Das Blut der Besprengung des Passahs

Das Passahfest, wie die Juden es zu feiern pflegen, beginnt am 15. Tag des Nisan, abends um 18.00 Uhr. Aber das Interesse der Christen richtet sich besonders auf das Schlachten des Lammes, das dem Passahfeste vorausging. Das Passahlamm wurde am 14. Tage des Monats Nisan geschlachtet, welcher Tag in diesem Jahr seinen Anfang am Abend des 22. April nimmt. Die Gedächtnisfeier des Todes des gegenbildlichen Passahlammes, unseres Herrn Jesus, die auf den gleichen Tag fällt, wird daher von uns am Freitagabend, dem 22. April, gehalten. Es ist bedauerlich, daß, obwohl Millionen Christen und Juden durch zeremonielle Formen eine äußere Feier dieses großen weltgeschichtlichen Ereignisses beibehalten, doch nur wenige Menschen die wahre Bedeutung dieser Feier erkennen.

Die Einsetzung des Passahs

Wenn es möglich wäre, den Gemütern aller Christen einen tiefen Eindruck von der wahren Bedeutung des Passahs zu geben, so würde daraus eine religiöse Erweckung hervorgehen, wie sie die Welt noch nie gesehen hat. Aber leider ist es so, wie der Apostel sagt, daß der Gott dieser Welt die Sinne von vielen verblendet hat: Ja, es gibt sogar solche, deren Augen des Verständnisses zwar teilweise geöffnet sind, von denen aber dennoch der Apostel Petrus sagt, daß sie blind und kurzsichtig seien; daher sind sie unfähig, die Tiefen Gottes bezüglich dieser Zeremonie zu erkennen, die in der Welt nun bereits seit über 3.500 Jahren beobachtet werden kann. Selbst Kritiker der Bibel und sogar Gottesleugner müssen anerkennen, daß sich eine so augenfällige und seit so langer Zeit weit verbreitete Feier auf ein tatsächliches Ereignis stützen muß. Es muß dieses Geschehnis in Ägypten stattgefunden haben; die Erstgeburt Ägyptens muß durch jene zehnte Plage umgekommen sein und die Erstgeburt Israels, aller derer, die das Gebot befolgten, unter dem schützenden Blute zu bleiben, muß errettet worden sein, denn sonst würde diese weitverbreitete Feier des Geschehnisses unerklärlich sein.

Wir brauchen nicht näher auf die Einzelheiten, die in Verbindung mit der Einsetzung des Passahfestes stehen, einzugehen, sondern möchten nur erwähnen, daß die Israeliten von den Ägyptern geknechtet worden waren und daß, als nach Gottes Vorsehung die Zeit gekommen war, da sie befreit werden sollten, ihre Beherrscher selbstsüchtig danach trachteten, sie in Knechtschaft zu behalten. Sie weigerten sich daher, sie in das Land Kanaan ziehen zu lassen. Gott ließ nacheinander neun verschiedene Plagen über die Ägypter kommen, und so oft ihr König um Barmherzigkeit flehte und Versprechungen machte, die er später doch brach, befreite sie Gott von den jeweiligen Plagen. Schließlich kündigte der Knecht Gottes, Mose, eine große Hauptplage an, die darin bestand, daß die Erstgeborenen jeder ägyptischen Familie in einer Nacht sterben sollten, und daß sowohl in der Hütte des ärmsten Knechts als auch im Palaste des Königs ein großes Wehklagen einsetzen sollte, das schließlich zur Folge haben würde, daß sie die Israeliten gerne ziehen lassen, ja sogar sie eiligst drängen würden, damit Jahwe nicht etwa das ganze Volk wegen der Verhärtung und Weigerung Pharaos umbringen möchte.

Die ersten drei Plagen betrafen ganz Ägypten einschließlich des Bezirkes der Israeliten. Die nächsten sechs Plagen befielen nur solche Teile Ägyptens, in denen die Ägypter wohnten. Von der letzten, der zehnten Plage, hieß es, daß sie über das ganze Land Ägypten kommen werde, einschließlich des den Israeliten zugewiesenen Teiles. Die Israeliten sollten jedoch dadurch verschont werden, daß sie durch Glauben und Gehorsam ein Lamm schlachteten, dessen Blut auf die Oberschwelle und die beiden Pfosten der Tür gesprengt werden, und dessen Fleisch in derselben Nacht mit bitteren Kräutern und ungesäuertem Brote gegessen werden mußte. Die Essenden sollten, mit dem Stabe in der Hand, reisefertig und im Stehen das Mahl einnehmen in der bestimmten Erwartung, daß Jahwe die Erstgeburt der Ägypter töten und sie damit bereit machen würde, die Israeliten ziehen zu lassen, und ferner im völligen Bewußtsein dessen, daß auch sie dieser Plage ausgesetzt sein würden, wenn sich das schützende Blut nicht an der Oberschwelle und an den Pfosten befinden sollte.

Das gegenbildliche Passahlamm

Den Israeliten wurde geboten, dieses Passah als den grundlegenden Charakterzug des jüdischen Gesetzes sowie als ihre größte nationale Gedächtnisfeier zu beob-achten. Wir sehen auch heute noch, daß das Passah von den Juden nahezu in allen Ländern der Welt gefeiert wird, selbst bei solchen, die sich als Gottesleugner und Ungläubige bezeichnen. Ein gewisses Maß an Achtung für diesen alten Brauch ist ihnen noch geblieben. Aber ist es nicht seltsam, daß die Juden, von denen viele eine so hohe Intelligenz besitzen, es niemals der Mühe wert erachtet haben, in die Bedeutung dieser Feier einzudringen? Warum wurde das Lamm geschlachtet und gegessen? Warum wurde sein Blut auf die Oberschwelle und die Türpfosten gesprengt? Natürlich weil Gott es so befohlen hatte. Aber welcher Beweggrund, welcher Zweck oder welche Belehrung stand hinter diesem göttlichen Gebot? Ein vernünftiger Gott gibt auch nur vernünftige Gebote, und er will, daß diejenigen, die an ihn glauben, zur bestimmten Zeit die Bedeutung jedes Gebotes erfahren. Auch heute noch sind die Hebräer hinsichtlich dieses Punktes gleichgültig und ihre Gemüter sind von Vorurteilen befangen.

Die Christenheit hat auf diese Fragen die Antwort, und doch ist es bedauerlich, daß die große Mehrzahl der Namenchristen aus Gleichgültigkeit unfähig ist, irgendeinen Grund für eine Hoffnung zu geben, die sie hinsichtlich dieses Gegenstandes hat. Obwohl der Jude zu erkennen vermag, daß sein Sabbattag ein Vorbild oder Schatten einer kommenden Epoche der Ruhe und der Segnung und der Befreiung von Mühsal, Schmerz und Tod ist, so vermag er bis auf den heutigen Tag nicht zu sehen, daß in ähnlicher Weise alle Charakterzüge des mosaischen Gesetzes vom Herrn dazu bestimmt wurden, Schatten verschiedener Segnungen zu sein, die zur bestimmten Zeit eintreten sollten. Nur wenige vermögen die Tatsache zu erkennen, daß das Passahlamm das Lamm Gottes vorschattet und darstellt, daß sein Tod den Tod Jesu des Messias darstellt, und daß das Sprengen seines Blutes die Zurechnung des Verdienstes des Todes Jesu zugunsten des ganzen Haushaltes des Glaubens, der Klasse derer, die verschont werden sollen, symbolisiert und darstellt. Glückselig die, deren Augen des Glaubens erkennen, daß Jesus wahrlich „das Lamm Gottes ist, das die Sünde der Welt wegnimmt“ - die erkennen, daß die Tilgung der Sünde der Welt bewirkt wird durch das Tragen der Strafe Adams und daß, wie die ganze Welt der Gunst Gottes verlustig ging und unter das göttliche Todesurteil mit seinem Folgezuständen des Leides und der Schmerzen fiel, es auch notwendig war, daß eine Befriedigung der Gerechtigkeit zustande gebracht wurde, ehe dieser Urteilsspruch oder Fluch entfernt werden konnte. Aus diesem Grunde starb Jesus, wie der Apostel sagt, für unsere Sünden, der Gerechte für die Ungerechten, damit er uns zu Gott führe. Er eröffnete dadurch „einen neuen und lebendigen Weg“, einen Weg zu ewigem Leben.

Eine gewisse Erstlingsfrucht

Diejenigen, die mit der Bibel vertraut sind, haben bemerkt, daß die Kirche Christi darin bezeichnet wird als „die Kirche der Erstgeborenen“, und wiederum als „eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe“. (Hebräer 12:23; Jakobus 1:18; Offenbarung 14:4) Dies besagt, daß es schließlich in der Familie Gottes noch Nachgeborene, noch Nachfrüchte geben wird. Viele Christen scheinen diese Schriftstellen, soweit ihre Anwendung in Frage kommt, übersehen zu haben, und allgemein glaubt man, daß nur solche, die als Erstlingsfrüchte gelten, überhaupt errettet werden, und daß es Nachfrüchte nicht geben werde. Laßt uns jedoch dieses Vorbild des Passahs betrachten, und wir werden sehen, daß Gottes Vorsatz dahinging, alle Israeliten zu erretten, und daß sie als Nation alle diejenigen Glieder der Menschheit darstellen, die jemals in Harmonie mit Gott kommen und ewiges Leben erlangen werden im Lande der Verheißung.

Beachten wir auch die Tatsache, daß es zwei Passahfeiern gab. Es gab ein großes Passah, als die ganze Nation durch göttliche Macht wunderbarerweise durch Jahwe erlöst und trockenen Fußes durch das Rote Meer geführt wurde. Dieses Bild oder Vorbild zeigt die schließliche Befreiung von der Macht der Sünde und Satans, der jedes Geschöpf teilhaftig werden wird, das schließlich mit Gott in Einklang kommen und begehren wird, ihn zu verehren; denn nicht ein einziger Israelit wurde zurückgelassen.

Aber dieses Passah am Roten Meer ist nicht dasjenige, das wir jetzt gerade besonders betrachten, noch auch ist es das Gegenbild dessen, das wir im Begriffe stehen zu feiern. Nein: Das Geschehnis, das wir feiern, ist das Gegenbild des Errettens oder des Vorübergehens an der Erstgeburt Israels. Nur die Erstgeburt stand in Gefahr, obgleich die Errettung aller abhängig war von der Errettung der Erstgeburt. Wenn wir dies im Einklang mit der ganzen Schrift anwenden, so sehen wir, daß nur die Erstlingsfrüchte Gottes unter seinen Geschöpfen, die Kirche der Erstgeborenen, in der gegenwärtigen Zeit verschont werden, indem Gott an ihnen vorübergeht, weil sie sich unter dem schützenden Blute befinden. Wir sehen, daß die übrigen Menschen, welche künftig das Begehren haben werden, dem gegenbildlichen Mose zu folgen, wenn er das Volk herausführen wird aus der Knechtschaft der Sünde und des Todes, jetzt nicht in Gefahr stehen, sondern es sind lediglich die Erstgeborenen gefährdet, deren Namen in den Himmeln angeschrieben sind.

Die Kirche der Erstgeborenen

Die Erstgeburt, die „Kirche der Erstgeborenen“, sind diejenigen Menschen, deren Augen des Verständnisses vorzeitig geöffnet worden sind, so daß sie ihre Knechtschaft und das Bedürfnis nach Befreiung erkennen sowie Gottes Bereitwilligkeit, seine großen Verheißungen an ihnen zu erfüllen. Und noch mehr, es sind solche, die der Gnade Gottes ihr Herz geöffnet und sich ihm und seinem Dienste geweiht haben, und die infolgedessen von dem heiligen Geist gezeugt worden sind. Für diese Erstgeborenen stellt es eine Frage des Lebens oder Todes dar, ob sie im Haushalte des Glaubens und unter dem Blute der Besprengung bleiben oder nicht. Wollten solche aus dieser Verschonung heraustreten, so würde dies ein Mißachten der Barmherzigkeit Gottes bedeuten. Es würde eine Geringschätzung der göttlichen Güte sein und würde offenlegen, daß, nachdem sie Anteil hatten an der Gnade Gottes, wie sie in dem Blute des Lammes zum Ausdruck kommt, sie dieselbe doch nicht wertschätzten. Von solchen sagt die Schrift: „Es bleibt kein Schlachtopfer mehr übrig“ für ihre Sünden. Sie werden als Widersacher Gottes erachtet, deren Schicksal durch die Vernichtung der Erstgeborenen Ägyptens symbolisiert wurde.

Wir sind weit davon entfernt zu sagen, daß die Erstgeburt Ägyptens, die in jener Nacht starb, sowie irgendein Erstgeborener der Israeliten, der dem göttlichen Gebote zuwider das Haus verlassen haben würde und gestorben wäre, dem zweiten Tode anheim gefallen sei. Wir sehen es vielmehr so, daß alle diese Dinge Vorbilder, Illustrationen, Vorschatten von Gegenständen auf höherer Stufe waren, und daß die Wirklichkeiten seit Pfingsten der Kirche Christi während dieses Evangeliumszeitalters angehören. Wenn wir mit Willen sündigen, nachdem wir eine Erkenntnis der Wahrheit empfangen und das gute Wort Gottes geschmeckt haben und teilhaftig geworden sind des heiligen Geistes, und wenn wir, die wir dadurch Glieder der Kirche der Erstgeborenen geworden sind, danach abfallen, so wird es unmöglich sein, daß wir wieder zur Buße erneuert werden. Gott würde uns nichts mehr darzubieten haben, und unsere Mißachtung seiner Gnade würde für uns den zweiten Tod bedeuten. (1. Petrus 2:10; Judas 12)

Von diesem Standpunkt aus hat die Kirche der Erstgeborenen durch die Zeugung des heiligen Geistes und die größere Erkenntnis und die Vorrechte, die sie in jeder Hinsicht genießt, eine größere Verantwortlichkeit als die Welt, denn diese Erstgeborenen sind die einzigen, die bis jetzt in Gefahr des zweiten Todes stehen. Dies ist die Lektion des Vorbildes, und sie hat nur auf Christen Anwendung.

Bald wird die Nacht vorübergegangen und der glorreiche Morgen der Erlösung gekommen sein, und der gegenbildliche Mose, der Christus, Haupt und Leib, wird ganz Israel, das ganze Volk Gottes, herausführen und befreien, das heißt alle diejenigen, die den Willen Gottes ehren und ihm gehorchen werden, nachdem ihnen die Erkenntnis zuteil geworden sein wird. Dieser Tag der Erlösung wird das ganze Millenniumzeitalter ausmachen, an dessen Schluß alle Bösen und Missetäter völlig im zweiten Tod abgeschnitten werden sollen.

„So oft ihr dies tut“

Der Apostel bringt das Passahlamm klar und bestimmt mit unserem Herrn Jesus in Verbindung wenn er sagt: „Christus, unser Passah, ist für uns geschlachtet. Darum laßt uns Festfeier halten.“ (1. Korinther 5:7, 8) Er sagt uns, daß wir alle des „Blutes der Besprengung“ bedürfen, und zwar nicht an unseren Häusern, sondern an unseren Herzen (Hebräer 12:24; 1. Petrus 1:2). Wir sollen auch das ungesäuerte Brot des Lebens essen, wenn wir stark und zubereitet sein wollen für die Erlösung an dem Morgen der neuen Zeitverwaltung. Auch müssen wir das Lamm essen, in dem wir Christus, sein Verdienst, den ihm innewohnenden Wert, uns aneignen. Auf diese Weise ziehen wir Christus an, und zwar nicht lediglich durch Glauben, sondern wir ziehen mehr und mehr nach dem Maße unserer Fähigkeit seinen Charakter an und werden Tag für Tag in unseren Herzen völliger umgestaltet in sein herrliches Bild.

Wir müssen uns von ihm nähren, so wie die Juden sich von dem buchstäblichen Lamme nährten. Statt der bitteren Kräuter, die ihren Appetit anregten, haben wir bittere Erfahrungen und Prüfungen, die der Herr für uns vorgesehen hat. Diese dienen uns dazu, unser Trachten von irdischen Dingen abzulenken und uns einen vermehrten Hunger zu geben, damit wir uns nähren von dem Lamme und von dem ungesäuerten Brote der Wahrheit. Wir müssen auch daran denken, daß wir hier keine bleibende Stätte haben, sondern daß wir uns als Pilger, Fremdlinge, Reisende, mit dem Stabe in der Hand in Reisebereitschaft auf dem Wege nach dem himmlischen Kanaan und nach allen glorreichen Dingen befinden, die Gott für die Kirche der Erstgeborenen, die in Verbindung mit dem Erlöser Könige und Priester Gottes sein sollen, bereitet hat.

Unser Herr Jesus identifizierte sich auch völlig mit dem Passahlamm. In der Nacht, als er verraten wurde, kurz vor seiner Kreuzigung, versammelte er seine Jünger in dem Obersaale und sagte zu ihnen: „Mit Sehnsucht habe ich mich gesehnt, dieses Passah mit euch zu essen, ehe ich leide.“ Als Juden mußten sie das Passahmahl in jener Nacht halten, durch welche Feier sie die Errettung der vorbildlichen Erstgeburt von dem vorbildlichen „Fürsten dieser Welt“ darstellten. Aber sobald den Anforderungen dieses Vorbildes Genüge getan war, setzte unser Herr auf dieser alten Grundlage ein neues Gedächtnismahl ein, indem er sagte, daß, so oft sie dies täten (nämlich so oft sie das Gedächtnis des Passahs jährlich feiern würden), sie es tun würden zu seinem Gedächtnis (1. Korinther 11:24, 25). Er sagte ihnen gewissermaßen: Die übrigen Juden, deren Augen des Verständnisses noch nicht geöffnet sind, werden dies in seinem wahren gegenbildlichen Sinn nicht verstehen. Ihr aber, die ihr mich erkennt als das Lamm Gottes, das nach Gottes Ratschluß geschlachtet wurde vor Grundlegung der Welt, und die ihr erkennt, daß ich mein Leben als den Loskaufpreis der Welt geben werde, ihr werdet dieses Passahfest feiern mit einer besonderen und geheiligten Bedeutung, die andere nicht wertzuschätzen vermögen. Von nun an werdet ihr nicht mehr das Vorbild feiern, sondern ihr werdet das Gedächtnismahl des Gegenbildes feiern, denn ich stehe im Begriff, als das Lamm Gottes zu sterben und dadurch das Blut der Besprengung hinzugeben für die Kirche der Erstgeborenen, und wahre Speise darzureichen für den ganzen Haushalt des Glaubens.

„Dies ist mein Leib, der für euch ist“

Dadurch, daß unser Herr neue Wahrzeichen wählte, nämlich ungesäuertes Brot und die Frucht des Weinstocks, durch welche Zeichen er als das Lamm dargestellt wurde, zeigte er seinen Nachfolgern, daß sie sich nicht mehr gleich den Juden zum Essen des buchtsäblichen Passahlammes zum Gedächtnis der Befreiung aus Ägypten versammeln sollten. Von nun an feierten seine Nachfolger in Übereinstimmung mit diesen seinen Worten alljährlich seinen Tod als den ihres Passahlammes, bis später, nachdem die Apostel im Tode entschlafen waren und ein großer Abfall stattgefunden hatte, die nominelle Christenheit hinsichtlich ihres Glaubens in Verwirrung geriet, die ihren Höhepunkt in der Zeitepoche fand, die man als die finsteren Zeitalter bezeichnet. Selbst während der finsteren Zeitalter wurde die Lehre aufrecht erhalten, daß Christus das gegenbildliche Passahlamm sei, wenn auch die Feier seines Todes, so wie Jesus sie bei dem Passahmahl einsetzte, aus den Augen verloren wurde. Sie wurde verdrängt durch die schrecklichste aller Lästerungen, die so viele Millionen Menschen in der Christenheit betrogen und verwirrt hat, nämlich durch die Messe, die seitens des Römischen Katholizismus eingeführt wurde. Die Schrift nennt sie „den Greuel der Verwüstung“, weil sie einen verderblichen Einfluß auf den Glauben und Wandel der Kinder Gottes ausübt. Obwohl die Protestanten im allgemeinen die Messe als den Lehren Christi und der Apostel zuwiderlaufend verworfen haben, werden sie doch noch mehr oder weniger von dem Sakramentalismus beeinflußt, der diesem furchtbaren Irrtum unterliegt, und dem sie nur teilweise entronnen sind.

Die Messe stellt nicht die Abendmahlsfeier dar

Viele Christen werden verwundert fragen, stellt denn die Messe nicht das Abendmahl des Herrn lediglich unter einem anderen Namen dar? Wir antworten: Durchaus nicht; es ist etwas ganz anderes! Das Mahl des Herrn feiert den auf Golgatha geschehenen Tod Christi. Die Messe stellt ein neues Opfer für die Sünde dar, das so oft gebracht wird wie die Messe stattfindet. Die Katholiken glauben, daß, wenn der Priester die Hostie segnet, sie sich in seiner Hand in den wirklichen Leib Christi verwandle, und zwar zu dem Zweck, damit der Priester ihn neu opfere. Die Katholiken behaupten, an das Verdienst des Opfers Christi auf Golgatha zu glauben, sowie daran, daß es zur Tilgung der Erbsünde und allgemeiner Sünden der Vergangenheit diene; aber sie behaupten auch, daß die täglichen Sünden, Mängel und Gebrechen eines jeden von Zeit zu Zeit der Reinigung durch neue Opfer des Leibes Christi bedürfen. Auf diese Weise wird Christus, vom Standpunkte der Römisch-Katholischen, Griechisch-Katholischen Kirche und der Englischen Hochkirche aus, in der Messe dargestellt und in der ganzen Welt jeden Tag aufs neue geopfert. Die Schrift bezeichnet dies als einen „Greuel“ in den Augen Gottes, weil dadurch die biblische Tatsache mißachtet und verdrängt wird, daß Christus nicht mehr stirbt, und daß er „durch ein Opfer auf immerdar vollkommen gemacht hat, die geheiligt werden“. (Römer 6:9; Hebräer 10:14)

Es ist leicht zu erkennen, daß die wiederholten Opfer, wie sie in der Messe zum Ausdruck kommen, dahin wirken müssen, den Wert des großen Opfers auf Golgatha, das in dem Passah und in dem Gedächtnismahl dargestellt wird, zu schmählern oder sogar zu verdrängen. Es ist unmöglich, daß solche, die die Tilgung ihrer Sünde von der Messe erwarten, mit einer richtigen und tiefen Wertschätzung auf das gegenbildliche Passah zurückblicken können. Während daher die Feier des Karfreitags ihren Fortgang genommen hat, ist die ihm vorausgehende Feier des Gedächtnismahles längst außer Gebrauch gekommen.

Und was die Protestanten angeht, so haben sie das Dogma von der Messe als gänzlich unbiblisch verworfen, haben die Messe abgeschafft und sind zu einer Feier des Abendmahles des Herrn zurückgekehrt. Da sie jedoch an die Häufigkeit der Messe gewöhnt waren, erschien es ihnen lediglich als eine Frage der Zweckmäßigkeit, wie oft das Mahl des Herrn gefeiert werden solle. Wir können daher beobachten, daß einige es alle vier Monate, andere alle drei Monate, und wieder andere jeden Sonntag feiern. Die auf diesem Gebiet vorherrschende Unbestimmtheit, derzufolge man ermangelt, eine allgemeine Grundlage festzustellen, ist auf zwei Gründe zurückzuführen:

  1. Man hat in der Christenheit allgemein die Tatsache übersehen, daß der Tod unseres Herrn den Tod des gegenbildlichen Passahlammes darstellt und seine Feier das gegenbildliche Passahmahl
  2. Man hat die Worte unseres Herrn: „So oft ihr dies tut“, dahingehend mißverstanden, als wollten sie besagen, tut dies so oft ihr wollt, während die Worte in Wirklichkeit bedeuten, so oft ihr, meine Jünger (die ihr als Juden gewöhnt seid, das Passah zu halten), diese Feier begeht, so tut dies zu meinem Gedächtnis, aber nicht zum Gedächtnis des buchstäblichen Lammes und der vorbildlichen Erlösung aus dem vorbildlichen Ägypten und seiner Knechtschaft durch die Verschonung der vorbildlichen Erstgeburt.

Solche, die das Mahl des Herrn wöchentlich feiern, glauben dafür einen biblischen Anhaltspunkt zu haben, weil wir in der Schrift lesen, daß sich die Glieder der Urkirche am ersten Tage der Woche versammelten, und daß sie bei solchen Gelegenheiten das „Brot brachen“. Man macht jedoch einen großen Fehler, wenn man dieses Brotbrechen mit dem Gedächtnismahl verwechselt, denn das erstere war lediglich ein gewöhnliches Mahl. Der Bericht enthält absolut nichts, daß einen anderen Schluß zuließe; der Wein, die Frucht des Weinstocks, findet in Verbindung damit keine Erwähnung, und von dem Brote wurde nicht gesagt, daß es den gebrochenen Leib unseres Herrn darstelle. Es war ein freudiges Zusammensein, und dieser Brauch diente dazu, die Bande der Brüderlichkeit und Gemeinschaft zu stärken. An vielen Orten besteht dieser Brauch seitens der Kinder Gottes noch. Die Tabernacle-Gemeinde in Brooklyn veranstaltet ein solches Brotbrechen jeden Sonntag zwischen der Nachmittag- und Abendversammlung. Damit dient sie einerseits den Bedürfnissen derjenigen, die von weit her gekommen sind, und andererseits bietet sie damit eine erwünschte Gelegenheit zur Pflege der Gemeinschaft unter dem Volke des Herrn.

Das Datum des Gedächtnismahles

Wie wir alle wissen, berechneten die Juden ihre Zeit mehr nach dem Mond, als wir dies zu tun pflegen. Jeder Neumond bedeutete den Anfang eines neuen Monats. Der Neumond, der der Frühlings-Tagundnachtgleiche am nächsten kam, wurde als der Anfang des religiösen Jahres, als der erste Tag des Monats Nisan, angesehen. Am fünfzehnten Tag dieses Monats begann das Passahfest der Juden, das eine Woche dauerte. Dieses siebentägige Fest war eine Darstellung der Freude, des Friedens und der Segnung, die der Erstgeburt Israels durch ihre Verschonung zuteil wurde, und sie versinnbildlichte die völlige Freude, den völligen Frieden und die Segnung, die jeder wahre Christ dadurch genießt, daß er sich der Vergebung seiner Sünden durch das Verdienst des Erlösungsopfers Christi bewußt wird. Alle wahren Christen feiern daher in ihren Herzen beständig dieses Passahfest, denn die Vollkommenheit dieser Tatsache wurde dargestellt durch die sieben Tage, weil die Zahl Sieben ein Symbol der Vollkommenheit ist. Indem die Juden das Fest nicht von diesem Standpunkte aus betrachteten, maßen sie wahrscheinlich der siebentägigen Festfeier einen verhältnismäßig höheren Wert bei, als dem einfachen Schlachten des Lammes und dem Essen des Mahles. Aber unser Herr legte Nachdruck auf die Bedeutung des Schlachtens des Passahlammes, als er sich als das Gegenbild ankündigte und uns einlud, seinen Tod an seinem Jahrestag zu feiern, bis unser Eingehen in das Reich bei seinem zweiten Kommen die völlige Verwirklichung aller unserer Segnungen bringen würde.

Es würde vielen Christen ohne Zweifel einen großen Segen bringen, wenn sie diesen Gegenstand in seinem wahren Lichte sehen und mehr Gewicht auf den Wert des Todes legen könnten; die Bedeutung der jährlichen Feier würde für sie dann eine weit tiefere sein, als dies jetzt der Fall ist, wo sie durch eine beliebig regel- oder unregelmäßige Feier die besondere Bedeutung aus dem Auge verlieren. Es haben sich jedoch vereinzelt in der zivilisierten Welt kleine Gruppen von Kindern Gottes gebildet, die diesem Gegenstand Beachtung schenken, und die gerne den Tod des Meisters nach seinen Worten feiern - „so oft ihr dieses tut“ - jährlich - „tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Wir glauben, daß eine solche Feier einen besonderen Segen für Herz und Gemüt in sich birgt. Je mehr wir den göttlichen Anforderungen entsprechen, um so größer ist das Maß unseres Segens und um so näher werden wir sowohl zu unserem Meister und Haupte als auch zu anderen Gliedern seines Leibes gezogen statt zu anderen Dingen.

„Ich bin es doch nicht, Rabbi?“

Wir erinnern uns an die Begleitumstände der Einsetzung des Abendmahles, wie der Herr das Brot segnete, sowie den Kelch, und wie er darauf hinwies, daß dadurch sein gebrochener Leib und sein vergossenes Blut dargestellt werde, und daß seine Nachfolger Teil daran haben sollten, und zwar nicht nur in dem Sinne, daß sie sich von ihm nähren, sondern auch, daß sie mit ihm gebrochen werden sollten. Sie sollten teilhaben nicht nur an dem Verdienst seines Blutes, an seinem Opfer, sondern auch an dem Niederlegen ihres Lebens in seinem Dienste. Wie kostbar sind solche Gedanken für diejenigen, die in Herzensgemeinschaft mit dem Herrn stehen!

Im Anschluß an diese Gedanken tritt Judas vor unser Auge, der, obwohl hochbegünstigt, in einem solchen Maße von schnöder Geldliebe erfüllt war, daß er sich bereit erklärt hatte, seinen Meister zu verkaufen, und der, selbst als der Herr sein Vorhaben offenbarte, noch den Mut hatte zu fragen: „Ich bin es doch nicht, Rabbi?“ Der bloße Gedanke daran, daß einer der Genossen des Herrn, der ihn ständig begleitet hatte, ihn durch Verrat seinen Feinden überliefern konnte, läßt uns ein solches Tun verabscheuungswürdig erscheinen; es sollte uns zur Warnung dienen oder uns sogar mit Furcht erfüllen, damit wir nicht in irgendeinem Sinne des Wortes für Ehre oder Reichtum oder für einen sonstigen Vorteil die Wahrheit oder irgendeinen ihrer Diener, die Glieder des Leibes Christi, verkaufen!

Folgen wir im Geiste dem Erlöser nach Gethsemane und sehen ihn dort mit starkem Geschrei und Tränen zu dem beten, der vermochte, ihn aus dem Tode zu erretten. Seine Todesfurcht entsprang seinem Gedanken an die Möglichkeit, den Vorsatz des Vaters vielleicht unvollkommen ausgeführt zu haben und daher im Tode gelassen zu werden. Wir nehmen wahr, wie unser Herr seitens des Vaters durch einen Engel mit der Zusicherung getröstet wurde, daß er sein Weihegelübde treulich gehalten habe, und daß nach den Worten des Propheten der Tod ihn nicht werde halten können, sondern daß eine glorreiche Auferstehung auf ihn warte. Wir sehen, welche Ruhe ihn anschließend beherrschte, als er vor dem Hohepriester und Pilatus stand, sowie vor Herodes und wiederum vor Pilatus „wie ein Schaf, das stumm ist vor seinen Scherern“ und das seinen Mund zur Selbstverteidigung nicht auftut. Wir sehen ihn getreu und mutig aushalten bis zuletzt, trotz seiner eigenen Versicherung, daß er den Vater hätte bitten können und er würde ihm mehr als zwölf Legionen Engel zu seinem Schutze gesandt haben. Statt aber um Hilfe und um Erleichterung seines Werkes zu beten, hatte er nur den Wunsch, getreulich bis zum Tode auszuharren. Welch tiefe Belehrungen enthält dies für solche, die in seinen Fußspuren wandeln möchten.

Eine Gelegenheit zur Selbstprüfung

Wir wissen andererseits, daß selbst die mutigsten und treuesten Jünger des Herrn ihn verließen und flohen, und daß sogar einer von ihnen den Herrn in seiner Angst verleugnete! Welch eine Gelegenehit bietet uns dies, unsere eigenen Herzen zu prüfen hinsichtlich des Grades unseres Glaubens, unseres Mutes und unserer Bereitwilligkeit, mit dem zu leiden, der uns erlöste! Dies bietet uns wahrlich einen Anlaß, unser Gemüt mit dem Entschluß zu stärken, daß wir durch seine Gnade unseren Meister unter keinerlei Verhältnissen verleugnen wollen, und daß wir nicht nur mit unseren Lippen, sondern auch mit unserem Wandel bekennen wollen.

Es ist in der Tat ein schmerzlicher Gedanke für uns, daß die Juden, das Volk Gottes, es waren, die den Fürsten des Lebens kreuzigten! Zudem war es nicht das gewöhnlich Volk, sondern vielmehr die religiösen Führer, die Hohepriester, Schriftgelehrten, Pharisäer und Theologen. Unser Herr ruft uns zu: „Wenn die Welt euch haßt, so wisset, daß sie mich vor euch gehaßt hat“; damit ist auch in unserem Falle die religiöse Welt eingeschlossen.

Trinket von demselben Kelche

Für uns ergibt sich daraus die Belehrung, daß es uns nicht zu überraschen braucht, wenn der Kampf wider die Wahrheit und die sie verkündenden Nachfolger Jesu von solchen ausgeht, die in der Christenheit hervorragende Stellungen einnehmen. Dies sollte für uns jedoch keine Ursache sein, weder unsere Widersacher zu hassen, noch diejenigen, die unseren Herrn bis zum Tode verfolgten. Wir sollten uns vielmehr der Worte des Apostels Petrus erinnern: „Ich weiß, daß ihr in Unwissenheit gehandelt habt, gleichwie auch eure Obersten.“ Wahrlich, Unwissenheit, Verblendung des Herzens und des Gemütes sind die Grundursachen aller Leiden des Christus, sowohl des Hauptes als auch Leibes. Und der Vater läßt dies solange zu, bis die Glieder des Leibes das ergänzt haben, was noch rückständig ist von den Drangsalen des Christus. Gleichzeitig mit der Vollendung des letzten Gliedes des Leibes Christi, der Herauswahl, und dem Abschluß der Erprobung ihrer Treue bis in den Tod wird der Abschluß dieses Evangeliumszeitalters erfolgen, sowie die vollständige Auferstehungsverwandlung der Kirche, damit sie bei ihrem Herrn und ihm gleich sein möge. Und dann werden, wie unser Meister dies bezeugte, diejenigen, die jetzt teilhaben an seinem gebrochenen Leibe und die mit ihm gebrochen werden in dem Dienste der Wahrheit - solche, die jetzt teilhaben an seinem Kelche des Leidens und der Selbstverleugnung, mit ihm den neuen Freudenwein in dem Königreich trinken jenseits des Vorhangs. (Matthäus 26:29)

„Laßt uns Festfeier halten“

Mit jenem glorreichen Morgen der neuen Zeitverwaltung wird das große Werk der Befreiung der Welt aus den Banden der Sünde und des Todes, das große Werk des Emporhebens, seinen Anfang nehmen. Der Apostel Petrus nennt diese große Zeitepoche die „Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge, von welchen Gott durch den Mund seiner heiligen Propheten von jeher geredet hat.“ (Apostelgeschichte 3:19-21) Der leitende Gedanke derer, die an diesem Gedächtnismahle teilnehmen, sollte der sein, der in den Worten des Apostels Paulus Ausdruck findet: „Wenn wir mitleiden, so werden wir auch mitverherrlicht“; „wenn wir mitgestorben sind, so werden wir auch mitleben“; „denn ich halte dafür, daß die Leiden der Jetztzeit nicht wert sind, verglichen zu werden mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll.“ (Römer 8:17; 2.Timotheus 2:11; Römer 8:18)

Wenn wir diese Gedanken bezüglich der Verschonung der Erstgeburt durch das Verdienst des kostbaren Blutes in unseren Herzen tragen, so können wir wahrlich die Festfeier des Passahs mit Freuden halten, ungeachtet der Prüfungen und Schwierigkeiten. Wenn wir dies tun und treu als Jesu Nachfolger fortfahren, so werden wir sehr bald das große Vorrecht haben, die Heerscharen des Herrn, nämlich alle diejenigen, die den großen König hören und erkennen und ihm gehorchen werden, herauszuführen aus der Herrschaft der Sünde und des Todes, aus Ägypten nach Kanaan. Der Apostel ruft uns daher zu: „Unser Passah, Christus, ist geschlachtet; darum laßt uns Festfeier halten.“

Der Kelch der Freude in dem Reiche

Anläßlich der Einsetzung der Gedächtnisfeier seines Todes sagte der Meister zu seinen Jüngern: „Ich sage euch aber, daß ich von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken werde bis an jenem Tage, da ich es neu mit euch trinken werde in dem Reiche meines Vaters.“ (Matthäus 26:29) Unser Herr redete hier von zwei sehr verschiedenen großen Tagen, nämlich von dem Tag des Leidens und dem Tag der Herrlichkeit. Dieses Evangeliumszeitalter ist der Tag des Leidens. Das Millenniumzeitalter wird der Tag der Herrlichkeit sein, und es wird ausdrücklich bezeichnet als der „Tag Christi“.

Die Frucht des Weinstocks, der buchstäbliche Kelch, legt uns zwei Gedanken nahe. Der Wein in dem Kelch kann nur zustande kommen auf Kosten des Lebens der Traube. Die Traube verliert gewissermaßen ihre Individualität. Der Saft wird ausgepresst und dadurch wird die Frucht des Weinstocks gebrauchsfertig. Der Kelch mit dem Wein, dem Saft der Trauben, stellt jedoch nicht nur das Zerdrücktsein der Traube dar, sondern auch die Ermunterung, die Freude, die er mit sich bringt. So verhält es sich auch mit dem Trinken des buchtäblichen Kelches. Er ist für uns ein Symbol der Leiden und des Todes unseres Heilandes, sowie unserer eigenen Teilhaberschaft mit ihm an diesen Leiden. Aber der Wein stellt auch Freude dar, wie die Schrift uns dies bezeugt. Daher stellt die „Frucht des Weinstocks“ in dem Sinne, in dem der Herr diese Worte des obigen Textes gebraucht, die Freuden des Reiches dar.

Der Vater bezeichnete für unseren Herrn Jesus am Anfang seiner Laufbahn einen ganz bestimmten Pfad. Dieser Pfad machte seinen Kelch des Leidens und des Todes aus. Aber der Vater verhieß ihm, daß wenn er diesen Kelch getreulich getrunken haben würde, ihm ein ganz anderer Kelch zuteil werden sollte, nämlich der Kelch der Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit. Sodann hatte der Vater den Heiland bevollmächtigt, dasselbe Angebot allen denen zu unterbreiten, die den Wunsch haben würden, mit ihm zu leiden und seinen Todeskelch mit ihm zu trinken, so sollten sie auch teilhaben mit ihm an seinem künftigen Kelch der Freude.

Der Kreuzesweg

„Wer irgend sein Leben erretten will, wird es verlieren.“ Wir alle müssen durch die prüfenden Erfahrungen hindurchgehen, die durch die Weinkelter versinnbildlicht werden. Wir müssen unser Leben im Dienste Gottes niederlegen. Wir müssen uns den uns zerdrückenden Erfahrungen unterwerfen, durch die wir als Menschen ausgelöscht und neue Schöpfungen werden. „Wenn wir mit ihm mitgestorben sind, so werden wir auch mitleben“ - sonst nicht. Daher nehmen wir gern sein Angebot an, seinen Kelch zu trinken. Erst dann, wenn dieser Kelch bis auf die Hefen geleert sein wird, werden wir den anderen Kelch empfangen, den Kelch der Freuden des Reiches. Obschon unserem Herrn ein großer Segen durch den Gehorsam zuteil wurde, den er dem Vater erwies, so war es doch für ihn bis zum letzten Augenblick, da er ausrief: „Es ist vollbracht!“, eine schwere Prüfungszeit. Wir müssen den ganzen Kelch trinken. Wir müssen alle Erfahrungen durchkosten und kein Tropfen darf im Kelch zurückbleiben.

Alle Leiden Christi werden vollendet sein, wenn der Leib Christi seinen Lauf vollendet haben wird. Der neue Kelch der Herrlichkeit wurde unserem Herrn zuteil, als er in die Herrlichkeit aufgenommen wurde. Alle Engel Gottes beteten ihn da an. Bald wird auch uns der Kelch der Freude dargereicht werden, wenn wir treu sind. Und bald wird die Vollzahl der Glieder Christi mit ihm innerhalb des Vorhanges eingegangen sein und wir werden seinen Thron und seine Herrlichkeit mit ihm teilen. Dann werden wir mit unserem geliebten Herrn den neuen Wein in dem Reiche seines Vaters trinken, denn diese Verheißung gilt allen seinen getreuen Heiligen.

WT Mai 1915



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung