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Ruhe für das Volk Gottes
„Mein Angesicht wird mitgehen, und ich werde dir Ruhe geben.” - 2. Mose 33:14
Wir dürfen uns unseren Himmlischen Vater nicht so vorstellen, als sei Er buchstäblich mit den Kindern Israel durch die Wüste gegangen, und als habe Er sich auf dieser Wüstenwanderung von den übrigen Angelegenheiten des Universums abgewandt. Wir sollen aber auch nicht den Gedanken hegen, daß Gott zu jeder Zeit in allen Dingen wohnt. Denn dieser schriftwidrige Gedanke bildete die Grundlage für viele Irrtümer. Die Vertreter der „christlichen Wissenschaft” behaupten, daß Gott in allen Dingen wohne - in jedem Grashalme, eben in allen Dingen. Wenn wir sie danach fragen, was sie damit meinen, so geben sie uns die folgende Antwort: Das Wort „Gott” bedeutet lediglich so viel wie „gut”, und alle Dinge enthalten Gutes. Demnach muß auch Gott in allem sein. Gott ist gut und muß in allem sein, sogar in jedem Atom der Materie. - Auf dieser irrigen Lehre von der Allgegenwart Gottes bauen sie ihre Theorie auf. Aber ihre Ansicht ist nicht schriftgemäß.
Die Schrift sagt uns, daß Gott Seine Macht und Seine Liebe in besonderer Weise Seinem Volke offenbart. Gott ist im Himmel und die Erde ist Seiner Füße Schemel. Aber durch Seine verschiedenen Kräfte und Hilfsmittel, Seine Engel und Boten sowie durch Seine Weisheit und Erkenntnis vermag Er so zu sein, als wäre Er allgegenwärtig. (Psalm 103:20 und 21) Wie wir durch das Telefon mit den entlegendsten Teilen der Erde ein Verbindung herstellen können, so kann Gott Seine Macht in jedem Teile des Universums ausüben.
Die Worte unseres Leittextes bilden, wie wir wissen, die Antwort, die Jahwe dem Moses gab, als dieser große Staatsmann sich in Verlegenheit befand. Moses erhielt das Gebot, als der Führer Israels dem Volke voranzugehen und es durch Gottes Gnade in das Land Kanaan zu bringen, um ihm dort Ruhe zu geben.
Von Anfang der Wüstenreise an offenbarten die Kinder Israel mehr oder weniger eine gewisse Unwilligkeit oder Furcht. Sie waren sich dessen bewußt, daß sie Haus und Hof verlassen hatten, um in ein unbekanntes Land zu pilgern. Obwohl sie zuvor von den Ägyptern hart unterdrückt wurden, klagten sie dennoch. Sie sagten, daß ihr Auszug aus Ägypten und ihre Reise durch die Wüste, in der es keine ägyptischen Frohnvögte gab, das Resultat haben würde, daß sie keine Nahrung mehr finden. Sie waren halsstarrig wie ein Ochse, der sich nur mit Mühe leiten läßt.
Die Verheißung Jahwes an Moses lautete: „Mein Angesicht wird mitgehen und ich werde dir Ruhe geben.” Jahwe verhieß, mit den Israeliten zu sein. Er gab ihnen die Versicherung, daß Seine Macht in ihrer Mitte offenbar werden würde. Denn Gottes Macht, wie sie sich in allen Angelegenheiten der Erde sowohl als auch des Universums kundtut, ist nicht lediglich eine Macht, die Kenntnis nimmt von allem, was geschieht - sondern es ist eine Macht, die alle Ereignisse überwaltet, damit sie zur Hinausführung Seiner Ratschlüsse dienen. Er leitet und unterstützt die Anstrengungen Seines Volkes. Zudem ist es sehr wahrscheinlich, daß bei diesem besonderen Werk der Überwaltung der Angelegenheiten der Israeliten die Engel Jahwes Hilfe leistend tätig waren.
Dieser Gedanke steht im Einklang mit der Schriftstelle, welche besagt, daß jeder Geheiligte des Herrn einen Schutzengel hat, der ihn bewacht. Wir lesen: „Ihre Engel schauen allezeit das Angesicht meines Vaters, der in den Himmeln ist.” (Matthäus 18:10) Die Engel haben unmittelbaren Umgang mit dem Vater, der auf diese Weise einen direkten Überblick über all diejenigen hat, die Ihm gehören.
Die göttliche Macht wurde den Israeliten in direkter Weise offenbar gemacht, und zwar durch die Schekina-Herrlichkeit über dem Gnadenstuhl im Allerheiligsten, welche die Gegenwart des Herrn andeutete. Wenn die Israeliten weiterpilgern sollten, so ging am Tag die Wolkensäule und in der Nacht die Feuersäule vor ihnen her. Wenn sie sich niederlassen sollten, so stand die Wolkensäule still. Während ihr Lager aufgeschlagen war, ruhte die Wolke über der Stiftshütte; und die Schekina-Herrlichkeit ruhte zwischen den Cherubim auf dem Gnadenstuhl in der Stiftshütte. So ging denn die Gegenwart Gottes mit ihnen nach dem Lande Kanaan und gab ihnen alles, was Gott verheißen hatte. (Josua 23:14)
Moses bedurfte der Ermutigung
Aus dem Zusammenhang, in dem unser Leittext in der Heiligen Schrift steht, erkennen wir, daß Moses’ Sanftmut sich wieder offenbarte. Er hatte zuvor darum gebeten, daß jemand sein Mundstück sein möchte, und Gott hatte Aaron zu diesem Dienste bestellt. Vorlaute Personen bringen sich oft selbst in Verlegenheit, weil es ihnen an Sanftmut und Bescheidenheit mangelt. Aber bei Moses war dies nicht der Fall; er war „sehr sanftmütig, mehr als alle Menschen, die auf dem Erdboden waren”. Demut ist ein sehr bedeutsames Charakterelement. Dem Sanftmütigen wird es leichter fallen, milde und geduldig zu sein, als demjenigen, dem es an Sanftmut mangelt. Unter den Früchten des Geistes erwähnt der Apostel auch die Sanftmut. (Galater 5:22)
Als Gott dem Moses verhieß, daß Seine Gegenwart mit ihm gehen würde, redete Er zu ihm als dem Mittler. Deshalb sagte Er: „Mein Angesicht wird mit (dir) gehen und ich werde dir Ruhe geben.” Sobald Moses den Gesetzesbund am Sinai eingeführt hatte, stand Israel in Bundesbeziehungen zu Gott und umgekehrt Gott zu Israel.
Israel verfehlte, in die Ruhe einzugehen
Man könnte hier den Gedanken haben, daß Gott in Erfüllung Seiner Verheißung: „Ich werde dir Ruhe geben” dem Moses eine Ruhe des Gemütes gegeben habe, und daß alle, die mit Moses und mit den Verheißungen Gottes in Einklang kommen, auch eine Ruhe des Gemütes erlangen würden. Aber eine solche Ruhe ist hier nicht gemeint. Die Israeliten zogen aus dem Lande Ägypten in das Land der Verheißung, das für sie ein ewiges Erbteil sein sollte, wenn sie den Bund halten würden. Aber von allen Erwachsenen, die aus Ägypten auszogen, gingen nur Josua und Kaleb in das Land Kanaan ein. (4. Mose 32:11 und 12) Die übrigen erreichten wegen ihres Mangels an Glauben das Land nicht. Die lange Dauer der Wüstenwanderung von vierzig Jahren hatte ihre Ursache in der Furchtsamkeit und der daraus entstandenen Empörung des Volkes.
Als die Israeliten auf ihrer Wüstenreise schließlich den Ort ereichten, von dem aus sie das Land Kanaan sehen konnten, wurden Kundschafter ausgesandt. Diese sollten Nachforschungen anstellen und berichten, auf welche Weise man das verheißene Land am besten einnehmen könnte. Alle Kundschafter, mit Ausnahme von Kaleb und Josua, gaben einen ungünstigen Bericht. Das furchtsame Volk sagte daraufhin: „Wir können nicht hinaufziehen und das Land einnehmen. Die Leute sind Riesen, und wir sind in ihren Augen gleich Heuschrecken.” Wegen seines Mangels an Glauben murrte es angesichts der Aufforderung, in das Land Kanaan einzuziehen. Daher schwor Gott in Seinem Zorn, daß das Volk nicht in Seine Ruhe eingehen würde. (Hebräer 3:11)
Die vorbildliche und die gegenbildliche Ruhe
Der Apostel Paulus zeigt, daß die Ruhe des Volkes Israel in Kanaan ein Vorbild von der Ruhe des Volkes Gottes in dem gegenwärtigen Evangeliumszeitalter ist. (Hebräer 4:3 und 9) Durch Glauben ruhen wir in Gott - in den Verheißungen Gottes. Wir werden nicht davon abgebracht durch irgendwelche widrigen Verhältnisse der gegenwärtigen Zeit. Unsere Ruhe ist die Wirklichkeit; die Ruhe Israels war das Vorbild.
Die gegenbildliche Ruhe, in welche das Volk des Herrn eingeht, hat zwei Phasen. Wir, die wir glauben, gehen jetzt in die Ruhe ein. Der Friede Gottes regiert in unseren Herzen und führt uns auf dem Lebenswege. Wir haben den Frieden, die Ruhe des Glaubens; wir haben das Vertrauen, daß Gott unserem Lauf die rechte Richtung geben wird. Daher sind wir zufrieden, obwohl noch nicht voll befriedigt. Wir werden nicht eher voll befriedigt sein, bis wir in unsere völlige Ruhe eingegangen sein werden. Unsere wahre Ruhe wird der herrliche, vollkommene Zustand jenseits des Vorhangs sein, den wir in der Ersten Auferstehung erlangen werden.
Der Apostel Paulus, der diese Frage im dritten und im vierten Kapitel des Briefes an die Hebräer erörtert, sagt, daß die Israeliten verfehlt haben in die Ruhe einzugehen - und zwar nicht etwa, weil Gott Sein Teil nicht erfüllt hätte, sondern, weil sie verfehlten, den rechten Glauben an Gott zu betätigen. Sie hatten „ein böses Herz des Unglaubens”. Weiter fortfahrend sagt der Apostel: „Fürchten wir uns nun, daß nicht etwa, da eine Verheißung, in Seine Ruhe einzugehen, hinterlassen ist, jemand von euch scheine zurückgeblieben zu sein.” (Hebräer 4:1) Es werden Anforderungen und Bedingungen gestellt. Der Apostel meint, daß ein jeder, der zur Überwinderklasse gehören will, vorsichtig wandeln muß, damit er nicht verfehlt, in die ewige Ruhe Gottes einzugehen. Es wird eine solche Klasse von Überwindern geben, und Gott hat vorherbestimmt und vorherverordnet, daß diese in die herrliche und vollkommene Ruhe eingehen soll. Wenn wir getreu sind bis in den Tod, so werden wir durch die Auferstehungs-„Verwandlung” diese glorreiche Ruhe erlangen.
Josua ein Vorbild von Christus
Die Welt ist jetzt nicht dazu imstande, in diese Ruhe einzugehen. Sie gleicht dem tosenden Meer. Sie hat keine Beziehung zu Gott. Die Schrift sagt uns, daß die Menschen eine arme, seufzende Schöpfung sind, die in Geburtswehen liegt. Sie sehen nicht die Ruhe, die Gott vorgesehen hat. Wir sehen jedoch, daß der gegenbildliche Moses, der große Mittler, wenn er vollendet sein wird, das Volk in die Ruhe bringen wird. (5. Mose 18:15, Apostelgeschichte 3.22)
Moses führte die Kinder Israel nicht in das Land der Verheißung; Josua, ihr neuer Führer, war derjenige, der sie über den Jordan führte. Auf diese Weise zeigt das Vorbild, daß die Menschheit nicht durch das Gesetz, sondern durch einen Heiland in das verheißene Land gebracht wird. Der Name „Josua” bedeutet „Heiland” (griechisch: „Jesus”). - siehe Fußnote in der Elberfelder Bibel zu Hebräer 4:8. Jesus wird alle Menschen, welche dies wollen, in das wahre Land der Verheißung führen - zur Liebe und der Treue Gott und den Grundsätzen der Gerechtigkeit gegenüber. Zur Zubereitung der Welt für alle die Segnungen, die Gott für sie in Bereitschaft hat, werden die ganzen tausend Jahre des Messianischen Königreiches erforderlich sein.
Unser Herr Jesus ging dadurch in die Ruhe ein, daß er dem Himmlishen Vater in Bezug auf die Erfüllung aller Seiner gnädigen Verheißungen vertraute. Jesus, das Haupt des gegenbildlichen Moses, genoß daher vollkommene Ruhe des Herzens und war sich der beständigen Gegenwart und Gemeinschaft des Himmlischen Vaters bewußt. In diesem Zustand befand er sich dreieinhalb Jahre, und dann ging er durch die Erste Auferstehung in die vollkommene Ruhe ein.
Dasselbe gilt auch für alle Glieder des Leibes des gegenbildlichen Moses - des Christus. Gottes Angesicht geht mit ihnen. Die Welt ist gegenwärtig noch nicht in der Verfassung, um in die Ruhe des Vaters eingehen zu können. Nur die Glieder des Leibes Christi sind in diese Ruhe des Glaubens eingegangen, indem sie dem Herrn vertrauen. Und nur diejenigen, die treu bleiben, werden als Glieder des großen gegenbildlichen Mittlers anerkannt werden. Alle, die dieses Glaubens ermangeln, ermangeln des Beweises dafür, daß sie Glieder des Leibes Christi sind. Wenn daher unsere Herzen beunruhigt sind, und wir in diese Ruhe des Glaubens nicht einzutreten vermögen, so besteht das rechte Verhalten für uns darin, daß wir den Thron der Gnade aufsuchen, um die Schwierigkeit zu überwinden.
Die für die Menschheit vorgesehene Ruhe
Was die Israeliten angeht, von denen der Herr sagt, daß sie nicht in Seine Ruhe eingehen werden, so glauben wir nicht, daß der Herr damit hat sagen wollen, daß kein Jude in die wahre Ruhe Gottes eingehen werde. Wir glauben vielmehr, daß es sich dabei um eine Prophezeiung handelt, die auf das Ende des jüdischen Zeitalters Bezug hat - und die darauf hindeutet, daß die Juden als eine Nation nicht bereit sein würden, in die Ruhe des Glaubens einzugehen, die ihnen angeboten werden würde. Als Nation verfehlten die Israeliten das Ziel, denn „sie erkannten nicht den Tag ihrer Heimsuchung”.
Sobald der große Messias den Neuen Bund aufgerichtet haben wird, werden sowohl Juden als auch Heiden Frieden und Wohlergehen erlangen, und zwar so schnell, wie sie in den Neuen Bund eintreten. Aber nach einer vollen und angemessenen Prüfung werden diejenigen, die dann noch im Ungehorsam beharren, in den Zweiten Tod gehen. Das ganze Messianische Zeitalter hindurch wird die Menschheit in die tatsächliche Ruhe eingehen, die mit einer Erlösung von der Knechtschaft der Sünde und des Todes gleichbedeutend sein wird. Ehe die Herrschaft des Messias zu Ende gegangen sein wird, wird die Menschheit völlig in jene Ruhe und in die Vollkommenheit des Lebens eingegangen sein, und sie wird als ein Teil des Samens Abrahams anerkannt werden nach der Verheißung: „Zum Vater einer Menge Nationen habe ich dich gemacht.” (1. Mose 17:5, Römer 4:17) Der Segen des Herrn wird auf allen Menschen ruhen. Ein jeder aber, der sich weigert, in die Ruhe einzugehen, wird vom Leben abgeschnitten werden, und mutwillige Sünder werden als Hundertjährige sterben. (Jesaja 65:20)
WT vom März 1914