Evangelium und Weltgeschichte

Die Botschaft an Philadelphia (Schluß)

„Siehe, ich werde machen, daß sie kommen und huldigen vor deinen Füßen, und erkennen, daß ich dich geliebt habe.“ - Off. 3:9b

Diese Worte tragen uns von der damaligen Zeit aus weit in die Zukunft. Wir blicken hinein in die zukünftige Zeit, da die „Philadelphier“, die in Wahrheit  d i e  Ü b e r w i n d e r  aller Epochen der Kirchengeschichte sind, in ihre Mit-Teilhaberschaft mit dem HERRN in seinem himmlischen Königreich eintreten. Alle, die in den Jahrhunderten seit Pfingsten die wahren Nachfolger Christi geschmäht, verachtet, verfolgt und getötet haben, werden sich mit der für sie bitteren Erkenntnis abfinden müssen, daß gerade diese Verachteten die Geliebten Gottes sind.

„Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, werde auch  i c h  dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird.“ - Vs.10

Die „Stunde der Versuchung“, die in diesem Text so stark hervorgehoben wird, scheint dieselbe zu sein, von der die heiligen Apostel und Propheten und selbst der Herr warnend gesprochen haben: die Zeit der Ernte, die Zeit der großen Drangsal. Daß diese Botschaft schon in der Philadelphia-Periode erscheint, mag uns wiederum an ein wichtiges Verständnis der Kundgebungen der „Offenbarung“ erinnern. Wir dürfen nicht annehmen, daß die verschiedenen Botschaften an die Versammlungen begrenzte Zeitabschnitte repräsentieren, die durch einen besonderen Anfangs- und Schlußpunkt markiert sind. Wir sollten die Zusammenhänge so sehen, daß jede dieser Kennzeichnungen eine allgemeine Epoche versinn bildet, die auch auf die nächstfolgende übergreift. So scheint die Periode der Treue zum Wort des Herrn, von der unser Text handelt, eine gewisse Zeitdauer in Anspruch genommen zu haben, gerade wie auch die Laodicäa-Periode (in der wir heute leben) einen beträchtlichen Zeitraum umspannt.

Während langer Zeit wurde das Wort Gottes nicht sehr hochgeschätzt. Der Übergang von einem schwachen Verständnis seiner allumfassenden Bedeutung für das ganze Menschengeschlecht bis zu einer tieferen Erkenntnis des göttlichen Ratschlusses ging allmählich - Schritt für Schritt. Dann geschah die allgemein Ankündigung, daß die Zeit des zweiten Advents unseres Herrn herangerückt sei. (Etwa um 1830)

Diese Proklamation des kommenden Königreiches Christi war eine sehr bemerkenswerte Bewegung. Möglicherweise nahm unser Herr mit dem Gleichnis von den zehn Jungfrauen gerade hierauf Bezug. Aber - es war ein falscher Alarm. Der Bräutigang kam (noch) nicht.

Diese bittere Enttäuschung bewirkte eine Sichtung unter dem bekennenden Volk Gottes. Viele brachten von da an dem Worte Gottes ein noch brennenderes Interesse entgegen, andere dagegen zweifelten. Die Letzteren gaben den Glauben an die göttlichen Verheißungen auf. Die Aussagen der Hl. Schrift über unseres Meisters zweiten Advent - obschon sie so bestimmt und zahlreich sind - wurden von den meisten bekannten Lehrern der Theologie vergessen.

Während jener Periode (von etwas mehr als 40 Jahren) hatte der Herr noch andere glaubenstreue Diener, die abseits der sogenannten Millerbewegung (Adventisten) eifrig die Bibel erforschten. Obwohl diese viel klarere Einsichten über die Absichten Gottes hatten, war trotzdem ihre Erkenntnis noch mangelhaft, verglichen mit dem weit helleren Licht, dessen sich die treuen „Wächter“ der gegenwärtigen Laodicäa-Periode erfreuen.

Aus diesem Rückblick sieht man, wie das Licht der Erkenntnis allmählich zunahm. Jede Generation wahrhafter Bibelforscher hat ihren Anteil an dem aufsteigenden Licht - und kann nicht nur aus der bereits errungenen Erkenntnis ihrer Vorläufer Nutzen ziehen, sondern auch aus ihren Fehlern.

Inmitten der „Stunde der Versuchung“

C.T. Russell beschrieb die verhängnisvollen Wirkungen der Miller-Bewegung (Adventisten), die in den Schlußjahren der Philadelphia - Epoche stattfanden. Als Folge-Erscheinungen der Mißachtung der Bibel, ganz besonders ihrer Zeitprophezeiungen durch die Leiter der großen nominellen Kirchen, wußte das Volk wenig über deren Inhalt. Darum konnte der (allgemeine) Glaube nicht größer sein als die Erkenntnis.

Die Miller-Bewegung brachte eine Trennung hervor zwischen denen, die mit Ausharren an dem Wort Gottes festhielten - und jenen, die den Glauben daran (besonders an den Zeitprophezeiungen) verloren. Dieser ausdauernde, geduldige Glaube der wahren Heiligen des Allerhöchsten ist es, worauf nach unserem Verständnis in dem Text: „Du hast das Wort meines Ausharrens bewahrt“, Bezug genommen wird. Die allgemeine „Stunde der Versuchung“ würde deshalb nicht über diese kommen, die mit Geduld eine so große Glaubensprüfung bestanden hatten, sondern über die, die nach ihnen kamen: die Laodicäa-Versammlung, von der in der nächsten Ausgabe berichtet wird.

C.T. Russell schreibt: „Diese ’Stunde der Versuchung’ ist jetzt über uns gekommen; sie ist auch die Zeit der Ernte. In mancher Hinsicht hat sie das Volk Gottes geprüft, und sie hat offenbar gemacht, wer dem Worte Gottes treu - und wer ihm nicht treu geblieben ist. Die große Mehrheit der Namenchristen hat allen Glauben an die Bibel verloren. Sie ist den verschiedenen falschen und betrügerischen Lehren unserer Zeit zum Opfer gefallen.“ - Zitat-Ende.

Seit lese Worte im Jahre 1915 geschrieben wurden, sind noch weitere Prüfungen über das Volk Gottes gekommen. Die Schlußprüfung aber kann nicht allein in de Bruderliebe liegen - nicht nur im standhaften Festhalten an der Wahrheit, vor allem aber an dem Festhalten unseres „Hauptes“ Jesus Christus. Keinem mensch Lehrer, keinem irdischen System soll es gestattet sein, den vornehmsten Platz in unserem Herzen einzunehmen, der allein dem großen Lehrer der Herauswahl Gottes zukommt. Treue gegenüber Christus und seiner Botschaft ist tatsächlich  d i e s e  Prüfung.

„Philadelphia“ (zu deutsch: „Bruderliebe), das in der Aufeinanderfolge der sieben Episteln sich zwischen „Sardes“ und „Laodicäa“ befindet, die beide die Zustände in den verworfenen Kirchensystemen versinnbildlichen, steht mit seiner gesegneten Bruderliebe im Gegensatz zu den beiden anderen Versammlungen Es stellt jene geistige Bewegung dar, in der die ungeheuchelte Bruderliebe unter dem Heiligen Geist aufs Klarste zum Ausdruck kommt.

„Philadelphia“ ist nicht irgendein System oder eine Organisation, sondern viel eher eine Glaubenshaltung, die dem einzigen Zweck dient, die  E i n h e i t  alle treuen Gläubigen als Kinder  e i n e s  Vaters offenbar zu machen: Glieder eines unteilbaren Leibes, die nur ein Haupt über sich haben,  e i n e n  Meister; die nur eine Taufe anerkennen, untereinander verbunden durch den  e i n e n  Geist in den Banden des Friedens.

Was wir in der Botschaft an Philadelphia finden, ist der besondere Nachdruck, der auf die Notwendigkeit der  Ü b e r w i n d u n g  in einer ganz bestimmten Richtung hinweist. Es handelt sich um die Warnung des Erlösers: „Halte fest, was du hast, auf daß niemand deine Krone nehme.“ - Off. 3:11

Was  h a t  also demnach die Versammlung, die so garkeine Rüge vom Herrn empfangen hat? Sie  h a t  - wie ihr Name besagt - Liebe, bruderliebe untereinande Das ist  i h r e  Gabe des Geistes, und die sollen sie festhalten. Aber nicht nur sie, sondern jeder einzelne Gläubige, der diese Liebe in sich spürt - bis zum Ende.

Die „Wahrheit“ in vollem Sinne des Wortes ist nicht  d i e  Wahrheit, bevor wir sie nicht zu den Füßen des und in Gemeinschaft mit Ihm empfangen haben; bevor wir sie nicht nur mit geschlossenen, sondern auch mit offenen Augen bei vollem Tageslicht festhalten können - gegen jeden feindlichen Ansturm den der Himmlische Vater für uns als notwendige Bewährung zulassen könnte. Darum: „Halte fest!“

In Vs. 12a des 3. Kapitels der Offenbarung kommt nun die herrliche Verheißung für den Überwinder. „Wer überwindet, den werde ich zu einer  S ä u l e  machen in dem Tempel meines Gottes, und er wird nie mehr hinausgehen.“ Der „Tempel Gottes“ - wir wissen, daß dies ein Bild der vollendeten und verherrlichten wahren Kirche Christi ist.

In 1. Kön.3:21 und 2. Chron.3:17 begegnen uns zwei „Säulen“, Säulen aus Erz (Kupfer), gearbeitet und aufgerichtet „für die Halle des Tempels.“ „Und er stellte die rechte Säule auf und nannte sie „Jachin“, und stellte die linke auf und nannte sie „Boas.“ (Jüdische Übers.)

Schlagen wir nach, was die Bedeutung dieser Namen sein könnte, so finde wir bei „Jachin“ die Erklärung: „Er, Gott, gründet, läßt feststellen.Und bei „Boas“: „der  S t ä r k e  hat“, oder: „in IHM ist  S t ä r k e.“ Ein Sprung in das Neue Testament zu 1. Tim.3:15 läßt uns erkennen, was der Himmlische Vater uns mit all diesen Darstellungen offenbaren will. Paulus schreibt dort: „Auf daß du wissest, wie man sich verhalten soll im  H a u s e  G o t t e s , welches die Versammlung des lebendigen Gottes ist, „der  P f e i l e r  (die Säule) und die  G r u n d f e s t e  (oder Stütze)  d e r  W a h r h e i t.“

„Halte fest, was du hast!“ Noch ist da nur eine „kleine Kraft“, aber der Philadelphia-Geist zeichnet und leitet den endlichen Überwinder; Gott wird ihn zu einer Säule (Sinnbild der Stärke und Kraft) in Seinem Hause machen. „U n d  e r  w i r d  n i e  m e h r  h i n a u s g e h e n.“ Diese überirdische Verheißung soll versichern, daß der, welcher diese Welt überwindet und würdig erachtet wird, „Miterbe Christi“ zu werden, in alle Ewigkeit ein Teil des herrlichen Tempels Gottes bleiben wird: Eine Glückseligkeit, deren universale Fülle für einen unvollkommnen Menschen ganz einfach unvorstellbar ist!

„Und ich werde auf ihn schreiben den Namen meines Gottes, des neuen Jerusalem, das aus dem Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen neuen Namen.“

Hier wird zweifellos ein schon seit Jahrhunderten v. Chr. herrschender Brauch als Darstellung benutzt. Auf Säulen und Obelisken ließen Herrscher und Eroberer ihre ruhmvollen Taten eingraben, um sie der Nachwelt zu überliefern und der Vergangenheit zu entreißen. In der Vollendung der Kirche Christi aber werden alle Überwinder dieses Evangeliums-Zeitalters bekannt werden, und der erstaunten Welt wird kundgetan, daß auf diesen „Säulen“ der wunderbare Charakter unseres ewigen Gottes eingegraben ist zu einem Gedächtnis für alle Zeitalter der Zeitalter. „Und von Zion wird gesagt werden: Der und der ist darin geboren und der Höchste, er wird es befestigen. Seine Gründung ist auf den Bergen der Heiligkeit; Jahwe liebt die Tore Zions mehr als alle Wohnungen Jakobs. Herrliches ist von dir geredet, du Stadt Gottes.“ - Ps. 87:5; 1-3

„Und ich werde auf ihn schreiben den Namen meines Gottes.“ Die Ehre, die auf diese Weise dem Überwinder zuteil wird, wird so groß sein, als ob der Name Gottes, dem er diente und dessen Gnade er sogar als Sünder schon genoß, ihn für alle Zeiten kenntlich machen sollte, „und den Namen der Stadt meines Gottes, des  n e u e n  Jerusalem, … und meinen neuen Namen.

Das  i r d i s c h e  Jerusalem ist kaum jemals eine „Stadt des Friedens“ gewesen; 17 Mal zerstört und  h e u t e  ein „Laststein für alle Nationen.“ Und doch ist sie durch den Tempel, in dem die Anbetung des Ewigen stattfand, zum Vorbild für die segenbringende himmlische Wohnung des Allerhöchsten geworden.

Das  n e u e  Jerusalem aber wird der himmlische Regierungssitz des endlichen und ewigen Friedens sein, das - bildlich gesehen - aus dem Himmel herniederkommt auf die Erde: der Segen der vollendeten und verherrlichten Kirche Christi für alle Menschen, die ihn mit Freuden aufnehmen wollen.

„Und meinen neuen Namen.“ Wir wissen, daß Namen in der hebräischen Sprache Wesen - und auch Stellung der Betreffenden bezeichneten. Der neue Name Jesu Christi bezieht sich auf die hoch erhöhte Stellung, die er seit seiner Auferstehung bei seinem Vater hat. (s.Phil.2:9) Wie die Braut bei der Vermählung den Namen des Bräutigams erhält, wird die „Braut Christi“ als „Weib des Lammes“ (Off. 21:9) dieselbe hohe Stellung erhalten, wir ihr Haupt und Herr.

Und nun noch ein lang, langersehntes Wort des Herrn: „Ich komme bald“! (Konkord. Übers.: „Ich komme schnell.“). „Halte fest, was du hast, auf daß niemand deine Krone nehme“! - Off. 3:11

„Wer ein Ohr hat, höre,
was der Geist den Versammlungen sagt“! - Vs.13

Forts. in der nächsten Ausgabe



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung