Des Christen Leben und Lehre |
Verschiedene Phasen des Wortes Versuchung
„Niemand sage, wenn er versucht wird: Ich werde von Gott versucht; denn Gott kann nicht versucht werden vom Bösen, und selbst versucht er niemanden. Ein jeder aber wird versucht, wenn er von seiner eigenen Lust (Begierde) fortgezogen und gelockt wird.“ (Jakobus 1:13 - 14)
Viele Menschen, besonders aber die Orientalen, neigen zum Fatalismus. Die Mohammedaner beispielsweise sind in bezug auf irgendein Unglück, das ihnen zustößt, der Auffassung, daß Gott es geschickt habe. Sie unterwerfen sich daher einfach und strengen sich nicht weiter an. Diese Menschen neigen auch in bezug auf die Sünde zu einer ähnlichen Stellung und sagen: „Gott hat gewollt, daß ich Unrecht tue. Ich bin daher nicht zu verurteilen. Wenn es sein Wille ist, daß ich die Malzeichen der Sünde trage, so will ich sie tragen.“ Dies ist ein Irrtum, denn Gott versucht niemanden zur Sünde.
Es ist selbstverständlich, daß wir Gottes Hand in Seinem Handeln mit uns anerkennen und uns unterwerfen. Aber der Apostel weist darauf hin, daß die Versuchungen nicht von Gott kommen, sondern aus uns selbst. Viele Christen neigen dazu, den gegenteiligen Standpunkt des Orientalen einzunehmen und zu sagen: „Es gibt keine Versuchungen von Gott; daher stammen alle unsere Versuchungen vom Widersacher.“
Der Apostel Jakobus weist darauf hin, daß unsere Versuchungen das Resultat unserer eigenen natürlichen Begierden und Schwachheiten sind. Diese werden von außen angeregt, oft von unseren Mitmenschen und solchen, mit denen wir im täglichen Leben Umgang haben. Wir sind ringsum von Beispielen und Einflüssen umgeben, die auf verschiedene Weise zum Bösen neigen. Ihrem Ursprung nach können sie alle auf Satan zurückgeführt werden; denn alle Sünde ist durch ihn in die Welt gedrungen. Satan brachte unsere Stammeltern zu Fall, und damit brachte er die Sünde in die Welt. Satan und seine dämonischen Heerscharen wirken jetzt so viel wie möglich, indem sie unsere Schwachheiten ausnutzen. Aber dies enthebt uns nicht unserer persönlichen Verantwortung, denn wir haben immer noch unseren freien Willen. Unsere Verantwortung ist je nach der natürlichen Kraft oder Schwachheit unseres Charakters unterschiedlich. Daher sollen wir nichts vor der Zeit richten. Gott allein vermag völlig zu beurteilen, inwieweit jemand dazu in der Lage ist zu überwinden.
Gottes Kinder sollten sich daher der Tatsache bewußt sein, daß keine Versuchung von Gott stammt und daß Gott auf ihrer Seite sein wird, wenn sie der Versuchung widerstehen. Sie sollen die Versuchung überwinden und ihr widerstehen. Es ist gleich ob die Versuchung, die sie dem Willen Gottes entgegen zur Sünde verleiten möchte, von außen oder vom Widersacher, oder aus der Schwachheit des Fleisches stammt.
Der Apostel sagt, daß Gott niemanden versucht. Die Vorstellung, daß Gott uns zur Sünde versucht, wäre furchtbar. Denn aufgrund Seiner Macht könnte niemand dem widerstehen, was Er über uns kommen ließe. Wir würden sicherlich überwunden werden. Wenn wir uns aber darüber im klaren sind, daß unsere Versuchungen nicht von Gott stammen, so wissen wir, daß Er uns helfen wird. Er wird es nicht zulassen, daß wir über unser Vermögen versucht werden. Vielmehr wird Er mit jeder Versuchung auch einen Ausweg schaffen. Er wird uns gemäß Seiner Verheißung beschützen, so wie wir des Schutzes und Beistandes bedürfen. Wenn wir diesen Gedanken festhalten, so können wir stark sein.
Wie Gott Abraham versuchte
Wir finden im Alten Testament, daß „Gott den Abraham versuchte“, indem Er zu ihm sagte: „Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du lieb hast, den Isaak, … und opfere ihn als Brandopfer.“ Es stellt sich nun die Frage, wie wir die Worte, „Gott versuchte den Abraham“ mit den Worten des Apostels in Einklang bringen, daß Gott „niemanden versucht“? Die Antwort lautet, daß sich der Apostel Jakobus mit dem Wort Versuchung in unserem Leittext auf Versuchungen zum Bösen beschränkt. Gott versucht uns zum Guten. Er stellt uns die „überaus großen und kostbaren Verheißungen“ vor, die wunderbaren Verheißungen, die Er uns gegeben hat. Sie sind wie Magneten, die uns sozusagen anziehen sollen. In diesem Sinne des Wortes werden wir von Gott versucht. Aber Gott versucht uns nicht, Böses zu tun und Sünde zu begehen. Gott versuchte Abraham. Er prüfte ihn, nicht um ihm zu schaden, sondern in der Absicht, ihm Gutes zu tun. Weil Abraham die Prüfung bestand, konnte Gott ihm größere Segnungen zu Teil werden lassen. Und das tat Er! Er schenkte ihm große Segnungen in diesem Leben und darüber hinaus eine Verheißung größerer Segnungen für das zukünftige Leben in der Auferstehung.
Abrahams Prüfung bestand darin, daß er seinen Sohn Isaak, auf dem alle Verheißungen ruhten, opfern sollte. Abraham bewies seine Treue durch seinen entschiedenen Gehorsam. Er urteilte, daß Gott zur Erfüllung der Verheißung auch aus den Toten zu erwecken vermag. (Hebräer 11:18-19) Als seine Treue aufs Äußerste erprobt worden war, als er das Messer nahm, um seinen Sohn zu opfern, hielt ihn ein Engel vom Himmel zurück. Abraham brachte stattdessen einen von Gott auserwählten Widder als Brandopfer dar.
Warum Gott nicht vom Bösen versucht werden kann
Unser Leittext sagt auch aus, daß Gott nicht vom Bösen versucht werden kann. Welche Bedeutung hat das? Wir wissen, daß unser Herr Jesus „heilig, unschuldig, unbefleckt und abgesondert von den Sündern“ war; aber das er „in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde.“ (Hebräer 7:26; 4:15) Wenn Jesus heilig war, und in vollem Einklang mit dem Vater stand, und der Vater nicht versucht werden kann, wie konnte dann Jesus versucht werden? Unser Herr war im Fleische vollkommen, ein vollkommenes menschliches Wesen. Aber ein menschliches Wesen ist in bezug auf Erkenntnis und Ausharren Beschränkungen unterworfen. Das menschliche Gehirn und der menschliche Körper sind nicht so veranlagt, daß sie alles wissen und alles ertragen können. Das ist ein Grund dafür, daß Gott uns nicht alles sagt. Wir müssen durch Glauben wandeln. Selbst jemand, der vom heiligen Geist gezeugt wurde und etwas von den Tiefen Gottes verstanden hat, kann nicht alle ewigen Dinge verstehen. Sie liegen jenseits seines Erfassungsvermögens.
Ein sehr kluger Hund ist zum Beispiel fähig, viele Befehle auszuführen. Wollen wir einem Hund aber höhere Wissenschaften wie Mathematik und Astronomie beibringen, so wäre er nicht nur bestürzt, sondern würde uns überhaupt nicht verstehen. So besteht auch zwischen der Menschheit und Gott eine große Kluft. Es ist dem Menschen nicht möglich, alle Teile, alle Einzelheiten des göttlichen Planes zu erfassen. Selbst nach der Zeugung durch den heiligen Geist sehen wir die Dinge jetzt, „durch einen Spiegel, undeutlich“, und nicht von Angesicht zu Angesicht, wie der Apostel uns sagt. Wenn wir verherrlicht und unserem Herrn gleich sein werden, dann werden wir alles deutlich erkennen und von dem göttlichen Standpunkt aus betrachten können.
Die Versuchung unseres Herrn
Unser Herr Jesus wurde als vollkommener Mensch bei der Taufe vom heiligen Geist gezeugt und eine Neue Schöpfung. Aber diese Neue Schöpfung lebte in dem menschlichen Leib und wirkte durch denselben. Daher war Jesus solange er im Fleische war Beschränkungen unterworfen. Auch war er von unvollkommenen menschlichen Wesen und deren Wünschen, Ansichten und Schwachheiten umgeben. Zur Opferung seiner irdischen Interessen bedurfte er eines großen Glaubens. Er hatte daher in bezug auf Gehorsam und Glauben an Gott ernste Prüfungen zu bestehen. Er wurde nicht im Hinblick auf Sünde oder Schwachheit versucht, denn er hatte weder Sünde noch Schwachheit. Er wurde nicht in der Weise natürlicher Menschen versucht, denn er war kein solcher. Er war durch den heiligen Geist gezeugt worden. Er wurde versucht hinsichtlich seines Gehorsams gegen Gott und hinsichtlich seines Vertrauens auf die Vorkehrung des Vaters. Wir werden in gleicher Weise zu unserer Entwicklung versucht, damit wir getreulich unser Leben niederlegen und das Sichtbare gern aufgeben, um das Unsichtbare zu erlangen.
Hinsichtlich der Kraft und der Erkenntnis unterschied sich unser Herr offenbar vom Vater. Der Vater erkannte den Unterschied zwischen dem Guten und dem Bösen immer deutlich. Er ist in keinem Sinne des Wortes unvollkommen, so daß Er durch nichts versucht werden kann. Er hat vielmehr die Kraft, Seinen Willen auszuführen, ohne von der Sünde, deren Widersacher Er stets ist, gehindert zu werden oder sie bekämpfen zu müssen. Gottes Kraft ist unermeßlich. Weil unser Herr Jesus der Sünde gegenüber ebenso eingestellt war, heißt es von ihm: „Du hast Gerechtigkeit geliebt und Gesetzlosigkeit gehaßt; darum hat Gott, dein Gott, dich gesalbt mit Freudenöl über deine Genossen.“ (Psalm 45:7; Hebräer 1:9) Alle Brüder des Herrn Jesu müssen daher den gleichen Standpunkt bezüglich der Sünde einnehmen. Das gilt besonders hinsichtlich der Sünde in uns und der Neigungen zur Sünde in uns. Die Jünger des Herrn führen einen beständigen inneren Kampf, indem sie sich bemühen, seinem Beispiel zu folgen.
So versucht Gott niemanden und kann auch selbst nicht vom Bösen versucht werden. Das Böse übt keinen Einfluß auf Ihn aus. Unser Herr Jesus befindet sich jetzt in einem Zustand, in dem er nicht versucht werden kann. Er besitzt jetzt die göttliche Natur und ist vollkommen in Macht. Sobald wir durch die Auferstehungsverwandlung die gleiche Natur erlangt haben werden, werden auch wir dem Bösen oder der Versuchung nicht mehr unterworfen sein. Wir werden ihm gleich sein und werden uns im vollen Einklang mit dem befinden was recht ist, was von Gott ist.
amerikanischer WT vom 01.06.1915