Der freie Wille

Der Ausdruck „freier Wille” soll offensichtlich betonen, daß die Menschen nicht lediglich Maschinen sind, die durch bestimmte Einflüsse gesteuert werden. So kann beispielsweise auch Gott eine Person nicht dahingehend beeinflussen oder dazu zwingen, auf eine gewisse Weise zu handeln, zu wollen oder zu denken - auch Satan kann den Willen eines Menschen nicht gegen dessen Wunsch zum Bösen benutzen.

Wir wissen aus der Bibel, daß, als Gott den Menschen schuf, Er ihn nach Seinem eigenen verstandesmäßigen Ebenbild machte. Er stattete ihn mit einem freien Willen aus, der ihn dazu befähigte, seinen eigenen Weg zu wählen - einschließlich der Fähigkeit und Freiheit, für sich selbst eine geistige Entscheidung zu treffen. Wie die Bibel uns zeigt, schuf Gott alle vernunftbegabten Geschöpfe auf geistiger Daseinsstufe in ähnlicher Weise, dazu zählen die Engel, Cherubim, Serafim usw. Von ihnen wird gesagt, daß sie in dem Ebenbild Gottes erschaffen wurden und volle Freiheit des Willens besitzen.

Ebenso wie Gott können auch wir verschiedene Wege wählen. Wir haben die Wahl - wir können Gott gegenüber gehorsam oder ungehorsam sein. Aufgrund der Erbsünde und ihrer Folgen, der Todesstrafe und des Nachlassens der Kräfte des Menschen durch die Sterblichkeiten, befinden sich die Menschen oft in Schwierigkeiten. Der Apostel Paulus sagt: „Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen ist nicht immer möglich.” (Römer 7:18) Sicherlich ist niemand von uns in der Lage, vollkommen zu sein. Dennoch sollte unser Wollen vollkommen sein. Andere mögen das Böse wollen, werden jedoch in der Ausübung ihres Willens mehr oder weniger behindert. In beiden Fällen ist der Wille frei.

Es gibt einen beherrschten Willen. Tatsächlich gibt es Menschen, die von bösen Geistern beherrscht werden, nachdem sie sich spiritistischen Einflüssen ausgesetzt haben. Diese verlieren ihren eigenen Willen, und wir nennen sie wahnsinnig oder geistesgestört. Es gibt Vermutungen darüber, daß über die Hälfte aller Patienten in psychiatrischen Kliniken nicht dort untergebracht ist, weil ihre Gehirnfunktion gestört ist, sondern weil sie unter dem Einfluß von Dämonen stehen.

Die Beibehaltung der Individualität

Für Kinder Gottes gibt es nur einen Weg, mit Gott in Beziehung zu treten - die völlige Unterwerfung unter Seinen Willen. Die Unterwerfung des Willens unter einen anderen als den des Herrn wäre töricht. Minderjährige Kinder in ihren Beziehungen zu Eltern oder Lehrern bilden eine Ausnahme.

Ein Kind wäre berechtigt zu sagen: Ich habe einen eigenen Willen, aber ich will ihn ignorieren und den Willen meiner Eltern tun. Dies ist die richtige Haltung eines Kindes gegenüber guten und intelligenten Eltern. Dem Kind sollte begreiflich gemacht werden, daß es einen ungeschulten Willen besitzt. Das Kind sollte sich daher völlig seinen Eltern anvertrauen und von ihnen Leitung und Führung erwarten. Auch wenn Eltern ihre Verantwortung als Aufsichtsperson ihres Kindes erkennen, sollten sie bei all ihrem Handeln berücksichtigen, daß das Kind einen freien Willen besitzt. Sie sollten dem Kind immer begründen, warum bestimmte Dinge so und nicht anders zu sein haben. Sie sollten das Kind so weit wie möglich durch vernünftige Schulung seines eigenen Willens lenken.

Ebenso ist es mit den Angehörigen der Familie Gottes. Die erste Forderung besteht in der Übergabe an Gott und der Aufgabe des eigenen Willens. Die Kinder Gottes müssen zuerst anerkennen, daß sie unheilig und in Sünden geboren sind, daß sie unvollkommene, gefallene Neigungen besitzen, wenn sie ihnen folgen, würden sie ihnen Schaden zufügen. Sie sollten daher bemüht sein, den Willen des Herrn zu ihrem eigenen zu machen. Sie sollten sich völlig Seiner Leitung anvertrauen. Seine Absichten mit ihnen dienen ausschließlich zu ihrem Guten. Der Herr belehrt seine Nachfolger, daß sie ihr eigenen Urteilsvermögen schulen sollen; sie sollten in ihrem Bibelstudium zwischen den Zeilen lesen, um die Belehrung zu erhalten, die er ihnen dort zu geben beabsichtigt. Auf diese Weise werden sie besser befähigt, Seinen Willen zu erkennen. Sie werden zunehmend erkennen, um wieviel besser Gottes Wille als ihr eigener ist. Auf diese Weise werden sie mit Gott und dem Herrn Jesus in größere Herzensharmonie gelangen.

Der freie Wille steht der Knechtschaft des Fleisches entgegen. Wir mögen die Bereitschaft haben, bis ans äußerste Ende der Erde zu gehen; aber Krankheit, Gebrechen, fehlendes Geld oder der Mangel geeigneter Beförderungsmittel mögen uns daran hindern. Selbst wenn der Wille vorhanden ist, so ist doch nicht immer die Kraft vorhanden, ihn in die Tat umzusetzen. So verhält es sich auch bezüglich der Sünde und Ungerechtigkeit und dem Willen, das eine oder das andere zu tun. Jeder wird mehr oder weniger durch seine eigenen Unvollkommenheiten gehindert, so wie durch die Unvollkommenheiten anderer, die unter der Herrschaft Satans, des Fürsten dieser Welt stehen. Wenn aber der Wille völlig Gott übergeben wurde, so gibt Er uns zunehmend den Geist eines gesundes Sinnes, und wir werden von Tag zu Tag mehr in Sein Ebenbild umgestaltet.

WT vom August 1914



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung