Dennoch!

„Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, Du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich endlich mit Ehren an. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.” - Psalm 73:23 - 26

Dennoch - obwohl, obschon, obgleich, wenn auch - dennoch. Wer von uns, die wir uns auf den Weg des Glaubens begeben haben, hätte sich nicht auch schon mit diesen Worten gewissermaßen Luft verschafft, sich den Weg frei gemacht - diesen Weg, der durch mancherlei Dinge einmal, oder vielleicht auch öfter, wie blockiert zu sein scheint. Wir möchten es folgendermaßen aus-drücken: Wohl dem, der es immer wieder aussprechen kann! Wohl dem, der sich trotz aller Anfechtungen, Anfeindungen, Hindernisse und Enttäuschungen immer wieder zu einem „dennoch” durchringen kann. Im Gespräch unter Geweihten des Herrn war einmal der Ausspruch zu hören: „Unter gewissen Umständen ist es leicht, zu danken und auch, leicht, zu glauben”. Dies wurde unter dem Gesichtspunkt geäußert, daß es leicht ist, seinem Gott zu danken, wenn alles nach Wunsch geht, keine Sorgen in wirtschaftlicher Hinsicht vorhanden sind, jemand sich in gesicherter Stellung befindet usw. Dann ist es leicht, zu glauben. Gehen wir einer solchen Behauptung etwas auf den Grund, so erkennen wir darin eigentlich eine Glaubensnot. Aber können wir das nicht nachempfinden? Wer von uns hat nicht auch schon so oder ähnlich gedacht oder auch gesprochen? Wer von uns hat nicht auch schon zu gewissen Zeiten um seinen Glauben ringen müssen? Wer von uns hat nicht auch schon mit einem „dennoch” einen neuen Abschnitt in seinem Glaubensleben begonnen? Wir dürfen wohl davon ausgehen, daß es zu allen Zeiten unter allen Gläubigen so gewesen ist und noch heute so ist. Wir denken, es gehört sogar unmittelbar zum Wesen des Glaubens.

Der Glaube an Gott, auch unser Glaube, beschäftigt sich mit den Dingen der Heiligen Schrift. Sie berichtet uns vom Geschehen von der Urzeit her und weist uns auf die entfernteste Zukunft hin. Vieles, das in diesem Buche erwähnt ist, hat bereits seine Erfüllung gefunden. Ebenfalls muß Vieles und Großes erst noch offenbar werden. Unser Glaube klammert sich an die Verheißungen Gottes, die uns den Sieg der Gerechtigkeit, der Wahrheit und der Liebe in Aussicht stellen. Nur zu gerne beschäftigen sich unsere Gedanken mit diesen ersehnten Zuständen. Manchmal leidet aber jeder Gläubige so unter den gegenwärtigen Verhältnissen, die nur zu oft das Gegenteil des im Glauben erfaßten Zustandes sind, daß es den härtesten Kampf bedeutet, sich den Glauben zu bewahren - heißes Ringen um das „dennoch” des Glaubens. Der Psalm 73 zeigt uns das ebenfalls deutlich.

Unsere Bestärkung durch die Heilige Schrift

David, der Psalmdichter, uns bekannt als vielseitiges Vorbild der „Neuen Schöpfung” in ihrem irdischen Pilgerlauf, kannte die Schriften der Alten, die Gottes Wort an die Menschen waren und sind. Er kannte die vielen Verheißungen, welche darin enthalten waren und von denen wir einige anführen möchten:

2. Mose 23:7: „Von falscher Anklage halte dich fern und hilf nicht dazu, einen Unschuldigen, der im Recht ist, ums Leben zu bringen! denn ich lasse den Schuldigen nicht ungestraft.” Hier sehen wir ganz deutlich, daß Gott denjenigen, der Seinem Gesetz zuwiderhandelt, kein Recht geben wird. Gott schützt die Unschuld und das Recht. Die Menschen, welche danach handeln, werden belohnt.

3. Mose 18:5: „So beobachtet denn meine Satzungen und meine Gebote; denn der Mensch, der nach ihnen tut, wird durch sie das Leben haben: ich bin der HERR!” Auch dieses wußte der Psalmist; er kannte dieses Wort, und wir wissen, daß er Jahwe glaubte.

Psalm 37:18: „Der HERR kennt wohl die Tage der Frommen, und ihr Besitz ist für immer gesichert.” - Vers 9: „Denn die Übeltäter werden ausgerottet, doch die da harren des HERRN, die werden das Land besitzen.” Sind diese Zusagen und Verheißungen nicht wunderbar? Die Bösen werden nicht ewig bleiben und Böses tun können - wohl aber wird der, welcher auf den Herrn vertraut, bleiben können und von Gott gesegnet werden. Wenn dies nun so sicher feststeht und es darüber keinen Zweifel gibt, fragen wir: Wozu steht denn das „dennoch” in unserem Leittext?

Eine Zeit scheinbarbarer Rückschläge

Psalm 73:2 - 13: „Doch ich - fast wär’ ich gestrauchelt mit meinen Füßen, nichts fehlte, so wären meine Schritte ausgeglitten; denn ich ereiferte mich über die Großsprecher, wenn ich sehen mußte der Gottlosen Wohlergehn. Denn bis zu ihrem Tode leiden sie keine Schmerzen, und wohlgenährt ist ihr Leib; Unglück trifft sie nicht wie andere Sterbliche, und sie werden nicht geplagt wie sonst die Menschen. Drum ist auch Hochmut ihr Halsgeschmeide, und Gewalttat ist das Kleid, das sie umhüllt. Aus strotzendem Antlitz tritt ihr Auge hervor, die Gebilde ihres Herzens wallen über. Sie höhnen und reden in Bosheit (nur) von Gewalttat, führen Reden von oben herab; gegen den Himmel richten sie ihren Mund, und ihre Zunge ergeht sich frei auf Erden. Darum wendet das Volk sich ihnen zu und schlürft das Wasser (ihrer Lehren) in vollen Zügen; sie sagen: »Wie sollte Gott es wissen, und wie sollte der Höchste Kenntnis davon haben?« Seht, so treiben’s die Gottlosen, und, immer in Sicherheit lebend, häufen sie Reichtum an. Ach, ganz umsonst hab’ ich rein mein Herz erhalten und in Unschuld meine Hände gewaschen; … ”

Hier wird uns von Dingen berichtet, die ganz anders klingen als die Worte der Verheißung. Bosheit, Hochmut, Gesetzlosigkeit bleiben hier nicht nur ungestraft, sondern die Menschen, die diese Dinge tun, blühen und mehren sorglos ihr Gut und zwar in einem solchen Maße, daß es den Gerechten reuen könnte, daß er sich bemüht, in den Wegen Gottes zu wandeln; denn die anderen haben ja offensichtlich den Erfolg auf ihrer Seite. Was sagt unsere eigene Lebenserfahrung hierzu? Ist es nicht bis heute noch ganz genau so? Blüht nicht auch heute noch der Gottlose und brüstet sich in seinem Hochmut? Triumphiert nicht der Böse und Ungerechte und macht sich lustig über den in seinen Augen Dummen, der sich bemüht, den geraden Weg zu gehen? Gewiß, noch immer sehen wir das, wenigstens für den Augenblick, wenn wir die Dinge nicht mit größerer Weitsicht betrachten.

Diese Tatsachen sind oft auch heute noch schwere Proben und Prüfungen für den Gläubigen. Diese Geschehnisse können so hart sein oder werden, daß der Glaube schwach wird und zu erlöschen droht. So groß, gewaltig und überzeugend wirkt oft der augenblickliche Erfolg der Gesetzlosigkeit! Nun sagt aber unser Psalm im 2. Vers: „nichts fehlte, so wären meine Schritte ausgeglitten.” Dieses „nichts fehlte” leitet über zum „dennoch”. Aber wozu dient das alles? - Es ist von Gott zugelassen - eine Zeit lang, und wenn wir über die Geschichte der Menschheit nur in groben Zügen nachdenken, zeigt sie uns, wie Bosheit und Ungerechtigkeit auf Dauer ihre Anhänger selbst umbringen. Denn Gottes Wort ist eben Wahrheit, und Gott belohnt nur den Täter Seines Willens, der Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe gebietet. Aus dieser Erkenntnis heraus kommt auch der Psalmist zu seinem „dennoch” - bleibe ich stets an Dir; denn Du hast verheißen und Deine Worte sind Ja und Amen.

Ein weiteres „dennoch”

Vielleicht gibt es für uns auch noch ein „dennoch” in einer etwas anderen Richtung, nämlich: Obschon ich an Dir, oh Gott, eine Zeit lang zweifelte, dennoch wirst Du mich nicht verwerfen, sondern hältst mich bei meiner rechten Hand, denn Du bist gnädig und barmherzig, langmütig und von großer Geduld. Welcher Gläubige hat diese Erfahrung nicht mit sich selbst und anderen gemacht! Wie oft sind wir kleinmütig; wagen es nicht mehr, unsere Augen zu Gott zu erheben, weil wir uns Vorwürfe machen; unser Gewissen schlägt uns, und wir halten Gott für zu klein und eng, um uns Erbarmen widerfahren zu lassen; wohl uns, wenn uns auch aus solch einer Lage ein „dennoch” des festen Glaubens hinauszuführen vermag ins Licht der Zuversicht und des Festhaltens an Gott und Seinem Wort.

Unsere Zeit ist für viele Geweihte sehr gefährlich. Sehr viele glauben Grund zu Zweifeln zu haben - sie meinen, am Glauben nicht mehr festhalten zu können. Fragen bezüglich der Chronologie; nicht eingetroffene Ereignisse, die man bestimmt erwartet hat; Fragen über die Gegenwart des Herrn; die Aufgabe des Ausharren von Geschwistern im Herrn; Enttäuschungen durch Geschwister; Enttäuschungen über sich selbst; schließlich die Frage: Haben wir die ganze Wahrheit? Auch die menschliche Ungeduld; verschiedene Ansichten über die Aufrichtung des Reiches Gottes auf Erden und vieles mehr - das sind Dinge, die vielen Schwierigkeiten im Glauben bereiten.

Die letzte Frage bezüglich der Aufrichtung des Reiches Gottes auf Erden wird heute nicht nur in gläubigen Kreisen viel diskutiert. Der Gedanke, daß sich der Mensch aus eigener Kraft so etwas wie ein Reich Gottes, von dem die Alten träumten, auf Erden herrichten könne, ist weit verbreitet. Andere lachen ganz einfach über den Gedanken eines solchen Zustandes unter den Menschen. Wiederum andere finden den christlichen Gedanken der Barmherzigkeit Gottes verächtlich und wollen nur für die Kraft und die Macht, den menschlich Starken, ein Lebensrecht gelten lassen. Heute wird besonders das Heldenhafte dieser oder jener Nation, die von der Natur als besonders bevorzugt und zum Führen geeignet erscheint, hervorgehoben und mit großen Worten glaubhaft zu machen versucht. Alle diese Kreise und Menschen rechnen indessen nicht mit dem Einen, dem Mittel in der Hand Gottes, durch welches allein Erlösung von allem Bösen für die Menschen kommen wird.

Gottes Mittel und Zeiten zur Wendung der Dinge

Wir lesen in Apostelgeschichte 3:19 - 21: „So tut denn Buße und bekehrt euch, damit eure Sünden vergeben werden, auf daß Zeiten der Erquickung vom Angesicht des Herrn kommen und er den für euch zum Gesalbten bestimmten Jesus senden kann. Diesen muß allerdings der Himmel aufnehmen bis zu den Zeiten der Wiederherstellung alles dessen, was Gott durch den Mund seiner heiligen Propheten von der Urzeit her verkündet hat.”

Johannes 17:3: „Darin besteht aber das ewige Leben, daß sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.”

Aus der Heiligen Schrift ist uns hinreichend bekannt, daß Gott sich ein Volk für Seinen Namen und für Seinen Sohn erwählt hat. Darauf wird auch in Römer 11:25 - 26 hingewiesen: „Ich will euch nämlich, meine Brüder, über dieses Geheimnis nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht in vermeintlicher Klugheit auf eigene Gedanken verfallt: Verstockung ist über einen Teil der Israeliten gekommen bis zu der Zeit, da die Vollzahl der Heiden (in die Gemeinde Gottes) eingegangen sein wird; und auf diese Weise wird Israel in seiner Gesamtheit gerettet werden, wie geschrieben steht”; wie auch in Römer 8:19: „Denn das sehnsüchtige Verlangen der ganzen Schöpfung wartet auf das Offenbarwerden der Herrlichkeit der Söhne Gottes.” Aus diesen Worten erkennen wir deutlich ein Geschehen, das Zeit in Anspruch nimmt - „bis eingegangen sein wird” - und dann wird ganz Israel errettet werden.

Diesem Geschehen, dem Bilden des Leibes des Christus, hat unser ganzes Interesse zu gelten. In ihm sollen alle Völker der Erde gesegnet werden. Diese Segnung kann erst eintreten, wenn der vollendete Christus in die Geschicke der Menschen und Völker eingreift. Wie schnell war so manch bange Frage, wie schnell manch schmerzliches „Warum” in unseren Herzen verschwunden, als wir all das zum erstenmal klar erkennen konnten! Fragen wie: Warum trotz Christenheit kein Friede? Trotz Kirche Krieg? Trotz Elend kein Erbarmen Gottes? Trotz Rufen kein Erhören? verstummten. Sehr vieles wurde uns nun verständlich. Zuerst muß ein gewisses Werk vollendet werden und dann … . Das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, die heilige Nation, das Volk zum Besitztum, von dem der Apostel Petrus in seinem 1. Brief, Kapitel 2, Vers 9, redet, muß erst gesammelt sein. Dies wurde und wird noch immer übersehen, denn schon bald nach der Zeit der Apostel geriet es in Vergessenheit.

Untaugliche menschliche Versuche zur Wendung der Dinge

Die damals für die Verbreitung der Wahrheit verantwortlichen Menschen wollten die Welt nach ihrem Ermessen segnen, Gottes Reich aufrichten nach ihren eigenen Methoden: durch das Papsttum, die sogenannte Christianisierung der Völker und Staaten, die sich trotz aller Bemühungen in diese Richtung noch heute feindlich gegenüber stehen. Missionieren und Weltbekehrungsversuche - früher und heute - und doch kein befriedigender Erfolg. Ist Gott zu schwach? Nein! Wir müssen vielmehr erkennen, daß Er nicht mit ihnen ist, Er hält Seinen Arm zurück, Er läßt den Dingen bis zu einem gewissen Grad ihren eigenen Lauf. Aber, wie verheißen ist, wird Er den Menschen, wenn sie in äußerster Not sein werden, den Retter schicken, Seinen Christus, Haupt und Leib.

Aus welchem Grunde soll unser Hauptinteresse auf den Christus gerichtet sein? „Ja, damit wir in den Himmel kommen und es dann möglichst schön haben”, hört man es oft sagen und liest es in aufrichtigem, oft aber auch in einem spöttischem Ton. Manchmal wird uns das auch von Ungläubigen gesagt, die uns damit einen gewissen Egoismus vorwerfen. Für eine ernsthafte und wahrheitsgemäße Beantwortung dieser Frage wollen wir unser Augenmerk auf das richten, welche Beweggründe das Haupt dieses „Christus” für sein Handeln hatte. Wir lesen in Johannes 4:34: „Meine Speise ist die, daß ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat, und sein Werk vollende.” Aus diesem Wort geht hervor, wie außerordentlich wichtig für den Herrn Jesus der Wille Gottes war. Das Tun dieses Willens bedeutete für ihn nicht weniger als seine Speise, also etwas, was zum Leben absolut notwendig ist, ohne das man überhaupt nicht leben kann. Was erkannte Jesus als den Willen des Vaters? In Johannes 10:10 sagt er: „… ich aber bin gekommen, damit die Schafe Leben haben und Überfluß haben.” Leben war durch die Sünde verloren gegangen - Leben mußte wieder gebracht werden. Paulus sagt in 2. Korinther 5:21: „Er hat den, der von keiner Sünde wußte, für uns zum Sündenträger gemacht, damit wir in ihm Gottes Gerechtigkeit würden.” Und in Römer 5:18 - 19 lesen wir: „Also: wie es durch eine einzige Übertretung für alle Menschen zum Verdammungsurteil gekommen ist, so kommt es auch durch eine einzige Rechttat für alle Menschen zur lebenwirkenden Rechtfertigung. Wie nämlich durch den Ungehorsam des einen Menschen die Vielen als Sünder hingestellt worden sind, ebenso werden auch durch den Gehorsam des Einen die Vielen als Gerechte hingestellt werden.”

Jesus das Mittel zur Wendung

So brachte denn der Herr Jesus, das Haupt des Christus, durch seinen Opfertod das Lösegeld, indem er gehorsam und treu war bis in den Tod. Welchen Lohn verlangte der Meister für seine Treue? Dies zeigt uns Johannes 17:1 - 5: „So redete Jesus; dann richtete er seine Augen zum Himmel empor und betete: »Vater, die Stunde ist gekommen: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche! Du hast ihm ja Macht über alles Fleisch verliehen, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben gebe. Darin besteht aber das ewige Leben, daß sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen. Ich habe dich hier auf der Erde verherrlicht und habe das Werk vollendet, dessen Vollführung du mir aufgetragen hast. Und jetzt verherrliche du mich, Vater, bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir besaß, ehe die Welt war.«” Aus diesen Worten erkennen wir, daß Jesus keinen besonderen Lohn für seine Tat verlangte, sondern lediglich wünschte, daß er zu seinem früheren Zustand zurückgelangen würde. Nun wissen wir aber aus der Heiligen Schrift, daß Gott ein Gott der Belohnung ist, sonst würde Er keine Verheißungen gegeben haben. Hebräer 11:6 sagt uns deutlich: „Ohne Glauben aber kann man Gott unmöglich wohlgefallen; denn wer sich Gott nahen will, muß glauben, daß es einen Gott gibt und daß er denen, die ihn suchen, ihren Lohn zukommen läßt.” Daher wurde auch Jesus belohnt. Ihm wurde, wie uns die Schrift sagt, alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben.

Aber nicht die Aussicht auf die Belohnung war die Triebfeder für die Treue Jesu gegen seinen Vater, sondern die Liebe zu Ihm bewog ihn, Seinen Willen zu tun. Das gleiche Motiv der Liebe sollte allein auch unser Beweggrund sein, den Willen Gottes zu tun. Wir sollten also in unserem ganzen Glaubensleben nicht so sehr, wie es oft der Fall zu sein scheint, unser eigenes Interesse im Auge haben, sondern viel mehr die Sache des Christus, welche die Errettung und Segnung der Menschheit ist. Für uns sollte in allererster Linie der Wille Gottes mit uns maßgebend sein und nicht unser eigenes Wohlergehen. Wir sollen aus Liebe zu Gott und zu den Menschen persönliche Opfer bringen können. Gottes Wort versichert uns, daß wir durch ein solches Handeln die verheißene Belohnung erhalten werden. Wir finden diesen Gedanken in den Worten des Paulus nach Römer 9:1 - 5 bestätigt: „Ich sage die Wahrheit in Christus, ich lüge nicht - mein Gewissen bezeugt es mir im heiligen Geist -: ich trage schweren Kummer und unaufhörlichen Schmerz in meinem Herzen. Gern wollte ich selbst durch einen Fluch aus der Gemeinschaft mit Christus ausgestoßen sein, wenn ich dadurch meine Brüder, meine Volksgenossen nach dem Fleische, retten könnte; sie sind ja doch Israeliten, denen die Annahme zum Gottesvolk und die Herrlichkeit Gottes, die Bündnisse und die Gesetzgebung, der Gottesdienst und die Verheißungen zuteil geworden sind, denen die Erzväter angehören und aus denen der Messias dem Fleische nach stammt: der da Gott über allem ist, gepriesen in Ewigkeit! Amen.” Hier dokumentiert der Apostel, daß er selbst wünschte, durch einen Fluch von Christo entfernt zu sein, wenn er dadurch seine Brüder nach dem Fleische, das Volk Israel, an die Stelle, die er selbst als Neue Schöpfung in Christo Jesu einnahm, bringen könnte. Wir erkennen daraus, daß es ihm nicht als das Wichtigste erschien, daß er selbst zum Leib gehörte, sondern daß der Leib als solcher überhaupt gebildet und schließlich vollendet würde. Paulus war also ganz sachlich und unparteiisch eingestellt; eine Einstellung, die für uns edel und vorbildlich ist.

Welchen praktischen Wert enthält dieser Gedanke für uns? Sicher vergrößert sich dadurch unser Blickfeld; unser Interesse wird von unserer eigenen Person abgelenkt und auf die Sache gerichtet. Es wird damit auch besonders auf die Menschen gerichtet, die die gleichen Hoffnungen und Erwartungen haben, sich mit dem gleichen Gegenstand beschäftigen - auf unsere Brüder in Christo. Ist mein Interesse ganz besonders auf die Anwärter am Leibe des Christus gerichtet, dann fördere ich unbedingt meine geistlichen Geschwister im Glauben und als Neue Schöpfungen, wo immer ich es kann. Ich sehe dann in ihnen keine Konkurrenten, die mir den von mir beanspruchten Platz im Himmel streitig machen. In Römer 14:13 ist uns ein schönes Wort gegeben: „Darum wollen wir nicht mehr einer den andern richten, sondern haltet vielmehr das für das Richtige, dem Bruder keinen Anstoß und kein Ärgernis zu bereiten!” Sehr deutlich spricht auch der erste Johannesbrief in Kapitel 3, 13 - 17: „Wundert euch nicht, liebe Brüder, wenn die Welt euch haßt. Wir wissen, daß wir aus dem Tode ins Leben hinübergegangen sind, weil wir die Brüder lieben: wer seinen Bruder nicht liebt, verbleibt in der Gottgeschiedenheit. Jeder, der seinen Bruder haßt, ist ein Menschenmörder, und ihr wißt, daß kein Menschenmörder ewiges Leben als bleibenden Besitz in sich trägt. Daran haben wir die Liebe erkannt, daß er sein Leben für uns hingegeben hat; so sind nun auch wir verpflichtet, das Leben für die Brüder hinzugeben. Wenn jemand aber die Güter dieser Welt besitzt und seinen Bruder Not leiden sieht und sein Herz vor ihm verschließt: wie bleibt da die Liebe Gottes in ihm?” Wir können durch unser Reden und Handeln zum Ermatten oder sogar zum Erlöschen einer Neuen Schöpfung beitragen. Wir geben uns im allgemeinen viel zu wenig Rechenschaft über unser Unterlassen und Handeln in den kleinen und kleinsten Dingen sowie über die dadurch entstehende Beeinflussung anderer.

Unser bescheidener Beitrag

Vielleicht sagt jemand: Wir als Neue Schöpfungen haben doch in erster Linie an unserer Heiligung zu arbeiten. Gewiß. Aber vielfach wird diese Heiligung in dem etwas engen Sinne aufgefaßt, daß man überhaupt keine anderen Gedanken und kein anderes Interesse kennt als nur sein liebes Ich. Wir vertreten dagegen die folgende Auffassung: Wenn wir in den Fußstapfen unseres Meisters wandeln und uns auch in der Gesinnung bewegen, die uns Paulus zeigt, dann fördern wir unsere eigene Heiligung am ehesten. Das eine getan, das andere nicht vernachlässigt. Die Brüder zu lieben erfordert ganz selbstverständlich ein großes Maß an Selbstverleugnung, Hingabe und Selbstdisziplin von uns. Wenn wir nicht immer wieder Anstoß geben wollen, verlangt es auch ein großes Maß von Selbsterziehung. Aber gerade die Bruderliebe wird uns für den Christus und sein Werk befähigen, viel mehr als eine Konzentration nur auf unsere Person. Dies wird uns vielmehr in einem immer enger werdenden Kreis verbleiben lassen. Wir sollen aber nicht eng, sondern immer weiter, dem Geist entsprechend, großzügig werden und nicht im Buchstaben verknöchern. Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig. Wir lesen auch: Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Wie oft müssen wir auch solches im Leben an uns selbst und an anderen Geschwistern erfahren! Gerade diese Erfahrungen sind es ja, die nur zu oft unseren Geist ermatten lassen möchten. Aber laßt uns trotz allem immer wieder mit dem Psalmisten sprechen: „Dennoch bleibe ich stets an dir”. Laßt uns, entgegen jeder menschlichen Hoffnung, immer wieder hoffen, denn Gott hält uns bei unserer rechten Hand und leitet uns nach Seinem Rat und nimmt uns schließlich in Ehren an. Das kann uns in die rechte Glaubensruhe bringen, in die Ruhe der Befreiung von allem Eigenen.

Dennoch bleibe ich stets an dir.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung