„Ein jeder aber sei in seinem eigenen Sinne völlig überzeugt“
- Röm. 14:5

Wer klar denkt, dem ist es ein Bedürfnis und ein Genuß, in jedem Zuge der Wahrheit zu einer klaren Entscheidung zu gelangen. Und hiernach sollte auch - nach des Apostels Forderung - ein jegliches Glied der Herauswahl für sich selbst ringen - in seinem eigenen Sinne!

Es ist jedoch ein allgemeiner Fehler, zu versuchen, das, was dem einzelnen gilt, auf eine Versammlung anzuwenden; mit anderen Worten: zu versuchen, daß alle von den gleichen Voraussetzungen aus zu den gleichen Schlüssen gelangen; daß das Wort des Herrn von einem wie vom anderen genau gleich verstanden wird.

Natürlich wünschen wir - und das mit Recht - daß wir alle „Auge in Auge“ sehen. Aber es ist vernunftswidrig zu erwarten, daß dies der Fall sein wird, weil wir alle aus der Vollkommenheit des Leibes und des Geistes gefallen sind, und zwar in verschiedenen Richtungen. Aus der Beobachtung ergibt sich, daß - wo immer mehrere beisammen sind - auch die Auffassungen verschieden sind. Auch die Unterschiedlichkeit der Erziehung und des Bildungsgrades erschwert oder verhindert die absolute Einheitlichkeit der Ansichten.

Aber fordert nicht der Apostel, daß wir alle einerlei gesinnt seien? Sagt er nicht, daß wir alle von Gott gelehrt sein werden, so daß wir alle den „Geist eines gesunden Sinnes“ erhalten? Ermuntert er uns nicht, zu hoffen, daß wir in der Gnade und Erkenntnis wachsen? Ermahnt er uns nicht, einander aufzuerbauen in unserem allerheiligsten Glauben?

Gewiß; dies ist so. Aber andererseits sagt der Apostel nicht, daß diese Ziele im Verlauf einer Zusammenkunft erreicht werden. Im Volke Gottes gibt es nicht allein verschieden entwickelte Sinne, Unterschiede der Erfahrung, Erziehung und Bildung, sondern auch Altersunterschiede der Neuen Schöpfungen. Die einen sind noch Kindlein in Christo, während andere bereits Jünglinge oder gereifte Nachfolger des Herrn sind. Darum dürfen wir uns nicht wundern, wenn einige langsamer verstehen als andere, und daher mehr Zeit brauchen, ehe sie hinsichtlich einiger „Tiefen Gottes“ zu einer völligen Überzeugung in ihrem eigenen Sinne gelangen.

Zuerst müssen sie die Grundelemente erfassen: Daß wir Sünder sind, daß uns Jesus Christus für den Preis der Hingabe seines menschlichen Lebens erkauft hat, und daß wir jetzt in der Schule Christi sind. Es muß uns klar sein, daß keiner in diese Schule eintreten kann, er habe denn sein „Alles“ dem Herrn übergeben.  D i e s e  Einzelheiten müssen  a l l e  sehen und glauben, wenn sie in der Neuen Schöpfung auch nur als „Säuglinge“ anerkannt werden können. Aber wir bedürfen alle der Geduld einer dem anderen gegenüber, der Verträglichkeit in bezug auf die Eigentümlichkeiten eines jeden, der  L i e b e  f ü r  d i e  B r ü d e r,  die eine jegliche Gnadengabe des Geistes mehrt und sie dem Vollmaß näher und näher bringt.

Da dies so ist, werden alle Fragen, Antworten oder Bemerkungen in den Zusammenkünften, an denen sich verschiedene beteiligen, am besten an den Leitenden gerichtet, da sie allen Anwesenden (nicht nur einem einzelnen oder einem Teil der Anwesenden) Nutzen bringen sollen. Wer seine Sache gesagt hat, soll die anderen ruhig anhören und nicht meinen, er habe auf alles zu erwidern und seine Meinung nochmals kundzutun. Es muß dem Herrn zugetraut werden, daß durch Seine Fügung und Führung offenbar werde, was wahr und was richtig ist. Niemand sollte alle dazu zwingen wollen, in allen Einzelheiten genau gleich zu sein wie er selbst, oder wie die Mehrheit es sieht. „Im Wesentlichen einig, im Unwesentlichen verträglich“ - sei die Losung!

Dennoch sind wir ganz damit einverstanden, daß jeder Zug der Wahrheit seine Wichtigkeit hat, daß auch die kleinste Beirrung schädlich ist und daß das Volk Gottes um Einheitlichkeit in der Erkenntnis beten und kämpfen sollte. Aber diese Einheit mit Gewalt erreichen zu können, dürfen wir nicht erhoffen.  E i n h e i t  i n  d e n  g r u n d l e g e n d e n  A n s c h a u u n g e n  i s t  d a s  W e s e n t l i c h e !  Wo diese besteht, dürfen wir dem Herrn schon vertrauen, daß er alle - Schritt für Schritt so wie es ein jeder bedarf, weiter fuhren wird.

C.T.R.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung