Der schmale Weg zum ewigen Leben Der reiche Jüngling

Der Herr sagte: „Wenn mir jemand nachkommen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach.“ - Mt.16:24

Um dieses Wort recht zu verstehen, wollen wir eine Begebenheit betrachten, die in Mk.10:17-31 aufgezeichnet ist. (Bitte lesen, sowie auch Mt.19:16-26).

Hier wird uns ein junger Mann vor Augen geführt. Er ist ein Jude aus vornehmer Familie. Er kam zu Jesus, als er ihn mit seinen Jüngern vorübergehen sah. Er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: „Guter Lehrer, was soll ich tun, auf daß ich ewiges Leben ererbe? Jesus beantwortete ihm seine Frage nicht ohne weiteres. Er lenkte erst dessen Gedanken so, daß die Antwort größere Bedeutung für ihn haben sollte. Daher fragte er: „Was heißest du mich gut?“ Sagst du das nur so aus Höflichkeit? Oder hast du erkannt, daß es nur  e i n e  Art „gutsein“ gibt, nämlich die, die in Gott, dem Vater, dargestellt ist und von Ihm kommt? Und wenn du mich „gut“ nennst, denkst du dabei an das göttliche Ziel? Oder erkennst du in mir einen Lehrer, der das Wohlgefallen Gottes hat?

Was dachte wohl der junge Mann bei dieser Anrede? Er dachte etwa: Dieser Lehrer behauptet, von Gott zu sein. Seine Behauptung ist entweder wahr - oder falsch. Er kann nur ein wahrer oder ein falscher Prophet sein. Ich habe ihn mit „guter Lehrer“ angeredet. Wenn ich dabei aufrichtig gewesen bin, ist also meine Anrede das Ergebnis meiner Untersuchungen über seine Lehren. Und so müßte ich offenbar jede Antwort, die Er mir gibt, als göttliche Wahrheit ansehen und Seinen Rat befolgen. Jesus wartete die Antwort auf seine eigene Frage nicht ab. Es genügte ihm, diese Überlegung angeregt zu haben. Nun aber beantwortet er seine Frage: „Die Gebote weißt du: „Du sollst nicht ehebrechen usw.“ In Mt. 19:16-26 wird berichtet, daß der Herr noch hinzufügte: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“.

Man könnte sich wohl wundern, warum Jesus dem jungen Mann nicht so geantwortet hat, wie man es heute tun würde: Glaube an Jesus Christus als deinen Erlöser; bekenne deine Unfähigkeit, das Gesetz vollständig zu halten; glaube, daß du nur durch Zurechnung des Kleides der Gerechtigkeit Christi dem Vater wohlgefällig sein kannst, und liefere dich völlig dem Herrn aus!

Warum war aber eine solche Antwort damals noch nicht an der Zeit? Der Herr Jesus hatte das Versöhnungswerk noch nicht vollendet. Deshalb konnte damals noch keiner durch das Verdienst des Opfers Jesu Christi Zugang zum Vater haben. Der „neue und lebendige Weg“ (Hebr.10:20) war noch nicht eröffnet. Ehe ein Mensch auf diesem Wege zu Gott kommen konnte, mußte der Opfertod Christi, seine Auferstehung und Erhöhung vollendet sein. Jesus Christus mußte vor Gottes Thron als unser Vertreter erscheinen, - um uns vor dem Vater rechtfertigen zu können aufgrund seines Verdienstes.

Der Gesetzesbund, den Israel etwa 1500 Jahre vorher erhalten hatte, war noch in Kraft. Jesus hatte ihn noch nicht „ans Kreuz genagelt.“ (Kol.2:14) Weil das Gesetz noch galt, mußte der Herr auch nach den Richtlinien des Gesetzes antworten. Aus diesem Grunde verwies er den Jüngling auf das Gesetz. Er zeigte ihm, daß der Weg zum ewigen Leben nach der Anordnung des Allerhöchsten im Halten des Gesetzes bestünde. Wir aber erkennen im Licht des Neuen Testamentes, daß infolge der Unfähigkeit, das Gesetz zu halten, die Erkenntnis der Sünde kommt. (Röm.3:20) Wir kommen zu dem Schluß. daß durch das Tun des Gesetzes kein Fleisch vor Gottes Augen gerecht wurde, weil das Gesetz „durch das Fleisch kraftlos war“ (Röm.8:3). Die Entartung im Fleische machte also das Halten des Gesetzes unmöglich.

Das konnten die Juden nicht erkennen. Das Gesetz war hauptsächlich dazu da, unseren Herrn Jesus auf die Probe zu stellen. Dadurch, daß Er das Gesetz zu halten vermochte, konnte Seine Vollkommenheit hervortreten. Zum anderen sollte das Gesetz den Juden und allen Menschen beweisen, daß nur ein vollkommener Mensch den Anforderungen des Gesetzes entsprechen kann. Es war sehr wichtig, daß sie sich ihrer eigenen Unfähigkeit bewußt würden, die göttlichen Vorschriften zu erfüllen. Nur auf diese Weise konnten sie die Notwendigkeit einsehen, das ewige Leben nicht als Belohnung für ihre eigenen guten Werke zu empfangen. Nur auf diese Weise hätten sie eingesehen, daß sie ewiges Leben nur durch einen  E r l ö s e r  als Gabe des Allmächtigen erhoffen können.

Als der reiche Jüngling erwiderte: „Lehrer, dieses alles habe ich beobachtet von meiner Jugend an“, blickte der Herr ihn liebevoll an. Er war ein Mensch, an dem jeder, der Wahrheit und Gerechtigkeit suchte, Freude haben konnte. Jesus liebte ihn! Er liebte seinen Eifer im Befolgen des Gesetzes. Er liebte sein bescheidenes Wesen. Er liebte ihn, weil er so frei und offen zu ihm kam, um mit vollem Ernst nach dem Wege zum ewigen Leben zu forschen.

Jedenfalls trug der junge Mann eine gewisse Beunruhigung darüber in sich, ob er wohl Gottes Maßstab genügen würde, wenn er die Vorschriften des Gesetzes aufs genaueste befolgte. Sehr wahrscheinlich war er im allgemeinen mit sich sehr zufrieden. Und als er den tiefen geistigen Gehalt der Lehren Jesu erkannt hatte, wollte er gern von diesem bedeutenden Lehrer eine Bestätigung hören. Er wollte die Gewißheit bekommen, daß das getreue Halten des Gesetzes ihm bestimmt das ewige Leben gewähren würde.

Das letzte der Gebote, die der Herr aufzählte, hieß: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Dies war ein Teil der bei den Juden üblichen und oft angewendeten Redewendungen. Sie hatte wegen ihrer Alltäglichkeit wahrscheinlich die tiefe und umfassende Bedeutung dieser göttlichen Worte eingebüßt.

Augenscheinlich unterließ es der Jüngling, diesen Worten den vollen Wert beizumessen. Er hatte sich mehr an die einzelnen, bestimmten Forderungen der Gebote gehalten - und hatte dabei die viel weiter gehende Forderung: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ außer Acht gelassen.

Jesus war immer freundlich und milde gegen alle, die aufrichtig suchten, und deren rechte Herzensstellung Er herausfühlte. Er stieß den Jüngling nicht durch eine schroffe Entgegnung ab. Etwa so: Du bist im Unrecht! Du weißt gar wohl, daß du deinen Nächsten nicht liebst wie dich selbst. Das merkt man an deinem Reichtum. Es sind so viele Arme um dich herum; wenn du sie liebtest, wie dich selbst, so würdest du ihrer Armut abhelfen!

So sprach unser Erlöser nicht. Im Gegenteil: Er wußte, wie sehr die gefallene menschliche Natur von der Selbstsucht beherrscht ist. Er sah aber in diesem jungen Mann nicht einen gewöhnlichen Durchschnittsmenschen; er erkannte einen, der durch Adel der Gesinnung und das ernstliche Bestreben, gegenüber seinen Mitmenschen gerecht zu sein, anderen weit überlegen war. Der reiche Jüngling war aber durch den Zeitgeist verblendet. Der Herr mußte ihm zuerst die Augen des Verständnisses öffnen. So sagte er zu ihm in freundlichem Ton: „Eines fehlt dir; gehe hin, verkaufe, was irgend du hast und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach“

Hier lag der Kernpunkt der Probe. Die Juden bildeten unter dem Mosaischen Gesetz das „Haus der Knechte.“ Jeder Jude, der gern und willig sein Hab und Gut opferte, um ein Jünger Jesu zu werden, sollte würdig befunden werden, aus dem Hause der Knechte unter Mose in das „Haus der Söhne“ unter Christus aufgenommen zu werden. An Pfingsten wurden diese Jünger Jesu aus dem Hause der Knechte herausgeführt. Von da an waren sie vom Vater nicht mehr als Knechte angesehen, die unter dem Gesetzesbund stehen. Der Vater anerkannte sie von Pfingsten an als Glieder am Leibe Christi, die vom Heiligen Geiste zum ewigen Leben im Himmel gezeugt worden waren.

Der junge Mann, der vor wenigen Augenblicken noch so voll Selbstvertrauen war, spürte plötzlich, daß der große Lehrer sein Herz am verwundbarsten Fleck getroffen hatte. Es zeigt sich, daß er nicht genug Liebe zu Gott und zu seinem Nächsten hatte. Derselbe Prüfstein hat während der letzten (inzwischen) zwanzig Jahrhunderte viele ehrenwerte, fromme und kluge Leute auf die Probe bestellt, und sie haben sich für das Himmelreich als untauglich erwiesen. Ja, diese Erprobungen für die Miterben im Reiche Christi sind so hoch gestellt, daß die Mehrzahl der allgemeinen Menschheit diese Probe nicht bestehen und das Königreich auf der geistigen Stufe nicht erlangen werden.

Da liegt doch die Frage nahe, ob dieser Prüfstein für die Mitgliedschaft am Königreich nicht zu schwer ist. Hat Gott einen zu hohen, ja - einen unmöglichen oder doch für die meisten Menschen nicht zu erreichenden Maßstab aufgestellt? Den meisten Mitgliedern der sogenannten Christenheit ist diese Frage durch die falschen Lehren des Mittelalters verdunkelt. Nach dieser entstellten Lehre ginge der „reiche Jüngling“ einer ewigen Qual entgegen, weil er Jesu nicht nachfolgte. Er wäre ewig verloren - trotz seiner vielen guten Eigenschaften und rechtschaffenen Lebensweise. Er war im Herzen willig, im Verkehr mit dem Nächsten gerecht, aufrichtig und ehrenhaft. Aber er wollte doch seinen irdischen Besitz nicht als Preis geben, um den höheren Preis zu gewinnen. Er wollte nicht ein gering geachteter Nachfolger Jesu, des allgemein verschmähten Nazareners, werden. Würde demnach nicht beinahe das ganze Menschengeschlecht der ewigen Verdammnis anheimfallen, wenn man es nach diesem Maßstab messen würde? Wie gering ist doch de Zahl derer, die „alles verlassen“ und ihr Leben, ihre Zeit und ihr ganzes Interesse dem Herrn und seiner Sache weihen als Nachfolger des Herrn.

Wäre es denkbar, daß der Himmlische Vater nur so wenige aus der menschlichen Familie retten wollte? Nein - es wäre  u n d e n k b a r!  Denn Gott hat die Welt so geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn für sie dahingab.

Doch wir verstehen die obige Frage im Sinne der Bibel. Wir wissen daher, daß der Allmächtige in diesem Evangeliumszeitalter für seinen Sohn, unseren Herrn und Erlöser, eine „Braut“, eine „kleine Herde“ aus der gesamten Menschheit herausruft. Ihr besonderes Werk während des tausendjährigen Reiches Christi ist die Wiederaufrichtung von Ordnung und Gerechtigkeit und die Wiederherstellung des Menschengeschlechtes zu einem segensreichen ewigen Leben auf der Erde. Dies ist die biblisch-richtige Auffassung dieser Frage. So erkennen wir in dem gesamten Walten Gottes nicht nur seine Weisheit und Gerechtigkeit, sondern vor allem auch seine Liebe. Dann wird es uns auch leichter, ein Vorrecht darin zu erblicken, als Nachfolger Jesu alles zu verlassen, um Miterben und Genossen der himmlischen Berufung, des künftigen Reiches der Herrlichkeit zu werden.

Der reiche Jüngling hatte keine Klage vorzubringen. Jesus, den er als den „guten Lehrer“ anerkannte, hatte ihm durch wenige Worte aus dem Gesetz seinen Standpunkt gezeigt. Er hatte ihm die gänzliche Nichtigkeit aller seiner Anstrengungen vor Augen gestellt, sich selbst durch das Halten des Gesetzes gerechtmachen zu wollen. Aber noch eines hätte der Jüngling den Herrn fragen sollen:  w i e  kann ich dieses Hindernis in mir überwinden?

Statt dessen blieb er an seinem Besitz hängen, der ihn erfreute. Hätte er zum Herrn gesagt: „Meister, ich merke, daß ich nicht das bin, was ich dachte. Du hast mir meine Eigenliebe im Herzen aufgedeckt. Sie ist dem göttlichen Maßstab ganz entgegengesetzt. Ich hatte keine Kenntnis davon. Kannst du mir nun aus dieser Verlegenheit heraushelfen? Das Opfer, das ich bringen soll, scheint mir fast zu groß.“

Als Erwiderung darauf hätte unser Herr und Meister wahrscheinlich gesagt: Was ich dir vorgeschlagen habe, ist nicht so unausführbar, wie du es dir denkst. Wenn du dein Herz dazu bewegen kannst, hierin den Willen Gottes völlig zu tun, so kann ich dir Schritt für Schritt zeigen, wie es zu machen ist. Was du deinerseits aber durchaus zuerst tun müßtest, ist, diesen Weg klar und bestimmt gehen zu  w o l l e n,  also dich mir auszuliefern.  D a n n  wird meine Hilfe dir genügen, und meine Gnade wird alles Sehnen und Verlangen deines Herzens stillen können. Bedenke - hätte Jesus sagen können - daß ohne Gottes Güte nichts auf deinem Acker wachsen, kein Vieh sich vermehren und kein Segen auf deiner Arbeit liegen würde! „Denn  M E I N  ist der Erdkreis und seine Fülle.“ (Ps.50:12) Also bist du nicht Besitzer, sondern Verwalter. Wenn du das bedenkst, wirst du „deine“ Güter als  G o t t e s  Besitztum erkennen, deine dir zur Verfügung stehende Zeit als „Seine“ Zeit - und deine Talente als eine Gabe des Allerhöchsten dankbar anerkennen.

Die Schwierigkeit der Reichen

Doch von dem jungen Mann, der so reich war, heißt es in der Schrift weiter: „Als aber der Jüngling das Wort hörte, ging er betrübt hinweg, denn er hatte viele Güter.“ (Mt.19:22) Hierin lag also das große Hindernis. Wohl hatte er alle Gebote beobachtet, aber er hatte der Liebe vergessen, die er seinem Nächsten schuldig war. Arme, Kranke, Hilfsbedürftige gab es damals genau wie heute. Hatte er „von früh auf“ derer gedacht, deren Not er mit seinem Reichtum hätte lindern können? Die Liebe zum Besitztum überwog die Barmherzigkeit; darum ging er „betrübt“ hinweg.

Wir werden nicht darüber unterrichtet, ob jener junge Mann später noch die Belehrung Jesu in seinem Herzen erfaßt hat. Möglich wäre es immerhin gewesen. Denn die Aufforderung des Herrn, seinen ganzen Besitz wegzugehen, war sicherlich ein zu plötzlicher Schock für ihn. Umso größer aber war die Belehrung für Jesu Jünger; „Wenn du alles Gott Wohlgefällige getan hast, was dir möglich ist, hast aber der Liebe nicht, so bist du meiner nicht wert.“ Dies war die Substanz jener Begebenheit.

Aber auch die Jünger waren „erstaunt“ über die Worte des Herrn, ja, sogar entsetzt“, wie es bei Markus heißt. (s.Mk.10:23) Jesus aber sprach wiederum zu ihnen: „Kinder, wie schwer ist es, daß die, welche auf Güter  v e r t r a u e n,  in das Reich Gottes eingehen.“ - Mk.10:24

Hier betont der Herr die eigentliche Schwierigkeit des Vermögenden. Es geht nicht darum, daß jemand Geld oder Gut, Juwelen oder sonstige Reichtümer besitzt, sondern einzig und allein darum, daß er sein Herz nicht daran hängt, daß er sich von dererlei Dingen nicht abhängig macht, und es ihn zu sehr schmerzt, sich davon zu trennen - zum Wohle anderer. „Wenn ich mit den Sprachen (od. Zungen) der Menschen und der Engel rede, aber nicht Liebe habe, so bin ich ein tönendes Erz geworden oder eine schallende Zimbel“, könnten zu diesem Thema die Worte des Apostels Paulus hinzugefügt werden. Von was auch immer ein Mensch sich abhängig macht - sei es, was es sei - dient er dem, von dem er sich abhängig machen läßt, aber nicht Gott. Wer sich einmal so recht klar macht, daß jedes Lebewesen - sei es Mensch oder Tier - mit jedem Atemzug, mit jedem Herzschlag von dem Schöpfer allen Lebens und  a l l e r  L e b e n s b e d i n g u n g e n  abhängig ist - wie dankbar und opferbereit wird er unserem Schöpfer gegenüber sein!

Das Nadelöhr

Immer inhaltsschwerer werden die Erklärungen des Herrn für seine Jünger über solche Fragen. Er sagt: „Es ist leichter, daß ein Kamel durch das Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher in das Reich Gottes eingehe.“ (Mk.10:25) Ohne zu wissen , was zur damaligen Zeit ein „Nadelöhr“ war, müßte man aus dieser Rede des Herrn annehmen, daß kein Reicher überhaupt jemals die Chance hätte, in das Reich Gottes einzugehen. Das Nadelöhr aber hat nichts mit einer Nähnadel zu tun. Es soll eine kleine Pforte im Stadttor gewesen sein, die dazu diente, einzelne Nachzügler noch in die Stadt einzulassen, nachdem am Abend das große Tor in der Stadtmauer zum Schutz vor Überfällen bereits geschlossen war. Durch diese Pforte hätte ein Kamel sich nur auf den Knien mühsam hindurchzwängen können, nachdem man ihm seine Last abgenommen hatte.

Der Gedankengang Jesu bei dieser bildhaften Sprache war wohl der: Kein Reicher (ob reich an Vermögen oder hoher Stellung oder reich an irdischen, natürlichen Geistesgaben) kann in das Reich Gottes eingehen, es sei denn, er habe die „Last“ seiner Reichtümer abgeworfen, um in seinen eigenen Augen klein, gebeugt vor der Liebe und Macht des Allmächtigen durch die „enge Pforte“ das ersehnte Ziel zu erreichen. Der Geist eines Nachfolgers Christi, der von Gott würdig erachtet wird, zum königlichen Priestertum gehören zu dürfen, ist nicht der Geist der Eigensucht auf irgendeinem Gebiet. Es ist der Geist der Selbstentsagung, der in Gott mündet. Das große Werk der kommenden Weltzeit ist die Aufrichtung der von der Sünde stark beschädigten Menschheit. Die Menschenwelt soll Segnungen empfangen und ihrer verlorenen Gottes-Ähnlichkeit wieder näher gebracht - und letztendlich in ihr vollendet werden.  D a z u  wählt Gott die Nachfolger Seines Sohnes aus. Und es ist verständlich, daß ER nur solche zu diesem hohen Werk berufen und auserwählen kann, deren tiefstes Herzensverlangen ganz mit den Zielen des aufzurichtenden Reiches in Einklang stehen.

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Was also hätte der „reiche Jüngling“ besser getan, als „betrübt hinwegzugehen? „Er hatte so viele gute Gaben und begehrte so sehr, mit Gott in Einklang zu sein. Er war demütig, er hatte sich vor dem Herrn in die Kniee gebeugt, aber - er hatte die beiden höchsten Gebote des Gesetzes nicht in die Tat umgesetzt: „Liebe Gott  ü b e r  a l l e s,  und deinen Nächsten wie dich selbst.. Wenn er sich für nicht fähig fühlte, diese Gebote zu halten - hätte er den Herrn nicht bitten können, ihm behilflich zu sein? Bestimmt hätte Jesus ihn auf den Weg des Mitleids und der Liebe geführt, auf dem (langsam, aber sicher) die Liebe im Herzen Wurzel faßt und wächst. Es wäre jenem Jüngling mit der Zeit leicht geworden, seine Güter zu verteilen, wenn er erlebt hätte, wie viel Freude man anderen (und auch sich selbst) machen kann, wenn man Leid und Not des Nächsten zu lindern versucht - auf welche Weise auch immer.

Ob jener Jüngling später noch ein Jünger Jesu geworden ist? Die Schrift sagt uns - wie schon bemerkt - nichts darüber. Der Herr liebte ihn wegen seines demutsvollen und rechtschaffenen Charakters. Ganz gewiß wird Er ihm in der Auferstehung ewiges Leben schenken.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung