Thomas und der auferstandene Herr

„Jesus spricht zu ihm: Weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt. Glückselig sind, die nicht gesehen und (doch) geglaubt haben.” - Johannes 20:29

Johannes 11:14 - 16

Die Schrift gibt über Thomas sehr wenig Auskunft, außer daß er von Jesu auserwählt wurde, einer seiner zwölf Apostel zu sein, daß er eine heiße und echte Liebe für den Meister und eine zum Zweifel neigende Veranlagung hatte. Dieser letztere Charakterzug offenbarte sich in seiner Weigerung, zu glauben, daß Jesus von den Toten auferweckt wäre, wenn er nicht die Nägelmale in seinen Händen und die Speerwunde in seiner Seite sehen könnte.

Die große Liebe, die Thomas für den Meister hatte, geht aus seinen Worten an die Jünger hervor: „Laßt auch uns gehen, auf daß wir mit ihm sterben.” - Vers 16 Dies geschah, als Lazarus von Bethanien gestorben war, nachdem zuvor die beiden Schwestern Martha und Maria Jesu Nachricht gegeben hatten, daß er krank war. Um diese Zeit waren Jesus und seine Jünger „jenseits des Jordan an den Ort” gegangen, an dem Johannes zuerst taufte. - Johannes 10:40

Jesus ging dort hin, um dem Zorn seiner Feinde in und um Jerusalem auszuweichen, denn sie „suchten wiederum ihn zu greifen.” - Johannes 10:39 Nachdem er die Nachricht empfing, daß Lazarus krank war, wartete der Meister zwei Tage und sagte dann zu seinen Jüngern: „Laßt uns wieder nach Judäa gehen.” - Johannes 11:7. Die Jünger hielten dies nicht für richtig und sagten: „Rabbi, eben suchten die Juden dich zu steinigen, und wiederum gehst du dahin?” - Vers 8

Jesu Antwort erscheint etwas doppelsinnig, ist aber offensichtlich bestimmt, den Gedanken zu vermitteln, daß es im Plan des Vaters für alles eine „fällige” Zeit gibt - „Sind der Stunden des Tages nicht zwölf?” Jesus war nicht aus Furcht vor seinen Feinden geflohen, sondern weil er wußte, daß die fällige Zeit für seinen Tod noch nicht gekommen war. Nun aber war sie so nahe, daß es keine weitere Veranlassung gab, seine Feinde zu meiden.

Als Jesus die bestimmte Äußerung tat, daß er nach Bethanien zurückkehren würde, entgegnete Thomas: „Laßt auch uns gehen, auf das wir mit ihm sterben.” - Vers 16 Diese Erklärung offenbart seine Liebe für den Meister - eine so starke Liebe, daß er sich in dem Augenblick bereit fand, mit ihm zu sterben, wenn es notwendig sein sollte. Und die Jünger hatten nicht unrecht bezüglich der Folgen der Rückkehr des Meisters nach Judäa. Die Auferweckung des Lazarus trug in der Tat dazu bei, weiteren Zorn gegen ihn zu erregen und damit seine Gefangennahme und Kreuzigung zu beschleunigen.

Johannes 14:1 - 6

Diese wohlbekannte Schriftstelle stellt uns eines der großen Ziele des christlichen Lebens vor Augen; nämlich, bei dem Himmlischen Vater an jener „Stätte” zu sein, die Jesus für alle diejenigen bereiten ging, die ihr Leben in der Nachfolge in seinen Fußstapfen niederlegen. „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten”, sagte er. Sie ist nicht eine der vorher erwähnten „vielen Wohnungen”, denn wie Jesus sagte, waren diese bereits im Hause seines Vaters vorhanden.

Es war für die Jünger schwierig, die geistigen Wahrheiten zu erfassen, die Jesus ihnen gegenüber äußerte, obgleich Jesus manchmal anzudeuten schien, daß sie seiner Meinung nach fähig sein sollten, mehr zu erkennen, als es der Fall war. „Wo ich hingehe, wisset ihr, und den Weg wisset ihr”, sagte er zu ihnen. Thomas aber erwiderte: „Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst, und wie können wir den Weg wissen?”

Jesus hatte eben gesagt, daß er hingehe, eine Stätte für sie zu bereiten - hinginge in seines Vaters Haus. Sie erfassten jedoch nicht den Sinn des Gesagten, darum erklärte er geduldig: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, als nur durch mich.” - Vers 6 Jesus ging zum Vater, und wenn sie auch bei dem Vater zu sein wünschten, ging der „Weg” durch ihn und durch das Sterben mit ihm.

Wir verstehen die Bedeutung des „Weges” so, daß wir durch das Verdienst seines vergossenen Blutes Zutritt zum Vater haben, während die „Wahrheit” zeigen würde, daß wir durch seine Lehren in der Lage sind, Gottes Willen in der Nachfolge des Meisters zu erkennen. Dann werden wir durch sein Verdienst und durch Treue gegenüber seinen Geboten schließlich zum Leben gelangen - dem göttlichen Leben, das unsere tatsächliche Gegenwart bei dem Himmlischen Vater möglich macht. Thomas aber, dem das geistige Verständnis dafür mangelte, was Jesus meinte, war skeptisch - „Wie können wir den Weg wissen?”

Johannes 20:24 - 29

Diese bekannte Schriftstelle offenbart am deutlichsten den zweifelnden Charakter des Thomas. Gleichzeitig zeigt sie jedoch indirekt seine persönliche Liebe für Jesu, denn sie beweist, daß zur Zeit der Kreuzigung Thomas dem Schauplatz so nahe war und so aufmerksam darauf achtgab, was seinem Herrn widerfuhr, daß er die Wunden in seinen Händen und in seiner Seite wahrgenommen hatte, und daß er diese immer noch in seinem Gedächtnis trug, als er sich weigerte, zu glauben, daß Jesus von den Toten auferweckt war, wenn er sie nicht wieder buchstäblich sehen könnte.

Jesus hatte Mitgefühl mit Thomas in seiner Schwäche und kam ihm zu Hilfe. Thomas war überzeugt und rief aus: „Mein Herr und mein Gott!” Die Verwendung des Wortes „Gott” weist wieder auf die starke persönliche Anhänglichkeit hin, die Thomas für Jesu hatte, und die fast auf Anbetung hinauslief. Und nun, da er überzeugt worden war, daß sein geliebter Meister tatsächlich von den Toten auferweckt worden war, konnte er diesen Ausdruck der Verehrung und Liebe nicht zurückhalten.

Vers 30 erklärt deutlich, was sich im Obersaal ereignete. Jesus erschien dem Thomas und den anderen - mit dieser sichtbaren Beweisführung wird auf dieses „Zeichen” hingewiesen. Jesus gab es, um die Tatsache zu untermauern, daß er von den Toten auferweckt worden war. Jesus hatte sein Fleisch für das Leben der Welt gegeben. Wäre er als ein menschliches Wesen zum Leben wiederhergestellt worden, so würde das bedeuten, daß er nicht tatsächlich den Platz des Sünders eingenommen hatte, und daß das „Lösegeld” nicht erbracht worden war. Aber das hinderte ihn nicht, Thomas ein „Zeichen” zu geben - das eine, welches allein ihn überzeugen würde, daß der Meister von den Toten auferweckt worden war.

Thomas war überzeugt, aber Jesus bemerkte: „Glückselig sind, die nicht gesehen und doch geglaubt haben!” Dieser Grundsatz ist auch heute noch in einem besonderen Sinn wahr. Viele verfehlen die Tatsache der zweiten Gegenwart Jesu wertzuschätzen, weil sie ihn nicht „gesehen” haben, weil sie zu erkennen verfehlen, daß er nicht mehr im Fleische ist und deshalb nicht mehr mit menschlichen Augen gesehen werden kann.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung