Lichtstrahlen |
Evangelium und Weltgeschichte
Die Botschaft an Philadelphia, Off. 3:7-13
Teil II
Diese neue Aera begann mit der Wiederentdeckung der Bibel und ihrem fleißigen und unabhängigen Studium durch die Reformatoren Luther und seiner Mitstreiter.
„Und dem Engel (Boten) der Versammlung in Philadelphia schreibe: Dieses sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der den Schlüssel des David hat, der da öffnet, und niemand wird schließen, und schließt, und niemand wird öffnen.“
Wenn wir daran denken, daß Christus (außer dem Himmlischen Vater) der einzige ist, der auf den Titel „Der Wahrhaftige, der Heilige“ Anspruch hat, dann ist es nicht zu begreifen, wie ein sterblicher Mensch sich allen Ernstes den Titel „Seine Heiligkeit“ zulegen kann. Geschichtsforscher sind allgemein darüber unterrichtet, daß eine der vornehmsten Aufgaben des Reformationswerkes die Aufdeckung der vielerlei An-maßungen des päpstlichen Rom war.
Die Worte: „Der den Schlüssel des David hat, der da öffnet, und niemand wird schließen, und schließt, und niemand wird öffnen“, sind unter den Erforschern der Schrift wohlbekannt als ein Vorbild von dem Throne Jesu Christi. Christus wurde geboren als Erbe dieses Thrones. Er besitzt den Schlüssel, der die Prophetie zur rechten Zeit öffnet, und Er ist es, der den Schlüssel des Todes und des Hades hat (Off. 1:18), um die Gefangenen (des Todes) aus ihrem Kerker zu entlassen. Und Er wird die Tür zum „Brautgemach“ schließen, wenn das letzte Glied der „kleinen Herde“ seinen Erdenlauf beendet hat.
Die Verteidiger des Papsttums hingegen wendeten diese Prophezeiungen, die von der Herrschaft Christi handeln, auf die Päpste und ihre Gewaltherrschaft an, die sie in den dunklen Zeiten des Mittelalters ausübten. Es ist eine Tatsache, daß das Papsttum die Behauptung aufgestellt hat, die Macht zu besitzen, einen Menschen (den irrtümlich sogenannten Qualen) der Hölle zu übergeben - wie auch die Tore des Himmels öffnen zu können; mit anderen Worten: daß die Erlösung und Verdammnis des menschlichen Geschlechts in den Händen des Papstes liege.
Ein bekannter Historiker des vorvorigen Jahrhunderts schreibt: „In diesem 19. Jahrh. fällt es schwer, an die Berichte zu glauben, die die schrankenlose Macht des Papsttums in dem dunklen Zeitalter offenbaren. Man kann kaum mehr verstehen, wie der Papst mit solchen Ansprüchen auf göttliche Verehrung und Unterwerfung von seiten der Menschheit auftreten konnte.“ Während Kaiser und Könige ihm höchste Ehrerbietung erwiesen, wurde er von dem gewöhnlichen Volk als Gott angebetet. Seine Dogmen wurden als Aussprüche Gottes anerkannt, seine Bullen und gefällten Urteile nahm das Volk als die Stimme Gottes vom Himmel her an.
Kurz vor der Reformation unterschrieb das fünfte Lateranische Konzil ein Dekret, das die Erklärung enthielt, „daß, wie es nur einen Leib der Kirche gebe, so auch nur ein Haupt, nämlich den Stellvertreter Christi; und daß es notwendig sei für die Erlösung jeder menschlichen Seele, dem römischen Papst untertan zu sein.“
„Die Seelen im Fegefeuer und die Engel des Himmels waren ihm untertan, und es war ausschließlich sein Vorrecht, den himmlischen Chor zu vermehren. Mit seinen Kanonischen Edikten sprach er diejenigen Toten heilig, an denen er Wohlgefallen fand, und ließ sie Anteil nehmen an der himmlischen Hierarchie, so daß sie zum Gegenstand der Anbetung wurden.“
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„Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe eine geöffnete Tür vor dir gegeben, die niemand zu schließen vermag; denn du hast eine kleine Kraft, und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.“ - Off. 3:8
Diese Worte waren ursprünglich sowohl an den treuen Diener (= Engel oder Boten) als auch an die Versammlung von Philadelphia gerichtet. Wenden wir alsdann diese Worte auf die Periode der großen Reformation und die nachfolgenden Zeiten an, dann verstehen wir, daß die Reformatoren jener aufsehenerregenden Zeitspanne diejenigen sind, die hier angeredet und in der Versammlung von Philadelphia und ihrem „Engel“ dargestellt sind. Bis zu einem gewissen Grade aber beziehen sie sich auch auf alle, die seit jenen denkwürdigen Tagen den Philadelphia-Geist bewahrten und einen Anteil an dem vorhergesagten Werk der Reinigung des gegenbildlichem Tempels, der Herauswahl Gottes, hatten.
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Die geöffnete Tür
Die Reformation war tatsächlich der Beginn einer neuen Aera. Es war die Zeit in Gottes Vorsatz gekommen, da die Wahrheit, die s c h e i n b a r besiegt am Boden lag, mit Macht verkündigt werden sollte. Das Zeugnis sollte nicht nur dem Volk Gottes, sondern auch den herrschenden Mächten der Welt gegenüber abgelegt werden; es sollte die ganze Welt erreichen.
Schon ungefähr zweihundert Jahre früher hatte in England ein Oxforder Professor, John Wiclif, die Reform der englischen Kirche versucht. Er bekämpfte die weltliche Herrschaft der Kirche und forderte die Einziehung des Kirchengutes zugunsten armer Adeliger. Er bestritt den Heils-Charakter der nominellen Kirche und die Transsubstantiation im „Abendmahl“, forderte die Abschaffung des Papsttums und der Klöster, und erklärte die Priesterbeichte und die Heiligenverehrung für unwirksam. Und - er übersetzte zum ersten Mal die ganze Bibel ins Englische. Die Anhänger seiner Lehre, die sogenannten „Lolarden“, wurden nach seinem Tode grausam verfolgt.
Einen weiteren Versuch der Kirchenreform machte Jan Hus (um 1350-1415), ebenfalls ein Universitätsprofessor, und zwar in Prag. Er folgte den Lehren Wiclifs; aber auch seinem Wirken war kein Erfolg beschieden. Er wurde 1415 nach seiner Verurteilung durch das Konstanzer Konzil auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Es ist ganz klar, daß der Reformator Luther und seine Mitstreiter dasselbe Schicksal erlitten hätten wie ihre Vorgänger, wenn der Herr nicht den mächtigen Arm der römischen Kirche zurückgehalten hätte. Leo X, der damalige Papst, besaß sozusagen unbeschränkte Macht über alle regierenden Fürsten Europas. Und so groß war die Furcht vor seiner schrecklichen Gewalt, daß es kein König gewagt hätte, sich gegen seine Dekrete aufzulehnen.
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Wie wunderbar offenbarte sich die göttliche Vorsehung im Leben Luthers! Er war der Sohn eines Bergmannes; vom weltlichen Standpunkt aus somit einer der Letzten, der für ein solches Werk geeignet sein mochte. Aber Gottes Wege bei der Auswahl seiner Werkzeuge sind nicht von Menschenart. Die großen Wahrheiten, die Luther verkündigen sollte, mußten zuerst in seinem eigenen Leben herausgearbeitet und zur Gestaltung gebracht werden. Aufgrund eines Gelübdes in Todesgefahr trat er gegen den Willen seines Vaters im Jahre 1505 bei den Augustiner-Eremiten zu Erfurt in ein strenges Klosterleben ein. Dort erhielt er auch nach eifrigem Studium die Priesterweihe und den Doktorgrad. Er lebte dieses Leben in überstrenger Askese und Buße.
Ihn quälte die Frage nach dem g n ä d i g e n Gott, der ihm in Gestalt der Beicht-, Buß- und Sündenlehre nur als ein f o r d e r n d e r Gott gegenübertrat. Diesem Problem ständig nachgehend, ergab sich ihm aus der Schrift eine Rechtfertigungslehre, deren grundsätzlich neuer Ansatz ihm aus den Worten in Röm.1:17 deutlich wurde.
Die Erkenntnis, daß Gott den Sünder nicht ständig niederdrückt in seiner Sündhaftigkeit durch die Forderung unbedingter Gerechtigkeit, (die er ja nicht erfüllen kann!), sondern ihn aus Gnaden rechtfertigt durch den Glauben an das sündentilgende Opfer Seines geliebten Sohnes, war für Luther der erlösende Lichtstrahl in seinem Leben.
Die Kritik, die sich für ihn daraus an der Buß- und Beichtlehre, insbesondere aber an der Ablaßpraxis der römischen Kirche ergab, veröffentlichte er in Form von fünfundneunzig Thesen, die er 1517 an der Kirchentür zu Wittenberg anbrachte. Erst in den sich daran anschließenden Disputationen erkannte er die weitreichenden Konsequenzen seiner Einsicht, die ihn in Gegnerschaft zu den Grundfesten der bestehenden Kirche führte.
Wir wollen hier keine Lebensbeschreibung Luthers und der anderen Reformatoren bringen. Darüber gibt es genug einschlägige Literatur. Aber, daß Luthers tiefe Glaubenserkenntnis und sein unerschütterlicher Mut, diese seine Erleuchtung zu vertreten und zu verbreiten, eine ganz neue Freiheit einleitete, muß gesagt werden.
Luthers Bibelübersetzung in die deutsche Sprache, einhergehend mit der um 1430 erfundenen Buchdruckerkunst durch Johann Gutenberg, war ein Werk von unermeßlicher Tragweite. Nun wurde das Evangelium Jesu Christi frei für jedes Haus - frei von den Fesseln der lateinischen Sprache, die dem einfachen Volk unverständlich war.
Die Reformationszeit war die große Zeit des Buchdruckes und der Predigt. Nie zuvor wurde in Deutschland so viel gedruckt und gelesen, nie zuvor so intensiv der Verkündigung des Wortes Gottes gelauscht. Die in der volkstümlichen Sprache abgefaßten reformatorischen Schriften riß man sich sozusagen aus den Händen. Nur durch diese und natürlich durch die Predigt konnten die Menschen in verständlicher Form, ohne kirchlichen Einfluß, Auskunft über das wahre Evangelium Jesu Christi erhalten. Es wurde sogar gesagt, Gott habe die Deutschen das Druckerhandwerk nur zum Zweck der Reformation erfinden lassen.
Fortsetzung in der nächsten Ausgabe