Des Christen Leben und Lehre |
Inbrünstig im Gebet und - „hierzu wachend”
„Zu aller Zeit betend mit allem Gebet und Flehen in dem Geiste, und eben hierzu wachend in allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen.” (Epheser 6:18)
Das Gebet ist ein wunderbares Vorrecht. Eine große Gunst besteht für uns darin, daß es uns gestattet ist, uns dem erhabenen Beherrscher des Weltalls mit unseren Bitten zu nähern. Wir sollten daher im Geiste tiefer Wertschätzung, Demut und Ehrfurcht vor Ihn treten. Je größer unser Ernst ist, um so annehmlicher werden unsere Gebete sein, und um so größere Segnungen werden wir empfangen.
Viele Gebete sind lediglich formeller Art. Die Schrift bezeichnet ein Gebet als formell, wenn sich jemand Gott mit den Lippen nähert, während sein Herz fern von Ihm ist. (Jesaja 29:13; Matthäus 15:7 - 9) Es wäre besser, sich dem Herrn überhaupt nicht zu nähern, als sich Ihm auf ungebührliche Weise zu nähern. Wer nur Worte mit seinen Lippen spricht, betet nicht. Ein Christ soll Gebete nicht einfach dahersagen, sondern er soll beten. Wir sollen nicht ein Wort im Gebet sagen, das wir nicht auch so meinen, und das nicht der Ausdruck unserer Gesinnung ist. Schon viele haben sich selbst dadurch geschadet, daß sie lediglich auf formelle Art beten.
Wenn wir zum Vater kommen, so sollten wir uns Ihm mit unserem Geist nähern - mit dem Herzen, dem Verständnis, dem Gemüt - egal, ob das Gebet lang oder kurz ist. Laßt uns mit wahrer und ernster Hingabe vor Ihm erscheinen, mit demütigem Flehen, damit Er unser sehnliches Verlangen erkennt. Unser Herr sagte daher auch, daß der Vater solche als Anbeter sucht, die Ihn in Geist und in der Wahrheit anbeten. Ohne den Geist des Gebetes sind unsere Bitten wertlos.
Dem Vater können sich nur diejenigen im Gebet nahen, die Seine Bedingungen angenommen haben und durch den großen Fürsprecher als Söhne in Beziehung zu Ihm getreten sind. Die anderen sind Fremdlinge und Außenstehende. Es besteht ein Unterschied zwischen Anbetung oder Danksagung und dem Gebet. Manche Menschen beten Gott an, indem Sie Ihn verehren oder Huldigung zum Ausdruck bringen. Diese Menschen beugen die Knie und bringen Dank und Wertschätzung zum Ausdruck, aber das Vorrecht, sich Gott mit Bitten zu nähern, beschränkt sich nur auf diejenigen, die in Christo angenommen worden sind. Auch zwischen Gebet und Flehen besteht ein Unterschied. Der Begriff Gebet umschreibt jede große oder kleine Bitte. Der Begriff Flehen bezeichnet hingegen ein besonderes, sehnsüchtiges Begehren nach etwas, nach dem ein inbrünstiges Verlangen besteht. Sei es nun ein gewöhnliches Gebet oder ein sehnsüchtiges Beten oder Flehen - wir sollten uns Gott stets mit unserem Geist nähern, mit einer Wertschätzung der Tatsache, daß wir in die Gegenwart des großen Schöpfers eintreten, und daß wir, wenn wir dies tun, ein großes Vorrecht genießen.
„Hierzu wachend”
Der Apostel Paulus fügt hinzu, „hierzu wachend”. Das Wachen ist gleichbedeutend mit einer ständigen geistigen Bereitschaft. Wenn wir wirklich glauben, daß es des Herrn Wunsch ist, daß wir um die Dinge bitten, die wir bedürfen, und daß Er uns diese Dinge auch geben will, so sollten wir auch in der Lage sein zu erkennen, wann wir sie empfangen. Wir sollten uns der vollen Bedeutung dessen bewußt sein, um was wir bitten. Wir sollten nur um Dinge bitten, die uns verheißen, und um die zu bitten wir berechtigt sind.
Wir sollten auch hinsichtlich der Führung der göttlichen Vorsehung wachen. Wer, nachdem er gebetet hat, vergißt, um was er gebetet hat, und der nicht sagen kann, ob er eine Antwort auf seine Bitten erhalten hat oder nicht, hat sicherlich eine große Segnung versäumt, die für ihn vorgesehen war.
Beim Gebet sollte uns bewußt sein, das wir es nicht Menschen, sondern Gott darbringen. Es soll unsere Herzen anspornen und uns in lebendige Erwartung gewisser Dinge versetzen. Es soll unser ernsthaftes Bestreben sein, unser Leben mit unseren Bitten im Einklang zu halten. Als Jesus seinen Jüngern sagte, daß sie den Herrn der Ernte darum bitten sollten, daß Er mehr Arbeiter in seine Ernte aussenden möge, meinte er damit nicht, daß sie dem Himmlischen Vater sagen sollten, was Er zu tun habe. Er meinte vielmehr, daß sie dafür Sorge tragen sollten, daß noch weitere Menschen in das Werk eintreten möchten - daß Gott Arbeiter in Sein Erntefeld sende, und daß die Jünger selbst wachsam sein sollten, um die Gelegenheiten des Dienstes zu erkennen, im Einklang mit ihren Gebeten.
Der Herr lenkte die Aufmerksamkeit häufig darauf, daß wir stets beten sollten. Beharrlichkeit ist eine in Gottes Augen wesentliche Eigenschaft. Sie setzt Geduld, Sorgfalt und Interesse voraus. Oder anders ausgedrückt steht sie mit jeder Frucht des Geistes, die das Volk des Herrn zu pflegen hat, in Verbindung. Geduld ist gut, aber sie bedarf des Ausharrens. Liebe ist gut, aber sie bedarf des Ausharrens.
Das Ausharren erzeugt nicht den Willen. Der Wille ist bereits vorhanden. Es ist der Wille, den Gott im Anfang bei uns anerkennt. Dann aber will der Herr uns durch verschiedene Erfahrungen, Prüfungen, Schwierigkeiten und Erprobungen des Ausharrens prüfen und entwickeln. Er wünscht, daß wir all die Eigenschaften, die Er anerkennt, auch tatsächlich entwickeln und dadurch einen guten Charakter erlangen. So sollte auch unser Gebet allezeit völlig im Geiste und von Herzen erfolgen. Wir sollten hierzu täglich mit Ausharren wachen, bis der Herr sieht, daß wir den Charakter erlangt haben, den Er mit einem Anteil am Königreich zu ehren vermag.
Lektionen, die durch den Verzug des Herrn gelernt werden
Unser Herr beantwortet unsere Bitten nicht immer sofort. Ein Grund dafür ist vielleicht der, daß Er möchte, daß wir lernen, in Bezug auf die Antwort zu wachen. Wir sollen dadurch die Lektionen der Wertschätzung und Dankbarkeit Ihm gegenüber lernen, wenn wir erkennen, daß Er unsere Bitten erhört hat. Wir sollten daher mit allem Ausharren beten, und sollten hinsichtlich der Antwort wachen, bis sie kommt - wir sollen nicht nur einige Minuten oder einen Tag oder eine Woche wachen. Der Herr mag es für gut befinden, die Antwort auf unsere Bitte noch zu verzögern, um entweder unseren Glauben zu prüfen oder unseren Ernst zu vermehren. Auch mag Er uns in eine bessere Herzensverfassung zum Empfang der Segnung bringen. Es nimmt Zeit in Anspruch, von sich selbst geleert und zubereitet zu werden, um die Gesinnung Christi aufzunehmen. Bei einigen ist mehr Zeit erforderlich als bei anderen.
Wir sind sicher, daß der Herr den Weg wählen wird, der für uns am besten ist, so wie ein Lehrer dies mit seinen Schülern, oder Eltern mit ihren Kindern tun. Eltern beurteilen, was für ein Kind am dienlichsten ist. So wünscht auch der Himmlische Vater uns gute Gaben zu geben. Manchmal sieht Er, daß es am besten ist, wenn wir lange Zeit warten, bevor Er unsere Bitten erhört. Zu anderen Zeiten mag Er unser Gebet schneller beantworten. Dennoch wissen wir, daß, wie der Apostel Paulus bezeugt, alle Dinge zu unserem Guten mitwirken müssen, weil wir Gott lieben und nach Seinem Vorsatz berufen worden sind. Wir müssen uns stets die Bedingungen vor Augen halten, die unser Herr daran knüpfte: „Wenn Ihr in mir bleibet und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten was ihr wollt, und es wird euch geschehen.” (Johannes 15:7)
Wir müssen die Schrift erforschen, um zu erkennen, was der Wille des Herrn ist, was Er verheißen und was Er nicht verheißen hat. Der völlig Geweihte wird nichts begehren, was nicht in voller Harmonie mit dem Willen dessen steht, den wir so lieben und verehren, und der unserer Liebe und Treue würdig ist. Während wir mit Ausharren und Glauben bitten, müssen wir auch daran denken, daß der Herr für uns nicht nur die Segnungen und Gelegenheiten des Dienstes, den wir begehren vorbereitet - Er bereitet auch die Umstände und Verhältnisse vor, die diese Segnungen oder Gelegenheiten in der günstigsten Weise bringen werden. Dies erfordert unser Ausharren in vollstem Vertrauen und geduldigem Warten auf Seine geeignete Zeit, um den Wunsch unserer Herzen zu erfüllen. „Das inbrünstige Flehen eines Gerechten vermag viel.” (Jakobus 5:16)
Ein Familiengebet ist in den Häusern der Geheiligten des Herrn etwas sehr sinnvolles. Auch das Gebet der Kinder Gottes, wenn sie zusammenkommen, ist von wichtiger Bedeutung. Unser Herr zeigte uns diesen Weg dadurch, daß er mit seinen Jüngern und auch für sie betete. Auch die Apostel taten dies. Wir sollten nicht nur für uns selbst bitten, sondern für alle Geheiligten und für die Interessen des Werkes des Herrn. Die Schrift empfiehlt den Kindern Gottes sowohl das Gebet in der Öffentlichkeit als auch im Kämmerlein. Das Gebet im Kämmerlein ist von absolut wesentlicher Bedeutung für das Leben eines Christen.
Eine gebetsvolle Verfassung allein genügt nicht
Wir sind verwundert darüber, wenn wir von bekennenden Nachfolgern Christi hören, daß sie es für völlig überflüssig halten, beim Gebet bestimmte Worte zu verwenden oder eine angemessene Körperhaltung anzunehmen - ebenso wenn sie berichten, daß sie das Beten zu bestimmten Tageszeiten oder das Niederknien beim Gebet als unnötig empfinden, denn schließlich sei das ganze Leben ein Gebet. Diese Auffassung erstaunt uns, denn wir verstehen sie nicht. Es ist wahr, daß wir allezeit beten und uns stets im Geiste des Gebetes befinden sollen, und daß wir uns dem Herrn so hingeben, daß wir in unserem Leben stets die Lieblichkeit der Heiligkeit offenbaren und scheinende Lichter in der Welt sind. Aber wir vertreten auch die Auffassung, daß kein Christ seine Herzensverfassung aufrechterhalten oder Gott in seinem Leben zu verherrlichen vermag, ohne in einer besonderen Art und einer würdevollen Körperhaltung zum Herrn zu gehen - und wenn dies seine Gewohnheit ist, eben auch auf Knien und zu bestimmten Tageszeiten in der Stille. „Du aber, wenn du betest, so gehe in deine Kammer und, nachdem du deine Tür geschlossen hast, bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist.” (Matthäus 6:6)
Obwohl sich unser geliebter Meister in einer beständigen Gebetsverfassung befand, wandte er sich doch zu gewissen Zeiten in besonderer Weise von seiner sonst unermüdlichen Tätigkeit ab, um mit dem Vater im Verborgenen zu reden - manchmal nur für eine kurze Zeit, manchmal auch, indem er die ganze Nacht auf dem Berge in der Einsamkeit zubrachte. Gerade die völlige Abwendung des Herrn von aller menschlichen Hilfe zog ihn um so näher und öfter im Gebet zum Vater und in Seine Gemeinschaft. So sollte es bei allen wahren Nachfolgern des Meisters sein. Während wir in das Ebenbild seines Charakters hineinwachsen, werden wir, gleich ihm, unablässig beten, danksagend in allem, singend und spielend dem Herrn in unseren Herzen und Ihn als den Mittelpunkt all unserer Hoffnungen und Freude anerkennend.
Unser „einsamer Pfad”
Wir alle machen manchmal die Erfahrung, daß selbst diejenigen, die uns am nächsten stehen, nicht völlig unsere Sorgen und Bedürfnisse nachempfinden können. Sie sind nicht in der Lage, uns in unseren Kämpfen und Prüfungen ihr volles Verständnis entgegenzubringen. Dieses Bewußtsein sollte uns, wie es bei unserem geliebten Herrn der Fall war, um so häufiger zum Thron der Gnade eilen lassen, wo wir stets sicher sind, das Gehör dessen zu finden, der uns völlig versteht, und der auch unsere Gebrechen voll berücksichtigt. Er kennt die Grenzen unserer Fähigkeit und weiß, was wir bei der Unvollkommenheit unseres Fleisches zu leisten imstande sind. Seine Anteilnahme mit uns ist eine völlige, wie sie kein anderer besitzen könnte. Sein Ohr ist stets für das Schreien Seiner Kinder geöffnet, obwohl Er zu einem weisen Zwecke in Liebe eine sichtbare Antwort auf ihre Bitten eine zeitlang verzögern mag.
Jakob als Beispiel
Das Gebet Jakobs zu der Zeit, als das Zusammenzutreffen mit Esau bei seiner Rückkehr von Padan-Aram kurz bevorstand, ist eines der hervorragendsten Beispiele ernsten und andauernden Gebetes, das in Gottes Wort zu finden ist. Es ist voll von Vertrauen und Zuversicht auf Gott. Er ruft sich die Verheißungen Gottes an seinen Großvater Abraham und seinen Vater Isaak sowie die Erneuerung dieser Verheißung ihm gegenüber ins Gedächtnis. Er erinnerte den Herrn auch an Seine Verheißung, ihn wieder in sein Heimatland zurückzubringen. Seine Demut geht aus den Worten hervor: „Ich bin zu gering all der Gütigkeit und all der Treue, die du deinem Knechte erwiesen hast; denn (nur) mit einem Stabe bin ich über diesen Jordan gegangen (als ich von Hause floh), und nun bin ich zu zwei Zügen (große Familiengruppen) geworden.” (1. Mose 32:10)
Er klagt dem Herrn seine Furcht vor Esau, zeigt aber doch, daß sein Vertrauen auf den Allmächtigen die Furcht verdrängt. Zu der Zeit, und zweifellos als Antwort auf sein Gebet, geschah es, daß der Engel des Herrn dem Jakob erschien. Jakob war so voller Glauben an die Macht Gottes und an Seine Verheißung, ihn zu beschützen und eine große Nation aus ihm zu machen, daß er den Engel buchstäblich festhielt und sprach: „Ich lasse dich nicht los, du habest mich denn gesegnet!” Der Engel erschien hier als ein Mann, aber Jakob hatte ihn als den Vertreter Jahwes erkannt, der gesandt war, um ihm zu begegnen.
Wir wissen, daß es dem Engel nicht an Kraft fehlte, sich von der Umklammerung Jakobs zu befreien. Es gefiel Gott, Jakob zu segnen und dieser Umstand war dazu bestimmt, das sehnliche Verlangen Jakobs nach dem Segen Jahwes hervortreten zu lassen und die Tiefe und Innigkeit seines Wunsches an den Tag zu legen. Als er dies unter Beweis gestellt hatte, als er seine tiefe Wertschätzung für den Segen, den Gott allein zu geben vermochte und das große Sehnen, in Harmonie mit Ihm zu sein, gezeigt hatte, da kam der Segen - Jakobs Sieg. Es gefiel Gott wohl, einen solchen Glauben, solche Energie und solchen Eifer zu belohnen.
Lektionen für das geistige Israel
Jakob war nur ein natürlicher Mensch, und doch enthält sein Gebet eine Belehrung, die für Neue Schöpfungen in Christo von hohem Nutzen sein kann. Wir sollen nicht mit Gott ringen, wie Jakob es tat, denn wir sind Söhne Gottes, und Söhne stehen in einer viel engeren Beziehung zu Ihm als Knechte. Sie müssen nicht mit Gott ringen, um Seine Gunst zu erlangen. Ein bereits verstorbener Bischof drückte den richtigen Gedanken dazu sehr schön und würdig mit den Worten aus: „Das Gebet ist kein Überwinden der Abneigung Gottes; es ist ein Ergreifen der Bereitwilligkeit Gottes.” Seine Gunst wird uns jetzt zuteil, und Er hat uns Seine höchsten Segungen verheißen. Aber wir sollten den ernsten Eifer Jakobs, so wie seinen Glauben, seine Demut und sein Ausharren mit Eifer nachahmen. Unser Herr erinnert uns daran, daß wir zu allen Zeiten beten und nicht ermatten sollten. Gott wünscht, daß wir beharrlich sein und unerschütterlichen Glauben an Seine Bereitwilligkeit haben sollen, uns Seine besten Gaben zu geben.
Wenn auf unser Gebet die erwartete Segnung nicht im Moment des Bittens eintrifft, so müssen wir „anhalten im Gebet”, indem wir geduldig auf die bestimmte Zeit des Herrn warten. Dies sollte in einer Herzensverfassung völliger, liebevoller Unterwürfigkeit unter Seinen Willen geschehen, indem wir die Gewißheit behalten, daß die Verzögerung der Antwort nur geschieht, weil unser Vater in Seiner Weisheit einen Grund dafür sieht und unsere höchste Wohlfahrt im Auge hat. Er ist Seinen Kindern gegenüber nie gleichgültig, auch ist Er nicht achtlos in Bezug auf ihre Bedürfnisse und ihr Schreien um Hilfe und nach Gemeinschaft mit Ihm. Aber laßt uns wohl beachten, daß Gottes Verherrlichung unser höchster Wunsch sein muß.
Einige geistige Israeliten scheinen einen weniger entwickelten Sinn für das zu haben, was in einem Gebet als passend erscheint, als Jakob ihn hatte! Er bat um Gottes Segen, und zwar in irgendeiner Form, in welcher es Gott wohlgefallen mochte, ihn zu spenden. Jakob bat nicht um irdische Güter. Er begehrte die Verherrlichung des Herrn in der Erfüllung Seines großen Bundes an ihn und seine Nachkommenschaft. Viele Kinder Gottes bitten und empfangen jedoch nicht, weil sie übel bitten und weil die begehrte Antwort den Wünschen ihres Fleisches dienen würde. Der Herr hat verheißen, für die zeitlichen Bedürfnisse Seiner Kinder zu sorgen, und Er wird ihnen sicherlich das geben, was für sie das Beste ist, sei dies wenig oder viel.
Nur wenige scheinen daran zu denken, daß unsere Wünsche und Bitten als Neue Schöpfungen sich in besonderer Weise auf solche Dinge richten sollten, die in Verbindung mit unseren geistigen Interessen stehen. Es ist diese Art von Segung, die der Vater uns zu geben bereit ist und die Er uns zu geben verheißen hat! Er versichert uns, daß, so wie irdische Eltern ihren Kindern gern gute Gaben geben, auch unser Vater uns gern den Heiligen Geist gibt - Seine allerbeste Gabe, die alle Segnung und Herrlichkeit umfaßt, und die uns alles das zusichert, was im höchsten Sinne des Wortes begehrenswert ist. Was für eine großartige Segnung würde darin bestehen, wenn Gottes Kinder, die Ihm ihr alles geweiht haben, dazu gebracht werden könnten, daß ihr einziges Ziel im Leben, der Gegenstand all ihrer Gebete, darin bestünde, daß sie ein größeres Maß des Geistes des Herrn, des Geistes der Heiligkeit, des Geistes Christi, des Geistes eines gesunden Sinnes hätten!
Israel - Kämpfer Gottes
Jakob erhielt den Segen und mit ihm einen neuen Namen. Er hieß von nun an Israel, was „ein Kämpfer Gottes” oder „ein Fürst bei Gott” bedeutet. Deshalb war dieser neue Name für ihn stets eine Quelle der Ermutigung, ein Antrieb zu neuem Eifer und Vertrauen auf den Herrn. Jakobs ganze Nachkommenschaft nahm diesen Namen an. Im Gegenbild ist Christus Jesus, unser Herr, der wahre Israel - derjenige, welcher durch Glauben und Gehorsam an den Vater überwunden hat. Er hat sowohl die Welt als auch das Fleisch und den Widersacher überwunden. Er hat als Ergebnis seines großen Kampfes von Gott die höchsten Segnungen erhalten. Er ist jetzt über alles hoch erhöht und ist der Fürst der Könige der Erde. Er hat sich mit seinem Vater auf seinen Thron gesetzt.
Auch wir, die Nachfolger Jesu, tragen den Namen Israel. Wir werden gleich ihm vom Vater erhoben werden, wenn wir treu sind, wie er es war. Wir werden mit unserem Herrn und Haupte seinen Thron teilen. Wir werden über Engel, Fürstentümer und Gewalten erhoben werden, so wie dies bei unserem Meister der Fall gewesen ist. Welch herrlicher Gedanke! Wie wunderbar! Sollte uns diese große Hoffnung nicht zu äußerstem Fleiß und größter Sorgfalt anspornen, damit wir unsere Berufung und Erwählung festmachen?
Wenn wir uns als treu bis zum Tode erweisen, so werden wir „Kämpfer Gottes”, Überwinder genannt werden. Dieser Name wird auf jeden der Getreuen des Herrn Anwendung finden, so wie er auf das Haupt Anwendung fand. Aber nur solche, die Seinen Geist offenbaren, nur solche, die Gott so lieben, daß sie sich an Seine Verheißungen klammern und Ihn nicht lassen, bis Er sie segnet, werden die Erfüllung der Verheißung erlangen und mit Christo in Herrlichkeit regieren und seinen Thron teilen.
Jakob hatte die Gewohnheit, die besonderen Offenbarungen göttlicher Vorsehung zu kennzeichnen. Und so nannte er den Ort, an dem er mit dem Engel kämpfte, Pniel - „Angesicht Gottes”. Dies erinnerte ihn daran, daß er dort das Vorrecht genossen hatte, vom Herrn einen besonderen Segen zu empfangen, eine deutliche Antwort auf sein Gebet. So ist es auch für uns, das geistige Israel, von Nutzen, daß wir auf besondere Weise von den Barmherzigkeiten und der Vorsehung des Herrn uns gegenüber Notiz nehmen. Manche fühlen sich lediglich deshalb arm in Bezug auf die Gunst und Segnung des Herrn, weil sie es versäumt haben, diese Segnung den richtigen Eindruck auf ihre Herzen machen zu lassen, als sie sie empfingen. Wir alle sind lecke Gefäße, und wenn wir diese Gunsterweisungen des Herrn nicht auf die Tafel unseres Herzens oder sonstwie eingraben, gehen ihre Belehrung und die Ermutigung und Kraft, die sie bringen, uns mehr oder weniger verloren.
Wir alle würden zweifellos mehr „Bethels” und mehr „Pniels” haben, wenn wir uns viel häufiger Denkmäler an die Treue unseres Vaters errichten würden, die Er uns als Antwort auf unsere Gebete erwiesen hat, und dort als Dank für Seine Barmherzigkeiten in einen Bund oder ein Gelöbnis mit dem Herrn eintreten würden. Wir sollten uns täglich die neuen Beweise der Liebe und besonderen Fürsorge unseres Gottes für uns vor Augen halten. Dann würden wir erkennen, daß wir viel mehr Grund zur Ermutigung und Dankbarkeit haben, als uns bewußt würde, wenn wir dies nicht beachteten. Möge daher jeder von uns täglich, wöchentlich und jährlich Gott seine „Ebenezer” errichten, damit wir dadurch unseren Glauben, unsere Freude und unseren Frieden vermehren.
WT vom August 1914