Evangelium und Weltgeschichte

Die Botschaft an Laodicäa, 2. Teil

Wir haben gesagt, daß wir in der Laodicäa-Periode leben. Betrachten wir noch einmal sehr genau den krassen Unterschied zwischen der Botschaft an Philadelphia und der an Laodicäa. Erstere erhält das göttliche Lob für Treue und Ausharren im Glauben, die andere das „Ausspeien“ aus göttlichem Munde für Lauheit, geistige Blindheit und Hochmut. In welcher Umgebung leben wir heute?

Diese Frage dürfte für keinen Zeitgenossen, dessen Gewissen noch einigermaßen in Ordnung ist, schwer zu beantworten sein. Jeder empfindet doch den Niedergang unserer Gesellschaft, deren Moral einen Tiefstand erreicht hat, der wie man meint - nicht mehr tiefer sinken könne.

In dieser Umwelt von Demoralisierung, Korruption und Brutalität -  w o  ist die „gute Botschaft“ vom Königreich Gottes geblieben? Vom Lösegeld Jesu Christi? Von der Auferstehung  a l l e r  Menschen zu einer Gelegenheit ewigen, vollkommenem Lebens? Geh’ hinaus und sprich mit den Geschäftigen über diese Dinge; sie spotten und gehen schnell ihrer Wege. Dennoch nennen sie sich „Christen.“

„Ach, daß du kalt oder heiß wärest!“ Es wäre weit besser, offen zu bekennen, daß man nicht glauben könne, anstatt sonntags zur Kirche zu gehen - und doch nicht zu glauben. Aber wo ist denn das wahre Evangelium noch zu finden? Legen die großen kirchlichen Richtungen ihren Hörern das Wort Gottes so eindringlich ans Herz, daß Ihr Verlangen nach Gott und sein Handeln mit uns Menschen geweckt wird und zum Forschen anregt? „Ach, daß du kalt oder heiß wärest!“ Wir hören, daß  L a u h e i t  unserem großen Gott und Schöpfer unerträglich ist.

Doch enthält die Botschaft an Laodicäa nicht nur göttliche Abwehr gegen die wirkungslose Verkündigung eines lauen und verpfuschten Evangeliums. Der Herr selbst „steht an der Tür“ (wie schon gesagt), und klopft an. Es sind nicht allein die Herzenstüren derer, die sich noch einen „kindlichen“ Glauben bewahrt haben, an denen der Herr sich durch seine Gegenwart bemerkbar macht; es ist auch die „Tür“ eines neuen, eines alles umwälzenden Zeitalters, die der Herr durch Seine Gegenwart geöffnet hat - wie ein „Dieb in der Nacht.“ Und da strahlt nun wieder das reine Evangelium hervor, dem man durch die zwei vergangenen Jahrtausende so vieles „hinzugefügt“ und „weggenommen“ hat! (s. 1.Kor.4.6; Spr.30:5,6; Pred. 3:14; 5.Mos.4:2; 12:32, Off,22:18,19) So, wie es die Apostel gehört und erlebt haben, so dürfen auch wir heute empfangen, was der Herr allen, die ihn lieben, hinterlassen hat.

„Und dem Engel der Versammlung in Laodicäa schreibe: Dieses sagt der Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge,  d e r  A n f a n g  d e r  S c h ö p f u n g  G o t t e s.“ Ungefähr 17 Jahrhunderte lang wurde die Christenheit gelehrt, daß Jesus Teil einer dreieinigen Gottheit sei. Nun, in der letzten Epoche dieses Zeitalters, wird seine wahre Herkunft wieder weltweit verkündet und das Zeugnis des Wahrhaftigen beachtet „(Ich bin) der Anfang (nicht der Anfänger!) der Schöpfung Gottes.“

Wer ist nun der treue und kluge Knecht?

Wir können uns umschauen, so viel wir wollen: Wir werden keinen anderen finden als Charles T. Russell, dem der Herr so umfassend das Verständnis geöffnet hat für den „ganzen Ratschluß Gottes“ , wie ihn einst der Apostel Paulus verkündigte, wie ihn alle Apostel kannten, weil der Herr selbst sie so gelehrt hat. Brd. Russell hat nicht Neues gebracht, aber Altes, Grundlegendes, von jahrtausendalten Irrtümern überlagertes Evangeliumsgut „vom Staub“ befreit. Und weil die Christenheit an diesem „Staub“ hängt, wurde (und wird) er noch heute heftig angegriffen und verleumdet. Lassen wir ihn selber sprechen! Wir bringen hier  A u s z ü g e  aus seiner eigenen Lebensbeschreibung.

Zuvor ein paar Daten und Notizen zu seinem Leben. Geboren am 16.2.1852, gestorben am 31.10.1916. Von christlichen Eltern erzogen, interessierte er sich schon in früher Jugend für das Wort Gottes. Er schloß sich der Gemeinschaftskirche an und betätigte sich in den Werken der inneren Mission. Doch - daß die Lehre von der ewigen Qual für alle Ungläubigen (mit Ausnahme der wenigen Auserwählten) von Gott verordnet sein sollte, erfüllte sein Herz mit einer solchen Abscheu, daß er als Siebzehnjähriger in Zweifel fiel. Er wandte sich der Erforschung heidnischer Religionen zu, um sie letzten Endes alle unbefriedigend zu finden.

Doch da er von Natur aus ein ehrfürchtiges Gemüt hatte und wünschte, den wahren Gott zu verehren und ihm zu dienen, folgerte er: „Alle Glaubensbekenntnisse der Christenheit beanspruchen, auf die Bibel gegründet zu sein - und widersprechen doch einander so sehr! Ist es möglich, daß die gute Botschaft falsch verstanden wird? Vielleicht lehrt sie garnicht die schreckliche Lehre von der ewigen Qual?“

Er wandte sich der Bibel zu und nahm sich vor, sie sorgfältig und systematisch zu studieren - ohne Rücksicht auf die vielerlei Glaubenskenntnisse. Das Ergebnis war, daß von da an die Liebe zum -Herrn und zu seinem Wort sein ganzer Lebensinhalt wurde.

Charles Taze Russell erzählt

„Der Anfang meiner Erzählung fällt in das Jahr 1868. Zu dieser Zeit war der Schreiber schon seit einigen Jahren ein geweihtes Kind Gottes. Aber ich fing an, hinsichtlich des Glaubens in mancherlei Lehren erschüttert zu werden, die ich während langer Zeit für wahr gehalten hatte.

Als Presbyteriander (also reformiert) erzogen, war ich im Kathechismus gut unterrichtet. Von Natur aus zum Nachforschen veranlagt, wurde ich, sobald ich anfing selbst zu denken, eine Beute der Vernunft und des Unglaubens. Doch das, was zuerst ein völliger Schiffbruch des Glaubens an Gott und die Bibel zu werden drohte, wurde durch Gottes Vorsehung zum Guten gewendet. Und so wurde nur mein Vertrauen in  m e n s c h l i c h e  Überlieferungen, Glaubensbekenntnisse und Systeme der falschen Bibelauslegung wankend.

Schritt für Schritt begann ich zu erkennen, daß jedes der Glaubensbekenntnisse gewisse Bestandteile der biblischen Wahrheit enthielt, jedoch als Ganzes irreführend und mit Gottes Wort im Widerspruch stand. Durch den Adventismus erhielt ich einen neuen Ansporn.

Anscheinend durch Zufall geriet ich eines Abends in ein staubiges, schmutziges Versammlungslokal, wo - wie ich gehört hatte - religiöse Zusammenkünfte abgehalten wurden. Ich wollte sehen, ob die paar Leute, die sich dort versammelten, etwas Vernünftigeres zu bieten hätten als die großen Kirchengemeinschaften. Dort hörte ich zum ersten Mal etwas über die Ansicht der Adventisten, und zwar von dem längst verstorbenen Prediger John Wendell. Wiewohl dessen Auslegungen der heiligen Schrift nicht ganz klar - und weit entfernt von dem waren, was wir heute erkennen dürfen, genügten sie zu jener Zeit doch , meinen erschütterten Glauben in die Inspiration der Bibel wieder zu befestigen. Ich erkannte auch, daß die Aussagen der Apostel und Propheten unzertrennlich miteinander verbunden sind.

Als ich im Jahre 1872 dazu kam, die „Wiederherstellung“ vom Standpunkt des Loskaufpreises zu prüfen, den unser Herr Jesus für Adam dargebracht hatte, erhielt ich die völlige Gewißheit, daß  a l l e  Verstorbenen aus ihren Gräbern hervorkommen, um zu einer klaren Erkenntnis des göttlichen Wesens und Willens gebracht zu werden. Also von Gott gelehrt (Joh.6:45), wird jeder Mensch die volle Gelegenheit bekommen, in Christo ewiges Leben zu erlangen.

Die folgenden Jahre bis 1876 waren ein beständiges Wachstum in der Gnade und Erkenntnis bei dem kleinen Kreis von Bibelforschern, mit denen ich mich in Allegheny versammelte. Wir kamen zu einem immer klareren Verständnis der „Wiederherstellung aller Dinge.“ (Apg.3:21) Auch lernten wir während dieser Zeit den Unterschied zu erkennen zwischen dem Menschen Jesus Christus, „der sich selbst gab zum Lösegeld für alle“, und dem Herrn, der wiederkommen würde als ein  G e i s t w e s e n.  Wir erkannten, daß Geistwesen gegenwärtig sein können, wiewohl sie für uns Menschen unsichtbar sind.

Wir fühlten eine große Betrübnis über den Irrtum der Adventisten, die Christum im Fleische erwarteten, und lehrten, daß die Welt und alles, was in ihr ist (die Adventisten ausgenommen), um das Jahr 1873 oder 1874 verbrannt würde. Ihre Zeitrechnungen und unreifen Gedanken hinsichtlich des Zwecks und der Art und Weise des Kommens des Herrn brachten mehr oder weniger Schmach auf uns und auf alle, die sich nach seinem Reiche sehnten und es verkündigten.

Diese so allgemein angenommenen falschen Ansichten veranlaßten mich, eine Flugschrift zu verfassen mit dem Titel: „Der Zweck und die Art und Weise der Wiederkunft des Herrn“, von der etwa 50.000 Exemplare verbreitet wurden. Im Januar 1876 erhielt ich ein Blatt zugesandt, betitelt: „Der Herold des Morgens.“ Am Titelbild sah ich sofort, daß es von adventistischer Seite kam. Mit etwas Neugierde prüfte ich den Inhalt, um zu sehen, wann nun die von ihnen bestimmte Zeit für das Verbrennen der Erde sein würde.

Aber welch eine Überraschung und Befriedigung für mich, aus dem Inhalt zu sehen, daß der Zweck der Wiederkunft des Herrn nicht Zerstörung sei, sondern die Segnung aller Geschlechter der Erde. Ja, daß sein Kommen gleich dem „Dieb in der Nacht“ sein würde - nicht im Fleisch, sondern als ein den Menschen unsichtbares Geistwesen. Ich war erfreut zu sehen, daß andere - gleich uns - Fortschritte in der Erkenntnis der Wahrheit gemacht hatten. Was mich allerdings in Erstaunen setzte, war die sehr vorsichtig formulierte Behauptung, daß der Verfasser annahm, der Herr sei den Prophezeiungen nach schon gegenwärtig, (ungesehen und unbemerkt), und daß das Erntewerk des Einsammeln des Weizens schon an der Zeit sei.

Hier war ein neuer Gedanke. Konnte es sein, daß die Zeitprophezeiung, die ich wegen ihres Mißbrauchs durch die Adventisten so lange verachtet hatte, wirklich gegeben war, um den Wachen, den Forschenden die unsichtbare Gegenwart des Herrn zu erkennen zu geben? War es nicht vernünftig zu erwarten, daß der Herr die Seinigen nicht in Unkenntnis über dieses so lang ersehnte Ereignis lassen würde, wie durch den Apostel Paulus in 1. Thessalonicher Kap. 4 und 5 verheilen war?“

Brd. Russell traf sich daraufhin mit dem Verfasser jenes Schreibens, um noch einmal eindringlich mit ihm die Schriftbeweise zu prüfen, ob die Weissagungen, die auf das Jahr 1874 hindeuteten, auch wirklich mit der zweiten Gegenwart des Herrn und der „Ernte“ dieses Zeitalters zusammenhingen. Die Beweise waren durchaus befriedigend.

„Ein Leser der Adventisten-Zeitschrift „Herold des Morgens“ hatte zu jener Zeit die unterschiedliche Übersetzung des griechischen Wortes „parousia“ entdeckt. Während es in fast allen Übersetzungen mit „Kommen“, „Ankunft“ oder „Wiederkunft“ wiedergegeben ist, sah er in der „Diaglott“, dem griechischen Text mit englischer Unterzeilung, dasselbe Wort mit „Gegenwart“ übersetzt. Daß dies die  r e c h t e  Bedeutung des Wortes „parousia“ war, trug viel zu der Erkenntnis über Zweck, Art und Weise der „Wiederkunft“ - oder eben richtiger: der  G e g e n w a r t,  der  A n w e s e n h e i t  des Herrn bei.“ - Zitat - Ende.

Wir könnten über die Fülle der Erkenntnisse und des Wirkens von Charles Taze Russell noch sehr viel berichten.  W i e  viel er zur Verbreitung des Evangeliums Jesu Christi geleistet hat, ist kaum zu fassen. Der Herr hat das „Abendbrot“ mit ihm gegessen und hat ihn „über Seine ganze Habe“ gesetzt (Lk.12:44), und durch ihn alle, die durch ernstlich prüfendes Studium der heiligen Schriften zu der Erkenntnis des „ganzen Ratschlusses Gottes“ gelangt sind. - s.Apg.20:27

16 Millionen Schriften in 35 Sprachen sind zu seiner Zeit über die zweite Gegenwart Christi und Sein kommendes Königreich verbreitet worden. Viele haben die gute Botschaft  v e r  nommen und  a n g e  nommen; aber noch viel mehr haben sich gegen sie gestellt, oder waren (und sind) uninteressiert. Auch dieses Verhalten der „Christenheit“ war dem Herrn längst bekannt. Sonst hätte er bei seiner ersten Gegenwart nicht gesagt: „Doch wird wohl der Sohn des Menschen, wenn er kommt,  d e n  Glauben finden auf der Erde?“ - Lk.18:8b.

Fortsetzung in der nächsten Ausgabe.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung