Des Christen Leben und Lehre |
Das leichte Joch
„Kommet her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben. Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen; denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.” - Matthäus 11:28 - 30
Das Joch ist ein Sinnbild der Dienstbarkeit und der Unterwerfung. Alle Menschen auf dieser Welt befindet sind unter irgend einem Joch - unter politischen, sozialen, finanziellen oder geschäftlichen Jochen; unter Jochen der Sünde, der Selbstsucht, des Stolzes usw.
Derjenige, welcher unter einem politischen Joch lebt, empfindet es als sehr hart. Er arbeitet Tag und Nacht, schmiedet Pläne und Entwürfe und ist damit beschäftigt, ein einträgliches Amt zu bekleiden. Er studiert alle Arten weltlicher Politik, um die Gunst der Wähler zu gewinnen, indem er Zeit, Geld und Gedankenkraft opfert. Er lenkt seine ganze Kraft auf das gefährliche Geschäft, um das erwünschte Amt zu bekommen, welches, wenn er es erlangt hat, nur eine Menge von Sorgen mit sich bringt und ihn einer Menge von Feinden der Gegenpartei preisgibt, welche nur zu oft bereit sind, seinen Charakter bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu entstellen.
Diejenigen, die unter einem finanziellen oder geschäftlichen Joch vor sich hinleben, sind in ähnlicher Weise geplagt. Sie mühen sich lange und hart ab; sie schmieden Pläne und grübeln, reiben sich auf und quälen sich ab, nur um reich zu werden. Indem sie so leben, geraten sie in mancherlei Fallstricke, die ihnen die wahre Glückseligkeit rauben, die der Reichtum ihnen niemals bringen kann.
Solche, die sich unter einem sozialen Joch befinden, arbeiten schwer und opfern viel, um die Ansprüche, die die Gesellschaft an sie stellt, zu befriedigen. Die, welche sich in bescheideneren Lebensverhältnissen befinden, wissen selten, wie bitter das Joch für die Reichen und besonders für jene ist, welche mit anderen, die in besseren Verhältnissen leben, wetteifern. Frauen plagen sich oft in diesem unbefriedigenden Dienst ab, während Gatten und Väter zur Verzweiflung und ins Verderben getrieben werden, wenn sie versuchen, bei der Jagd nach dem Reichtum mit anderen Schritt zu halten.
Die Joche des Stolzes, der Selbstsucht und Sünde jeglicher Art sind tatsächlich hart und ihre Lasten schwer. All diese bedrückenden Joche abzuschütteln und sich selbst von allen Lasten zu befreien, ist in diesem gegenwärtigen Zeitalter nicht möglich. Der Fürst dieser Welt, Satan, hat jetzt auf alle das Joch der Sünde geladen. Es gibt niemanden, der fähig wäre, uns von diesem Joch und seinen bindenden Fesseln zu befreien außer Christus. Dieser tut dies nach seinem Wohlgefallen und zu seiner Zeit bei allen und jetzt schon bei jenen, welche durch Glauben und Reue zu ihm kommen.
Obgleich es die Absicht Christi ist, schließlich alle Menschen von jedem Joch und jeder Last zu befreien, so weiß er doch, daß sie jetzt noch nicht fähig sind, die herrliche Freiheit der Söhne Gottes zu genießen und auszuüben; deshalb beabsichtigt er, sie nach und nach durch Unterweisung und Zucht in diesen herrlichen Zustand der vollen Freiheit zu bringen. Es ist deshalb notwendig, daß diejenigen, welche von dem bitteren Joch der Sünde und der gegenwärtigen allgemeinen Ordnung der Dinge befreit werden wollen, sich selbst Christus völlig unterwerfen, das bedeutet, daß sie sein Joch auf sich nehmen. Er lädt deshalb alle ein, welche die Beschwerden anderer Joche und das drückende Gewicht anderer Lasten fühlen und erkennen, zu ihm zu kommen, um bei ihm Ruhe und Erlösung zu finden.
In zärtlichem Mitgefühl mit allen Niedergedrückten und Sorgenvollen sagt er: „Kommet her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben. Nehmet auf euch mein Joch usw.”. Tausende sind dieser freundlichen Einladung gefolgt; und sie geben mit Worten der Gewißheit und Dankbarkeit Zeugnis davon, daß das Joch Christi leicht ist und seine Ruhe über jede menschliche Vorstellung hinausgeht. Und doch ist diese Ruhe nicht verbunden mit allgemeinem irdischen Gedeihen und mit Freisein von Sorgen, Mühe und Einschränkung.
Wenige würden über das Leben des Apostels Paulus sagen, daß das Joch Christi auf seinen Schultern ein leichtes gewesen sei oder daß die Last des Werkes Christi, welche er trug, leicht gewesen wäre. Und dennoch war dies der Fall. Er faßte es so auf, denn er hielt es für ein unschätzbares Vorrecht, als ein guter Streiter Christi Schwierigkeiten aller Art zu ertragen und auszuhalten. Freudig erlitt er den Verlust aller irdischen Dinge und Vorrechte und achtete sie für Unrat, damit er Christus gewinnen und in ihm erfunden werden möchte. Er freute sich darüber, daß er ein Teilhaber an den Leiden Christi geworden sei, auf daß er auch zu einem Teilhaber an Christi Herrlichkeit gemacht werden und mit ihm an seinem herrlichen Werke seines Königreiches teilhaben möge.
Welch ein glückseliges Werk! Paulus freute sich bei der Aussicht auf diese zukünftige Aufgabe. Er beeilte sich, seine Bereitwilligkeit zu bezeugen. Er strebte eifrig danach mit der tatkräftigsten Weihung seines irdischen Lebens für den Dienst des Herrn, entsprechend den Bedingungen, wie sie in dem göttlichen Plane niedergelegt sind. Er nahm Christi Joch auf sich. Er versuchte nicht, sich selbst zu führen, sondern unterwarf sich Christo demütig. Wohin er auch immer geführt wurde, folgte er gehorsam seiner Leitung: ob in das Gefängnis und in den Fußblock; in eine schimpfliche öffentliche Verurteilung; eine Steinigung, nach welcher er beinahe tot liegen blieb; zu einem Schiffbruch; in Gefahren zu Lande und zu Wasser; unter heidnische Feinde; unter falsche Brüder; zu ermüdender Arbeit und beschwerlicher Mühe (2. Korinther 11:23 - 28.) - stets folgte er der Leitung des Herrn. Immer betrachtete der Apostel diese Lasten Christi als leicht und sein Joch als ein sanftes. Er sprach von seinen Prüfungen als von leichten Trübsalen und sagte, daß er sich in Trübsal freue. Mit blutendem und zerrissenem Rücken, die Füße eingeschraubt in den Stock in der Tiefe eines elenden Gefängnisses, freuten sich Paulus und Silas und sangen ihrem Gott Loblieder. - Apostelgeschichte 16:25.
Stephanus empfand die gleiche Ruhe und Freude, sogar während ihn seine Feinde zu Tode steinigten. Und viele Tausende von Gottes Heiligen können dasselbe bezeugen: inmitten von Armut, Krankheit, Kummer und Versuchung, umgeben von Feinden und in den Flammen heftiger Verfolgung. Wie ist dies möglich? Oder wie ist diese Ruhe und Freude mit solchen ungünstigen Verhältnissen vereinbar? Die Antwort lautet: Es ist die Ruhe des Herzens, wie der Prophet sagt: „Den festen Sinn bewahrst Du in Frieden; denn er vertraut auf Dich.” Niemand kann die Glückseligkeit dieser Ruhe verstehen, bis er sie selbst erfahren hat. Und niemand kann ihren wahren Wert erkennen, bis er unter den Prüfungen der Trübsal erprobt wurde.
Der Herr gibt uns den Schlüssel zu dieser Ruhe mit den Worten: „… und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig.” Und tatsächlich wohnt in einem sanftmütigen und demütigen Geist oder Herzen das Geheimnis der Ruhe. Um sanftmütig zu werden, müssen wir die Tugenden der Geduld pflegen, die der liebenden Unterwerfung unter den Willen Gottes, die des fortwährenden Vertrauens in Seine Liebe, Fürsorge und Weisheit, in Seine Führung und alles überwaltende Vorsehung. Und diesen Lauf müssen wir fortsetzen durch böse und gute Gerüchte und durch günstige oder ungünstige Umstände.
Mögen doch die geliebten Kinder Gottes zunehmend danach streben, den demütigen und sanftmütigen Geist Christi nachzuahmen, indem sie sich der Vorsehung Gottes unterwerfen und Seinen Vorschriften gehorchen und Seiner Führung folgen, wie Christus es tat - bewaffnet mit der Macht, welche er allein denen verleihen kann und will, welche sein Joch auf sich nehmen und von ihm lernen.