Jakobs innigstes Gebet

„Ich lasse dich nicht los, bevor du mich gesegnet hast.” - 1. Mose 32:27

Die Heimreise Jakobs in das Land seiner Geburt kann mit Recht als einer der überzeugendsten Beweise sowohl für seinen Glauben an Gott als auch seiner Wertschätzung der göttlichen Verheißung betrachtet werden. 20 Jahre zuvor war er vor seinem Bruder geflohen, der ihm nach dem Leben trachtete. Zwischenzeitlich war sein Bruder reich und mächtig geworden und Jakob mußte annehmen, daß er ihm auch weiterhin feindlich gesonnen war. Obwohl die göttlichen Verheißungen sich erst in ferner Zukunft erfüllen sollten, nachdem er längst gestorben und begraben war, kehrte Jakob zurück. Wie auch Abraham blickte er auf die Stadt, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist, das Neue Jerusalem, das Königreich Gottes auf Erden. Er wußte, daß Abraham im Glauben gestorben war, ohne die Erfüllung der Verheißung erlebt zu haben, und er war willens, in gleicher Weise geduldig zu warten.

Gott hat den Glauben während der vergangenen Zeitalter stets hoch geschätzt. Dies hat sich bis heute nicht geändert. Alle die jetzt um Seinetwillen und wegen ihrer Wertschätzung für die göttlichen Verheißungen den Verlust irdischer Heime und Vorrechte und Bequemlichkeiten erdulden, können sich sicher sein, daß diese Prüfungen ihrer Treue zu Gott nicht unbelohnt bleiben werden. Der Herr sucht solche Anbeter, die ihn im Geiste und in der Wahrheit anbeten; nur an solchen hat Er Wohlgefallen; nur solchen dienen die Engel des Himmels, denn wir lesen: „Sind sie nicht allzumal dienstbare Geister, ausgesandt um derer Willen, welche ererben werden die Errettung?” Hebräer1:14

Nicht die Erfüllung der Verheißung

Die Rückkehr Jakobs von Paddan-Aram in das Land Kanaan, das Land der Verheißung, kann auf keinen Fall als die Erfüllung der Verheißung betrachtet werden, nach der er das ganze Land Kanaan für sich selbst und für seine Nachkommenschaft als ein ewig dauerndes Eigentum besitzen werde. Jakob selbst vertrat diese Ansicht nicht, denn aus seiner Botschaft an Esau nachdem er in das Land gekommen war geht deutlich hervor: „Und er gebot ihnen und sprach (zu seinen Dienern): So sollt ihr sprechen zu meinem Herrn, dem Esau: So spricht dein Knecht Jakob: Bei Laban habe ich mich aufgehalten und bin geblieben bis jetzt.” (1. Mose 32:3 - 4). Der Apostel Paulus zeigt nachdrücklich, daß diese Verheißung niemals, weder bei ihnen (den Patriarchen), noch bei ihren Nachkommen erfüllt worden ist. Dennoch ist sicher, daß sie zur bestimmten Zeit sowohl bei ihnen als auch bei ihren Nachkommen erfüllt werden wird. Paulus sagt: „Durch Glauben war Abraham als er gerufen wurde, gehorsam, auszuziehen an den Ort, den er zum Erbteil empfangen sollte. … Durch Glauben hielt er sich auf (indem er umherreiste und sich nicht als Eigentümer fest niederließ) in dem Lande der Verheißung, wie in einem fremden, und wohnte in Zelten (nur zeitweise und vorübergehend darin Wohnung nehmend) mit Isaak und Jakob, dem Miterben der Verheißung; denn er erwartete die Stadt (das aufgerichtete Königreich) welche Grundlagen hat (die ewig bestehen wird), deren Baumeister und Schöpfer Gott ist. … Diese alle sind im Glauben gestorben und haben die Verheißungen nicht empfangen, sondern sahen sie von Ferne und begrüßten sie und bekannten, daß sie Fremdlinge und ohne Bürgerschaft auf der Erde seien.” - Hebräer 11:8 bis 10 und 13

Nach ungefähr zwanzig Jahren Abwesenheit von der Heimat, war Jakob auf Befehl des Herrn bereit zurückzukehren. (1. Mose 31:3, 11 - 13; 28:15, 20 und 21; 32:9)

Die Erfahrung hatte ihn Vertrauen auf Gott und Mißtrauen gegen seinen Onkel Laban gelehrt. Jakob war jetzt ca. 97 Jahre alt und reich an Vieh- und Schafherden, und mit seinen Frauen und Söhnen begann er die damals lange Reise von ungefähr 450 Meilen. Vor der Begegnung mit seinem Bruder Esau fürchtete er sich. Doch trotz seiner Furcht wanderte er im Glauben an die Verheißungen Gottes mutig weiter.

Das erste in der Bibel berichtete Gebet

Jakob erinnerte sich an den Zorn seines Bruders Esau, als sie sich vor 20 Jahren trennten (1. Mose 31:38 und 41). Daher hielt er es für weise, seinem Bruder Esau durch seine Diener verschiedene wertvolle Geschenke an Vieh und Schafen zu übersenden, um zu zeigen, daß er in friedlicher Absicht käme. Seine Diener brachten die Antwort zurück, daß Esau ihm mit 400 Mann entgegenziehe. Er fürchtete, daß dies einen unfreundlichen Empfang bedeute und deshalb flehte er den Gott seiner Väter um Hilfe und Leitung an. Einige haben das Gebet Jakobs an dem Maßstab des Gebetes unseres Herrn gemessen und es als ein vollkommenes Gebet bezeichnet. Diejenigen, die eine solche Auffassung vertreten, meinen, daß beide Gebete den gleichen allgemeinen Gedanken folgen:

  1. Anbetung des Allmächtigen
  2. Erniedrigung und Selbstverneinung vor dem Herrn
  3. Bitte um göttliche Fürsorge und Gottes Schutz
  4. Wiederholung der göttlichen Verheißungen als Grund für seinen Glauben und seine Hoffnung

Die verschiedenen Teile des Gebets nach dieser Beschreibung (1 .Mose 32:10 - 13) sind:

  1. „Gott meines Vaters Abraham, und Gott meines Vaters Isaak, Jahwe, der du zu mir geredet hast: Kehre zurück in dein Land und zu deiner Verwandtschaft, und ich will dir wohltun.
  2. Ich bin zu gering all der Gütigkeiten und all der Treue, die du deinem Knecht erwiesen hast; denn mit meinem Stabe (ohne irgend welches Besitztum) bin ich über diesen Jordan gegangen, und nun bin ich zu zwei Zügen geworden (Jakob nimmt hier Bezug auf seinen großen Besitz an Herden von Vieh und Schafen und an Hirten, welche er in zwei Teile geteilt hatte)
  3. Rette mich doch von der Hand meines Bruders, von der Hand Esaus! Denn ich fürchte ihn, daß er etwa komme und mich schlage, die Mutter samt den Kindern (das heißt: die Wurzel samt den Zweigen)
  4. Du hast ja gesagt: „Gewißlich werde ich dir wohltun und werde deinen Samen machen wie den Sand des Meeres, der nicht gezählt wird vor Menge.”

Es kann weder von Jakob noch von irgend einem anderen der alttestamentlichen Überwinder gesagt werden, daß sie vollkommen gewesen und deshalb vom Herrn begünstigt worden seien. Die eine besondere Eigenschaft, die sich aus allen Charaktereigenschaften Jakobs, wie auch aus denen Abrahams und Isaaks klar und deutlich hervorhob, war sein Glaube. Wir erinnern uns daran, daß er nicht unter den günstigen Verhältnissen lebte, die wir in der Gemeinschaft mit dem Herrn durch den Heiligen Geist und in der Gemeinschaft mit den Brüdern genießen. Im Gegensatz zu uns stand er in seinem Glauben allein da. Ihm war nie irgend etwas in Bezug auf die schließliche großartige Vollendung des göttlichen Planes erklärt worden, wie dies unser Vorrecht ist. Uns gab das Wort Gottes und die Erleuchtung mit dem Geist der Wahrheit all das kund. Jakob wußte nur, daß Abraham eine Verheißung empfangen hatte, welche die Segung der Welt durch seine Nachkommen enthalte; aber sein Glaube hatte diese Verheißung ergriffen, so daß sie für ihn Wirklichkeit wurde - zur vorherrschenden Kraft und einem mächtigen Einfluß in seinem Leben. Wegen dieser Verheißung hatte er alles ertragen und ertrug es noch. Er hatte sogar angesichts der Feindseligkeit Vertrauen, obwohl er aus Furcht vor seinem größeren Gegner zitterte. Denn zu dieser Zeit war Esau, der Besitzer von Isaaks Reichtum und der Herr über seine Diener, als der „Fürst von Edom” bekannt.

Bestätigt und verbürgt durch bessere Verheißungen

Die Lektion für uns ist, daß eine noch viel größere Verheißung für uns hinterlassen wurde. Das bedeutet, die gleiche Verheißung wurde erweitert und in zwei Teile geteilt, wobei die höheren oder geistigen Züge der Kirche Christi gegeben wurden. Deshalb haben wir, die wir uns selbst als die Erben der gleichen Verheißung erkennen und wir ihre geistige Kraft und Bedeutung verstehen, viel mehr Ursache als Jakob, uns vor dem Herrn zu demütigen. Wir erkennen unsere Abhängigkeit von Ihm an und bitten Ihn um unserer höheren Interessen willen um Befreiung von dem großen Feind und jedem Gegner. Wir gedenken Seiner gnädigen Verheißungen, welche uns durch den Tod unseres Herrn Jesu Christi verbürgt sind. Der Apostel zeigt dies deutlich, wenn er zu uns sagt: „Wenn ihr aber Christi seid, so seid ihr denn Abrahams Same und nach Verheißung Erben.” - Galater 3:29

Jakob wird als einer der Erben der irdischen Stufe des verheißenen Segens wiederkommen. Die besondere Ehre mit dem Herrn auf dem Throne zu sitzen, ist jedoch auf das geistliche Israel übergegangen; und wir, die wir jetzt gemäß dem göttlichen Plan berufen sind, sollten sehr darauf achten, unsere Berufung und Erwählung fest zu machen. Wir, die wir Ihm durch das Blut Christi nahe gebracht worden sind, sollten mit um so größerem Verständnis und Eifer unseren Vater im Himmel wegen der Reichtümer Seiner Gnade verherrlichen, die wir, wie Er uns versichert, erreichen werden, wenn wir den nötigen Glauben und den rechten Gehorsam bezeugen. Sollten wir nicht Tag und Nacht zu Gott wegen der außerordentlich großen und kostbaren Verheißungen rufen, die Er uns gegeben hat? Und sollten wir nicht auch wegen unserer Erwartung, sie verwirklicht zu sehen, zu unserem Heiland rufen - damit wir die Gnade und die Kraft empfangen mögen, um durch ihn „mehr als Überwinder” zu werden, der uns liebte und uns mit seinem kostbaren Blut erkaufte?

Im Gebete ringend

Jakob war nicht mit seinem Gebet allein zufrieden. Er betätigte sich auch und brachte im Hinblick auf das bevorstehende Gottesurteil seine Angelegenheiten in die bestmögliche Ordnung, indem er seinen Besitz in zwei Teile teilte. Wahrscheinlich setzte er dann sein Gebet fort, von welchem uns nur ein kurzgefaßter Bericht hinterlassen wurde. Die Heilige Schrift erzählt weiter, daß Jakob, nachdem er alle die klugen Anordnungen getroffen hatte „allein übrig geblieben sei und daß ein Mann mit ihm rang, bis die Morgenröte aufging”. Ein anderer Schriftsteller hat treffend bemerkt: „Dies war ein Wendepunkt in der Geschichte dieses sehr denkwürdigen Mannes. Mit Gott allein gelassen zu werden ist der einzig wahre Weg, um zu einer richtigen Erkenntnis über uns selbst und unsere Wege zu gelangen.”

Wir können niemals eine richtige Erkenntnis der Natur und all ihrer Handlungen erlangen, bis wir sie in der Waage des Heiligtums abgewogen haben; dann erst ermitteln wir ihren wahren Wert. Es ist ohne Bedeutung, was wir über uns selbst denken mögen, noch was Menschen über uns denken. Die große Frage ist: Wie denkt Gott über uns? Und die Antwort auf diese Frage können wir nur dann hören, wenn wir mit Gott „allein gelassen werden”. Abseits von der Welt, abseits von uns selbst; abseits von all den Gedanken, Überlegungen, Einbildungen, abseits von den Gefühlen der menschlichen Natur und „allein” mit Gott! Nur so allein können wir ein richtiges Urteil über uns selbst erlangen.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung