Der Geist der Anbetung

„Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da die wahrhaftigen Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche als seine Anbeter. Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten.“ - Joh. 4:23,24.

Wenn wir es hier unternehmen, einige Gedanken über das Pfingstgeschehen und auch über uns heutige Gläubige zu äußern, so müssen wir sagen, daß uns ein Gefühl der Un-Zuständigkeit, ja, der Hilflosigkeit erfaßt. Wie sollen wir als schlichte Menschen die Art und Weise des Heiligen Geistes erklären? Wie groß ist die Gefahr, daß wir leere Worte sprechen, daß wir ins Plaudern geraten oder in unechtem Pathos an der göttlichen Wahrheit vorbeireden! Es ist schwer, über etwas zu sprechen, das nicht von dieser Welt ist - über eine Kraft, deren Quelle dem menschlichen Verstand entzogen ist. Geist von oben heiliger Geist - das ist etwas, was unser Begreifen übersteigt.

Der Geist stellt uns ins Licht und zeigt uns nicht so, wie wir sein oder scheinen möchten, sondern so, wie wir sind. Der Heilige Geist ist der Geist der Wahrheit, der Wahrhaftigkeit. Er schmeichelt nicht, er verfälscht nicht. Im Lichte dieses Geistes stehen wir vor Gott, „und alles ist bloß und aufgedeckt vor ihm.“ (Hebr.4:13) Deshalb fällt es uns so schwer, über den Heiligen Geist zu reden; denn wir spüren: es gebührt uns nicht, etwas erklären zu wollen, wovor wir so hilflos und klein dastehen.

Nun ist dieser Geist aber zugleich auch Tröster und Lehrer, und er nimmt sich „unserer Schwachheit“ an. (Röm.8:26) Jetzt verstehen wir, daß der Vater der Liebe und Gerechtigkeit uns nicht als so klein und gering ansieht, daß wir zu Boden gedrückt werden. Das ist nicht seine Art! Menschen beschämen einander auf diese Weise; nicht aber so unser Himmlischer Vater. Er gibt uns durch den Geist Verständnis und eine solche Einsicht, daß wir mit seiner Hilfe sogar das  W i r k e n  des Geistes und die Kraft, die von ihm ausgeht, erfassen und verstehen können.

Das Verständnis, das Gott uns durch den Geist schenkt, ist nicht von der gleichen Art, mit der man materielle Dinge begreift. Man untersucht z.B. einen Motor und stellt fest: „J e t z t  verstehe ich, wie er funktioniert!“ Aber im Geiste ist „Verstehen“ nicht das Gleiche. Man könnte vielleicht von gewissen Theologen sagen, daß sie das Wort Gottes genau so erfassen wollen, wie man die Funktion eines Motors mit dem Verstand aufnimmt. Doch nicht nur Theologen begehen diesen Fehler; auch unter uns könnte diese Art des Verstehenwollens vorkommen. Man möchte den „Motor“ gerne auseinandernehmen. Es ist eben menschliche Betrachtungsweise, die geistig-göttliche Dinge an irdischen Maßen mißt. Hier wird etwas ganz Entscheidendes nicht bedacht:  h i n t e r  dem Wort,  h i n t e r  dem Buchstaben steht  G o t t  und steht der lebendige, der auferstandene Herr,  J e s u s  C h r i s t u s !

Im Worte Gottes verborgen lebt der Geist und sendet Licht aus: erleuchtend, führend, belebend, richtend. Und der Schöpfer meint  u n s,  wenn er redet. Seine Worte sind an dich und an mich gerichtet. Wir haben es mit  l e b e n d i g e n  K r ä f t e n  zu tun; und es ist nicht gleichgültig für unser Schicksal, wie wir uns dazu stellen. Deshalb wollen wir uns davor hüten, gar als „Fachleute“ an diese geistigen und aufs höchste lebendigen Dinge heranzutreten! Wenn wir auch wissen (oder zu wissen glauben), wie der „Motor“ funktioniert, wollen wir doch nie außer acht lassen, daß wir aufs tiefste mit-beteiligt sind. Wir sind ja nicht Zuschauer; wir sind auch nicht „Fachleute“, für die es nichts Unverständliches gibt; wir sind keine Spezialisten, die dem Ganzen sachlich und überlegen gegenüberstehen. Es ist doch so, daß etwas ganz persönlich mit uns geschehen ist und noch geschieht, seitdem uns diese Kräfte des Geistes und das  L e b e n d i g e  im Worte Gottes bewußt geworden sind.

Was möchten wir wohl mit diesem allem sagen? Nun - der Geist und das göttliche Wort haben den einzigen Auftrag, uns in die Nähe Gottes zu bringen. Geist ist die Kraft, das Mittel, durch das wir uns dem Allerhöchsten nähern können. Um uns diese Annäherung an Gott verständlich zu machen, benutzt die Heilige Schrift Darstellungen höchster menschlicher Verbundenheit, wie etwa das oft gebrauchte Verhältnis von Bräutigam und Braut, oder aber die Stellung, die wir als Söhne gegenüber dem Vater einnehmen dürfen: als Erben Gottes und Miterben Jesu Christi. - s Röm.8:17 u.a.

Nun aber eine schockierende Frage: Wie weit wollen wir gehen in unserer Annäherung an Gott? Es ist zwar so, daß wir ganz und völlig eingehen  m ö c h t e n  in diese geistige Gemeinschaft; und doch ist etwas in uns, das fragt: Wie weit soll das gehen?

Es ist die menschliche Natur, die solche Fragen aufwirft; denn eine fortwährende und zunehmende Annäherung an Gott verlangt von uns fortschreitende Selbst-Aufgabe. Gott ist ja Geist, und das Geistige lebt auf Kosten unseres menschlichen, unseres irdischen Teiles! Der Apostel drückt dies so aus: „Die irdisch und selbstsüchtig gesinnt sind, trachten nach dem, was irdisch ist; die geistig Gesinnten dagegen nach dem, was geistig ist. … Ihr dagegen steht ja nicht mehr Dienst dieses natürlichen Menschen, sondern lebt ja im Geist, sofern der Geist Gottes in euch wohnt.“ - Röm.8:5,9

Hier stellt Paulus die beiden Naturen einander gegenüber und hält damit allen - damals wie heute - einen Spiegel vor, der ihnen zeigt, zu welcher Art sie gehören: zu den irdisch Gesinnten oder zu den Geistgesinnten. Die entscheidende Frage ist, ob der Geist Gottes und unseres Herrn in uns wohnt und wirkt, ob wir Menschen „in Christo Jesu“ sind, geborgen in IHM und „in seiner Luft atmend.“ Hier deckt Paulus den Kampf um den Geist auf, und viele liebe Illusionen werden uns genommen.

Selbsttäuschungen über unseren geistigen Stand sind recht wohl möglich: Wenn irgendeine Widrigkeit an uns herantritt, wenn wir in unserer Eigenliebe verletzt werden - oder wenn es zu Mißverständnissen kommt; wenn es gilt, Unverständnis anderer zu ertragen, wenn uns Unrecht getan wird, oder wenn wir an der Ehre zu kurz kommen - dann, ja dann wird offenbar, wie sehr wir noch die „Gesinnung des Fleisches“ in uns tragen!

Wie schnell sind wir gekränkt, wie wenig bereit, einen uns zugefügten Schmerz zu ertragen. Wie sehr neigen wir dazu, „zurückzuzahlen“, d.h. auf irgendeine Weise den anderen fühlen zu lassen, daß er uns getroffen hat. Auf diese Weise ist es möglich, daß wir in einer ganzen Wolke von religiösen und erhebenden Gefühlen schweben, daß wir uns von uns selbst ein Bild machen, das in keiner Weise der Wirklichkeit entspricht.

Hüten wir uns also davor, fromme Gefühle mit wahrer geistiger Gesinnung zu verwechseln! Bekennen wir vielmehr aufrichtig, daß wir noch sehr oft Mühe haben, im Geiste zu sein und nicht im Fleisch. Ja, es ist Kampf in uns, Zwiespalt, und oft trägt die fleischliche, die irdische Gesinnung den Sieg davon. „Wenn ihr aber durch den Geist die Handlungen des Leibes tötet“, schreibt Paulus in Röm. 8:13, „so werdet ihr leben.“

Töten bedeutet: Kampf. Der Geist fordert, daß etwas in uns sterben muß, und das ist bitter und schmerzhaft. Auch vierzig, fünfzig oder mehr Jahre dieses Weges entheben uns nicht des Kampfes um den Geist und wider das Fleisch. Vielleicht haben wir einen Hang zur Selbstgefälligkeit, sind mit uns selbst recht zufrieden, doch dieser „Friede“ kann uns daran hindern, uns so zu sehen, wie wir wirklich sind, indem wir „des Ruhmes ermangeln, den wir vor Gott haben sollten.“ - s. Röm.3:23 nach Luther.

Doch - auch in den gegenteiligen Fehler zu verfallen, uns um unserer eigenen Schwäche und Unzulänglichkeit willen selbst zu verachten oder gar zu verurteilen, wäre nicht recht. Das würde der Absicht des Heiligen Geistes in keiner Weise entsprechen. Vielmehr stellt uns der Geist deshalb in das Licht und zeigt uns alle unsere Fehler und Gebrechen, weil nur die  W a h r h e i t  uns helfen kann, uns am göttlichen Maßstab zu orientieren. Der Heilige Geist ist ein Geist der Wahrhaftigkeit, und unser geistiger Aufstieg kann nur vom Boden der Wahrheit aus geschehen. Der Geist nimmt uns selbstgefällige Illusionen und un-nüchterne Schwärmereien religiöser Gefühle, und stellt uns auf die Grundfesten des wahrhaftigen Wortes Gottes.

Was bedeutet es, „nach dem Fleische“ zu leben? Es bedeutet, nach den Neigungen und Begierden der gefallenen menschlichen Natur zu leben, mit ihr zu harmonieren und sie zu befriedigen. Es ist so leicht, dies zu tun. Wir brauchen uns nur sorglos dem Strome unserer alten Natur zu überlassen und aufzuhören, gegen sie anzukämpfen. Sobald es dahin kommt, treiben wir stromabwärts, und bald werden wir finden, daß die Strömung stärker und ein Widerstand immer schwieriger wird.

Es sind sich nur wenige des Einflusses bewußt, den der Geist auf den Körper ausübt. Der Allmächtige hat es so angeordnet, daß reine, edle, heilige Gedanken im allgemeinen nicht nur einen erhebenden und veredelnden Einfluß auf die geistige und moralische Beschaffenheit ausüben, sondern auch als belebender Einfluß auf das körperliche Befinden einwirken können. So vermögen andererseits unreine, unedle, unzüchtige und unheilige Gedanken sowie Handlungen die Moral und die Gesinnung herabzusetzen, so daß sich Krankheitskeime entfalten, die ohnehin schon dem gefallenen Menschgeschlecht innewohnen.

Die Bedingungen, unter denen wir unsere Verbindung mit dem Herrn und die Hoffnung auf die erste Auferstehung aufrechterhalten können, sind deutlich dargelegt und schließen die Tötung der Handlungen des Leibes ein. Das will heißen: Unterdrückung der fleischlichen Neigungen, ihre „Kreuzigung“ und die Verwendung des Leibes im Dienste des Herrn und seiner Sache. Diese Tötung der Handlungen des Leibes, der Kampf gegen die Schwachheiten des Fleisches wird von dem Apostel als Kriegsdienst betrachtet, in dem das Fleisch wider den Geist gelüstet, und der Geist wiederum gegen das Fleisch kämpft. Denn diese beiden sind Gegner und werden es bleiben bis zum Ende des Lebens. Wenn der Geist  w i l l i g  gewesen ist und nach bestem Vermögen gegen die Schwachheiten des Fleisches angekämpft hat, so wird Gott, der Herr, durch den Sieg des Erlösers diesen Sieg als vollkommen ansehen.

Verlieren wir jedoch die Tatsache aus den Augen, daß der Himmlische Vater uns vom Standpunkt unseres  W i l l e n s  aus betrachtet- beginnen wir, uns in dem Gedanken zu verfangen, Gott beurteile uns nach der Unvollkommenheit unseres Fleisches, dann geraten wir sicherlich gleichermaßen in Finsternis, Verwirrung und Entmutigung hinein. Laßt uns nie vergessen, daß der Geist oder der Wille der göttlichen Gerechtigkeit wegen als  l e b e n d i g  erachtet wird, weil er sich in Harmonie mit Gott befindet. Laßt uns daher bezüglich unseres Willens oder der Beweggründe, die unser Leben regieren, niemals lässig sein, sondern daran denken, daß jedwede Lässigkeit einen entsprechenden Verlust des geistigen Lebens bedeutet. Das Rechte zu  w o l l e n  ist uns immer möglich, und nichts Geringeres könnte vor Gott in Christo annehmbar sein, als die Vollkommenheit unseres Willens-. - s. Manna v. 2. Febr. u. 5. Mai.

Kehren wir zurück zu unserem Leittext Joh.4:23: „Es kommt eine Stunde und ist jetzt, da die wahrhaftigen Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche als seine Anbeter.“

Gottes Absichten mit seinen menschlichen Geschöpfen sind immer gut. Wohl hätte er sie zu geistigen und sittlichen Maschinen machen können, die nicht frei gewesen wären, etwas seinem Wohlgefallen Zuwiderlaufendes zu wollen oder zu tun. Aber ER wollte keine Maschinen schaffen; sein Wille war, ein Wesen ins Leben zu rufen nach seinem eigenen Bilde, begabt mit der Freiheit, zwischen gut und böse zu wählen. Der Allerhöchste sucht nicht eine Verehrung, die  n i c h t  verweigert werden könnte; er sucht keine Anbetung unter Zwang. Vielmehr wünscht er - nach seinem eigenen Wort - die Verehrung, die ihm im Geist und in der Wahrheit dargebracht wird“ aus freien Stücken und aus  L i e b e;  eine Verehrung also, die auf der bewußten Würdigung und Hochachtung der göttlichen Gerechtigkeit und Liebe beruht.

Im Mustergebet unseres Herrn in Mt.6:9-13, dem sog. „Vaterunser“, sind Bitte und Anbetung miteinander vereint. Hier zeigt uns der Herr, daß beides notwendig ist: sowohl Bitte als auch Anbetung; sie schließen einander nicht aus. Dennoch neigen wir von der Schwäche unseres Wesens her eher zur Bitte als zur Anbetung. Bitten stehen meist an erster Stelle. Wir sollten aber darüber wachen, daß wir nicht nur Bittsteller bleiben.

Der Weg vom Bitten zur Anbetung ist so weit wie die Entfernung des breiten Stromes von seiner Quelle. Im  g e i s t i g e n  Erleben sehen wir den „Fluß“ der Anbetung verunreinigt mit Abwässern menschlicher Wünsche und Nöte - und fehlerhafter Auffassungen vom Wesen Gottes. Wie viel wird gebetet, wie viele  P f l i c h t g e b e t e  werden dargebracht! Wie viel Gedankenlosigkeit wird dabei offenkundig, und wie viel Selbstsucht - oder aber zur Schau getragener Frömmigkeit!

Es ist unerhört viel getan worden, um die Wasser der Wahrheit zu verunreinigen. Der „altböse Feind“, der „Drache“, „Satan“ und „Schlange“ genannt wird, hat die reinen Wasser der Wahrheit in sein Lügenmaul genommen, um sie hinter den Gläubigen her als eine Flut von Lüge, Halbwahrheiten und Irreführungen auszuspeien und sie darin zu ertränken. - s. Off.12:15

Gehen wir weiter „flußaufwärts“, wird das Wasser zusehends sauberer und klarer. Zwar schwimmen noch einige „Blätter“ (Lippenbekenntnisse) zu Tal, und hier und da treibt ein entwurzelter Baum vorüber. Denn ein jeder, der nicht fest im Glauben gegründet ist, wird in irgendeinem Sturm entwurzelt werden - und in der Strömung als ein geistig Toter talabwärts treiben. Es ist nicht leicht, bis zur Quelle des Flusses vorzudringen. Das Tal verengt sich und wird zum „schmalen Pfad.“ Dieser geht durch enge Schluchten, dem menschlichen Fuß kaum mehr zugänglich, denn „eng ist die Pforte und schmal der Weg, der zum Leben führt; und wenige sind, die ihn finden.“ (Mt.7:14) Aber hier  w e r d e n  wir die Quelle des Lebens finden.

Zur wahren Anbetung gehört geistige Reife. Diese Reife braucht eine gewisse Wegstrecke der Entwicklung und des Wachsens, und - sie braucht Zeit. Anbetung ist um unseretwillen, um unseres geistigen Wachstums willen notwendig. Anbetung Gottes hat einen sehr tiefen Sinn. Nur in der Anbetung werden wir frei von dem niederziehenden Gewicht irdischer Sorgen und Bedrängnisse, von der Selbstsucht und von der Entmutigung, die uns manches Mal erfaßt und unsere Herzen beschwert. Der Psalm 84 gibt unserem Empfinden ergreifenden Ausdruck:

  1. „Wie lieblich sind deine Wohnungen, Jahwe der Heerscharen!
  2. Es sehnt sich - ja, es schmachtet meine Seele nach den Vorhöfen Jahwe’s; mein Herz und mein Fleisch rufen laut nach dem lebendigen Gott.
  3. Selbst der Sperling hat ein Haus gefunden, und die Schwalbe ein Nest für sich, wo sie ihre Jungen hinlegt … Deine Altäre, Jahwe der Heerscharen, mein König und mein Gott!
  4. Glückselig, die da wohnen in deinem Hause! Stets werden sie dich loben. (Sela.)
  5. Glückselig der Mensch, dessen Stärke in dir ist, in deren Herzen gebahnte Wege sind!
  6. Durch das Tränental gehend, machen sie es zu einem Quellenort; ja, mit Segnungen bedeckt es der Frühregen.
  7. Sie gehen von Kraft zu Kraft; sie erscheinen vor Gott in Zion.
  8. Jahwe, Gott der Heerscharen, höre mein Gebet; nimm zu Ohren, du Gott Jakobs! (Sela.)
  9. Du, unser Schild, sieh, o Gott; und schaue das Antlitz deines Gesalbten!
  10. Denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend; ich will lieber an der Schwelle stehen im Hause meines Gottes, als wohnen in den Zelten der Gesetzlosen.
  11. Denn Jahwe, Gott, ist Sonne und Schild; Gnade und Herrlichkeit wird Jahwe geben, kein Gutes vorenthalten denen, die in Lauterkeit wandeln.
  12. Jahwe der Heerscharen! Glückselig der Mensch, der auf dich vertraut!“

Hier finden wir den tiefen Sinn der Anbetung Gottes. Aber - ist ein solches Gebet nicht einfach eine Flucht aus der Wirklichkeit in die Irrealität - in einen Zustand also, der es nicht verträgt, mit der Wirklichkeit konfrontiert zu werden? Gewiß nicht! Anbetung ist nicht Flucht und ist nicht Selbsttäuschung. Die Welt des Geistes ist da! Das Unsichtbare existiert. Der Ursprung und Urheber jeglicher Realität - er wohnt in einem Licht, das unvergänglich ist - der Forschung und der Wissenschaft entzogen. So belehrt uns der Apostel in 1.Tim.6:16. (Wenn diese Worte auch in erster Linie sich auf den Herrn beziehen, so gelten sie darüber hinaus selbstverständlich auf den Himmlischen Vater.)

Anbetung ist der Blick auf das Vollkommene, auf das im höchsten Grade Notwendige Anbetung bedeutet: unser Augenmerk auf eine  u n a n t a s t b a r e  Gerechtigkeit zu richten, auf  d i e  Liebe, die nicht das Ihre sucht, auf eine Weisheit, die alles durchdringt - und auf die Allmacht des Ewigen, des Ursprungs allen Lebens. Das ist es, was uns nottut -  v o r  allem anderen.

Laßt uns, wie der Psalmdichter, in das Haus Gottes gehen, in die „Heiligtümer“ des Höchsten, um uns dort zu stärken und Einsicht zu gewinnen in die wahren Zusammenhänge seines heiligen Willens und Handelns. Mit den Augen des  G l a u b e n s  laßt uns hineingehen bis in das Ende aller Dinge. Wir leben ja hier in einer Welt, die alles in Frage stellt, was  w i r  glauben und hoffen. Sie ist eine Welt der Ungerechtigkeit, und sie ist angefüllt mit allen Äußerungen der gefallenen menschlichen Natur. Welche Kälte geht von ihr aus! Wie unmenschlich geht es in ihr zu! Wie erschütternd wird uns oft die Vergänglichkeit und Vergeblichkeit alles Irdischen vor Augen geführt. Wie bedrohlich sind die Aussichten, wie entmutigend die vielen Schwierigkeiten: die Sorgen, die Nöte, die Befürchtungen, die Enttäuschungen, aber auch die Mißverständnisse und das Nicht-Verstehen-Wollen!

Wie ist das „religiöse“ Leben voller Halbwahrheiten, und wie zweideutig die Haltung vieler Christen. Alles das bedrängt uns. Wir stehen mitten im Geschehen. Das Negative - es nagt an uns, es enttäuscht uns, ja, es entmutigt uns auch zuweilen. Und weil wir noch in einer so heillosen Welt leben müssen, ist uns als Gegengewicht der Zugang zur Quelle der Kraft und des Geistes geschenkt worden.

Anbetung ist Gnade! Denken wir doch immer daran, daß wir nicht anbeten müssen, sondern daß wir anbeten  d ü r f e n.  Es ist ein  G n a d e n g e s c h e n k !

Die Welt hat die wahre Richtschnur verloren in dem Maße, wie sie sich vom Schöpfer abgewendet hat. Wir hingegen schauen in Anbetung auf die vollkommene Gerechtigkeit, Weisheit, Liebe und Allmacht Gottes, und wir wissen: es  g i b t  eine absolute, vollkommene Gerechtigkeit; es  g i b t  die Allmacht des Himmlischen Vaters, der nichts Böses anhaftet, und es  g i b t  die göttliche Liebe, die alles Lebendige umfaßt:  d i e  Liebe, die nichts ausschließt, die sich des Sünders erbarmt und dem Reuigen die Schuld vergibt. - Welches Vorrecht, welche Gnade, welche Quelle der Kraft ist uns zugänglich geworden!

Aus der trostlosen Verfinsterung, in der unsere Welt dahindämmert und in die wir hineingestellt sind, dürfen wir uns im Geiste erheben, dürfen anbetend unsere Gedanken und unsere ganzen Kräfte auf jene ewigen Güter richten, die bei unserem Lebengeber aufgehoben sind. Denn nach Jes.32:15 ff. geht ja die göttliche Verheißung dahin, daß die vollkommene Gerechtigkeit auf die Erde herabkommen wird , daß die Erde gerichtet und gereinigt werden soll von jeglicher Ungerechtigkeit.

Nun aber sucht der Vater solche, die ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten, wie der Apostel bezeugt. Die überwiegende Mehrzahl derer, die sich nach Christi Namen nennt, legt großen Wert auf das „Wo“. Für sie ist das „Wo“ der Anbetung entscheidend. Aber: der Vater sucht solche, die sich IHM in der Freiheit des Geistes nähern wollen - nicht in der herkömmlichen Schablone einer religiösen Gemeinschaft oder Kirche, nicht im Aufsehen zu Menschen und Autoritäten.

Wir betreten ein weites, unabsehbares Land, wenn wir uns unter die Führung des Heiligen Geistes stellen. Es gelingt uns nicht immer, dem Geist zu folgen. Wir machen Anläufe, wir sind schwach. Auch Pfingsten berechtigt uns nicht, höher von uns zu denken, als zu denken sich gebührt. (Röm.12:3) Es ist nicht die Gelegenheit, große Worte zu machen. Weit eher gibt es uns Anlaß zur Selbstprüfung. Dieses Fest ist geeignet, mehr als ein anderes, uns bewußt zu werden, wie oft und wie stark es der menschlichen Natur in uns gelingt, den Geist zu dämpfen; uns vor Augen zu stellen, wie oft unser geistiges Leben von den Einflüssen unserer Umwelt überschattet wird. Wie gar Vieles ist nicht mehr Geist, sondern Gewöhnung! Und wie viele Worte Gottes hören wir an, ohne von ihnen ergriffen, gepackt und erschüttert, aber auch erfreut und getröstet zu werden. Es besteht eine gewisse Gefahr, daß wir den Allmächtigen vermenschlichen, daß wir ihn in unsere menschlichen Vorstellungen herabziehen, anstatt uns von ihm emporheben zu lassen in Anbetung.

Pfingsten, der fünfzigste Tag nach Jesu Auferstehung, war ein Tag der Erfüllung. Die Weisung des Herrn an seine Jünger vor seiner Himmelfahrt hatte gelautet: Entfernt euch nicht von Jerusalem und wartet auf das, was geschehen wird. (s. Apg.1:4,5.) An jenem Pfingsttag wurden ihre größten Erwartungen übertroffen. Ein jeder dieser Wartenden erfuhr damals eine Wandlung, eine Festigung und Klärung, die einfach unbeschreiblich waren. Mit welcher Autorität redete Petrus! Welche Wirkungen gingen aus und brachten tausende von Menschen zum Glauben an Jesus Christus. Wir glauben, daß „Pfingsten“ die ganze Periode der wahren Kirche Christi umschließt. Der Geist Gottes wurde damals ausgegossen als ein Anfang, markant und unverkennbar als Beginn einer gewaltigen Wende. Und nachdem dieser Anfang so auffallend gekennzeichnet wurde, ging (und geht) das ganze Zeitalter hindurch ein stilles, unsichtbares Wirken des Geistes vor sich.

Der Vater suchte solche, die ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten, und das macht weder Lärm noch Aufsehen. In unserer Welt der Sensationen und der Oberflächlichkeit sind die Spuren des Geistes nicht wahrnehmbar. Daß sie jedoch von der erdrückenden Mehrheit nicht wahrgenommen werden, beweist nicht, daß der Geist nicht auch in unseren Tagen wirkt. Wir müssen an den Geist glauben. Wir sollen ihn erwarten, uns ihm  ö f f n e n.  Doch das hängt von dem Maße unserer Erkenntnis und unseres Glaubens ab. Im Glauben lebt eine stetige Erwartung. Es macht das Wesen des Christen aus, daß er wartet und erwartet - und daß er täglich, ja, stündlich dem Heiligen Geist offensteht. Das ist unsere Stärke. Das ist unser Halt. Das ist unser geistiges Leben.

In unserer Familie, in unserer Umwelt werden wir die Aufgaben erfüllen, die uns aufgetragen sind. Die Lasten, die Sorgen und die Beschwerden dieses Lebens werden weiterhin an uns herankommen und uns bedrücken. Aber  z u w e i l e n  wird es uns gelingen, über alles dieses hinauszudenken, indem uns der Geist sagt, daß es Größeres, Wichtigeres, Herrlicheres gibt als alles, was auf Erden ist. Der Geist wird uns sagen, daß etwas auf uns wartet: Etwas Sicheres, etwas Unerschütterliches, etwas Unvergängliches.

„Denn ich halte dafür, und davon bin ich überzeugt: was es in dieser Welt an Leiden gibt, an Schmerzen und Entbehrungen, ist der Rede nicht wert im Vergleich mit der Herrlichkeit, die Gott uns zeigen, mehr noch: die er uns schenken will“, schreibt Paulus in seinem Brief an die Römer in Kap 8 Vs.18.

Wir haben gesagt: „z u w e i l e n“  wird es uns gelingen, über all dieses hinauszudenken. Hört sich das nicht an wie eine stille Resignation, wie ein Verzicht auf etwas viel Besseres, weitaus Stärkeres? Ruft nicht Paulus den Gläubigen in Philippi zu: „Freuet euch in dem Herrn  a l l e z e i t!  Wiederum will ich sagen: Freuet euch“? (Phil 4:4) Hören wir auch die Worte des Herrn aus Joh.15:11: „Dies habe ich zu euch geredet, auf daß meine Freude in euch sei und eure Freude völlig werde.“ (d.h. das Vollmaß erreiche).

Hier wird uns etwas vorgehalten. Wir sollen etwas erstreben, nämlich: Diese Freude völlig zu erlangen, uns allezeit zu freuen. Wir haben uns vorgenommen, diese Dinge in aller Bescheidenheit vorzutragen in dem Wissen, daß alle unsere Erkenntnis noch Stückwerk ist, wie es uns der Apostel Paulus in 1.Kor.13:12 sagt. Aber in dem bisher Betrachteten wird uns etwas nahegebracht, an dem wir nicht vorbeigehen sollten, ohne es mit auf unseren Weg zu nehmen. Es ist doch so, daß uns der Heilige Geist, der Sachwalter unserer Angelegenheiten, der Tröster in unseren Leiden auch Freude bringen möchte: göttliche Freude, die nichts mit dem Getriebe irdischer Freuden gemein hat. An uns ist es, uns innerlich dafür offenzuhalten. Wenn wir nur  z u w e i l e n  uns im Geiste erheben, nur  z u w e i l e n  uns freuen können über die Kostbarkeiten unseres Glaubens, dann leben wir als Christen in einer Art Notstand und bleiben hinter unseren Vorrechten zurück.

Nehmen wir uns die Worte unseres Herrn und die Briefe der Apostel einmal ernstlich vor: wird uns darin nicht ein Vollmaß des Glaubens zugemessen, ein Vollmaß der Freude, der Hoffnung, der Erwartung - und ein Vollmaß der Liebe? Da ist nichts Ärmliches, nichts Kärgliches, nichts Dürftiges. Mit vollen Händen wird uns dargeboten aus einem unerschöpflichen geistigen Füllhorn heraus. Was uns betrifft, ist die Frage: Wieviel wollen wir davon annehmen? In welchem Maß sollen wir uns binden? Welche Folgen entstehen uns daraus?

W e r  stellt uns diese Fragen? Es ist die  m e n s c h l i c h e  N a t u r,  die um ihre Vorherrschaft, um ihre Existenz bangt. Im Geiste von oben, der uns Frieden und Kraft gibt, haben wir da (ein jeder für sich persönlich) täglich und immer wieder einen Kampf zu kämpfen, damit der Geist den Sieg davontrage über das Fleisch. Denn vom Geiste kommt das ewige Leben; vom Fleisch, von der irdischen Gesinnung her aber - der Tod.

Hierzu lesen wir in Bd. 6 S.148 der „Schriftstudien“ folgende Gedanken: „Wir müssen des eingedenk sein, daß - gleichwie ein rechter irdischer Vater sich seiner Kinder erbarmt, so auch der Herr sich derer annimmt, die Ehrfurcht vor ihm haben. Wir müssen an unsere besten Freunde, ihre Liebe und Teilnahme für uns denken - und uns dann Gott noch unendlich viel liebevoller, gütiger und treuer vorstellen als die besten unter seinen Geschöpfen. Solchen Glauben, solches Vertrauen fordert Gott, aber er belohnt es auch. Alle, die Glauben genug hatten, um ein erstes Mal zum Herrn zu kommen, haben auch - wenn sie wollen - Glauben genug, um sich bei Gott Zugang zu verschaffen, Tag für Tag in allen Prüfungen, Schwierigkeiten und Entbehrungen. Lassen sie aber die Wolken immer mehr zwischen sich und den Herrn treten, lehnen sie es ab, nach der Ermahnung der Schrift vor dem Throne der Gnade um Frieden und Wiederherstellung der Gemeinschaft zu bitten, dann werden sie schließlich nicht würdig befunden, der besonderen Klasse, die der Herr jetzt auserwählt, zugezählt zu werden. Der Vater sucht solche als Anbeter, die ihn ehren, d.h.die ihn lieben und ihm trauen; und - „Ohne Glauben ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen. Dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube.“ - Hebr.11:6; 1 Joh.5:4.

Wenn wir unsere Augen mehr und mehr auf die himmlischen Dinge richten, werden die dazwischentretenden Wolken kleiner werden, und die Wirklichkeiten des zukünftigen Lebens vertiefen ihren Eindruck auf uns. Der so schmale und rauhe Weg wird allmählich leichter, wenn das Kind Gottes dazu gelangt, seine alte Natur besser zu beherrschen und sie in Unterwürfigkeit unter die neue Gesinnung zu bringen. Es lernt, den „schmalen Weg“ zu lieben, nicht nur wegen des Herrlichen Zieles an seinem schließlichen Ende, wenn es in seines Vaters Haus droben aufgenommen wird, sondern auch wegen der jetzigen Vorrechte des Dienstes auf diesem Wege.

Äußerlich mag das Kind Gottes den gleichen Kummer haben wie die Welt. Innerlich aber hat es den Frieden Gottes, der allen Verstand übersteigt und in seinem Herzen regiert. (Phil.4:7) Der Christ lebt gleichsam in einer neuen Welt, in der er wohl den Lärm der gegenwärtigen Zeit wahrnimmt, ihn aber nicht so beachtet, weil er den Klang der Musik der neuen Zeitverwaltung hört. Das Herz des Christen ist bei seinem Herrn; seine Erwartungen sind nicht irdischer Reichtum und Glück, sondern die Herrlichkeiten, die Ehre, die Vorrechte und Dienste des Königreiches. Er ist Gesandter für Christum, ein Vertreter des kommenden Königreiches, ein Wegweiser, ein Führer für solche, die nach Gott suchen - und wünschen, mit ihm in Harmonie zu sein. - Apg.17:28,27.

Im Verlauf der Jahre werden die Erfahrungen des Christen immer kostbarer. Irdische Freuden und Bequemlichkeiten mögen ihm genommen werden, um seine Treue und Hingabe für Gott zu erproben. Doch die Tatsache, daß er noch immer in Gemeinschaft mit dem Vater und den Sohne ist, bleibt eine Quelle dauernder Freude. Sie gleicht alle seine Verluste aus, Sein Glaube wird durch Prüfungen stärker. Seine innere Ruhe wird größer. Er blickt vertrauensvoll in die Zukunft und weiß, daß sein Meister „König der Könige“ und „Herr der Herren“ ist. So ist er - und sind wir - erfüllt mit dem Geiste und dem Wissen um die göttliche Gegenwart.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung