Es ging ein Sämann aus zu säen

Der Anblick eines Sämanns hat etwas Symbolhaftes, Feierliches und Geheimnisvolles. Es ist erhebend, mit welcher Selbstverständlichkeit und ruhigen Zuversicht er der Erde seinen kostbaren Samen anvertraut und erwartet, daß nun im Schoß der Mutter Erde die geheimnisvolle Umwandlung des Keimens, Werdens und Wachsens vor sich gehen werde. Er baut dabei auf die Wirkung und Hilfe guter Kräfte. Wie wenig kann er selbst zum Gedeihen und Gelingen beitragen!

Nicht alle werden von dem geheimnisvollen Wunder dieses Vorgangs berührt! Die meisten gehen achtlos vorüber an diesem ergreifenden und sinnreichen Erlebnis.

Aber die  H e i l i g e  S c h r i f t  - sowohl die Propheten als auch die Apostel, sowie der Herr selbst verweilen gerne bei diesem vielsagenden Bild des Säenden. Er wird ihnen zum Symbol eines geistigen Vorgangs. Denn gleich wie es ein Säen im Natürlichen gibt, so gibt es auch ein Säen im Geistigen. Darauf nimmt der Apostel Bezug in dem Wort: „Was irgend ein Mensch sät, das wird er ernten.“ (Gal.6:7) Wie kann aber Paulus den Menschen in dieser absoluten Weise für die Ernte verantwortlich machen? Wir wissen doch, daß wir keinen Einfluß haben auf den Samen, daß wir seine Zusammensetzung und Beschaffenheit nicht beeinflussen können. Von einem Weizenkorn werden wir wiederum Weizen erhalten, von einem Roggenkorn Roggen. Und wenn wir Disteln und Dornen säen würden, so könnten wir davon nur Disteln und Dornen ernten.

Was soll uns das sagen? Doch sicher, daß alles von der Wahl des Samens abhängt! Die Entscheidung ist allein in die Hand des Sämanns gelegt.

Die Heilige Schrift zeigt uns, daß all unser Tun und Lassen einem Aussäen vergleichbar ist. Je nachdem werden daraus gute oder schlechte Früchte hervorgehen, und diese Früchte werden wir eben ernten oder essen müssen. „Saget vom Gerechten, daß es ihm wohlgehen wird, denn die Frucht ihrer Handlungen werden sie genießen. Wehe dem Gesetzlosen! Es wird ihm übelgehen; denn das Tun seiner Hände wird ihm angetan werden.“ (Jes.3:10,11) - „Ich, Jahwe, erforsche das Herz und prüfe die Nieren, und zwar um einem jeden zu geben nach seinen Wegen, nach der Frucht seiner Handlungen.“ (Jer.17:10) - „Denn Wind säen sie, und Sturm ernten sie.“ (Hos.8:7) - „Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten. Er geht hin unter Weinen und trägt den Samen zur Aussaat. Er kommt heim mit Jubel und trägt seine Garben.“ (Ps.126:5,6) - Bei diesem Wort erinnern wir uns an Hebr.12:11, wo wir lesen: „Alle Züchtigung aber scheint für die Gegenwart nicht ein Gegenstand der Freude, sondern der Traurigkeit zu sein; hernach aber gibt sie die friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt sind.“ Auch die Züchtigung ist eine Tränensaat, die zu einer Freuden-Ernte führen soll.

Was den Sämann veranlaßt, seinen Samen auszustreuen, ist die Hoffnung und das Bedürfnis nach Früchten. Er hat dabei eine ganz bestimmte Frucht im Auge. In diesem Sinne sagt der Herr: „Der da erntet, empfängt Lohn und sammelt Frucht zum ewigen Leben, auf daß beide - der da sät und der da erntet - sich freuen.“ - Joh.4:36

Es gibt Saaten, die viele Jahre, ja, länger als ein Menschenalter brauchen, bis sie aufgehen und zur Frucht heranreifen. Den wenigsten Menschen ist es bewußt, daß all ihr Tun und Lassen ein „Säen“ ist, das mit Naturnotwendigkeit eine ganz bestimmte Frucht hervorbringen muß. Denn gar oft sieht der Mensch die Frucht seiner Handlung nicht mehr - jedenfalls nicht die  l e t z t e  Frucht. Erst eine ferne Zukunft enthüllt die  g a n z e  F o l g e  seiner Handlung, und eine spätere Generation tritt dann in die  E r n t e  ein. Darum sagt Jesus: „Hierin ist der Spruch wahr: Ein anderer ist es, der da sät, und ein anderer, der da erntet.“ Gott zeigt damit, daß eben auch ein moralischer Zusammenhang besteht zwischen den Generationen, und daß die Schulden der Väter nach dem Erbgesetz zu Schulden der Söhne werden, wie auch die Verdienste der Väter zu Verdiensten der Söhne. Unter dem sündigen Menschengeschlecht aber kommt es vor allem zu einer Aufhäufung von ererbter  S c h u l d.  Darum ist in der Heiligen Schrift die Rede von einer gewaltigen  E r n t e  am Schluß dieses Zeitalters, deren Aussaat zurückreicht bis in die allerersten Tage des Menschengeschlechts:

„Und ich sah, und siehe, eine weiße Wolke, und auf der Wolke saß einer gleich dem Sohne des Menschen, welcher auf seinem Haupte eine goldene Krone und in seiner Hand eine scharfe Sichel hatte. Und ein anderer Engel kam aus dem Tempel hervor und rief dem, der auf der Wolke saß, mit lauter Stimme zu: Schicke deine Sichel und ernte; denn  d i e  E r n t e  d e r  E r d e  ist überreif geworden. Und der auf der Wolke saß, legte seine Sichel an die Erde, und die Erde wurde geerntet.“ - Off.14:14-16.

Das sehen die Menschen meistens nicht, daß es im Geistigen die gleiche Gesetzmäßigkeit gibt wie im Natürlichen. Und doch ist unschwer zu erkennen, daß Erscheinungen wie z. B. autoritäre Regierungen, völkermitreißende Ideologien oder extatische Massenbewegungen nicht ohne Beziehung sind zu dem, was ihnen vorausgegangen ist. Das Spätere ist aus dem Früheren hervorgegangen. Für alle diese Vorkommnisse gilt das Wort in besonderer Weise: „Sie ernten, wo sie nicht gesät haben“.

In der großen „Ernte der Erde“ wird das Böse, das im Laufe der ganzen Menschheitsgeschichte gesät worden ist, in seiner ganzen Furchtbarkeit zutage treten - als die Frucht einer heillosen Aussaat. „Die Ernte der Erde ist überreif geworden“, heißt es von dieser Zeit der Offenbarung des Bösen. Wie die Frucht das Ergebnis einer Reihe von Vorgängen ist: Saat, Keimen, Bildung von Halm, Blatt und Blüte - gleicherweise ist die moralische Aussaat durch eine Reihe von Stadien hindurchgegangen, bis sie zum Abschluß der Menschheitsgeschichte als eine weltweite  D r a n g s a l,  „wie sie niemals war, noch je wieder ein wird“, heute schon mehr und mehr in Erscheinung tritt. Bereits leben wir heute in der Zeit, wo die „Früchte“ der Erde geerntet werden müssen. Und das wird nichts anderes bedeuten, als daß die moralische Beschaffenheit der Menschen einen Grad der Verderbnis erreicht haben wird, der nicht mehr zu überbieten ist. „Die Felder sind weiß zur Ernte“, und sie zeigen uns mehr und mehr die noch ausstehende Vollreife ihrer Saaten an.

Aber in der gleichen Zeit, da die „Ernte der Erde“ ihre Vollreife erreicht, wird auch die Aussaat des Christus, Seine Kirche der Auserwählten, seiner Vollendung entgegengehen. Auch das Gute kommt jetzt zur vollen Ausreifung und Offenbarung. Und eine schärfere und deutlichere Scheidung muß sich vollziehen zwischen den beiden verschiedenartigen Aussaaten: dem Samen des bösen Feindes und dem Samen des himmlischen Sämannes. Die verschiedenen Samen-Arten, wenigstens der Getreidesamen, sehen einander noch recht ähnlich; sie sind nicht so ohne weiteres zu unterscheiden. Aber wenn dann die Pflanze, die Blüte und die Frucht hervorgegangen sind, dann treten die Unterschiede immer deutlicher hervor. An der  F r u c h t  wird die Art des Gewächses deutlich unterschieden und erkannt. Darum heißt es - und dieses Wort gilt insonderheit von der Fruchtreife, von der Zeit des Endes:

„Hütet euch aber vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen!“ Wie viel unbiblische Lehre gibt es doch! Wie viel Menschenfängerei! Der Unerfahrene mag sich fesseln lassen, die Massen vom äußeren Rahmen sich anrühren lassen! Aber schließlich wird dies alles dem Ernst des Gerichtstages Christi nicht standhalten können: In der Zeit der Fruchtreife wird sich zeigen, was echt - und was unecht war. Denn: „Liest man etwa von Dornen eine Traube? Oder von Disteln Feigen? Also bringt jeder gute Baum gute Früchte, aber der faule Baum bringt schlechte Früchte. Ein guter Baum  k a n n  nicht schlechte Früchte bringen, noch ein fauler Baum gute Früchte. Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Deshalb: an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ -Mt.7:15-20

Vermöge dieser naturgesetzlichen Logik muß der Tag kommen, da die wahre und echte Geistigkeit sich vom bloßen frommen Schein unterscheiden wird. Mit diesem Wort sagt der Herr auch klar, daß eine Mischung von gut und böse niemals zu einem guten Ziel hinfuhren kann.

Das bekannte Sprichwort: „Der Zweck heiligt die Mittel“ wird niemals die Anerkennung Jesu finden. „Entweder machet den Baum gut und seine Frucht gut, oder machet den Baum faul und seine Frucht faul, denn aus der Frucht wird der Baum erkannt.“ - Mt.12:33

Auf eine besonders wichtige Aussaat bezieht sich der Apostel Paulus in 1.Kor.15:42-44: „Es wird gesät in Verwesung, es wird auferweckt in Unverweslichkeit; es wird gesät in Schwachheit, es wird auferweckt in Kraft; es wird gesät ein natürlicher Leib, es wird auferweckt ein geistiger Leib.“ - Man darf den Apostel hier nicht so verstehen, als ob er von der Bestattung des Leichnams in die Erde rede als von einem Säen, das in der Folge so herrliche Frucht zeitigen würde. Vielmehr spricht er von dem Handeln, dem Tun und Lassen, dem Zeugnisgeben der Jünger Christi, so lange sie auf der Erde wandeln. Das geht ganz deutlich aus dem Ende des Kapitels hervor, wo Paulus die Schlußfolgerung zieht: Wenn dieses Verwesliche Unverweslichkeit und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen soll, … dann, geliebte Brüder, seid fest, unbeweglich, allezeit überströmend in dem Werke des Herrn, da ihr wisset, daß eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn.“ - 1.Kor.15:54,58.

Während ihres Lebens auf der Erde säen die Nachfolger Christi in einem sterbenden und unvollkommenen Leib, behindert durch ihr Unvermögen und ihre Schwachheiten. Sie weihen ihren natürlichen Leib dem Dienste des Herrn und der Wahrheit, und bringen ihn als Opfer dar, entsprechend der Ermahnung des Apostels in Röm.12:1: „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer, welches euer vernünftiger Dienst ist.“ Das ist ein Säen für das Reich Gottes. Und das hat der Apostel wiederum im Auge, wenn er in 1.Kor.15:36,37 die Worte schreibt: „Tor, was du säst, wird nicht lebendig, es sterbe denn. Und was du säst, du säst nicht den Leib, der werden soll, sondern ein nacktes Korn, es sei von Weizen oder von einem anderen Samen. Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er gewollt hat, und einem jeden der Samen seinen eigenen Leib.“

An uns liegt es nun, daß wir uns als „Samenkörner“ in eine „Erde“ betten, die das Keimen und Gedeihen des Samenkornes möglichst begünstigt. Denn das, was jetzt in diesem Leben keimt und wächst von der „Neuen Schöpfung in Christo“, das bildet die Grundlage - oder den Anfang - des geistigen Wesens, das durch die Erste Auferstehung auf himmlischer Stufe in Erscheinung treten wird. Lassen wir uns daher die Pflege dieses Keimes sehr angelegen sein und widmen wir dieser Arbeit alle Aufmerksamkeit und Sorgfalt. Dieser geistige Same, die „Neue Schöpfung“, gehört in eine gelockerte Erde, wo der Keim leicht lösliche Nahrung findet. Der Nachfolger des Herrn sollte eine Umgebung aufsuchen, wo der göttliche Einfluß möglichst ungehindert zur Geltung kommen kann, wo auch die nötige Wärme herrscht, um dem Keim gesundes Wachstum zu ermöglichen. Das heißt, daß wir uns möglichst nahe bei dem Herrn halten sollten - und bei seinem Volk, den Gotteskindern. Dann dürfen wir auch gesundes Wachstum erhoffen. Es wird dann unser Wunsch sein, alle Gelegenheiten, die der Herr uns schenkt, Ihm zu dienen und in Seiner Schule Fortschritte zu machen, dankbar auszunutzen. „Laßt uns auf einander achthaben zur Anreizung zur Liebe und zu guten Werken, indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, wie es bei etlichen Sitte ist.“ (Hebr.10:24,25) Wir alle brauchen einander! Auch damit schaffen wir wieder einen günstigen Boden für das Gedeihen der Neuen Schöpfung, daß wir regelmäßig die Nahrung des Gotteswortes zu uns nehmen und die Nähe unter Gleichgesinnten suchen.

Auf diese Weise wird sich der neue Wille mehr und mehr festigen, gefördert durch die Leitung unseres Himmlischen Vaters und der wachsenden Erkenntnis Seiner nicht endenden  L i e b e.  Der neue Wille bildet sich nicht nur nach den Erkenntnissen unseres Verstandes; insbesondere sind auch unser Herz und Gemüt beteiligt an dieser Entwicklung des in uns eingepflanzten Samens. Dieser wachsende Gottes-Same vermittelt uns einen Frieden, der allen Verstand übersteigt. - Phil.4:7.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung