Zerschellen werden sie an ihrer eigenen Last

„Was ist Wahrheit?” - lautete die Frage des Pilatus an unseren Herrn Jesus zum Ende seiner ersten Gegenwart auf dessen Worte: „… Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen; jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme. …” (Johannes 18 Verse 37 und 38)

Pilatus stellte diese Frage zu Recht - er war ein Heide, einer aus den Nationen; und er kannte nicht die Schriften, nicht die Wahrheit - und so konnte er auch unseren Herrn nicht erkennen und überlieferte ihn dem Volke Israel. Und dennoch, wenn wir das Evangelium des Johannes lesen, empfinden wir da nicht eine gewisse Zuneigung für diesen Pontius Pilatus, einen aus den Nationen? Aber warum? Er war doch verantwortlich für die Kreuzigung unseres Heilandes! - Aber halten wir einen Moment lang inne und überlegen wir noch einmal: War er wirklich verantwortlich? Wir können weiter lesen: „… Nach diesen Worten ging er wieder zu den Juden hinaus und sagte zu ihnen: „Ich finde keinerlei Schuld an ihm.” (Johannes Kapitel 18 Vers 38) Und vergessen wir nicht, daß Pilatus ein Heide ohne jegliche Erkenntnis war. Wenn also das Maß an Erkenntnis das Maß der Verantwortung bestimmt - welche Verantwortung trug dann Pilatus am Ende des Jüdischen Zeitalters? Und welche Verantwortung tragen diejenigen, die die Schriften kennen, heute, am Ende des Evangeliums-Zeitalters?

Laßt uns über die Verantwortung all derer nachdenken, die sich als Christen bezeichnen - über ihre Verantwortung gegenüber der Wahrheit und dem Herrn gegenüber - und laßt uns ganz besonders auch über unsere eigene Verantwortung nachdenken. Und laßt uns auch darüber nachdenken, daß es nur einen einzigen Gegensatz zur Wahrheit gibt - die Unwahrheit, wir können es auch einfach „die Lüge” nennen.

In keiner Zeitepoche vor uns waren die Schriften klarer, hatte sich mehr von all ihren Prophezeiungen erfüllt als in unseren Tagen, am Ende es Evangeliums-Zeitalters. Daher ist für uns von besonderem Wert die Offenbarung, die uns innerhalb dieses Zeitalters sowohl zurückblicken als auch in das Königreich Gottes einen winzigen Spalt hineinblicken läßt. Auch in ihr lesen wir viel über die Verantwortung. So zum Beispiel in den Sendschreiben an die sieben Versammlungen der sieben Zeitabschnitte des Evangeliums-Zeitalters; aus ihnen erfahren wir viel über die Verantwortung - und die Nachlässigkeiten und Fehler im Umgang mit ihr.

Das Sendschreiben an die Versammlung zu Philadelphia beginnt mit den Worten: „… So spricht der Heilige, der Wahrhaftige, der den Schlüssel Davids hat, er, der da öffnet, so daß niemand wieder zuschließen wird, und der da zuschließt, so daß niemand wieder öffnet. …” (Offenbarung Kapitel 3 Vers 7).

Bei der Epoche der Versammlung zu Philadelphia handelt es sich um die der Reformation, während der die Heilige Schrift in alle Sprachen übersetzt und damit dem gesamten Erdkreis zugänglich gemacht wurde. Mit der Formulierung „… der da öffnet, so daß niemand wieder zuschließen wird, …” werden in diesem Zusammenhang die Vorgänge der Reformation und der religiösen Aufklärung umschrieben. Diese Tür unterscheidet sich deutlich von der zur Hohen Berufung, die nie „aufgeschlossen” werden mußte.

Zwar wird auch sie eines Tages geschlossen werden - aber Sie war während der Philadelphia-Epoche durch den Opfertod unseres Herrn bereits geöffnet.

Das im siebten Vers des 3. Kapitels der Offenbarung erwähnte „Öffnen” bewirkte die Beendigung der Verdunklung der Heiligen Schrift während des Mittelalters und eröffnete den Weg zu der tiefen Erkenntnis, in der wir uns heute befinden dürfen. Der, der die Öffnung dieser Tür durch sein Eingreifen bewirkte, und dem der Schlüssel Davids anvertraut ist, ist unser Heiland. Sie bedeutet sowohl die Möglichkeit, die Schriften kennen und studieren zu dürfen als auch die Gelegenheit, ein Zeugnis für die Wahrheit ablegen zu können und zu sollen. Und es bedeutet als Schlußfolgerung alldessen auch, mit diesen Gütern verantwortungsbewußt umzugehen. Dies wiederum brachte die schwere Verantwortung mit sich, die Wahrheit ständig zu prüfen, unbefleckt zu halten und sie nicht durch Irrlehren zu entstellen und so den Namen unseres Herrn zu verleugnen.

Das „Schließen” der Tür letztlich, von dem hier in Offenbarung Kapitel 3, Vers 7, die Rede ist, wird zu einem Zeitpunkt eintreten, auf den uns der Herr bereits in seinen Worten an die Jünger hinwies, als er sagte: „Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, in der niemand wirken kann.” (Johannes Kapitel 9 Vers 4) Dies wird zu einer Zeit sein, da es für die wahren Heiligen unmöglich sein wird, Zeugnis von der Wahrheit abzulegen, es wird kein höhrendes Ohr mehr geben, welches dazu bereit ist, sich mit dem großartigen Plan Gottes zu befassen.

Wie aber soll dies geschehen? Was ist seit der sechsten Epoche, der Versammlung zu Philadelphia, bis heute geschehen, um diesen Prozeß des erneuten Anbrechens einer „Nacht” in Gang zu setzen? Und was hat dies mit unserer Verantwortung gegenüber der Wahrheit und unserem Herrn zu tun?

Laßt uns hierzu den, der den Schlüssel Davids trägt, aus einem anderen Licht betrachten - aus der Sichtweise des 22. Kapitels des Propheten Jesaja. Es sind die Worte und Gedanken unseres Himmlischen Vaters, die in den Versen 20 bis 25 lauten:

„»An jenem Tage aber wird es geschehen, daß ich meinen Knecht Eljakim, den Sohn Hilkias, berufe. Ihn will ich mit deinem Amtsgewand bekleiden und … und deine Amtsgewalt in seine Hand legen, damit er den Bewohnern Jerusalems und dem (ganzen) Hause Juda ein Vater werde. Ich will ihm den Schlüssel zum Hause Davids auf die Schulter legen, so daß, wenn er aufschließt, niemand zuschließen kann und, wenn er zuschließt, niemand öffnen darf. Als einen Pflock will ich ihn an einer festen Stelle einschlagen, und er soll ein Ehrenstuhl für das Haus seines Vaters werden.« Aber wenn sich dann an ihn die ganze vielköpfige Menge seines Vaterhauses hängt: die Sprößlinge und Schößlinge, alle die kleinen Gefäße vom Beckengeschirr an bis zu sämtlichem Kruggeschirr: »An jenem Tage« - so lautet der Ausspruch des Herrn der Heerscharen - »wird der Pflock, der an fester Stelle eingeschlagen war, nachgeben, wird abbrechen und herunterfallen, und die Last, die an ihm hing, wird zerschellen (= zugrunde gehen); denn der Herr hat es ausgesprochen.«”

Wenn wir dieses Bild aus Jesaja übersetzen, so sollten wir dort beginnen, wo es in der Reformationsepoche des Evangeliums-Zeitalters seinen Anfang nahm. Wir sollten es in kleinen Abschnitten betrachten, um nichts in diesem Bilde zu übersehen oder falsch auszulegen. Wenn wir dies tun, was erkennen wir?

Mit großer Macht begann nach der Reformation die Wahrheit Verbreitung zu finden. Zunehmend mehr Menschen erlangten größere Erkenntnis über den Plan Gottes und der Zeitalter und beschäftigten sich damit, die Wahrheit zu verkünden. Der Opfertod unseres Herrn als der wichtigste Bestandteil im Erlösungsplan wurde nach Jahrhunderten der Verschleierung der Menschheit gegenüber erneut und mit einer nie zuvor dagewesenen Kraft verkündet.

Der Prophet Jesaja spricht darüber als dem „an einer festen Stelle eingeschlagenen Pflock”, und wahrlich, fest gegründet auf der Heiligen Schrift, von ihr bezeugt und in ihr verwurzelt - geradezu wie in sie hineingetrieben und in ihr verankert - wurde der Herr zur Ehre Gottes den Menschen offenbart.

In der weiteren Beschreibung dieses Bildes erkennen wir jedoch nicht nur Ereignisse, die unserem Herrn und dem Himmlischen Vater zur Ehre gereichen. Die Prophezeiung aus Jesaja spricht auch davon, daß sich „die ganze vielköpfige Menge seines Vaterhauses” an diesen Pflock hängen wird, so das dieser nachgeben, abbrechen und fallen wird. Kann hier, bei diesem scheinbar plötzlichen Wechsel des Bildes von einem starken Pflock zu einem stürzenden, immer noch die Rede von unserem Heiland sein? Sollte er zu Fall kommen? Viele Bibelgelehrte aus der Namenchristenheit behaupten, an dieser Stelle sei nicht mehr die Rede von Christus, dem Gesalbten. Sie sprechen aus mehreren Gründen davon, daß hier etwas anderes, nicht aber unserer Heiland gemeint sei.

Zum einen nehmen sie die Darstellung wörtlich - sie können den Geist dieser Worte und damit auch seine symbolische Bedeutung nicht erkennen.

Zum anderen gibt es für die Namenchristenheit keine Fortführung der Zeitalter; sie können für die Welt nach dem Evangeliums-Zeitalter das Millenniums-Zeitalter nicht erkennen und verstehen daher nicht, daß das Ende in diesem Bild auch zugleich einen neuen Anfang markiert.

In der direkten Verbindung der Bücher Jesaja und Offenbarung miteinander können wir dies jedoch anders erkennen, verstehen und auch begründen, was hiermit genau gemeint ist.

Selbstverständlich stellt der eingeschlagene Pflock in festem Grund einen bestimmten Aspekt unseres Herrn Jesus dar - er stellt nicht seine Person, sein Dasein, sondern die Kraft der Verkündigung seines Opfertodes und die Aufklärung über Gottes Plan im Anschluß an die Reformation dar; er stellt ihn als den angekündigten, kommenden König über die Schöpfung, als den Träger der Wahrheit, dar. Daß man ein solches Bild nicht wortwörtlich nehmen kann, ergibt sich aus den gesamten Umständen dieses Bildes. Tatsächlich und buchstäblich hängen sich ja auch keine Menschen an unseren Heiland. Was also sollte uns dazu veranlassen, einen Teil des Bildes symbolisch, einen anderen dagegen buchstäblich zu verstehen? Wir können es logischer Weise daher nur so verstehen, daß mit dem fallenden Pflock der Herr nicht als ein Wesen zu betrachten ist. Vielmehr sind es sein Geist und die Erkenntnis über die Wahrheit, die seit der Epoche der Reformation zum Anlaß genommen wurden, sich unter dem Deckmantel des Glaubens ein eigenes Glaubensgebäude zu errichten, es nach Außen hin nach dem Herrn zu benennen, aber in Wirklichkeit eigene, nicht schriftgemäße Ziele zu verfolgen. Dies trägt zu einer äußeren Belastung dieses Geistes des Herrn und der Wahrheit bei, in deren Verlauf die Wahrheit dem Erdkreis wieder verloren geht.

Natürlich kommt daher unser Erlöser nicht buchstäblich als Existenz zu Fall, denn ihm ist die Herrschaft vom Vater gegeben worden und niemand kann sie ihm nehmen. Der hier bildhaft dargestellte „Fall” - oder vielmehr Rückfall - in die Finsternis und Verwirrung des Glaubens zum Ende des Evangeliums-Zeitalters begann mit dem Übergang von der Philadelphia- zur Laodicäa-Periode und zunächst mit einer Hochphase der Erkenntnis.

Über die Laodicäa-Periode, die Periode des siebten und letzten Sendboten des Evangeliums-Zeitalters, schreibt die Offenbarung: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört, und die Tür auftut, so werde ich bei ihm eintreten und das Mahl mit ihm halten und er mit mir.” (Offenbarung Kapitel 3 Vers 20) und in Matthäus Kapitel 24 Vers 46 lesen wir: „Selig ist ein solcher Knecht zu preisen, den sein Herr bei seiner Rückkehr in solcher Tätigkeit antrifft.”

Viele waren zum Ende der Philadelphia-Epoche tätig, verkündeten die Wahrheit, den Herrn und warteten auf seine Rückkehr, das Anklopfen an der Tür. Doch nur ein treuer Knecht erkannte ihn als den Anklopfenden, tat ihm die Tür auf und war im Geiste der Wahrheit und im Sinne des Herrn tätig.

Was aber war mit all den anderen? Wenn wir das Bild aus Jesaja Kapitel 22 bewußt und mit Nüchternheit betrachten, sehen wir, was seither geschah, noch geschieht und damit wird uns auch vor Augen geführt, was den Fall des fest eingeschlagenen Pflocks herbeiführt. Es ist: „… die ganze vielköpfige Menge seines Vaterhauses … die Sprößlinge und Schößlinge, alle die kleinen Gefäße vom Beckengeschirr an bis zu sämtlichem Kruggeschirr…”

Der Fall in die Finsternis, die erneute Verdunkelung der Wahrheit, wird nicht durch die Nationen herbeigeführt, nicht durch Heiden. Es sind „Sprößlinge und Schößlinge aus der Menge des Vaterhauses” wie es die Heilige Schrift audrückt: mit anderen Worten sind es diejenigen, die sich Christen nennen. Es sind solche, die sich nach dem Namen Gottes nennen und sich auf den Christus berufen. Und doch: indem sie sich ihm nähern, schließen sie sich ihm nicht an und folgen ihm, sondern sie werfen sich auf ihn, so daß sie das ganze Maß der Erkenntnis Stück für Stück verdecken, auf dieser gegenwärtigen Welt wieder vor den Menschen verbergen.

Aber ist das, was sich uns da zeigt, nicht ein schier unglaubliches Bild? Sollten wir etwa noch an anderer Stelle in der Bibel die Erfüllung dieser Prophezeiung erkennen können? Oh ja, wir können! Was es mit dieser Last auf sich hat und wer diese Sprößlinge sind, wird uns durch ein anderes Bild im Propheten Jesaja erklärt, im 4. Kapitel. Dort ist dasselbe Bild durch Weiber dargestellt, die einen Mann ergreifen. Wir lesen: „An jenem Tage werden sieben Frauen sich an einen Mann klammern und ausrufen: »Unser eigenes Brot wollen wir essen und uns in unsere eigenen Gewänder kleiden; nur laß uns deinen Namen führen: mache unserer Schande ein Ende!«” (Jesaja Kapitel 4 Vers 1). In der Bibel-Übersetzung nach Menge wird zum Begriff „Schande” in Klammern das Wort „Ehelosigkeit” hinzugefügt.

Daß es sich bei diesen so unterschiedlichen Bildern dennoch um die Umschreibung ein und derselben Begebenheit handelt, ist aus verschiedenen Details erkennbar. Da ist zunächst die besondere Bezeichnung des Zeitpunktes dieser Ereignisse; sowohl in Jesaja Kapitel 22 zum fallenden Pflock als auch in Jesaja Kapitel 4 zu den sieben Weibern wird die Umschreibung „an jenem Tage” verwendet, die sich in der Heiligen Schrift im allgemeinen auf das Ende des Evangeliums-Zeitalter bezieht. Bereits hieraus können wir ableiten, daß es sich bei den hier prophezeiten Ereignissen zumindest um solche handelt, die in derselben Epoche stattfinden.

In Jesaja Kapitel 4 klammern sich sieben Frauen an einen Mann. Dieser Mann ist unser Heiland Jesus Christus - an welchen Mann außer unserem Herrn könnte sich sonst flehender Weise ein anderer klammern? Frauen bezeichnen - besonders im Neuen Testament, in den Gleichnissen und der Offenbarung - Kreise von Gläubigen. Und „eine Frau” wird im Neuen Testament besonders erwähnt - die Hure Babylon - ein Bild der Namenchristenheit. Sie ist die Erzrivalin der „Braut Christi”, der wahren Kirche, die unserem Herrn versprochen ist. Die Braut muß sich nicht flehend an den Herrn klammern - sie ist sein, ihm versprochen und mit ihm „ein Fleisch”. Die sich Klammernde kann also nur die Hure Babylon sein.

In dem uns in Jesaja Kapitel 4 gezeigten Bild sind es auch nur deswegen mehrere Frauen, um uns zu zeigen, wie sich das Bild der Namenchristenheit, der Hure Babylon, darstellt: Es sind sieben, um ihre Vollständigkeit anzuzeigen. Nicht als sofort erkennbare Einheit, sondern als eine Fülle von Denominationen, Glaubensrichtungen, von denen die eine groß und mächtig, die andere unscheinbar, ja unbedeutend anmuten mag, stellt sie sich in dieser Vollständigkeit dar. Eines haben alle jedoch gemeinsam - Babylon ist, wo Verwirrung herrscht, wo die Wahrheit keinen Raum hat.

Daß es sich um solche handelt, wird aus dem Bild von den sieben Frauen deutlich. Zum einen erkennen sie offensichtlich selbst, daß sie niemandem „als Braut” zugehörig sind, denn sie bitten den Herrn flehentlich darum, ihrer Schande - ihrer Ehelosigkeit - ein Ende zu bereiten. In diesem Zusammenhang werden diejenigen, die Irrlehren verbreiten und nicht dem Herrn folgen, in der Heiligen Schrift mehrfach als Hure - einer Person der Schande - bezeichnet. Was uns auch dahin führt, die hier dargestellten Frauen in ihrer Schande als Vertreter eines falschen Glaubens - falscher Lehren - klar zu erkennen.

Und die beiden Aussagen der Weiber selbst zeigen, wer sie wirklich sind:

-   unser eigenes Brot wollen wir essen

-   in unsere eigenen Gewänder wollen wir uns kleiden

sind die Ausrufe, die sie dem Herrn entgegenbringen.

Aber ist es nicht besser und sogar entlastend für einen Mann, wenn er seine Weiber weder nähren noch kleiden muß und diese für sich selbst sorgen können? Derartige Gedanken passen sicherlich in eine materialistische und nach Reichtum trachtende Welt. Schauen wir uns jedoch an, was dies in Bezug auf die Wahrheit bedeutet:

„Brot” ist in der Heiligen Schrift ein Symbol der Lehre; es stellt somit die Wahrheit dar - unsere geistige Speise. Eine geistige Natur kann sich nur von der richtigen geistigen Speise so ernähren, daß sie wächst und sich entwickelt. Für die wahre Kirche bedeutet „Brot” hier also die Speise der richtigen Lehre - und für uns am Ende des Evangeliums-Zeitalters ganz besonders auch die Speise zur rechten Zeit; die Speise der rechten und vollständigen Erkenntnis. Diejenigen, die ihr eigenes Brot essen, werden daher nicht von der wahren, reinen Lehre gespeist. Von solchen können wir viel eher annehmen, daß sie sich am Sauerteig falscher Lehren sättigen.

Die „Gewänder” stellen die Kleider der Gerechtigkeit Christi dar. Diejenigen, die in der Wahrheit sind und wahren Glauben haben, erhalten diese Gewänder von unserem Herrn als eine Art Leihgabe und müssen allezeit darauf bedacht sein, diese Kleider nicht zu verunreinigen. Welche Ursache also könnte es haben, daß es jemand ablehnte, eine solch kostbare Leihgabe anzunehmen, um sorgfältig darauf zu achten? Ist es die Sorge, die Kleider doch zu beschmutzen? Nein, diese kann es nicht sein, denn wer die Wahrheit kennt weiß, daß unser Herr seine Kirche beschützt und sie ihre Kleider in seinem Blute allezeit reinwaschen kann, wenn sie treu in seinen Fußstapfen wandelt. Es gibt nur einen Grund, daß jemand den Wert dieser Leihgabe kennt, und sie doch zurückweist: Mit dem Eigensinn, auf diese Leihgabe nicht angewiesen sein zu wollen - dem Trugschluß erlegen, sie gar nicht zu benötigen und deshalb auch nicht die Kraft aufbringen zu wollen, sorgsam darauf achten zu müssen, will ein solcher lieber eigene Kleider nach seinem eigenen Gefallen tragen.

Von diesem Blickwinkel aus betrachtet ist das Ansinnen der sieben Frauen an unseren Herrn geradezu niederträchtig: Seinen Namen wollen sie tragen, damit niemand ihre Schande des Unglaubens sehe. Das aber bedeutet, daß sie ihre Schande erkannt haben, auch wenn sie dies nicht offen bekennen, sondern es nur in ihrem Inneren fühlen.

Und dennoch, sie wollen weder vom Brot unseres Heilands essen - sie wollen also seine wahre Lehre nicht annehmen - noch seine Gewänder tragen - sie sind also nicht danach bestrebt, seiner Gerechtigkeit zu folgen, sondern wollen Selbstgerechtigkeit üben. Und dies alles im Namen unseres teuren Erlösers Jesus Christus.

Aus diesen Umschreibungen ist für uns nur ein Schluß möglich: Bei diesen sieben Frauen handelt es sich um Symbole für Namen- und Scheinchristen, die unter dem Namen des Christus falschen Lehren anhängen. Sie bilden in ihrer Gesamtheit das Babylon der Glaubensverwirrung. Durch ihr Handeln und durch die Verbreitung von Irrlehren mißbrauchen sie die Namen unseres Himmlischen Vaters und unseres Heilandes auf diese Art.

Das Bild der sich an unseren Herrn klammernden Weiber endet an dieser Stelle. Wollen wir mehr über die Verkündigung, das Verbot, die Verklärung, das lodernde Aufflammen und das erneute Erlöschen der Flamme der Wahrheit am Ende des Evangeliums-Zeitalters erfahren, müssen wir an einer anderen Stelle der Bibel weiterforschen.

Laßt uns daher an dieser Stelle, mit dem Bild der Frauen vor Augen, die sich mit übelsten Absichten an unseren Herrn klammern, zurückkehren zum Bild des an einer festen Stelle in die Erde getriebenen Pflockes. Die zuvor mit Frauen oder Weibern Umschriebenen, die Babylon bilden, werden hier mit den Begriffen: „ganze vielköpfige Menge seines Vaterhauses”, „die Sprößlinge und Schößlinge, alle die kleinen Gefäße vom Beckengeschirr an bis zu sämtlichem Kruggeschirr” umschrieben. Beschrieben wird hier nicht etwas Großes, Schweres und Gewaltiges, das auf den ersten Blick zu erkennen ist und dem man daher leicht ausweichen kann. Die erdrückende Kraft muß also auf eine andere Weise zustande kommen. Hören wir also genauer darauf, was uns diese Worte beschreiben:

Was uns hier vor Augen geführt wird, sind nicht nur Vereinigungen oder Organisationen, sicherlich sind sie das auch, aber vorrangig und in erster Linie spricht die Schrift hier von einer unzähligen Menge von Einzelpersonen, von denen jede sich an den Herrn hängt, eigene Lehren verbreitet und eigene Gerechtigkeit übt und sich doch nach dem Namen des Chistus nennen will.

Halten wir uns ein solches Bild vor Augen: Massen von Menschen stürmen auf einen einzelnen ein - auf eine einzelne - auf die Einzige - auf die durch den Geist des Herrn geoffenbarte Wahrheit. Im Bild unserer anfänglichen Betrachtung aus dem 22. Kapitel des Propheten Jesaja wird die Masse dieser Untreuen und Irrigen als „Geschirr” bezeichnet, das sich an den Pflock hängt. Und bei diesem Anhängen wird der Pflock mit jedem Teil ein wenig mehr verdeckt, bis schließlich nichts mehr von ihm zu sehen ist. So ist es auch in unserem gegenwärtigen Zeitalter:

Seit die Reformation der Menschheit zunehmend das heller scheinende Licht der zunehmenden Erkenntnis gebracht hat, was hat sie daraus gemacht? Selbstverständlich wissen wir, daß die Heilige Schrift nicht für die gesamte Menschheit dieser Weltzeitordnung, sondern vorrangig für die wahre Kirche des Herrn niedergeschrieben ist. Und dennoch - wie viele hatten die Wahrheit oder zumindest einen Schimmer von ihr bereits erkannt? Und prüfen wir, was von alldem heute noch übrig ist:

Welche Gruppierung sogenannter Christen kann erklären, was es bedeutet, daß unser Heiland für alle Menschen gestorben ist, kann das Lösegeld überhaupt erklären?

Wieviele, die sich Christen nennen, verstehen, daß die allgemeine Auferstehung der gesamten Menschheit nicht in einem träumerisch ausgemalten Himmel, sondern in einem kommenden Zeitalter auf dieser Erde stattfinden wird?

Wieviele, die gleichwohl eine gewisse Erkenntnis besitzen, leugnen bis heute das Recht auf eine Auferstehung unseres vollkommenen Stammvaters Adam, für den allein doch auch nur ein vollkommenes Lösegeld dargebracht werden mußte?

Wieviele Namenchristen glauben überhaupt an eine Auferstehung?

Wieviele Denominationen verkünden - anders, als unser Herr dies bezeugte und seinen Nachfolgern zu verkündigen auftrug - die ewige Verdammnis oder den Tod all derer, die sich nicht jetzt, hier und heute, ihren Organisationen anschließen und ihre Lehren annehmen?

Welche sogenannten Glaubensgemeinschaften haben die Hohe Berufung der Braut Christi erkannt und verstanden, daß die Zugehörigkeit zu ihr nicht auch von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Organisation abhängt?

Wieviele derer, die die Wahrheit bereits erspähten, erwarten eine Wiederkunft unseres Herrn Jesus in einer menschlichen, sichtbaren Gestalt, wo er doch genau diese opferte, um uns vom Tode zu erkaufen?

Wieviele sogenannter Christen schließlich sind heute der Überzeugung, daß Jesus Christus nicht Gottes Sohn, sondern nur eine besonders herausragende Person ihrer Zeit mit hervorragenden und liebevollen Eigenschaften war?

Wieviele haben sogar aufgehört zu Wachen und zu Beten, denn obwohl unser Herr es ihnen selbst genau so ankündigte, wollen sie nicht glauben, daß er tatsächlich wie ein Dieb in der Nacht zurückkehrte und bei seiner Rückkehr den klugen und treuen Knecht - den siebten Sendboten - in seinem Sinne tätig vorfand?

Schließlich und endlich, wieviele betrüben durch ihre eigenen und falschen Lehren den Geist des Herrn, verschleiern ihn selbst vor den Suchenden, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen und Macht in dieser Welt zu gewinnen?

All diese sind es, die sich an unseren Herrn und die Wahrheit hängen, sie so verbergen und belasten, bis schließlich das eintreten wird, was im 22. Kapitel des Propehten Jesaja vorausgesagt wird: „Aber wenn sich dann an ihn die ganze vielköpfige Menge seines Vaterhauses hängt: die Sprößlinge und Schößlinge, alle die kleinen Gefäße vom Beckengeschirr an bis zu sämtlichem Kruggeschirr: »An jenem Tage« - so lautet der Ausspruch des Herrn der Heerscharen - »wird der Pflock, der an fester Stelle eingeschlagen war, nachgeben, wird abbrechen und herunterfallen, und die Last, die an ihm hing, wird zerschellen (= zugrunde gehen); denn der Herr hat es ausgesprochen.«”

Wenn wir die Stelle genau betrachten, so stellen wir fest, daß der Pflock zwar nachgeben, abbrechen und herunterfallen wird, jedoch lesen wir nicht, daß er dabei zu Schaden kommt. Das einzige, von dem wir lesen, daß es zugrunde gehen wird, wird die sich an ihn hängende Last sein. Das Geschirr, all die selbstsüchtigen Sprößlinge und Schößlinge werden zerschellen. Zerschellen werden sie an ihrer eigenen Last.

Alles, was übrigbleibt, ist ihr eigenes Zerschellen, das Zugrundegehen Babylons, der Verwirrung des Glaubens.

Ein jeder, der sich nach dem Namen Christi nennt, sollte sich selbst alle Tage prüfen, zu welchen er gehört: zu denen, die sich selbst verleugnen und dem Christus folgen - oder zu solchen, die versuchen, sich auf den Christus zu werfen und ihn so verbergen. Die Gefahr ist groß, der Verlockungen sind viele. Daher laßt uns bestrebt sein, nicht zu denen zu gehören, die irren und im Glauben fehl gehen. Es wird uns deutlich vor Augen geführt, welches Schicksal diese erleiden. Denn beschrieben wird in Jesaja Kapitel 22 das Ende des Evangeliums-Zeitalters, an dem das Ende dieser Weltzeitordnung steht, das Ende der Verwirrung, die Zerstörung aller lästerlichen Systeme.

Nicht der einzelne wird vernichtet oder muß Höllenqualen leiden - das wissen wir. Welche Schmach aber wird es für solche werden, die erkennen müssen, daß sie dem Herrn nicht gedient, sondern ihn durch ihre Werke betrübt haben. Denn nach alldem wird die Wahrheit bleiben - und nicht durch Glauben, sondern durch Schauen wird sie dann aller Welt und vor allen Menschen bekannt gemacht - und jeder wird sich auch des Zeugnisses erinnern, das die gegeben haben, die sich einst Christen nannten.

Wir sollten sehr behutsam sein. Wir sollten das Verdienst unseres Herrn nicht mit eigenen Lehren und Gedanken belasten, die nicht schriftgemäß sind. Laßt uns daher allezeit die Schriften sorgsam erforschen und studieren - laßt uns dies in Gemeinschaft tun und dabei keinen Gesichtspunkt der Heilige Schrift auslassen.

Laßt uns ein liebevolles Zeugnis ablegen, jeden Tag, allen Menschen gegenüber. Haben wir allen anderen Christen der vergangenen Jahrhunderte und selbst unserem Herrn während seiner ersten Gegenwart nicht etwas Unschätzbares voraus? Der gesamte Plan Gottes ist niedergeschrieben worden. Er wurde in alle Sprachen dieser Welt übersetzt. Jeder kann sich selbst von der Schlüssigkeit und Logik des Planes überzeugen, jeder die Liebe Gottes zu Seiner Schöpfung in ihm selbst erkennen. Jeder kann die Heilige Schrift selbst lesen. Und uns ist noch viel mehr zuteil geworden: die Schriften sind uns vollständig geoffenbart worden. Alles ist klar und verständlich und wenn wir gefragt werden, könnten wir den Plan Gottes erklären.

Wir sollten die Menschen um uns herum nicht um jeden Preis mit der Wahrheit konfrontieren, wir sollten sie auch nicht ängstigen oder ihnen ein Zeugnis aufbürden, wenn sie es nicht wünschen oder wir bemerken, daß dies in einem Streit enden könnte. Dazu ist dieses Gut zu kostbar. Aber es gibt für uns in unserem Alltag, auch am Ende des Evangeliums-Zeitalters, die eine oder andere Gelegenheit, in Liebe vom Plan Gottes zu erzählen, zu Trösten und die Menschen aufzurichten. Wir können alle Wege, die den Menschen in der Schrift aufgezeigt sind, darlegen und jeder einzelne, dem wir davon berichten, kann selbst beurteilen und entscheiden, welchen Weg er gehen mag. Die Vorsorge für alle Dinge, das Urteil darüber, fällen ohnehin keine Menschen - auch wir nicht - sondern nur der Herr. So denken und handeln diejenigen, die nicht die Wahrheit haben, letztlich nicht, denn sie wollen die Menschen nicht für den Herrn, sondern für sich gewinnen - sie nicht von einem Schuldlosen überzeugen, sondern für einen Schuldigen, einen Sünder - sich selbst - einnehmen.

Tut sich uns eine Gelegenheit auf, so laßt uns ungeachtet seiner Person jedem gegenüber ein freudiges Zeugnis geben, denn wir können aus dem reichen Schatz der Schriften und ihrer Entschlüsselung schöpfen. Keiner kann uns das nehmen, solange der Herr es zuläßt; und nur so können wir dem hohen Maß an Verantwortung, das sich aus unserer tiefen Erkenntnis ergibt, auch gerecht werden.

Begegneten wir heute - während der zweiten Gegenwart unseres Herrn - dem Pilatus und er würde uns die Frage stellen: „Was ist Wahrheit?” - Ich denke, wir hätten ihm Vieles und Wunderbares zu antworten.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung