” - 1. Johannes 5:4 Das heißt: Wer in dem Kampf zwischen Finsternis und Licht, der sich in dieser Welt abspielt, standhaft auf der Seite Jesu steht, der kann von der Finsternis so wenig überwunden werden als sein Herr und Meister von ihr überwunden werden konnte. Das zeigt uns, daß er wahrhaft frei ist.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung