Israel, der „Zankapfel“ der Nationen
2. Teil

„O, daß du gemerkt hättest auf meine Gebote!
dann würde dein Friede gewesen sein wie ein Strom“ - Jes. 48:18

53 Jahre Staat Israel, aber auch 53 Jahre Krieg, Überfälle und grausamer Terror. Wie vieles muß noch geschehen, bis Israel auf die Stimme seines großen Gottes hört?

Gott ist ein ewiger Gott, und sein Wort verhallt nie. „Hüte dich“, so haben wir schon gelesen, „daß du deines Gottes nicht vergißt, … damit nicht dein Herz sich erhebe und du in deinem Herzen sprechest:  M e i n e  Kraft und die Stärke  m e i n e r  Hand hat mir dieses Vermögen verschafft. Du sollst Jahwes, deines Gottes, gedenken, daß ER es ist, der dir Kraft gibt.“ „So  e r k e n n e  und  s i e h,  daß es schlimm und bitter ist, daß du Jahwe, deinen Gott, verlässest, und daß meine Furcht nicht bei dir ist“ (daß du keine Ehrfurcht vor mir hast), „spricht der Herr, Jahwe der Heerscharen.“ - Jer.2:19

Über der ganzen Geschichte der Kinder Israel, über Auf und Nieder, Segen und Fluch steht Gottes:  I c h  werde … ! Heute, in unserer drangsalsreichen Zeit der Verwirrung und eigentlichen Ratlosigkeit, hört man von politischer Seite aus nur:  W i r  werden, oder  i c h  werde … ! Man hat den Allmächtigen auf die Seite gestellt; man baut auf eigene Intelligenz, auf eigene Kraft - und erzeugt immer mehr Elend, Wirren, Tod und Verderben.

Wie alle Völker und alle Menschen muß auch Israel erfahren, daß  n u r  Gottes Wege zum Leben und Frieden führen, und daß jede Mißachtung des göttlichen Gebotes der Gerechtigkeit und der Liebe eigenen Schaden, eigenes Unglück bewirkt und schließlich zum Tode führt.

Hat der Ewige nicht klar und verständlich wissen lassen:

„ICH werde zerstreuen, und ICH werde sammeln?“ (Jer.31:10)

„ICH werde züchtigen, und ICH werde mich erbarmen?“ (Spr.3:12)

„ICH werde schlagen, und ICH werde heilen?“ (Jer.30:17) Und immer und immer wieder sollte doch jeder Mensch die so realistischen und vernünftigen Worte aus Gal.6:7 in sich aufnehmen: „Irret euch nicht, Gott läßt sich nicht spotten! Denn was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten.“ Spr.22:8: „Wer Unheil sät, wird Unheil ernten“, und wir fügen die Frage hinzu: „Wer Haß sät - wird er Gutes ernten?“

Israels gegenwärtige Lage - vom politischen Standpunkt aus gesehen - scheint aussichtslos. Viele Regierungen bemühten sich (schon um ihres eigenen Vorteils willen) um eine Lösung des Konfliktes, aber sie kommen keinen Schritt weiter. Der Erzfeind des Volkes Gottes, Satan, arbeitet verbissen und mit ungebrochener Ausdauer. Er setzt auf Zeit. Die Taktik des Aufruhrs von innen heraus scheint wie ein bösartiges Geschwür, das den Körper langsam, aber stetig zerfressen soll.

Israel hat im Laufe seiner viertausendjährigen Geschichte Schreckliches und Entsetzliches unter Gottes Züchtigung durchgemacht, und dennoch ist es  n o c h  da - und  w i e d e r  da! Diese ungeheure Vitalität des jüdischen Volkes ist in unseren Augen ein Wunder Gottes - und das größte Ärgernis in den Augen seiner Feinde. Daß Gottes Auge, selbst in der Zeit Seiner Ungnade und des Wegblickens von Seinem Volke, dennoch über den Kindern Jakobs gewacht hat, wissen wir aus 3.Mos.26:44: „Aber selbst auch dann, wenn sie in dem Lande ihrer Feinde sind, werde ICH sie nicht verwerfen und sie nicht verabscheuen, ihnen den Garaus zu machen.“ Ob sie das heute noch wissen? Und wenn sie es wissen, glauben sie es auch?

Von Anfang an haben die Kinder Israel in einer Hand den Segen - und in der anderen Hand den Fluch Gottes (d.h. Seine Abwendung von ihnen) gehabt - zur Entscheidung. (siehe 5. Buch Mose; bes. Kap.30:15): „Siehe, ich habe dir heute das Leben und das Glück, und den Tod und das Unglück vorgelegt.“ Und sicherlich hat es auch Einzelne gegeben, die sich um die göttliche Hand des Segens bemüht haben. Doch das Volk als Ganzes…? Wir kennen seine Geschichte aus den Blättern des Wortes Gottes. Wie der König, so war auch das Volk: gläubig oder ungläubig.

Und heute? Der Kampf zwischen Licht und Finsternis spitzt sich immer mehr zu. Und die Stimme der Propheten, die leider nicht - oder zu wenig gelesen und gehört wird, tönt immer noch laut und klar durch die Jahrtausende: „So erkenne, und sieh, daß es schlimm und bitter ist, daß du Jahwe, deinen Gott, verlässest, und daß meine Furcht nicht bei dir ist, spricht der Herr Jahwe der Heerscharen.“ - Jer.2:19

In einem Gespräch mit Israelis wurden wir einmal gefragt: „Aber was sollen wir denn machen? Sollen wir alle unsere Panzer und Flugzeuge vernichten und uns hinstellen und sagen: so, jetzt schießt uns alle tot?“ Wir konnten ihnen nur mit den Worten des Propheten Jesaja antworten: „Soll ein Volk (und gerade Israel!) nicht seinen Gott befragen?“ - Jes.8:19b

Und was sagt dieser Gott? „Durch Umkehr und durch Ruhe würdet ihr gerettet werden; in Stillsein und in Vertrauen würde eure Stärke sein!

Aber ihr habt nicht gewollt.

Und ihr sprachet: Nein, sondern auf Rossen wollen wir fliegen … und auf Rennern wollen wir reiten. Darum werden eure Verfolger rennen. … Und darum wird Jahwe verziehen, euch gnädig zu sein; und darum wird er sich hinweg erheben, BIS er sich euer erbarmt. Denn Jahwe ist ein Gott des Rechtes. Glückselig, die auf ihn harren!“ - Jes.30:15 ff

Das Gleichnis vom „verlorenen Sohn“ zeigt Gottes Verfahrensweise mit Israel, als Lektion für alle Menschenkinder. Niemals zwingt ER. Gottes Erziehung zum LEBEN, zum  e w i g e n  Leben, liegt in der Zulassung des eigenen Willens und eigener Wege. Die Tür zum Vaterhaus steht offen. An jedem einzelnen liegt es, sich IHM zuzuwenden - oder auch nicht. Israel hat Moses und die Propheten; und sie sind es, die in verständlicher Sprache reden, was es zu seinem Frieden tun oder lassen sollte: „So spricht JHWH, dein Gott, dein Erlöser, der Heilige Israels: Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich lehrt, zu tun, was dir frommt, der dich leitet auf dem Wege, den du gehen sollst.“ Denn in allen Wirren und allen Nöten wäre immer noch der Rat Jahwes zu hören: „Kehret zu mir um, und ICH werde zu euch umkehren.“ - Sacharja 1:3

„Groß ist der Tag Jahwes und sehr furchtbar, und wer kann ihn ertragen? Aber auch jetzt noch, spricht Jahwe, kehret um zu mir mit eurem ganzen Herzen und mit Fasten und mit Weinen und mit Klagen. Und zerreißet euer Herz und nicht eure Kleider, kehret um zu Jahwe, eurem Gott; denn er ist gnädig und barmherzig, langsam zum Zorn und groß an Güte, und läßt sich des Übels gereuen.“ - Joel 2: 11b bis Vs.13.

„Aber ihre Gedanken sind verstockt worden“, schreibt Paulus an die Korinther „denn bis auf den heutigen Tag bleibt beim Lesen des Alten Bundes dieselbe Decke unaufgedeckt, die in Christo weggetan wird. Bis auf den heutigen Tag, wenn Moses gelesen wird, liegt die Decke auf ihrem Herzen.“ - 2.Kor.3:14,15

Es ist eine ungeheure Tragik, daß das auserwählte Volk Gottes, das die wunderbarsten Erfahrungen mit seinem großen Gott gemacht hat, das Bundeswort des Allmächtigen entweder Überhaupt nicht beachtet, oder dem erlösenden  G e i s t  Seines Wortes nicht aufgeschlossen ist.  D a r u m  kann es der Widersacher Gottes zum „Zankapfel“ der Völker machen, die unter seiner Leitung suchen, dieses Volk mit allen Mitteln zu zerstören.

„O, daß du gemerkt hättest auf meine Gebote!
Dann würde dein Frieden gewesen sein wie ein Strom“

Des Ewigen Geduld ist groß! ER kann warten, BIS… : „bis sie ihre Schuld büßen und mein Angesicht suchen. In ihrer Bedrängnis werden sie mich eifrig suchen.“ (Hosea 5:15) Martin Buber gibt diesen Vers 15 noch treffender wieder:

„…bis sie sich schuldbar wissen und mein Angesicht suchen.“ Hier liegt das Hindernis zum Frieden! Israel - ja, alle Menschen müssen in die Tiefe der Erkenntnis des reuigen und demütigen Zöllners hinabsteigen: „0 Gott, sei mir, dem Sünder, gnädig.“ (Lk.18:13b) Auch der „Verlorene Sohn“ bekennt in seiner größten Not: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen.“ - Lk.15:21

Der Weg zu Gott geht über ein „zerbrochenes Herz“ und einen „zerschlagenen und gebeugten Geist.“ (Ps.51:17; Jes.57:15) Einsicht und Demut ergeben die Ehrfurcht, in der es dem Menschen geschenkt ist, sich dem lebendigen Gott nahen zu dürfen.

„Da sie bedrängt sind, ersehnen sie mich“, übersetzt Buber die letzten Worte von Hosea 15:5. Was muß noch geschehen, daß Israel sich nach seinem großen Gott   s e h n t ?  Es kommt einmal die Zeit, wo dem unerwünschten, verhaßten „Zankapfel“ Israel, diesem Fremdkörper, diesem Störenfried innerhalb der arabischen Welt  e n d l i c h  der tödliche Dolchstoß versetzt werden soll. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß dieses von Gott geliebte und von Satan gehaßte Volk endgültig ins Meer gejagt und ihm unwiderruflich der Garaus gemacht werden kann. Großer Jubel wird innerhalb der gottesfeindlichen Welt sein. Ja, Satan trägt  s c h e i n  b a r  den Sieg davon - und wird dadurch die Überlegenheit des Bösen gegenüber dem Schöpfergott eindrucksvoll demonstrieren. Endlich!

S o  m e i n t  m a n!  So  h o f f t  die feindliche Welt, so triumphieren die gottesfeindlichen Mächte! Doch - der allwissende, allweise Gott Israels und aller Menschen weiß SEINE Zeit gekommen, den Feinden Israels (und der ganzen Welt) eine Belehrung zu geben, wie sie zwingender, eindrucksvoller und umwälzender sein wird als alles bisher Geschehene, was auf unserer alten Erde unter dem mächtigen Einfluß des Widersachers zur Belehrung der Menschheit je vor sich gegangen ist.

„Denn so spricht Jahwe: Eine Stimme des Schreckens haben wir gehört; da ist Furcht und kein Friede. Fraget doch und sehet, ob ein Mann gebiert? Warum sehe ich eines jeden Mannes Hände auf seinen Lenden, einer Gebärenden gleich, und jedes Angesicht in Blässe verwandelt? Wehe! Denn groß ist jener Tag, ohnegleichen, und es ist eine Zeit der Drangsal für Jakob; doch er wird aus ihr gerettet werden. … Denn ich bin mit dir, spricht Jahwe, um dich zu retten. Denn ich werde den Garaus machen allen Nationen, wohin ich dich zerstreut habe; nur dir werde ich  n i c h t  den Garaus machen, sondern dich nach Gebühr züchtigen und dich keineswegs ungestraft lassen.“ - Jer.30:5-7;11

Durch Gnade dürfen wir erkennen, welche Kräfte der Allmächtige einsetzen wird, um die Herzen seines auserwählten Volkes zu öffnen. Hören wir, was der Prophet Jeremia zu verkünden hat: „Denn Jahwe hat Jakob  l o s g e k a u f t  und hat ihn erlöst aus der Hand dessen, der stärker war als er. - Jer.31:11

Nachtrag

„Groß ist jener Tag; wer kann ihn ertragen?“ Ein „Tag“ bei Gott ist nicht ein Tag von 24 Stunden, aber auch nicht immer ein „Tag“ von 1000 Jahren. Das hebräische Wort für „Tag“ kennzeichnet verschiedene Zeitlängen.

Leben wir schon in diesem angekündigten „großen Tag“ Gottes? Ob nun die einen noch in Wohlstand leben, andere dieses Leben wunderschön finden, so sollte man doch das entsetzliche Elend nicht vergessen, das fern von uns auf unserem Erdball herrscht. Seit dem 11. September 2001 hat die Welt einen Schock erlitten. Sie ängstigt sich.

Dürfen wir nicht die Worte unseres Herrn Jesus Christus auf unsere Zeit anwenden, die da lauten: “ … und auf der Erde Bedrängnis der Nationen in Ratlosigkeit bei brausendem Meer und Wasserwogen; indem die Menschen verschmachten vor Furcht und Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen?“ (Lk.21;25,26) Groß ist die Ratlosigkeit unter vielen Völkern, und niemand weiß, was noch geschehen wird. Und - wendet sich die Christenheit spontan um Hilfe zu Gott? Sind vielmehr nicht auch jene Worte Jesu in Erfüllung begriffen, die wir in Lk.17:26-30 geschrieben finden?

Wir möchten ganz besonders betonen, daß wir diese Betrachtung über Israel nicht als Anklage gegen dieses von Gott herausgewählte und geliebte Volk aufgefaßt wissen möchten, sondern als die warnende Stimme des Allmächtigen, die - im „Lehrbeispiel Israel“ - für alle gilt.

In der nächsten Ausgabe möchten wir - anhand biblischer Aussagen - zeigen, wie der allweise Schöpfer Himmels und der Erde aus einem geschlagenen, gezüchtigten Volk ein Segensinstrument für die ganze Erde macht.

Die unfehlbare Gesetzlichkeit in der Schöpfung Gottes

Der Psalmist David war ein vom Allerhöchsten begnadeter Seher, der nicht nur von fernen, weit vor uns liegenden Zeiten künden durfte. Ihm wurde auch eine geistige Schau in die Harmonie des Universums geschenkt, die weit über das hinausreichte, was unser begrenztes leibliches Blickfeld wahrnehmen kann.

Davon zeugt schon der erste Vers von Psalm 19: „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und die Ausdehnung verkündet seiner Hände Werk.“ Es ist die Erhabenheit des unendlichen Raumes, die David, den Seher, überwältigt. Er sieht nicht  e i n e n  Himmel; er sieht einen Himmel über dem Himmel - und weitere Himmel noch darüber. Und er sieht sie des Nachts, erfüllt vom unzählbaren Heer der größeren und kleineren Lichter, die erst recht der Unendlichkeit Tiefe geben, weil die einen ja näher, die anderen ferner sind. Diese Unterschiede sind dem sinnenden und scharfen Beobachter nicht entgangen.

Aber David hat noch mehr gesehen; haben doch schon die ältesten Kulturvölker eine erstaunliche Kenntnis der Bewegungen der Himmelskörper besessen und astronomische Berechnungen angestellt. Die Astronomie ist ja bekanntlich die älteste aller exakten Wissenschaften. Die Ordnung des gestirnten Himmels, die unfehlbare Gesetzlichkeit in der Schöpfung Gottes ist es, die dem Psalmdichter den mächtigsten Eindruck macht. Unendlichkeit, Allmacht, Weisheit, Gerechtigkeit, d.i. Gesetzmäßigkeit - alles das kann der erstaunte Beobachter von diesem Sternenhimmel ablesen; ja, auch die Liebe, die für alle wacht, muß sich ihm als Eigenschaft des Schöpfers offenbaren. Und das ungeheure Werk ist fertig; es gibt keine Lücken und Mängel. Es ist vollkommen. Das ist die „Herrlichkeit“, die von den Himmeln wortlos verkündet wird.

Die Herrlichkeit des Schöpfers! Das bedeutet: seine Klarheit, seine Unwandelbarkeit, seine Planmäßigkeit, seine Zuverlässigkeit. Was für ein tiefes Vertrauen darf sich auf solche Eigenschaften gründen! Das ist kein vorübergehender Zustand. Unter Gottes Fittichen sind Frieden, Wohlbefinden, Freude und ewige Sicherheit. Über alles wohltuend, im Tiefsten befriedigend muß solche Wahrnehmung sein! Das sind die Herrlichkeiten, welche die Himmel verkünden.

„Keine Rede und keine Worte, doch gehört wird ihre Stimme.“ - Vs. 3

Es gibt „Ohren“ des Geistes, und es gibt „Augen“ des Geistes: was  s i e  hören und sehen, ist unendlich viel mehr, als was fleischliche Ohren und Augen je sehen und hören könnten. So, wie die Röntgenstrahlen durch die Haut und das Fleisch unserer Füße und durch das Leder unserer Schuhe uns das Knochengerüst unserer Füße erblicken lassen, so lassen die Ohren und die Augen des Geistes uns die Musik der Sphären hören und die entferntesten oder verdeckten Dinge erblicken.

„Ein Tag berichtet es dem anderen, und eine Nacht meldet der anderen die Kunde.“ - Vs.2

Das Lob der Herrlichkeit Gottes ertönt ohne Unterbrechung fort von Tag zu Tag, von Nacht zu Nacht. Wer Ohren hat, zu hören, der vernimmt es; wer Augen hat, der erblickt diese Herrlichkeit. Es gibt keine Entschuldigung dafür, daß diese Kunde nicht gehört, diese Herrlichkeit nicht gesehen wird. Beides ist zwar der Fall; aber die Schuld liegt bei dem Nicht-Hörenden und dem Nicht-Sehenden. Zudem ist das Universum nicht tot, nicht unbeweglich, unveränderlich. Jene Welt ist ja in fortgesetzter Bewegung und Veränderung begriffen. Durch diese Veränderungen entsteht die Gliederung der  Z e i t.  Tag wechselt mit Nacht, Sommer wechselt mit Winter, Morgen mit Abend. Jede der zwölf Stunden ist erkennbar an ihrer Lichtstärke oder ihrer Schattenlänge, jede Zeit des Jahres ebenso. Die Gestirne gliedern uns die Zeit - und lassen uns dadurch erst den Begriff „Zeit“ erfassen. Eine weitere Einteilung wird durch das kleine Licht des Mondes bewirkt: Zwölfmal im Jahr wird er „voll“ oder „leer“, und wenigstens viermal in jedem Monat zeigt er sich in anderer Gestalt und teilt den Monat in vier Wochen.

So sind wir Menschen, so ist die Natur ständig von der Gesetzlichkeit Gottes umschlossen und bestimmt. Ja, wir sind genötigt, uns nach ihr zu richten, des Nachts zu schlafen und am Tage uns um unsere Arbeit zu kümmern. Nicht ungestraft brechen wir heraus aus diesen Ordnungen, die uns  W o h l t a t  sind.

Durch alle diese Rhythmen kommt uns zum Bewußtsein, daß unser Leben sich in der Zeit abspielt. Wir reden von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. In allen drei Zeitphasen leben wir. Die Gegenwart ist ein ausdehnungsloser Punkt. Es ist falsch zu sagen, daß wir nur in der Gegenwart leben, und daß Vergangenheit und Zukunft nur Vorstellungen seien. Es gibt keine Gegenwart, die nicht durch die Vergangenheit bestimmt ist - und ihrerseits eine Zukunft verwirklicht. Die Bewegungen der Gestirne sind es, die uns lehren, die Zeit einzuteilen und recht zu gebrauchen. Diese Bewegungen sind zyklisch, kreisend. Alles kommt wieder. Dank dieser Erkenntnis können wir mit Zuversicht über die Zukunft verfügen und kann uns die Vergangenheit zur Lehrerin werden.

Ja, der Schöpfer und die Werke seiner Hände sind unsere Lehrer. Sie reden eine vernehmliche Sprache. „Weil das von Gott Erkennbare unter ihnen (den Menschen) offenbar ist, (denn Gott hat es ihnen geoffenbart), denn das Unsichtbare von ihm, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, die von Erschaffung der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen werden, wird geschaut, damit sie ohne Entschuldigung seien; weil sie, Gott kennend, ihn weder als Gott verherrlichten noch ihm Dank darbrachten.“ - Röm.1:19-21

Der Apostel sagt uns hier, daß Unkenntnis des Allmächtigen und Unglaube so wenig entschuldbar sein können, als etwa die Sünde entschuldbar wäre. Das gilt natürlich nur vom göttlichen Gesichtspunkt aus und mit Bezug auf die Menschheit als Ganzes. Die  M e n s c h e n  urteilen anders: Sie glauben, daß etwas, was alle tun, keinesfalls Sünde sein könne, und daß etwas, was alle - oder sehr viele - glauben, kein Irrtum sein könne. Wer nicht über diesen Standpunkt hinausgekommen ist, hat die unterste Stufe der Erkenntnis noch nicht erreicht.

Unter den Gestirnen des Himmels gibt es eines, das von hervorragender Bedeutung für das Leben auf unserem Planeten und besonders der Menschheit ist: die Sonne - das Licht und die Wärmequelle dieser Erde. So gewaltig ist die Kraft, die von ihr ausströmt, daß die irdischen Geschöpfe, Pflanzen, Tiere und Menschen ihre ununterbrochene Einwirkung nicht aushalten könnten. Ihr Erscheinen ist daher so wohltätig als ihr Verschwinden - zu  S e i n er  Zeit. Von ihr sagt der Seher:

„Er (Gott) hat der Sonne in ihnen (in den Himmeln) ein Zelt gesetzt. Und sie ist wie ein Bräutigam, der hervortritt aus seinem Gemach; sie freut sich wie ein Held, zu durchlaufen ihre Bahn. Vom Ende der Himmel ist ihr Ausgang und ihr Umlauf bis zu ihren Enden; und nichts ist vor ihrer Glut verborgen.“ - Vse. 4b-6.

Die Sonne erscheint hier als wirksames Werkzeug Gottes zur Segnung der Welt, oder auch - man könnte sagen - als leistungsfähiger „Beamter“, der jeden Morgen zur rechten Zeit seinen Ruheort verläßt, um mit Pflichteifer seinen Dienst zu versehen. Zu ihrem Auftrag gehört es, in die verborgendsten Klüfte hinunterzuleuchten mit ihren direkten oder gebrochenen Strahlen, gleich einem „Auge des Gesetzes“, dem nichts verborgen bleiben darf, was auf dieser Erde vor sich geht.

So ist die Sonne nicht nur Segensquelle, sondern auch Wächter, der für einen gesetzlichen Verlauf der menschlichen Dinge Gewähr gibt.

* * *

Von der Betrachtung der göttlichen Gesetzmäs-sigkeiten, wie sie uns in der Natur entgegentreten, wendet sich jetzt der Psalmist der Offenbarung des  l e b e n d i g e n  Gottes im Mosaischen Gesetz zu:

„Das Gesetz Jahwes ist vollkommen, erquickend die Seele; das Zeugnis Jahwes ist zuverlässig, macht weise den Einfältigen.“ - Vs.7

Wenn uns die Betrachtung der Schöpfung zu einer gefühlsmäßigen Bewunderung und Ahnung des allmächtigen Gottes hinreißt, so richtet sich das Wort der Offenbarung nunmehr unmittelbar an den Geist. Durch dieses Wort redet Gott in unserer Sprache zu unserem Erkenntnisvermögen. Der Allmächtige läßt sich herab zu den Menschen, zum Volke Israel, das von ihm auserwählt ist, aber auch zu jedem Einzelnen aus diesem Volk, um ihm Seinen Willen kundzutun. Gott bleibt, der er ist: die Gesetzlichkeit und die Gerechtigkeit. In diesem Sinne soll Israel und jeder Israelit IHN in der Welt darstellen. Was für eine erhebende Aufgabe! Was für eine Auszeichnung! Gewiß macht es Einfältige weise, der Weisheit und Gerechtigkeit Gottes zu gehorchen!

Durch Israel sollte Gott als Gesetzgeber, als Gesetzeswille der Welt dargestellt werden. Das Ergebnis dieses Experimentes wird erst durch Paulus klar herausgefiltert. Er erklärt uns: „Ich habe Wohlgefallen an dem Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen.“ (Röm.7:22) Er ist (wie unser Psalmdichter) entzückt von der Schönheit der Wahrheit und Gerechtigkeit des Gesetzes. „Aber“, fährt er fort, „ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meines Sinnes (meiner Vernunft) widerstrebt und mich in Gefangenschaft bringt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.“ - Vs.23

Konnte demnach das Gesetz Gottes seinen Zweck nicht erfüllen, wenn sogar ein Paulus vor seiner Forderung kapitulieren muß? Doch! Es hat seinen Zweck erfüllt, gerade an Menschen wie Paulus. Das Gesetz sollte sie nicht zu gottähnlichen, gerechten Menschen machen, denn das konnte es garnicht. Es soll dem Menschen nur beweisen (was er im allgemeinen nicht weiß), daß er ein Sünder ist, und sollte damit im Menschen eine Verzweiflung über sich selbst hervorrufen, wie sie Paulus in seinem Aufschrei der Entmutigung zum Ausdruck bringt: „Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?“ - Röm.7:24

Aber gerade diese Ausweglosigkeit mußte dann den Aufrichtigen dem Erlöser Jesus Christus in die Arme treiben, also, daß das Gesetz sich ihm als „Zuchtmeister auf Christum hin“ erwies, was auch dessen eigentliche Bestimmung war. - Gal.3:24

Dieses Ergebnis konnte das Gesetz nur bei aufrichtigen Gesetzesgläubigen haben, die sich mit der Gerechtigkeits-Forderung des Gesetzes in innerer Übereinstimmung fühlten und demgemäß den Widerspruch ihres mehr oder weniger sündigen Lebens mit dem göttlichen Gesetz schmerzlich erlebten. Ihnen bewährte sich das tiefe Verständnis für die Gesetzlichkeit Gottes jedenfalls als Segen.

Dagegen konnte das Gesetz all denen nichts nützen, die diesen Widerspruch  n i c h t  erlebten, weil sie den Gesetzeswillen Gottes nie ernst genug genommen hatten. Zwischen ihnen und den Heiden - erklärt Paulus - besteht kein Unterschied: „Denn so viele ohne Gesetz gesündigt haben, werden ohne Gesetz (für die himmlische Berufung) verlorengehen; und so viele unter Gesetz gesündigt haben, werden durch Gesetz gerichtet werden.“ - Röm.2:12

Andererseits, sagt Paulus, bestand durchaus eine Möglichkeit, daß in einem Heiden so viel Gewissenhaftigkeit und Rechtlichkeits-Sinn vorhanden waren, daß ihm der Widerspruch zwischen seinen reinen Absichten und ihrer vollkommenen Verwirklichung auf die Seele fiel. Darauf beruht es, daß Nichtjuden der Erlösungsbotschaft des Evangeliums ebenso zugänglich waren wie Juden.

Daß sich ein nach Gotteserkenntnis hungernder Geist an der Wahrheit und Richtigkeit des Gesetzes erfreut und erlabt und sich getröstet fühlt durch die Zuverlässigkeit eines solchen geistigen Führers, das sprechen die folgenden Verse aus:

„Die Vorschriften Jahwes sind richtig, erfreuen das Herz; das Gebot Jahwes ist lauter, erleuchtend die Augen. … Auch wird dein Knecht durch sie belehrt; im Beobachten derselben ist großer Lohn.“ - Vse. 8,11

Trotzdem aber ist Verwirrung möglich. Denn das menschliche Herz ist arglistig und oft unerfahren:

„Verirrungen, wer sieht sie ein? Von verborgenen Sünden reinige mich!“ - Vs.12

Gehen uns nicht manchmal Gedanken durch den Kopf, die nur wir und der Herr kennen? Gedanken des Hochmuts, des Neides, des Zweifels und der Kleingläubigkeit? Wenn sie nicht bekämpft werden, wachsen sie sich zu geheimen, verborgenen Fehlern aus. Weil der Seher diese ihm (und uns allen) innewohnende Gefahr erkennt, bittet er: „Von verborgenen Sünden reinige mich!“ Das bedeutet: Öffne mir die Augen zur Selbsterkenntnis, bewahre mich vor Selbstbetrug! Denn blieben wir ohne Aufklärung darüber, was Gott an uns mißfallen muß - was gäbe es dann für eine Gewähr, daß sich diese unfreiwilligen Sünden nicht noch mehrmals wiederholten und sich mit der Zeit als Bestandteile unserer Gesinnung einnisten würden?

Aber die „verborgenen Sünden“ sind nicht die einzige Gefahr. Nein, auch bei vollem Bewußtsein der Fragwürdigkeit einer Handlung oder ihrer Unstatthaftigkeit kann der gefallene Mensch dem ungestümen Drängen der bösen Lust und des Eigenwillens unterliegen. Daher das Gebet:

„Auch von übermütigen Sünden halte deinen Knecht zurück; laß sie mich nicht beherrschen!“ - Vs.13a

Wird Gott ein solches Gebet erhören? Ganz gewiß wird er es erhören! Er wartet mit Sehnsucht darauf, daß wir diese Bitte tun, damit er uns vor uns selbst beschützen kann. Zwei Dinge sind nötig: daß wir unsere Anfälligkeit für Sünde erkennen, daß wir sie keineswegs unterschätzen, uns nicht in falscher Sicherheit wiegen; u n d - daß wir bei Ihm Schutz gegen die Gefahr suchen. Wir möchten sagen: dann wird uns nichts passieren. So sagt es auch der Psalmist in Vs.13b:

„Dann bin ich tadellos und bin rein von großer Übertretung.“

Unser Psalm begann mit dem Staunen vor großer Gesetzmäßigkeit in der Schöpfung. In dieser nie versagenden Ordnung der Natur darf der Glaubende (trotz des Dazwischentretens der Sünde) sich wunderbar beruhigt und aufgehoben fühlen. Auch, wenn noch der Fluch der Sünde auf der gesamten irdischen Schöpfung lastet, so kann doch selbst in dieser gegenwärtigen Lage die wunderbare Gesetzmäßigkeit des Geschaffenen  d e n  Frieden und  d i e  Harmonie erspüren lassen, die einmal die vom Unheil wiederhergestellte Erde erfüllen und überwalten wird.

In der großen Schönheit der Natur darf der Gott-Zugewandte aber auch die göttliche Liebe erkennen, die sich in ihr offenbart.  D i e  Liebe, die den eigenen Sohn gab, damit die vom Bösen verdorbene Schöpfung freigemacht werde zu der verlorengegangenen „Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes.“ s. Röm. 8:21b

Der Seher wünscht nichts anderes, als sich in die große Ordnung und Harmonie aufgenommen zu wissen - und verschont zu bleiben von solchen Gefahren, die den Menschen aus dem Reiche Gottes auszuschließen vermochten. Gehört er da hinein? Wird der Allmächtige und Erhabene seinen Hoffnungen geneigt sein? Wird er sie geziemend finden?

Daher zum Schluß die demütige Bitte:

„Laß die Reden meines Mundes und das Sinnen meines Herzens wohlgefällig vor dir sein, Jahwe, mein Fels und mein Erlöser.“ - Vs.14



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung